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Die Wirksamkeit tiergestützer (pädagogischer) Interventionen ist durch zahlreiche Studien (national und international) belegt. Gerade für den Einsatz von Schulhunden lassen sich positive Effekte nennen, deren unmittelbarer Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung für das Lernen und die Entwicklung von Schülerinnen und Schülern mit intellektueller Beeinträchtigung nutzbar gemacht werden kann. Forschungsbasiert und unterrichtsorientiert werden die Grundlagen und Effekte tiergestützter Interventionen (TGI) sowie die Eckpunkte der Ausbildung des Mensch-Hund-Teams jeweils ergänzt mit spezifischen Hinweisen für den sonderpädagogischen Schwerpunkt geistige Entwicklung (SGE) beschrieben Dann wird die Entwicklung und Umsetzung des Schulhundkonzeptes unter Einbezug genuin sonderpädagogische Überlegungen dargestellt. Auf dieser Grundlage werden methodische und organisatorische Hilfestellungen ausgewiesen (Hygiene, Tierschutz, Raumfragen und Ruhezonen, Kommunikation, Unterrichtsgestaltung) denen sich konkrete Hinweise mit methodischen Hilfen für den SGE anschließen (Regeln Schulhund, Materialien, Basale Zugänge, UK). Die didaktischen Perspektiven für die Fächer (u. a. Mathematik, Deutsch, Sachunterricht) und Lernfelder im SGE (u. a. Kommunikation/Kooperation, Wahrnehmung/Selbstversorgung sowie Psychomotorik, Sport und Bewegung) werden mit konkreten Anregungen für die Unterrichtspraxis entfaltet.
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Cover
Titelei
Vorwort der Reihenherausgeber
Zur Praxisreihe
Zu diesem Band
Vorwort
1 Tiergestützte Interventionen (TGI) – Grundlagen
1.1 Begriffe und Definitionen
1.2 Effekte und Mechanismen
1.2.1 Allgemeine Effekte von Mensch-Tier-Interaktion (MTI)
1.2.2 Effekte von Schulhunden
1.2.3 Effekte von Lesen mit Hund
1.3 Mechanismen und Erklärungsansätze
1.3.1 Biophilie
1.3.2 Aktivierung des Oxytocinsystems
1.3.3 Soziale Unterstützung
1.3.4 Bindung
1.3.5 Verbal-symbolisches System und Erfahrungssystem
1.3.6 Motivation
1.3.7 Optimale Aktivierung
1.3.8 Neurodidaktik
2 Ausbildung
2.1 Rahmenbedingungen
2.1.1 Angebote von Schulhund-Ausbildungen
2.1.2 Organisatorische Fragen vor Ausbildungsbeginn
2.2 Eignung des Hundes und berufspraktische Erfahrungen der Lehrkraft
2.2.1 Fokus Hund
2.2.2 Fokus Lehrkraft
2.3 Ausbildung mit Fokus SGE
2.3.1 Grundlagen hundegestützter Interventionen
2.3.2 Hundespezifisches Fachwissen
2.3.3 Praktische Ausbildung
2.3.4 Prüfung des Teams
2.3.5 Risiken des Einsatzes von Schulhunden
3 Konzept Schulhund
3.1 Rechtlicher Rahmen
3.2 Organisationen und Vereinigungen
3.3 Unterstützungssysteme und Beratung
3.3.1 Deutschland
3.3.2 Schweiz
3.3.3 Österreich
3.3.4 Handlungsoptionen für den SGE
3.4 Konzept Schulhund
3.5 Implementation
3.6 Selbstverpflichtung
3.7 Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung
3.7.1 Planungsqualität (Konzeption)
3.7.2 Strukturqualität (Voraussetzungen und Bedingungen)
3.7.3 Prozessqualität (Beschreibung und Dokumentation)
3.7.4 Ergebnisqualität (Evaluation)
4 Methodik und Organisation
4.1 Kommunikation und Dialog mit den Eltern
4.2 Hygiene
4.3 Tierschutz
4.3.1 Ganztagsschule
4.3.2 Nahrungsgabe (Leckerchen im schulischen Einsatz)
4.3.3 Schülerinnen und Schüler im SGE
4.3.4 Erste Hilfe beim Hund
4.4 Raumfragen und Ruhezonen
4.5 Stundenplan- und Unterrichtsgestaltung
4.6 Methodische Überlegungen
4.6.1 Regeln zum Umgang mit dem Schulhund
4.6.2 Adaption und Materialentwicklung
4.6.3 Basale Zugänge
4.6.4 Unterstützte Kommunikation und Leichte Sprache
5 Didaktische Perspektiven
5.1 Curricularer Rahmen
5.2 Fachorientierung
5.2.1 Deutsch
5.2.2 Mathematik
5.2.3 Sachunterricht
5.3 Lernfelder
5.3.1 Kommunikation und Kooperation
5.3.2 Wahrnehmung und Selbstversorgung
5.3.3 Psychomotorik, Sport und Spiel
5.4 Wandertage und Klassenfahrten
6 Abschied nehmen – Trauern können
6.1 Endlichkeit und Trauer
6.2 Beobachtung und Reflexion
6.3 Beispiele Trauerarbeit
Literatur
Internet
Abkürzungsverzeichnis
Register
Schule und Unterricht bei intellektueller Beeinträchtigung
Herausgegeben von Dr. Holger Schäfer und Dr. Lars MohrBand 11
Der Autor und die Autorinnen
Dr. Holger Schäfer ist Förderschulrektor und Schulleiter (SGE) sowie Lehrbeauftragter am Institut für Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Er ist Beiratsmitglied und Mitherausgeber der Fachzeitschrift LERNEN KONKRET.Kontakt: [email protected]
Karin Schönhofen, Erzieherin und Heilpädagogin, Klassenleiterin in einer Primarstufenklasse (SGE) und ständiges Mitglied im AK Schulhund des Pädagogischen Landesinstitutes Rheinland-Pfalz.Kontakt: [email protected]
Prof. Dr. habil. Andrea Beetz, Professur für Heilpädagogik und Inklusionspädgaogik an der IU Internationalen Hochschule (mit einem Schwerpunkt zu tiergestützten Interventionen). Präsidentin der International Society for Animal Assisted Therapy ISAAT (www.isaat.org).
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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1. Auflage 2023
Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:ISBN 978-3-17-043393-9
E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-043394-6epub:ISBN 978-3-17-043395-3
Dr. phil. Holger Schäfer (*1974) ist Förderschulrektor und Schulleiter (SGE) sowie Lehrbeauftragter am Institut für Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Er ist Beiratsmitglied und Mitherausgeber der Fachzeitschrift LERNEN KONKRET.Kontakt: [email protected]
Dr. phil. Lars Mohr (*1976) ist Sonderpädagoge und Dozent am Institut für Behinderung und Partizipation der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH) sowie Lehrbeauftragter am Departement für Sonderpädagogik der Universität Fribourg.Kontakt: [email protected]
Die Praxisreihe Schule und Unterricht bei intellektueller Beeinträchtigung beschäftigt sich
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mit zentralen didaktischen und methodischen Fragestellungen der Unterrichtsgestaltung,
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angemessenen Möglichkeiten eines pädagogischen, interdisziplinären Zugangs und konkreter Intervention
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sowie organisatorischen und strukturellen Aufgabenstellungen der Schulentwicklung im Kontext intellektueller Beeinträchtigung.
Die praxisnahen Anregungen berücksichtigen pädagogische und unterrichtliche Belange sowohl in Förderschulen als auch in einem inklusiven Setting unter den jeweiligen Bedingungen.
Die Autorinnen und Autoren sind tätig in der Aus- und Weiterbildung für Lehrpersonen bzw. für Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen und ausgewiesene Expertinnen und Experten in ihrem Fachbereich. Sie verfügen über Praxiserfahrungen und stellen das jeweilige Themenfeld in einem kompakten Bild ausbildungswirksam sowie mit konkreten unterrichtspraktischen Bezügen dar.
Die Ausführungen sind grundsätzlich bundeslandübergreifend, beziehen Erfahrungen aus dem deutschsprachigen Raum ein und orientieren sich an den aktuellen erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen. Nationaler wie auch internationaler Forschungsstand finden Berücksichtigung.
Als besondere Hinweise werden neben wichtigen Definitionen und Begrifflichkeiten auch Exkurse als in sich geschlossene Abschweifungen und Literaturempfehlungen sowie Hinweise und Beispiele aus der Praxis grafisch hervorgehoben:
kennzeichnet Definitionen und Begriffsklärungen.
deutet auf Praxisbezüge und weiterführende Ideen hin.
verweist auf weiterführende Literatur.
bietet Links zu Quellen im Internet (zuletzt geprüft am 03. 03. 2023).
Die Praxisreihe möchte eine Lücke schließen in der Grundlagenliteratur für die Aus- und Weiterbildung im Studium und Referendariat sowie für die Kolleginnen und Kollegen in der Praxis, denen nun in einer stringenten methodischen Aufarbeitung die zentralen Themenfelder für die Gestaltung von Unterricht und die Schulentwicklung im sonderpädagogischen Schwerpunkt Geistige Entwicklung (SGE) kompakt und aus einem Guss zur Verfügung stehen.
Dabei ist uns bewusst, dass in der Pädagogik für Schülerinnen und Schüler im SGE eine Vielfalt an Begriffen herrscht, die der Bezeichnung des Personenkreises dienen sollen. Man spricht und schreibt etwa von Lernenden mit kognitiver Beeinträchtigung, mit (zugeschriebener) geistiger Behinderung oder mit Lernschwierigkeiten (um nur wenige Beispiele zu nennen). In unserer Buchreihe kommen zudem Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Regionen und Ländern zu Wort, mit entsprechend unterschiedlichen Formulierungsneigungen.1 Wir haben uns mit ihnen dankenswerterweise auf eine einheitliche Begriffsverwendung verständigen können: Im vorliegenden wie in den übrigen Bänden ist die Rede von Kindern und Jugendlichen im »sonderpädagogischen Schwerpunkt Geistige Entwicklung (SGE)« oder – angelehnt an den internationalen Sprachgebrauch – »mit intellektueller Beeinträchtigung«. Demgemäß haben wir auch der Buchreihe als Ganze den Titel »Schule und Unterricht bei intellektueller Beeinträchtigung« gegeben.
Folgende Bände sind im Erscheinen bzw. in Vorbereitung:
1.
Wirtschaft-Arbeit-Technik (Isabelle Penning)
2.
Konzepte, Verfahren, Methoden (Hans Jürgen Pitsch & Ingeborg Thümmel)
3.
Unterricht bei komplexer Behinderung (Thomas Loscher & Lars Mohr) (Hrsg.)
4.
Wahrnehmungsförderung (Erhard Fischer)
5.
Unterstützte Kommunikation (Melanie Willke & Karen Ling)
6.
Herausforderndes Verhalten (Lars Mohr & Alex Neuhauser)
7.
Planung und Gestaltung von Unterricht (Ariane Bühler & Albin Dietrich)
8.
Diagnostik (Frauke Janz & Stefanie Köb)
9.
Psychische Störungen (Pia Bienstein)
10.
Autismus (Remi Frei)
11.
Praxiswissen Schulhund (Holger Schäfer, Karin Schönhofen & Andrea Beetz)
12.
Sport & Bewegung (Christiane Reuter) (Hrsg.)
Weitere Hinweise zur Praxisreihe unter www.Kohlhammer.de
Unterricht im sonderpädagogischen Schwerpunkt Geistige Entwicklung (SGE) zeichnet sich in vielen Bereichen insbesondere durch unmittelbare, erfahrungsbezogene und emotionale Zugänge aus, die gerade durch die in Kapitel 1 (▸ Kap. 1) gezeigten positiven Effekte Tiergestützter Interventionen (TGI) ermöglicht und unterstützt werden können. Hervorzuheben sind hier die in diesem Kontext erstmals einbezogenen neurodidaktischen Prinzipien der Lehr-Lern-Forschung (Arnold 2020), die die Wirkmechanismen von TGI auch für den Unterricht im SGE herausarbeiten.
Dass diese Mechanismen und positiven Effekte jedoch nicht isoliert für sich stehen können, sondern konzeptionell unter Beachtung der schulrechtlichen Rahmenbedingungen und der Vorgaben des Tierschutzes eingebunden sein müssen in ein professionelles Verständnis von Aus- und Weiterbildung des Schulhund-Lehrkraft-Teams (▸ Kap. 2) arbeitet der Band mit Hinweisen zur Konzeptentwicklung Schulhund (▸ Kap. 3) und mit methodischen und organisatorischen Hinweisen mit einem spezifischen Blick auf die individuellen Bedarfe der Schülerinnen und Schüler im SGE sehr praxisorientiert heraus (▸ Kap. 4).
Besonders hervorzuheben ist über die Kapitel hinweg der intentionale Zuschnitt der Schulhundarbeit, den die Autorinnen und der Autor mit diesem Band verfolgen und den sie in Kapitel 5 sowohl an den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht, den Lernfeldern Kommunikation und Kooperation, Wahrnehmung und Selbstversorgung sowie Psychomotorik, Sport und Spiel ausrichten. Die zahlreichen Praxisbeispiele wirken hierbei anregend und geben Impulse für die Umsetzung in der eigenen Klasse, damit der Schulhund nicht nur mit seiner Anwesenheit wirkt, sondern darüber hinaus durch den unmittelbaren Einbezug in das Unterrichtsgeschehen lernwirksam mitarbeiten kann (▸ Kap. 5).
Der Band schließt mit den Arbeiten aus dem Themenheft LERNEN KONKRET (Schäfer & Beetz 2022) zum Abschiednehmen vom Schulhund sowie Trauerarbeit und gibt mit dem Beobachtungsbogen eine konkrete veterinärmedizinische Hilfestellung für den Umgang mit alternden Hunden im schnelllebigen Schulalltag (▸ Kap. 6).
Die Darstellungen dieses Bandes zeichnen sich aus durch eine kontinuierliche Anbindung an sowohl fachliche Bedingungen der TGI (insbesondere Effekte und Tierschutz) als auch schulfachliche Grundlagen im SGE (Didaktik, Methodik). Diese Ausführungen sind orientiert an den aktuellen schulrechtlichen Vorgaben und adressieren an alle Schülerinnen und Schüler im SGE – unabhängig der Schwere der Beeinträchtigung. So bieten die Autorinnen und der Autor eine geeignete Standortbestimmung für einen professionellen Schulhundeinsatz im SGE, der sowohl das Wohlergehen des Hundes als auch den Bildungsanspruch der Schülerinnen und Schüler im SGE zu berücksichtigen weiß.
Bernkastel-Kues und Zürich im Frühling 2023Dr. Holger Schäfer & Dr. Lars Mohr (Hrsg.)
1Wir sprechen in unserer Praxisreihe immer von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern, weitere Geschlechter bitten wir mitzulesen und gedanklich einzubeziehen. Auch in diesem Kontext konnten wir uns dankenswerterweise mit dem Verlag sowie den Autorinnen und Autoren der Praxisreihe auf eine lesbare Form verständigen.
Zahlreiche nationale wie internationale Studien belegen die Wirksamkeit tiergestützter Interventionen. Für den Einsatz von Schulhunden lassen sich positive Effekte nennen, deren unmittelbarer Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung gerade für das Lernen und die Entwicklung von Schülerinnen und Schülern mit intellektueller Beeinträchtigung nutzbar gemacht werden kann.
Aus einer forschungsbasierten sowie unterrichtspraktischen Perspektive heraus beschreibt das erste Kapitel des Bandes (▸ Kap. 1) die wesentlichen Grundlagen und Wirkmechanismen Tiergestützter Interventionen (TGI). Daran anschließend werden mit dem Verständnis einer professionellen Ausbildung des Mensch-Hund-Teams die Eckpunkte der Ausbildung angeführt (Eignung des Hundes und die Profession der Hundeführerin) und hierzu spezifische Hinweise für den sonderpädagogischen Schwerpunkt geistige Entwicklung (SGE) gegeben (▸Kap. 2). Auf diese Grundlagen beziehen sich die weiteren Ausführungen und stellen die Konzeptentwicklung und dessen Implementation aus schulpraktischer Sicht vor (▸ Kap. 3). Hierbei beziehen sie genuin sonderpädagogische Überlegungen ein, geben Hinweise zu landesspezifischen Unterstützungssystemen und führen Eckpunkte der sogenannten Selbstverpflichtung sowie Merkmale von Evaluation und Qualitätssicherung an.
Daran anschließend werden methodische und organisatorische Hilfestellungen ausgewiesen u. a. zur Hygiene, zum Tierschutz, zu Raumfragen und Ruhezonen, zur Kommunikation mit den Eltern sowie zur Stundenplan- und Unterrichtsgestaltung (Lernende, Klasse, Schule, Hund). Ergänzt werden die Hinweise mit methodischen Hilfen für den SGE (Regeln Schulhund, Materialien, Basale Zugänge und Unterstützte Kommunikation) (▸ Kap. 4). Die didaktischen Perspektiven für die Fächer (u. a. Mathematik, Deutsch, Sachunterricht) und Lernfelder im SGE (u. a. Kommunikation/Kooperation, Wahrnehmung/Selbstversorgung sowie Psychomotorik, Sport und Bewegung) werden im darauffolgenden Kapitel mit konkreten Anregungen und zahlreichen Beispielen für die Unterrichtspraxis entfaltet (▸ Kap. 5).
Der Band schließt (gerade für den Einsatz auch schon älterer Hunde) mit dem Kapitel »Abschied nehmen – Trauern können« und beschreibt mit dem Beobachtungs- und Reflexionsbogen ein geeignetes Instrumentarium (im Interesse des Tierwohls und zugleich als Prophylaxe unerwarteter Reaktionen alternder Hunde durch Überforderung), auch dieses noch nicht so breit ausgearbeitete Themenfeld der Endlichkeit mit Beispielen zur Trauerarbeit im Kontext SGE angemessen einbinden zu können (▸ Kap. 6).
Wir hoffen, mit den systematischen Darstellungen einen umfassenden und guten Überblick zu geben über die vielfältigen Herausforderungen sowie Handlungsoptionen der Schulhundarbeit in Schule und Unterricht bei Kindern und Jugendlichen mit intellektueller Beeinträchtigung. Dem Kohlhammer-Verlag Stuttgart und Herrn Dr. Klaus-Peter Burkarth gilt an dieser Stelle unser Dank für die uneingeschränkte Unterstützung dieses Bandes von Beginn an ebenso der Kollegin Meike Heyer für die wichtigen konzeptionellen Hinweise zur Ausbildung von Mensch-Hund-Teams. Für die Durchsicht des Manuskripts mit wichtigen Hinweisen danken wir unserer Hundetrainerin Susanne Feuerer.
Der Band »Praxiswissen Schulhund« für den sonderpädagogischen Schwerpunkt Geistige Entwicklung erscheint in Kooperation mit dem BTI (Bundesverband Tiergestützte Interventionen e.V.), dem VSHS (Verein Schulhunde Schweiz) und der ISAAT (International Society for Animal Assisted Therapy).
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein gutes Gelingen und viel Freude beim Einsatz des eigenen Hundes im Feld der Schulpädagogik bei intellektueller Beeinträchtigung, das durch den Einbezug hundgestützter Interventionen um einen weiteren wirksamen und für die Kinder und Jugendlichen ansprechenden Baustein bereichert werden kann.
Bernkastel-Kues und Erlangen im Frühling 2023Dr. Holger Schäfer, Karin Schönhofen & Prof. Dr. Andrea Beetz
Die Idee, Tiere in der medizinischen Behandlung und pädagogisch-therapeutischen Betreuung von Menschen einzusetzen, ist nicht neu. Bereits im 9. Jahrhundert banden Familien gezielt Tiere in die Betreuung von Familienmitgliedern mit Behinderungen ein, und im 18. Jahrhundert setzen Quäker im York Retreat auf die Versorgung von Tieren, um psychisch kranke Personen zu unterstützen (Turner, Wohlfarth & Beetz 2021). Einen Anstoß für die heute weit verbreiteten sogenannten Tiergestützten Interventionen (TGI) gaben die Publikationen des US-amerikanischen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten Boris Levinson (1962) und des Ehepaars Sam Corson und Elisabet O'Leary Corson (1978) – sie berichteten erstmals über positive Auswirkungen der Anwesenheit eines Hundes auf die therapeutische Beziehung und Offenheit für Kommunikation bei Klienten in der Psychotherapie. Gegen Ende der 1980er Jahre etablierten sich als erste Form tiergestützter Interventionen im deutschsprachigen Bereich erste Hundebesuchsdienste in Seniorenheimen. Tiere, insbesondere Hunde, auch in der Pädagogik einzusetzen (nicht nur als Anschauungsobjekte im Biologieunterricht) erfolgte dann in den 1990er Jahren. Wobei das heilpädagogische Voltigieren in der Förderung von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten oder anderen Behinderungen sich bereits ab den 1970er Jahren in Deutschland entwickelte (Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten, o. J.).
Doch dass eine Lehrkraft ihren Hund regelmäßig in die Klasse, ins Schulgebäude, mitbringt, mit ihm arbeitet, um pädagogische Zielsetzungen zu verfolgen, war noch vor 20 Jahren eher eine große Ausnahme. Einzelkämpferinnen setzten ihre »eigenwillige Idee« mit Unterstützung von Eltern, interessierten Schulleitungen und begeisterten Schülerinnen und Schülern durch. Doch mit den Jahren, dem Austausch von Gleichgesinnten und einer stetig wachsenden Zahl von Studien, welche das Potential von Tieren in tiergestützten Interventionen dokumentierten, etablierte sich die Schulhundarbeit im deutschsprachigen Raum immer mehr. Heute gibt es schätzungsweise über 1000 Schulhunde in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Beetz 2021a). Um das Thema »Schulhund« und relevante Begriffe besser einordnen zu können, werden im Folgenden einige Definitionen vorgestellt.
Schulhunde sind eine Form von Tiergestützter Pädagogik (TGP), welche wiederum eine Form von TGI darstellt. Auch wenn im Laufe der Jahre verschiedene Begriffe verwendet wurden, sind die heute etablierten Begriffe durch das Weißbuch der International Association of Human-Animal Interaction Organizations (IAHAIO) definiert:
Tiergestützte Intervention (TGI)Eine Tiergestützte Intervention ist eine zielgerichtete und strukturierte Intervention, die bewusst Tiere in den Bereichen Gesundheitswesen, Pädagogik und Sozialwesen (bspw. Soziale Arbeit) einbezieht und integriert, um therapeutische Verbesserungen bei Menschen zu erreichen. Tiergestützte Interventionen sind formale Ansätze, bei denen Teams von Mensch und Tier im Gesundheits- und Sozialwesen einbezogen werden und umfassen Tiergestützte Therapie (TGT), Tiergestützte Pädagogik (TGP), Tiergestütztes Coaching (TGC), unter bestimmten Voraussetzungen auch Tiergestützte Aktivitäten (TGA). Solche Interventionen sollten anhand eines interdisziplinären Ansatzes entwickelt und durchgeführt werden (▸ Kap. 2) (IAHAIO Weißbuch 2014/2018).
Tiergestützte Pädagogik (auch: Tiergestützte Erziehung)Tiergestützte Pädagogik (TGP) ist eine zielgerichtete, geplante und strukturierte Intervention, die von professionellen Pädagoginnen und Pädagogen oder gleich qualifizierten Personen angeleitet und/oder durchgeführt wird. TGP wird von durch einen einschlägigen Abschluss in allgemeiner Pädagogik oder Sonderpädagogik ausgebildeten Lehrpersonen im Einzel- oder Gruppensetting durchgeführt. Ein Beispiel für Tiergestützte Pädagogik durch einen Schulpädagogen sind Tierbesuche, die zu verantwortungsbewusster Tierhaltung erziehen sollen. Von einem Sonder- oder Heilpädagogen durchgeführte TGP wird auch als therapeutische und zielgerichtete Intervention angesehen.
Der Fokus der Aktivitäten liegt auf akademischen Zielen, auf pro-sozialen Fertigkeiten und kognitiven Funktionen. Fortschritte der Schüler werden gemessen und dokumentiert. Die Fachkraft, welche TGP durchführt, einschließlich der regulären Lehrkraft (oder des Betreuers der Tiere unter Supervision dieser Fachkraft), muss adäquate Kenntnisse über das Verhalten, die Bedürfnisse, die Gesundheit und die Indikatoren und die Regulation von Stress der beteiligten Tiere besitzen (IAHAIO, 2014/2018).
Während obige Definitionen Tätigkeiten bzw. Einsatzfelder beschreiben, beziehen sich folgende Definitionen auf das Tier, welches diese bestimmte Form der Tiergestützten Pädagogik, den Einsatz von Schulhunden, charakterisiert:
Der Schulhund (Präsenzhund)Der Schulhund verbringt regelmäßig eine gewisse Zeit im Klassenraum und im Unterricht. Er wird von einer für den pädagogischen Hundeeinsatz ausgebildeten Lehrperson geführt. Der Hund ist speziell auf seine Eignung getestet, entsprechend ausgebildet und wird regelmäßig im Einsatzort Schule überprüft. Zu den wichtigsten pädagogischen Zielsetzungen des Einsatzes von Schulhunden zählt ihr Beitrag zur Verbesserung des sozialen Gefüges in der Klasse, der Schüler-Lehrer-Beziehung, des Klassenklimas und der individuellen sozialen Kompetenz der Schüler.
(Schul-)BesuchshundeBesuchshunde (auch Schulbesuchshunde) besuchen Schulklassen ein- oder mehrmals stundenweise. Sie werden von einer für den pädagogischen Hundeeinsatz ausgebildeten, externen Begleitperson geführt. Die Tiere sind ebenfalls auf ihre Eignung getestet, entsprechend ausgebildet und werden regelmäßig überprüft. Zu den Zielsetzungen gehört die altersgerechte Wissensvermittlung über Hunde (adäquate Haltung, Pflege, Kosten und Ausbildung, insbesondere Ausdrucksformen wie Körpersprache, Lautäußerungen) sowie über Tierschutzanliegen (z. B. tiergerechte Erziehung, Tierquälerei, Qualzucht u. ä.) (Beetz 2021a).
Es finden sich unter anderem Bezeichnungen wie »Schulbegleithund« (s. www.schulhundweb.de), äquivalent zu verwenden wie der Begriff Schulhund, und der Begriff »HuPäsch« als Abkürzung für »Hundgestützte Pädagogik in Schulen« (Agsten 2020), welcher jedoch wenig verbreitet ist. Im Kontext der hundegestützten Pädagogik gibt es zudem den sogenannten Lesehund. Kinder, die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, lesen in wenig strukturierten Settings, in der Schule, Bibliotheken, Nachmittagsbetreuung, solch einem Lesehund vor, um das Lesen zu üben, also bereits vorhandene Lesekompetenzen zu verfestigen. Auch die gezielte hundegestützte Leseförderung existiert (Beetz & Heyer 2014) und wird oft mit einem Schulhund im Rahmen sonderpädagogischer Förderung durchgeführt. Im Feld TGI kommen immer wieder neue Wortschöpfungen vor – für Kommunikation und Forschung ist es jedoch sinnvoll, sich an den genannten etablierten Begriffen (Schulhund) und Definitionen zu orientieren (s. o.).
Heute existiert eine große Anzahl an Studien, die positive Effekte von Kontakt mit Tieren oder Heimtierhaltung für den Menschen dokumentieren. Nur vereinzelt dagegen widmeten sich Studien den Effekten von Schulhunden, etwas mehr den Effekten von Lesen mit Hund. Im Folgenden werden kurz die in mehreren wissenschaftlichen Studien belegten Effekte von Mensch-Tier-Interaktion (MTI) vorgestellt, da diese Effekte potenziell auch im Kontext Schulhund eine Rolle spielen. Danach werden die Befunde zu Schulhund und Lesehund vorgestellt, bevor Erklärungsansätze und Mechanismen, die den Effekten zugrunde liegen können, im nächsten Abschnitt berichtet werden.
Bei den dokumentierten Effekten ist zu beachten, dass diese überwiegend unter Idealbedingungen erzielt wurden. Im Rahmen einer Studie werden beispielsweise die Tiere nach besonderen Kriterien ausgewählt, was in der Praxis der TGI häufig nicht in diesem Ausmaß der Fall ist. So werden oft Tiere aus eher praktischen Überlegungen heraus eingesetzt, wie »jetzt habe ich dieses Tier dafür angeschafft, und es funktioniert schon (irgendwie)«, oder Setting und Einsatzart sind deutlich variabler als in einer Studie, so dass möglicherweise nicht alle Effekte bei allen Beteiligten zu beobachten sind. In der Forschung werden oft streng kontrollierte Experimente verwendet. Praxisstudien dagegen sind schwieriger, es gibt viele nicht kontrollierbare Variablen, die die Ergebnisse beeinflussen können. Es geht bei den berichteten Effekten also eher um das Potential an Effekten, das Tiere in Bezug auf Menschen haben können – nicht in jeder tiergestützten Intervention wird man diese Effekte erzielen. Zudem wurde der Großteil der Studien mit Hunden durchgeführt. Dies hat vorwiegend praktische Gründe, da Hunde sich am einfachsten in Labor- bzw. experimentellen Settings gezielt anleiten lassen. Einige Befunde basieren auch auf Interaktionen mit Pferden oder Kleintieren wie Meerschweinchen.
Das Effektspektrum von MTI lässt sich in Effekte auf physiologischer/neurobiologischer, psychologischer und sozialer Ebene einteilen (vgl. ausführlich hierzu Beetz, Wohlfarth & Kotrschal 2021 sowie Beetz et al. 2012).
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Physiologische sowie neurobiologische Effekte von MTI sind:
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Reduktion und Abpuffern von stressbezogenen Reaktionen: Reduktion von Herzfrequenz, Blutdruck und Spiegel des Stresshormons Kortisol
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Förderung von Entspannung: Erhöhung der Herzratenvariabilität
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Steigerung des Spiegels des Hormons Oxytocin
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verlängerter Zeitraum der Durchblutung des präfrontalen Kortex während eines Aufmerksamkeitstests.
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Zu den sozialen Effekten von MTI zählen:
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Reduktion von Aggression
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Förderung von sozialer Aufmerksamkeit und Interaktion, inklusive verbaler und nonverbaler positiver Kommunikation
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Förderung von Vertrauen.
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Folgende Effekte von MTI auf die Psyche des Menschen wurden dokumentiert:
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Reduktion von Angst und subjektivem Stress
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Reduktion des Schmerzempfindens
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Reduktion von Depressivität und Förderung einer positiven Stimmung
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Förderung von Aufmerksamkeit, Konzentration und Motivation.
Ruhige, freundliche und für den Menschen ungefährliche Tiere in der Nähe, aber insbesondere der Körperkontakt zu ihnen über Streicheln, reduzieren auch Angst, Stress und Schmerzen, z. B. nach Operationen. Tiere fördern eine neutrale bis positive Stimmung. In leistungsbezogenen Kontexten erfüllten Lernende in Vorschule und Schule Aufgaben zügiger, fehlerfreier, konzentrierter und aufmerksamer, wenn ein Hund dabei involviert war. Dies weist zudem auf eine gesteigerte Motivation hin, die den Personen so jedoch nicht bewusst ist. So steigerte die Einbindung eines Hundes in sportliche Aufgaben für Kinder mit Übergewicht deren gesamte Aktivität im Programm, ohne dass diese mehr Anstrengung berichteten (Wohlfarth et al. 2013).
Zudem legen einige Studien zum Heimtierbesitz nahe, dass sich das Aufwachsen mit Heimtieren, insbesondere Hunden, positiv auf soziale Kompetenz und Empathie auswirken könnte. Jedoch können dahingehende Effekte kaum von den Effekten der Eltern wie ihres Erziehungsstils und ihrer Förderung sozio-emotionaler Kompetenzen unterschieden werden. Des Weiteren wirkt sich die Heimtierhaltung positiv auf die körperliche Gesundheit von Menschen aus. Kardiovaskuläre Erkrankungen werden positiv beeinflusst, ebenso wie Schlaf und allgemeine Gesundheit.
Bisherige Forschung erfasste immer nur Effekte eines Schulhundes bei einer Klasse. Größer angelegte Studien fehlen leider bis heute. Für eine detailliertere Übersicht siehe Beetz (2021a). Hergovich et al. (2002) erfassten Effekte der 3-monatigen Anwesenheit von Schulhunden auf eine Klasse von Erstklässlern über standardisierte Tests und die subjektive Einschätzung der Lehrkraft. Zum Vergleich wurden diese Daten auch bei einer Parallelklasse ohne Schulhund erhoben. Während keine Effekte auf soziale Intelligenz und Soziabilität zu erkennen waren, gaben die Lehrkräfte an, dass die Kinder in der Schulhundklasse besser integriert waren. Außerdem wurden in der Schulhundklasse das soziale Klima und Freude am Schulbesuch besser eingestuft und ein Rückgang aggressiven Verhaltens einiger Schüler berichtet. Verhaltensbeobachtungen in derselben Klasse (Kotrschal & Ortbauer 2003) dokumentierten, dass die Lernenden mehr im Kontakt mit Mitschülerinnen und Mitschülern waren, der Lehrerin mehr Aufmerksamkeit entgegenbrachten und weniger aggressiv waren, wenn ein Schulhund anwesend war.
Während in der oben beschriebenen Studie täglich einer von drei Schulhunden der Klassenlehrerin anwesend war, beschränkte sich die Anwesenheit des Schulhundes in der folgenden Studie auf einen Vormittag pro Woche. Untersucht wurde eine dritte Klasse einer Grundschule im Vergleich zu einer Parallelklasse ohne Schulhund zu Schuljahresbeginn, nach einem Schulhalbjahr und zum Ende des Schuljahres. Mittels standardisierter Fragebögen wurden folgende Faktoren erfasst: Einstellung zur Schule, Lernfreude, Anstrengungsbereitschaft, soziale Integration, Klassenklima, Angenommensein, Strategien zur Emotionsregulation und Selbstkonzept. Die Kinder der Schulhundeklasse wiesen am Schuljahresende im Vergleich zur Kontrollklasse mehr Freude am Lernen und eine positivere Einstellung zur Schule auf. Mit Vorsicht zu interpretieren sind bei beiden genannten Studien die Vergleiche mit den Parallelklassen, da hier unterschiedliche Klassenlehrkräfte unterrichteten, die sicher auch maßgeblich die untersuchten Faktoren beeinflussen können. Daher sind Vergleiche innerhalb einer Klasse und objektive Beobachtungen an Tagen mit und ohne Schulhund oder vor dem Schulhundeinsatz im Vergleich zu einigen Monaten mit Anwesenheit eines Schulhundes immer aussagekräftiger.
Zu hundegestützten Interventionen für Kinder mit intellektueller Beeinträchtigung liegen für den unterrichtlichen Kontext kaum Studien vor, jedoch einige (außerschulische) Experimente zu Interaktionen von Kindern mit intellektueller Beeinträchtigung und Hunden.
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In ihrer Studie über Verhalten von Kindern mit Down-Syndrom im Kontakt mit einem Hund im Kontrast zu einem Spielzeughund fanden Limond, Bradshaw & Cormack (1997) heraus, dass die Kinder mit Down-Syndrom positiver und kooperativer auf eine Person mit Hund als mit Stoffhund reagierten und auf den Hund selbst positiver zugingen.
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In einer Evaluation einer hundegestützten Intervention für Kinder aus dem Autismus-Spektrum und Kinder mit Down-Syndrom dokumentierten Griffioen et al. (2020) folgende Verhaltensweisen. Die Kinder aus dem Autismus-Spektrum erreichten gegen Ende der Sitzungen mehr Synchronizität im Verhalten mit dem Hund als die Kinder mit Down-Syndrom. Jedoch steigerten sich beide Gruppen in ihrer Verhaltenssynchronizität mit dem Hund, d. h. die Kinder und der Hund stellten synchrone (gut aufeinander abgestimmte) Interaktionen her.
Zudem existieren noch die folgenden Studien zu hundegestützter Pädagogik mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in unterschiedlichen schulischen bzw. sonderpädagogischen Schwerpunkten.
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In einer inklusiven Klasse beobachtete die Klassenlehrkraft ein deutlich positiveres Verhalten bei einem von vier Kindern mit Förderbedarf an den Tagen, an denen ein Schulhund anwesend war (Kirnan, Shah & Lauletti 2020).
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In einer Klasse mit sechs Schülerinnen und Schülern mit emotionalen Störungen trug nach Einschätzung der Lehrkräfte und Eltern der Einsatz eines Schulhundes zur emotionalen Stabilität der Lernenden und Reduktion emotionaler Krisen bei. Zudem verbesserte sich die Einstellung der Schülerinnen und Schüler zur Schule und es ergaben sich gute Möglichkeiten, Verantwortung, Respekt und Empathie zu fördern (Anderson & Olson 2006).
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Meints et al. (2022) untersuchten den Effekt einer hundegestützten Intervention auf den Stresspegel von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (einschließlich SGE) an sonderpädagogisch ausgerichteten Schulen im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern an Regelschulen. Stress wurde bei den acht- bis neunjährigen Schülerinnen und Schülern über den Spiegel des Stresshormons Kortisol im Speichel gemessen. Als Vergleichsbedingungen dienten Schülerinnen und Schüler, die entweder an keiner Intervention teilnahmen oder einer Entspannungsgruppe zugeordnet wurden. Zweimal pro Woche für je 20 Minuten über vier Wochen hinweg wurden die Interventionen durchgeführt. Es zeigten sich signifikant niedrigere Kortisolspiegel nach der Interventionszeit bei der Gruppe mit Hund im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen. Dies galt für Schülerinnen und Schüler beider Schulformen, also mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf (Meints et al. 2022).
Zum Lesen mit Hund gibt es deutlich mehr Studien, die positive Effekte belegen, als zum Schulhundeeinsatz im Allgemeinen. Dies ist unter anderem damit zu erklären, dass hier eine konkrete Leistung wie verschiedene Fertigkeiten der Lesekompetenz (bspw. Worterfassen, Lesegeschwindigkeit) mit standardisierten Verfahren einfach zu messen sind. In Experimenten, in denen Kinder einmal mit und einmal ohne Hund lasen, sowie Evaluationen von längerfristig angelegten Leseprogrammen mit Hund zeigten sich folgende Effekte (Heyer & Beetz 2014):
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im Durchschnitt weniger Stress beim Lesen (gemessen über Kortisol und Verhaltensbeobachtungen)
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bessere Aktivierung bzw. höhere Motivation
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Verbesserung in der Leseleistung.
Weitere Effekte wurden im Rahmen einer Evaluation einer hundegestützten Leseförderung dokumentiert. Im Gegensatz zum Lesen mit Hund wird hierbei wöchentlich in Kleingruppen von vier bis fünf Schülerinnen und Schülern von einem Sonderpädagogen eine Förderstunde zur Lesekompetenz abgehalten, in der auch Grundlagen wie Lauterkennung, Graphem-Phonem-Korrespondenzen, Lesestrategien, Wort-, Satz- und Textverständnis mittels verschiedener Methoden eingeübt werden. Die Leseförderung mit Hund führte im Vergleich zur Leseförderung ohne Hund bei Kindern im Grundschulalter nach 12 Wochen zu einer Verbesserung der Lesekompetenz, einer besseren Einstellung zum Lesen, höheren Lesemotivation sowie Transfereffekten in die Gesamtklasse. Die mit Hund geförderten Schülerinnen und Schüler berichteten ein besseres Klassenklima, mehr Freude am Lernen sowie ein gesteigertes Gefühl des Angenommenseins durch Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitschülerinnen und Mitschüler (Beetz & Heyer 2014).
Obwohl es heute immer mehr Studien zu Effekten von tiergestützten Interventionen, auch tiergestützter Pädagogik gibt, so besteht jedoch noch viel Forschungsbedarf auch hinsichtlich der Effekte von MTI im Kontext von Schule und Unterricht bei intellektueller Beeinträchtigung. Grundsätzlich ungeklärt sind Fragen wie:
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»Wieviel Zeit muss ein Schulhund mit den Schülerinnen und Schülern verbringen, um positive Effekte zu haben?«
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»Wieso funktioniert hundegestützte Pädagogik manchmal besser als Pädagogik ohne Hund, obwohl doch die Lehrkräfte gut ausgebildet und motiviert sind?«
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»Können Schulhunde auch die akademische Leistung von Schülerinnen und Schülern verbessern?«
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»Warum kann ein Schulhund die sozialen Interaktionen in der Klasse positiv beeinflussen?«.
Um Hypothesen zur Beantwortung dieser Fragen aufzustellen, bedarf es Theorien bzw. Erklärungsansätze für die bereits gefundenen positiven Effekte. Im tiergestützten Bereich gibt es nicht nur »die eine Theorie«, die alles erklären kann. Es werden eher verschiedene Theorien und Mechanismen herangezogen, um bestimmte Effekte oder ein Wirkspektrum zu erklären. Dabei kann man jedoch die verschiedenen Erklärungsansätze auch verbinden und in ein umfassenderes Modell integrieren (vgl. hierzu Julius et al. 2014).
Im Folgenden werden einige Erklärungsansätze vorgestellt, die für die Arbeit mit Schulhunden und ein Verständnis für mögliche Effekte und damit auch didaktisch-methodische Herangehensweisen relevant sind. Einschätzungen aus der Praxis deuten darauf hin, dass diese oben genannten Effekte sowie deren Erklärungsansätze auch für Schülerinnen und Schüler mit intellektueller Beeinträchtigung reklamiert werden können. Insbesondere solche methodischen Zugänge, die an Bindung und Motivation adressieren, wirken sich positiv auf das schulische Lernen von Schülerinnen und Schülern im SGE aus. Zu den wesentlichen Erklärungsansätzen zählen (▸ Kap. 1.3.1 bis ▸ Kap. 1.3.6)
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die Biophilie-Hypothese und der Biophilie-Effekt
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die Aktivierung des Oxytocinsystems
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die soziale Unterstützung
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Bindung und Fürsorge
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die Entwicklung von Balance zwischen verbal-symbolischem System und dem Erfahrungssystem
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sowie Tiere als Motivatoren.
Darauf aufbauend werden für soziales und schulisches Lernen weitere wichtige Lernvoraussetzungen genannt, nämlich die optimale Aktivierung der Lernenden (▸ Kap. 1.3.7) sowie weitere wichtige Faktoren für Lernerfolg basierend auf neurodidaktischen Erkenntnissen (▸ Kap. 1.3.8).
Bereits 1984 postulierte Wilson, dass Menschen biophil seien. Als Biophilie bezeichnete er die Affinität zu Leben und lebensähnlichen und lebensermöglichenden Prozessen. Das schließt die belebte Natur und die unbelebte Natur ein, die jedoch Leben ermöglicht. Zur belebten Natur zählen Tiere und Pflanzen, zur unbelebten Natur bspw. Umgebungen mit Wasser oder grünen Wiesen. Biophilie beschreibt dabei eine Hinwendung zu Tieren und Natur, die auf verschiedene Arten stattfinden kann: Bezugnahme kann in Form von Liebe, Wunsch nach Nähe, Bewunderung ästhetischer Aspekte, aber auch Ekel, Angst oder der Wunsch nach Dominieren oder Nutzung von Natur auftreten (Kellert & Wilson 1995). In jedem Fall jedoch schenken Menschen Tieren in ihrer Umgebung Aufmerksamkeit und bei bestimmten, von ihnen als attraktiv wahrgenommenen Spezies möchten sie auch Kontakt aufnehmen.
Biophilie hat sich wahrscheinlich im Zuge der Evolution entwickelt. Im Lauf der Menschheitsgeschichte lebten Menschen immer als Teil der Natur und in engem Kontakt mit Tieren. Auf Phänomene in der Natur zu achten, wie Wetteränderung, Warnzeichen für Erdbeben, Tsunamis, oder auch auf Tiere, die solche Gefahren oder Raubtiere anzeigen konnten oder die als Nahrung dienen oder gefährlich sein konnten, ergab einen Überlebensvorteil für den Menschen. Damit wurde Biophilie Teil des menschlichen Erbes und kann schon bei Babys und bis ins hohe Alter hinein beobachtet werden. Babys sind beispielsweise mehr an Tieren interessiert als an unbelebten Gegenständen und schenken natürlicher Bewegung mehr Aufmerksamkeit als mechanischer Bewegung (DeLoache et al. 2011).
Menschen nehmen Tiere jedoch nicht immer bewusst in ihrer Umgebung wahr, oft geschieht dies eher vorbewusst. Doch auch ohne dass dies bewusst abläuft, wirken ruhige, entspannte und freundliche Tiere in der Umgebung beruhigend auf die anwesenden Menschen. Dieser Entspannungseffekt