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Martin Luthers wichtigste Predigten sind hier zusammengefasst in einem Band.
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Seitenzahl: 861
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Predigten durch ein Jahr
Martin Luther
Inhalt:
Martin Luther – Biografie und Bibliografie
Predigten durch ein Jahr
Am Sonntag Trinitatis
Am zweiten Sonntag nach Trinitatis
Am dritten Sonntag nach Trinitatis
Am vierten Sonntag nach Trinitatis
Am fünften Sonntag nach Trinitatis
Am sechsten Sonntag nach Trinitatis
Am siebenten Sonntag nach Trinitatis
Am achten Sonntag nach Trinitatis
Am neunten Sonntag nach Trinitatis
Am zehnten Sonntag nach Trinitatis
Am 11. Sonntag nach Trinitatis
Am 12. Sonntag nach Trinitatis
Am 13. Sonntag nach Trinitatis
Am 14. Sonntag nach Trinitatis
Am 15. Sonntag nach Trinitatis
Am 16. Sonntag nach Trinitatis
Am 17. Sonntag nach Trinitatis
Am 18. Sonntag nach Trinitatis
Am 19. Sonntag nach Trinitatis
Am 20. Sonntag nach Trinitatis
Am 21. Sonntag nach Trinitatis
Am 22. Sonntag nach Trinitatis
Am 23. Sonntag nach Trinitatis
Am 24. Sonntag nach Trinitatis
Am ersten Sonntag des Advents
Am zweiten Sonntag des Advents
Am dritten Sonntag des Advents
Am vierten Sonntag des Advents
Am Heiligen Christtag
Am 1. Weihnachtstag
Am 2. Weihnachtstag
Am Sonntag nach Weihnachten
Am Neujahrstag
Epiphanias
Sonntag nach Epiphanias
Am zweiten Sonntag nach Epiphanias
Am dritten Sonntag nach Epiphanias
Am Sonntag Laetare
Am Sonntag Septuagesimä
Am Sonntag Estomihi
Am Sonntag Invocavit
ANHANG: Das Kirchenjahr
Predigten durch ein Jahr, Martin Luther
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849610111
www.jazzybee-verlag.de
Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com
Reformator Deutschlands, geb. 10. Nov. 1483 in Eisleben, gest. daselbst 18. Febr. 1546. Seine Vorfahren gehörten dem freien Bauernstand an. Die Sitte der Erbteilung trieb seinen Vater Hans L. (gest. 1530) von Möhra bei Eisenach in das Mansfeldische, wo er dem Bergbau oblag. In dem Städtchen Mansfeld, unweit Eisleben, verlebte L. seine Jugend, von Vater und Mutter (Margarete Ziegler, gest. 1531) fromm und streng, ja hart erzogen. 1497 wurde er nach Magdeburg, 1499 nach Eisenach zur Schule geschickt, an beiden Orten darauf angewiesen, sein Brot durch Kurrendesingen zu erwerben, bis er im Hause der trefflichen Frau Ursula Cotta (gest. 1511) eine Unterkunft fand. Seine Gaben entfalteten sich jetzt kräftig, und als er 1501 die Universität Erfurt bezog, unterstützte ihn auch sein Vater, nach dessen Wünschen er Rechtsgelehrter werden sollte, »vom Segen seines löblichen Bergguts«. Nach damaliger Sitte begann L., ehe er sich der Brotwissenschaft zuwandte, mit Studien allgemeiner Art und eignete sich rasch die nötigen Bedingungen der Disputierkunst, Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit, an. Zugleich lernte er die lateinischen Klassiker kennen und trat in nahe Beziehungen zu den Vertretern des in Erfurt blühenden Humanismus, wie Crotus Rubianus (s. d.) und Johannes Lang. Er erwarb sich 1502 das philosophische Bakkalaureat, 1505 die Magisterwürde; aber zu einer ernsten Beschäftigung mit der Bibel, die er damals zuerst auf der Universitätsbibliothek kennen lernte, kam es noch nicht.
Ein »Schrecken vom Himmel«, der ihn bei Gelegenheit eines Gewitters 2. Juli 1505 überfiel, brachte einen keimenden Entschluß zur Reise. Er trat zur Überraschung seiner Freunde 17. Juli 1505 in das Augustinerkloster zu Erfurt, legte das Gelübde ab und empfing 2. Mai 1507 die Priesterweihe. Erst bei dieser Gelegenheit sah er seinen Vater wieder. Nur allmählich und widerstrebend fand sich der alte Luther in den Schritt, den sein Sohn getan. Dieser hatte einstweilen im Kloster Gelegenheit gehabt, recht »fromm« zu werden, wonach schon längst sein Sinn gestanden. Aber die ersehnte Ruhe stellte sich nicht bei ihm ein, geschweige denn das Bewußtsein eines hohen Verdienstes. Zwar warf er sich in der Angst vor dem Zorn Gottes mit leidenschaftlicher Hingebung in ein Leben voll Entsagung, Pein und Buße, und anfangs ist ihm auch kein niederer Dienst erspart geblieben, während er gleichzeitig seine Studien mit dem entschlossensten Eifer wieder aufnahm. In der Einsamkeit seiner Zelle aber durchlebte L. Momente tiefer Schwermut und Verzweiflung. Den Faden, der ihn endlich zum Licht emporleitete, legte ihm ein alter Klosterbruder in die Hand, der ihn einfach auf den Artikel von der Sündenvergebung verwies. Auch der Ordensprovinzial Staupitz (s. d.) half dem erwachenden Bewußtsein von der Gnade nach. Dazu kam, daß das Studium der Schrift allmählich über die scholastische Theologie, die L. in ihrer spätmittelalterlichen Gestalt erfaßt hatte, den Sieg davontrug. Sein ganzes späteres Sein und Wirken ruht auf diesem innern Prozeß, in dem sich sein Verhältnis zu Gott festgestellt hat, und was er so errungen, sollte er auch nicht lange für sich allein besitzen. Es war Staupitz, der ihn 1508 an die neue Universität nach Wittenberg brachte. Hier las er zuerst über Aristoteles, ward dann 1509 biblischer Bakkalaureus und im Oktober 1512 Doktor der Theologie, nachdem er wahrscheinlich vom Herbst 1509 bis Ostern 1511 wieder in Erfurt gewirkt und im Spätjahr 1510 oder 1511 im Auftrag des Augustinerordens eine Reise nach Rom gemacht hatte. Aber keineswegs regte sich, wie in Hutten, in ihm der Gedanke, Rom zu bekämpfen. Dazu war er nach seinem eignen Geständnis »noch zu jung«. Zu Anfang 1512 kehrte er als treuer Sohn der Kirche nach Deutschland zurück und bewahrte die Verehrung für die römische Kirche, den Glauben an ihre unbedingte Autorität noch lange, als er bereits sachlich in Widerspruch mit derselben getreten war. Fortgesetzte Studien in den Paulinischen Briefen, über die er jetzt als Doktor der Theologie (18. Okt. 1512) auch Vorlesungen hielt, außerdem aber auch in den Schriften Augustins, Taulers und Gansforts (s. d.) sowie in der »deutschen Theologie« hatten schon um 1516 seinem theologischen Bewußtsein jenes eigentümliche, ausschließlich auf die nur dem Glauben sich darbietende, unverdiente Gnade Gottes in Christus konzentrierte Gepräge gegeben, das ihm alle Prämissen zu seiner reformatorischen Wirksamkeit lieferte. Schon jetzt predigte er nicht bloß in der Klosterkirche, sondern auch in der städtischen Pfarrkirche in dieser Richtung, die er, 1515 zum Distriktsvikar der Augustinerkonvente in Meißen und Thüringen erwählt, auch seinem Orden mitzuteilen suchte, daher der letztere im Streit mit Tetzel alsbald auf seine Seite trat.
Es war der von Tetzel (s. d.) auf die Spitze getriebene Mißbrauch des Ablasses (s. d.), der L. auf das Kampffeld rief. Während der Ablaßkrämer in unmittelbarer Nähe Wittenbergs, in Jüterbog, seine Bude aufgeschlagen hatte, feierte man 1. Nov. 1517 die Kirchweihe der Schloßkirche in Wittenberg. Es war Sitte, solche Tage auch durch Publikationen zu verherrlichen, die an der Kirchtür angeschlagen wurden. So tat am Vorabende des Festes L. Der einfache Inhalt seiner 95 Thesen (beste Ausgabe von Köhler, Leipz. 1903) läuft hinaus auf die Unterscheidung des Begriffs der Buße im biblischen Sinn als eines innern, sittlichen Vorganges von dem kirchlichen System der Leistungen und Bürgschaften. Der Erfolg der Thesen überraschte ihn selbst. »Dieselben liefen schier in 14 Tagen durch ganz Deutschland, denn alle Welt klagte über das Ablaß.« Schon mit Beginn des Jahres 1518 ruft der Zensor aller im römischen Gebiet erscheinenden Bücher, Silvester Prierias, die unbedingte Autorität des Papstes gegen Luthers Sätze ins Feld. Jetzt richtete sich L. auf die bisher nicht geahnte Möglichkeit ein, zum Ketzer gestempelt zu werden. Am 26. April verteidigte er in Heidelberg. wohin ihn ein Augustinerkonvent geführt hatte, die Hauptsätze des Augustinismus. Im August erfolgte die Vorladung nach Rom. Indessen kam es nur 13.–15. Okt. zu einem Gespräch mit dem päpstlichen Legaten Cajetan (s. d.) in Augsburg, wobei L. den von ihm geforderten einfachen Widerruf verweigerte, dafür aber sich berief »vom übel berichteten Papst auf den besser zu berichtenden«. Eine Appellation an ein Konzil folgte im November von Wittenberg aus nach. Gleichwohl vermochte ihn im Januar 1519 der päpstliche Kammerherr Karl v. Miltitz in Altenburg zu einer Art von Waffenstillstand zu bewegen. Diesen hat zuerst der päpstliche Theolog Johann von Eck (s. d. 2) gebrochen, der schon seit einem Jahr in einer literarischen Fehde mit Karlstadt (s. d.) begriffen war. So wurde nun vom 27. Juni bis 16. Juli in Leipzig disputiert, zwischen Eck und Karlstadt über die Lehre vom freien Willen, zwischen Eck und L. über den Primat des Papstes; aus diesem scholastischen Streit ist der volle Gegensatz der kirchlichen Prinzipien erwachsen. L. nahm in Leipzig die ihm von Eck aufgedrängte Solidarität mit der Sache von Johann Hus wenigstens teilweise an und behauptete, daß selbst ein großes Konzil wie das Konstanzer irren könne. Damit war der Bruch mit dem katholischen Kirchenwesen im Grundsatz erfolgt; kühn schritt nun L. fort zur Lehre vom Priestertum aller Gläubigen, von der christlichen Freiheit, vom Rechte der christlichen Subjektivität. Eine ungemein fruchtbare schriftstellerische Tätigkeit hatte er schon im Jahr zuvor begonnen und setzte sie unermüdlich fort. Unter den neuen Forderungen erscheint jetzt auch das Abendmahl unter beiderlei Gestalt für die Laien. Daß die Kirche notwendig ein irdisches Haupt haben müsse, ward in der Schrift »Von dem Papsttum zu Rom« 1520 geleugnet, während L. gleichzeitig auch mit so entschiedenen Feinden Roms wie Hutten in Verbindung trat. Da erschien die päpstliche Bulle vom 15. Juni, in der 41 Sätze aus Luthers Schriften für ketzerisch erklärt, ihm selbst eine Frist von 60 Tagen zum Widerruf gestellt wurde. Zur selben Zeit hatte aber auch L. die gesamte Tragweite der neuen Ideen, die ihn erfüllten, entwickelt und alle Folgerungen aus dem neuen Prinzip öffentlich vorgetragen in den schon im Sommer erschienenen großen reformatorischen Schriften: »An den christlichen Adel deutscher Nation, von des christlichen Standes Besserung« und »Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche«. Dazu kam noch der Traktat »Von der Freiheit eines Christenmenschen« als Gegengabe auf die Bulle, die er 10. Dez. nebst den päpstlichen Dekretalen einem vor dem Elstertor in Wittenberg angezündeten Feuer übergab. Von jenen drei Hauptschriften aber ruft die erste die Christenheit zum Kampf wider die Anmaßungen des Papstes und des Standes, der allein für den geistlichen gehalten sein will; die zweite zerstört die geistlichen Bande, womit jener Stand mit seinen Gnadenmitteln die Seelen knechtet; die dritte weist in dem unmittelbaren Verhältnis, in dem der an Christus Gläubige zu Gott steht, den tiefsten Grund seiner Ruhe und Seligkeit nach. Eine Schrift: »Wider die Bulle des Endchrists«, schließt die schriftstellerische Wirksamkeit für dieses Entscheidungsjahr ab, und eine ausführliche Widerlegung der Bulle leitet die Ereignisse von 1521 ein: die eigentliche Bannbulle 3. Jan. 1521, die Vorladung vor Kaiser und Reich, die Abreise von Wittenberg 2. April, Ankunft in Worms 16. April, sein zweimaliges Erscheinen vor dem Reichstag, 17. und 18. April, endigend mit mutiger Ablehnung des geforderten Widerrufs. »Gott helf' mir!« rief er noch im Reichstag; »ich bin hindurch!«, als er wieder in der Herberge ankam. Am 26. April verließ er Worms; 4. Mai wurde er auf Veranstalten seines bisherigen Beschützers, des Kurfürsten Friedrich des Weisen von Sachsen, von verkappten Reitern überfallen und auf die Wartburg geführt, wo er, für die Welt nicht mehr existierend, als »Junker Georg« bis 1. März 1522 lebte. Die Reichsacht war 26. Mai 1521 über ihn ausgesprochen worden. Er aber überraschte von seinem unbekannten »Patmos« aus die Welt mit neuen Flugschriften, belehrte über das Wesen der Beichte, eiferte gegen Privatmessen, geistliche und Klostergelübde, schrieb seine »Deutsche Postille« und begann im Dezember 1521 die deutsche Bibelübersetzung. Einstweilen war in Wittenberg Karlstadt als praktischer Reformator aufgetreten; wie er gegen den Zölibat, so eiferten reformfreundliche Ordensgenossen Luthers, nachdem sie das Augustinerkloster verlassen hatten, Gabriel Didymus an der Spitze, gegen das Meßopfer. Das Spätjahr brachte mit andern Neuerungen auch das Abendmahl unter beiderlei Gestalt, ganz zuletzt aber auch die Zwickauer Propheten; Karlstadt wurde zuerst mit fortgerissen, Melanchthon, seit August 1518 Luthers Kollege, schwankte; dem Kurfürsten wuchsen die Dinge über den Kopf. Im Februar 1522 kam es zum Bildersturm.
Da brach L., jeglichem Radikalismus feind, eigenmächtig von der Wartburg auf, traf 6. März in Wittenberg ein und beschwor den Sturm, acht Tage lang predigend, von der Kanzel aus. Seitdem war er unbedingt Herr der Lage, die Fanatiker räumten das Feld. Von neuem wurde die Sache der Reformation durch die Erhebung Sickingens und der Reichsritterschaft 1522 gefährdet, die, obwohl sie in ihrer eignen Sache das Schwert zogen, sich doch den Schein gaben, als wollten sie »dem Evangelio eine Öffnung machen«. L. hatte sich aber dem ihm sonst befreundeten Sickingen, der 1523 den Tod fand, nicht angeschlossen. Schlug er in der Schrift: »Ermahnung an alle Christen, sich zu hüten vor Aufruhr und Empörung« (im Dezember 1521) einen beruhigenden Ton an, so rief er doch wiederholt dieselben Christen zur Selbsthilfe auf: »Von weltlicher Obrigkeit und wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei« (im Januar 1523); »Daß eine christliche Versammlung oder Gemeinde das Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen: Grund und Ursach aus der Schrift« (Ostern 1523). Vornehmlich aber entwickelte er jetzt jene mit der innern Freiheit beginnende, nach außen nur allmählich, aber sicher fortschreitende reformatorische Tätigkeit, die im Laufe der 1520er Jahre zuerst Gottesdienst, Kirchenlied und Sakramentsfeier, bald auch Schule und Kirchenverfassung umfaßte und so bezeichnend ist für seine Weise im Gegensatz zu der Reformation in der Schweiz. Hierher gehören die Schriften: »Von Ordnung des Gottesdienstes in der Gemeinde« (1523); »Formula missae« (1523); »Greuel der Stillmesse« (1524); der »Ausruf an die Bürgermeister und Ratsherren der Städte in deutschen Landen« (1524) und das erste »Deutsche Gesangbuch« (1524). Die wertvollste Gabe an das Volk aber war und blieb die deutsche Bibel: das Neue Testament war schon im September 1522 (daher Septemberbibel genannt), das Alte 1534 vollendet. Sein Streit mit den Papisten, der ihm 1522 auch zu einer groben Schrift gegen Heinrich VIII. von England Veranlassung gegeben, trug ihm schließlich die Feindschaft des Erasmus (s. d.) ein, gegen dessen Schrift »De libero arbitrio« (1524) L. im Sinne der strengsten Prädestination sein Werk »De servo arbitrio« im Dezember 1525 verfaßte. Dasselbe Jahr 1525 brachte mit dem Bauernkrieg auch gänzlichen Bruch mit Karlstadt, der Partei Münzers und der Wiedertäufer. Im Januar erschien die Schrift »Wider die himmlischen Propheten«, konservativ in Sachen der Bilderfrage und des Abendmahldogmas, hinsichtlich dessen schon damals der Gegensatz zwischen ihm einerseits, Karlstadt und den Schweizern anderseits zutage trat. Dem Bauernaufstand hat er im Thüringischen die eigne Person, aber auch zwei Schriften entgegengestellt: »Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel« und, als dies nichts half, »Wider die räuberischen und mörderischen Bauern«. Nachdem er schon 1524 die Mönchskutte abgelegt, trat er 13. Juni 1525 in die Ehe mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora (s. d.).
In den nächsten Jahren gestaltete sich nun unter Luthers unmittelbarem Einfluß in fester und dauerhafter Weise die Organisation der neuen Kirche in Sachsen: zunächst der Kultus durch seine »Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes« (1526); dann war er vom Oktober 1528 bis Januar 1530 persönlich bei dem Werk der Kirchenvisitation tätig, durch welche die neue Kirche erst recht in die Erscheinung trat. Zwischenhinein erschienen im Januar 1529 der »Große« und einige Monate später der »Kleine Katechismus«, ein Werk, das im Verein mit Luthers Liedern (»Ein' feste Burg« etc.) die Grundlage der protestantischen Volkserziehung für Jahrhunderte geworden ist. Dasselbe Jahr brachte auch den endgültigen Bruch mit den Schweizern. Nicht bloß die bekannte Differenz bezüglich des Abendmahls, dessen Bedeutung und Wert sich L. nur mit Hilfe von aus der katholischen Scholastik überkommenen Vorstellungsformen gegenständlich machen konnte, trieb dazu; L. betrachtete auch voller Mißtrauen den umfassenden Plan, den Zwingli und der Landgraf von Hessen zur Vernichtung des Papsttums und des katholischen Kaisertums vermittelst einer gemeinsamen Aktion aller reformatorischen Kräfte entworfen hatten. Gleichzeitig verwarf er die Idee des bewaffneten Widerstandes und vollzog auf dem Religionsgespräch zu Marburg (1.–4. Okt. 1529) mit eigner Hand den verhängnisvollen Riß zwischen der sächsischen und der süddeutsch-schweizerischen Reformation. »Es sind keine Leute auf dem Erdreich, mit denen ich lieber wollte Eins sagen, denn mit den Wittenbergern«, sagte Zwingli. »Ihr habt einen andern Geist als wir«, entgegnete L., indem er dem reformatorischen Rivalen nur diejenige Liebe zu gewähren sich herbeiließ, die man auch den Feinden schuldig sei.
So kam es, daß schon auf dem Augsburger Reichstag 1530 die sächsischen und die oberdeutschen Stände mit getrenntem Bekenntnis auftraten. L. selbst durfte als Geächteter dort nicht erscheinen, sondern brachte die Zeit auf der Feste Koburg zu, wo ernicht bloß eine wunderbare schriftstellerische Tätigkeit entfaltete, sondern auch selbst durch Rat und Trost aller Art in den mühseligen Gang der Verhandlungen zu Augsburg eingriff. Aber die leitende Rolle teilte er in den endlosen theologischen, kirchlichen und politischen Verhandlungen der noch folgenden 15 Jahre seines Lebens nicht bloß mit den Fürsten und Staatsmännern, die sich der neuen Kirche zugewandt hatten, sondern auch mit Theologen, wie Melanchthon (s. d.). Wenn letzterer sich den Reformierten gegenüber durch tunlichste Ermäßigung der Zumutungen, die L. an sie stellte, wirkliche Verdienste erwarb, so war es doch wieder L., der manche üble Folgen dieser Nachgiebigkeit, wo Melanchthon sie auch den römischen Versuchen gegenüber bewies, abwehrte und den Fortbestand der evangelischen Freiheit wahrte. In diesem Geist schrieb L. 1537 die Schmalkaldischen Artikel und lehnte 1541 die Vermittelungsvorschläge von Regensburg und 1545 die Teilnahme am Tridentiner Konzil ab. Schweren Verdruß verursachte ihm die Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen, die er aber selbst in einem geheimen Beichtrat als geringeres Übel im Vergleich zur Hurerei gestattet habe (1539). In diesem Handel zeigte sich L. von seiner schwächsten Seite. Nicht genug, daß er auf der Eisenacher Konferenz (1540) dem Landgrafen, der sich weigerte, um die Doppelehe geheimzuhalten, »stark zu lugen« raten ließ: »ein geringe lugen zu tun, war besser dan sovil mortgeschrei auf sich zu laden«, denn »ein notlugen, ein nutzlugen, hilfflugen zu tun, wer nicht widder Gott«, sondern er erklärte sich auch in einem Brief an den Landgrafen bereit, sich selbst der Notlüge in dieser Angelegenheit bedienen zu wollen, indem er sich auf das Beispiel Christi, der da gesagt habe: der Sohn weiß von dem Tage nichts, und auf seine Stellung als Beichtvater berief, die ihm verbiete, das, was ihm gebeichtet worden, bekannt zu machen.
Abgesehen von kleinen Reisen, die ihn namentlich öfters an den Hof des Kurfürsten nach Torgau brachten, 1539 auch nach Leipzig, wo Herzog Heinrich die Reformation einführte, verblieb er jetzt meist in Wittenberg, beraten und aufgesucht von Tausenden. Dazu lebte er in unermüdlicher Sorge um seine Gemeinde, war ein eifriger und beliebter Prediger, offener und warmer Freund, mit der Welt meist auf gutem Fuße stehend und übersprudelnd von Scherz und heiterer Laune. Furcht war ihm gänzlich unbekannt. Er konnte nicht bloß ruhig das Martyrium an sich herantreten sehen, es war sogar eine gewisse Sehnsucht danach in ihm vorhanden. Der Kampf war ihm willkommen, und zwar stand er nicht bloß Menschen gegenüber, sondern überwand auch die Angst und Pein der Hölle, die seiner Meinung nach geschäftig arbeitete, seine Vernunft zu verdüstern. Wenn es so im eignen Herzen unsicher wurde, so kamen über ihn unsäglich bittere Stunden, wie er denn oft und viel über harte Anfechtung klagt. Dazu traten leibliche Übel, quälende Beschwerden, Kongestionen, Dysenterie, Steinschmerzen. Gleichwohl blieb seine Arbeitskraft ungeschmälert. Er pflegte seine Predigten, Traktate, Bekenntnisse in Einem Guß zu geben; es entstand immer ein Ganzes, wenn er zur Feder griff. So ist er der größte populäre Schriftsteller der Deutschen geworden. Mit ihm beginnt eine neue Periode in der Geschichte der deutschen Sprache, die er merkwürdig in der Gewalt hatte. Energie des Stils, Kraft der Dialektik, Pathos der Überzeugung vereinigen sich in seinen Schriften. Der durchdringende, helle Verstand der überall spricht, der warme Ton, der über alles ausgegossen ist, die hellen Lichter, die seine bewegliche Phantasie aufsetzt, die dunkeln Schlagschatten: alles zeigt, wie er mit seinem Herzblut schreibt und arbeitet bei heiterer und trüber Laune. Ja, gerade seine Streitschriften sprudeln von seinem ureigensten Geist, von einem unvergleichlichen Humor. In seiner Polemik gegen Heinrich VIII. von England und später gegen Heinrich von Braunschweig hat er wohl das Größtmögliche in Derbheit geleistet, und die mehr als bescheidene Abbitte, zu der er sich herbeiließ, sobald Aussichten vorhanden waren, den erstern für die Reformation zu gewinnen, gehört zu den entschiedenen Schwächen seines Lebens. Und dennoch hatte er recht, wenn er von sich selbst sagte: »Meine Schale mag hart sein, aber mein Kern ist weich und süß.« Das Familienleben des Mannes, der mit einer ganzen Welt und gar oft auch mit sich selbst im Kampfe lag, der übermenschliche Anstrengungen hinter sich hatte und mit Gott und dem Teufel auf persönlichem Fuße stand, war ruhig und lieblich. Gern weilt er im Kreise der Seinen; Kinder gelten ihm als der höchste Segen und das festeste Band der Liebe. Man kann nichts Schöneres lesen als jenen Brief, den er von Koburg aus an seinen Sohn Hans schrieb, nichts Rührenderes sehen als sein Verhalten am Krankenbett seines Töchterchens Magdalene. Gern öffnete er, der in spätern Jahren zu einem gewissen Wohlstand gediehen war, sein Haus den Freunden zu frohem Verkehr und den Armen zur Zuflucht. Für das Unglück hatte er ein ungemein weiches Herz. Geben war ihm eine Seligkeit. Er selbst nahm nur schwer ein Geschenk an. »Es gebührt uns nicht, Reichtum zu haben«, sprach er und lehnte auch das oft sehr hohe Honorar, das ihm die Buchhändler boten, folgerichtig bis zuletzt ab; denn mit seinem Talent zu wuchern, erschien ihm als Sünde. Sein ganzes Hauswesen war einfach eingerichtet; das Mahl würzte heitere, oft auch derbe Scherzrede, wie die »Tischreden« beweisen. Vor allem aber war er, wie auch die Gegner zuweilen anerkannten, eine gerade, ehrliche, fromme Natur. Dem gewaltigen Grundpathos seines Wesens, darin seine antirömische Mission begründet war, ist er bis zum letzten Hauche getreu geblieben. Von Steinschmerzen so gepeinigt, daß er zu sterben glaubte, empfahl er im Februar 1537 den Fürsten beständigen Haß gegen den Papst. Auch damals wiederholte er mitten unter Gebeten und Sterbenswünschen seinen Vers: »Pestis eram vivus, moriens ero mors tua, papa.« Er wollte nur noch bis Pfingsten leben, um den Papst in Druckschriften noch härter anzugreifen; aber er lebte noch fast ein Jahrzehnt, und erst 1545 erschien die gedrohte Schrift »Wider das Papsttum, vom Teufel gestiftet«, während schon das Jahr zuvor sein »Kurzes Bekenntnis vom heiligen Sakrament« bewiesen hatte, daß er auch den Reformierten gegenüber seit 20 Jahren derselbe geblieben war. Damit zerstörte er fast mutwillig die 1536 in der sogen. Wittenberger Konkordie mühsam hergestellte Eintracht mit den Oberländern. Doch soll er nach Melanchthons spätern Mitteilungen in seinem letzten Lebensjahr erkannt haben, daß er in der Sache des Abendmahls den Zwinglianern gegenüber »zu viel getan«. Der Aufenthalt in Wittenberg wurde ihm zuletzt durch das ungezügelte Treiben der Jugend so verleidet, daß er 1545 die Stadt in der Absicht verließ, sein Haus daselbst zu verkaufen. Er kehrte erst wieder nach Wittenberg zurück, als Universität und Magistrat das Versprechen gegeben, dem Ärgernis zu steuern. Sein letztes Werk sollte ein Werk der Versöhnung sein. Es galt der Einigung der Grafen von Mansfeld. Vom 23. Jan. bis 16. Febr. 1546 brachte er mit der Reise und dem Geschäft zu. In Eisleben kam er schon krank in die Herberge, und es überkam ihm eine Ahnung, daß er hier, wo er geboren sei, auch sterben werde. Dennoch predigte er viermal. Am 17. Febr. wurde er bettlägerig. Stärkungen halfen nichts; da fragten ihn, nachdem er sich Gott befohlen hatte, Doktor Jonas und Magister Coelius, ob er auf seine Lehre sterben wolle, und er gab ihnen ein festes »Ja« zur Antwort. Bald darauf, 18. Febr. 1546, starb er. Seine Leiche wurde nach Wittenberg gebracht und in der Schloßkirche beerdigt.
[Luthers Familie.]L. hinterließ außer seiner Gattin eine Tochter, Margarete (vgl. Nietzki, Margarete von Künheim, Königsb. 1900), und drei Söhne: Johann, geb. 7. Juni 1526, Rat bei den Söhnen des Kurfürsten Johann Friedrich, dann in Diensten des Herzogs Albrecht von Preußen, gest. 28. Okt. 1575 in Königsberg; Martin, geb. 7. Nov. 1531, Theolog, gest. 3. Mai 1565; Paul, geb. 28. Jan. 1533, kursächsischer Leibarzt, gest. 8. Mai 1593 in Leipzig, Stammhalter der Familie. Zwei Kinder waren vor ihm gestorben. Luthers männliche Nachkommenschaft erlosch 1759 mit Martin Gottlob L., Rechtskonsulenten in Dresden. Vgl. Nobbe, Genealogisches Hausbuch der Nachkommen Luthers (Leipz. 1871); Horbach, Die Nachkommen Luthers (das. 1896).
[Luthers Werke.]Die wichtigsten Ausgaben der Werke Luthers sind die Wittenberger Ausgabe (1539 bis 1559, 12 Bde. deutsche und 7 Bde. lateinische Schriften), die Jenaer (1555–65, 8 deutsche und 4 lateinische Bände, 2 Ergänzungsbände), die Hallesche von Walch (1740–53, 24 Bde.) und die Erlanger (von Irmischer, deutsche Schriften, 67 Bde., 1826–1857; 2. Aufl. von Enders, Frankf. a. M. 1862 ff.; lateinische Schriften, 1829–86, Bd. 1–28, dazu 3 Bände »Commentarii in Novum Testamentum«. 1843–44, und 7 Bände »Opera varii argumenti«, 1865–73). Von der im Jahr der vierten Säkularfeier 1883 begonnenen Weimarer »Kritischen Gesamtausgabe« erschienen bis 1905: Bd. 1–9,11–16,19,20,23–25,27–29. Eine treffliche Ausgabe aller wichtigern Schriften mit guten Einleitungen und Erläuterungen ist die von Buchwald, Kawerau, Köstlin u.a. (3. Aufl., Berl. 1905, 10 Bde.), die auch in kleinerer Ausgabe als »Luthers Werke für das christliche Hans« (3 Bde.) vorliegt. Eine Sammlung der kleinern Schriften erschien unter dem Titel: »Martin L. als deutscher Klassiker« (Frankf. 1871–83, 3 Bde.). Luthers »Briefe« wurden von De Wette (Berl. 1825–1828, 5 Bde.; der 6. Bd. von Seidemann, das. 1856), von Burkhardt (Leipz. 1866), von Kolde (»Analecta Lutherana«, Gotha 1883) und von Enders (Kalw 1884–1903, 10 Bde.) herausgegeben, seine »Politischen Schriften« von Mundt (Berl. 1844; neue Ausg., Leipz. 1868), seine »Kirchenpostille« von Francke (Leipz. 1844, Dresd. 1872), seine »Geistlichen Lieder« am besten von Ph. Wackernagel (Stuttg. 1856), Goedeke (Leipz. 1883) und Schleusner (Wittenb. 1892). Die »Tischreden« (ältere Gesamtausgabe der deutschen von Förstemann u. Bindseil, Berl. 1844–48, 4 Bde., der lateinischen von Bindseil, Lemgo 1863–66, 3 Bde.) haben neuerdings aus Tagebüchern und andern Aufzeichnungen von Luthers Hausfreunden wertvolle Ergänzungen erfahren. Vgl. die Nachschriften von Lauterbach (hrsg. von Seidemann, Dresd. 1872), Cordatus (von Wrampelmeyer, Halle 1885), Schlaginhauffen (von Preger, Leipz. 1888), Mathesius (von Loesche in den »Analecta Lutherana et Melanchthoniana«, Gotha 1892, und Kroker, Leipz. 1903). »Disputationen Dr. M. Luthers in den Jahren 1535 bis 1546 an der Universität Wittenberg gehalten« veröffentlichte Drews (Götting. 1895, 2 Tle.); Luthers »Sprichwörtersammlung« Thiele (Weim. 1900).
[Biographien etc.]Von bleibendem Wert ist die Lebensbeschreibung Luthers durch den zeitgenössischen Joh. Mathesius (s. d.) in 17 Predigten (Nürnb. 1566; beste Ausg. von Loesche, Prag 1898). Aus den neuern Biographien sind hervorzuheben: J. Köstlin, Martin L. Sein Leben und seine Schriften (Elberf. 1875, 2 Bde.; 5. Aufl., hrsg. von G. Kawerau, Berl. 1903; kleine Ausg., 9. Aufl., Leipz. 1891); Kolde, Martin L. (Gotha 1884–93, 2 Bde.); Berger, Martin L. in kulturgeschichtlicher Darstellung (bisher Bd. 1 u. 2, erste Hälfte, Berl. 1895–98); Hausrath, Luthers Leben (das. 1904, 2 Bde.). Volkstümlich: M. Rade (Paul Martin), Doktor Martin Luthers Leben, Taten und Meinungen (Neusalza 1883, 3 Bde.; neue Ausg., Tübing. 1901). Von kürzern Darstellungen sind die von H. Lang (Berl. 1870), G. Freytag (Leipz. 1883), M. Lenz (3. Aufl., Berl. 1897) und A. Harnack (3. Aufl., Gieß. 1901) zu erwähnen. Vgl. weiter J. Köstlin, Luthers Theologie, in ihrer geschichtlichen Entwickelung etc. (Stuttg. 1862, 2 Bde.; 2. Aufl., das. 1901); Th. Harnack, Luthers Theologie (Erlang. 1862–86, 2 Bde.); Francke, Grundzüge der Schriftsprache Luthers (Görlitz 1888).
[Katholische Polemik.]Eine umfassende Biographie vom ultramontanen Standpunkt lieferte der Konvertit Evers: »Martin L., Lebens- und Charakterbild, von ihm selbst gezeichnet« (Mainz 1883–91, 6 Bde.) Mit tiefgründiger Gelehrsamkeit versuchte H. Denifle: »L. und Luthertum in der ersten Entwickelung, quellenmäßig dargestellt« (Bd. 1, Mainz 1904; 2. umgearbeitete Aufl., das. 1904–05; dazu die Broschüre »L. in rationalistischer und christlicher Beleuchtung«, das. 1904), sowohl die neuern protestantischen Arbeiten über Luthers Werke und Leben als unwissenschaftlich wie auch den Reformator selbst als Religions- und Volksverderber zu erweisen. Aus der großen Literatur, die diesem Angriff als Antwort dienen sollte, sind zu erwähnen: R. Fester, Religionskrieg und Geschichtswissenschaft (Münch. 1904); W. Köhler, Ein Wort zu Denifles L. (Tübing. 1904); R. Seeberg, L. und Luthertum in der neuesten katholischen Beleuchtung (Leipz. 1904). Mit besonderer Vorliebe hat sich die Polemik früher mit Luthers Lebensende beschäftigt. Die Verleumdung, L. habe Selbstmord begangen (vgl. zuletzt Majunke, Luthers Lebensende, Mainz 1890), ist als durch die Schriften von Kolde (3. Aufl., Leipz. 1890), Kawerau (Barm. 1890) und dem Katholiken N. Paulus (Freiburg 1898) endgültig widerlegt zu betrachten. Aus der übrigen Kontroversliteratur vgl. Kawerau, L. und seine Gegner (in den »Würzburger Luthervorträgen«, Münch. 1903), und S. Merkle, Reformationsgeschichtliche Streitfragen (das. 1904).
[Bildnisse, Denkmäler, poetische Darstellungen, Stiftungen.]L. selbst und sein Wirken haben den bildenden Künsten und, minder glücklich, auch der Poesie vielfach zum Vorwurf gedient. Seine äußere Erscheinung ist der Nachwelt am treuesten durch seinen Zeitgenossen Lukas Cranach den Ältern überliefert worden, der schon beim Beginn des Reformationswerkes ein persönlicher Freund Luthers war und seither bis an sein Lebensende zahllose Bildnisse Luthers geliefert hat. Es sind teils Zeichnungen, die in Kupferstich und Holzschnitt vervielfältigt wurden und daher am meisten in die Massen gedrungen sind, teils Ölgemälde, die L. im Brustbild oder in ganzer Figur, bisweilen im Zusammenhang mit einer größern Komposition darstellen. Das älteste datierte Lutherbildnis Cranachs ist ein von ihm selbst ausgeführter Kupferstich von 1519, der L. in halber Figur und in der Kutte des Augustinermönchs, mit der Linken ein Buch haltend, darstellt. Ihm sind zwei ähnliche Holzschnitte von 1520 nachgebildet. Es folgen zwei Kupferstiche von 1520 und 1521, die ebenfalls L. als Mönch darstellen. Der Zeit nach zunächst kommt ein in Holzschnitt ausgeführtes Brustbild Luthers als Junker Jörg, das von Cranach eigenhändig in Holz geschnitten worden ist und auch die Jahreszahl 1522 trägt. Nachdem L. die Mönchstracht abgetan und einen schwarzen Predigertalar angelegt hatte, zeichnete und malte ihn Cranach von neuem, und diese Bilder sind, besonders seit 1526, wo ihn Cranach als Seitenstück zu dem Bildnis seiner Gattin Katharina von Bora abermals nach der Natur malte, für die folgende Zeit maßgebend für die meist handwerksmäßige Vervielfältigung. In Öl gemalte Lutherbildnisse von Cranach, seinem Sohn und seinen Schülern befinden sich in den Galerien zu Gotha, Weimar, Dresden, Leipzig, München u.a. O. (s. Tafel »Reformatoren«, die Luthers Bildnis nach Cranachs Altargemälde in der Stadtkirche zu Weimar enthält). Von den größern Kompositionen Cranachs ist die bedeutsamste das Altarbild der Stadtkirche in Wittenberg, wo L. inmitten seiner Gemeinde predigend dargestellt ist. Luthers Bildnis nach dem Tode, L. im Sterbehemd, hat Lukas Fortenagel aus Halle gemalt. Das Originalbildnis soll die Universitätsbibliothek in Leipzig besitzen, nach dem mehrere Kopien (eine in der Dresdener Galerie) angefertigt worden sind. Nach diesem Bilde scheint auch die sogen. Totenmaske Luthers gemacht zu sein, die in Gipsabgüssen verbreitet worden ist. – Das 300jährige Reformationsjubiläum von 1817 gab der Darstellung Luthers durch die bildende Kunst einen neuen Aufschwung. An der Spitze steht Schwerdgeburth in Weimar mit seinen Kupferstichen: L. auf dem Reichstage in Worms und L. im Kreise seiner Familie. Ihm folgten die Künstler der Düsseldorfer Schule C. F. Lessing (Anschlag der Thesen, L. verbrennt die päpstliche Bannbulle, Luthers Disputation mit Eck), Julius Hübner (Disputation mit Eck), August Noack (Religionsgespräch zu Marburg) und F. W. Martersteig (Einzug in Worms und Übergabe der Augsburger Konfession). In gleichem Geiste waren in neuerer Zeit tätig Gustav König (48 Reformationsbilder und Illustrationen zu Luthers Liedern, daher Lutherkönig genannt), W. Lindenschmit (der junge L. von seinen Eltern in die Klosterschule zu Erfurt gebracht, L. im Hause der Frau Cotta in Eisenach singend, L. in Rom, L. und Kardinal Cajetan), G. Spangenberg (L. im Hause der Frau Cotta, L. die Bibel übersetzend, L. als Junker Jörg, Einzug in Worms, L. im Kreise seiner Familie musizierend), A. v. Heyden (Luthers Begegnung mit Frundsberg in Worms), A. v. Werner (L. auf dem Reichstag in Worms), F. Pauwels und Paul Thumann (von beiden 14 Wandgemälde mit Szenen aus Luthers Leben auf der Wartburg). – Denkmäler befinden sich in Wittenberg (von Schadow 1821), in Worms (figurenreiches Reformationsdenkmal nach dem Entwurf von Rietschel, 1868, s. Tafel »Bildhauerkunst XVI«, Fig. 6), in Möhra (Bronzestatue von Ferd. Müller, 1861), in Eisleben (von Siemering, 1883), in Leipzig (Doppelstatue mit Melanchthon, von Schilling, 1883), in Dresden (Wiederholung der Lutherfigur vom Wormser Denkmal, 1885), in Magdeburg (von Hundrieser, 1886), in Eisenach (von Donndorf, 1895), in Berlin (großes Erzdenkmal mit acht Nebenfiguren, von Otto und Toberentz, 1895, s. Tafel »Berliner Denkmäler II «, Fig. 1) und in Hannover (von Dopmeyer, 1900).
Schon aus dem 16. Jahrh. existieren zahlreiche Dichtungen zur Verherrlichung Luthers, unter denen das Spruchgedicht des Hans Sachs »Die wittenbergisch nachtigal, die man iez höret überal« (1523) die erste Stelle einnimmt; aber es fehlte auch nicht an Verhöhnungen und Spottgedichten der Gegner, darunter Murners Dichtung »Von dem großen Lutherischen Narren« (1522; Neudruck von Kurz, Zürich 1848). In dramatischen Dichtungen wurde L. gefeiert von Andreas Hartmann (»Curriculum vitae Lutheri«, 1600) und Martin Rinckart (»Der Eislebische Ritter«, 1613; Neudruck, Halle 1883), denen sich zum ersten Jubiläum der Reformation die »Tezelomania« (1617) anschloß. Sehr schwach war die epische »Lutheriade« (1760–61) des Gottschedianers Chr. Friedrich v. Derschau. Zu Anfang des 19. Jahrh. dichtete Zacharias Werner sein später widerrufenes Drama »Martin L., oder die Weihe der Kraft« (1807), A. v. Klingemann seinen »Martin L.« (1809); zu Anfang des 20. Jahrh. Adolf Bartels »Martin L., eine dramatische Trilogie« (Münch. 1903), August Strindberg »Die Nachtigall von Wittenberg« (5. Aufl., Leipz. 1905). Das Lutherjubiläum von 1883 gab Anlaß zur Entstehung einer Gruppe von dramatischen Festspielen, sogen. Lutherspielen (von Hans Herrig, W. Henzen, Otto Devrient, A. Trümpelmann u.a.), die zum größern Teil nach Art der dramatischen Spiele des 16. Jahrh. von Volks- und Bürgerkreisen dargestellt wurden, und unter denen die Spiele von Devrient und Herrig die weiteste Verbreitung und Geltung erlangten (vgl. Erdmann, Die Lutherfestspiele, Wittenb. 1889). Versuche zu epischer Darstellung unternahmen Rudolf Hagenbach in »L. und seine Zeit« (1838) und Adolf Schults in »Martin L.« (1853). Das Gesamtleben Luthers bearbeitete K. A. Wildenhahn (1851–53) zu einem historischen Roman. Größer erscheint der Reformator zumeist, wo er in historischen Romanen als Episodenfigur auftritt, was am besten in Heinrich v. Kleists »Michael Kohlhas« (1808), weniger glücklich z. B. in G. Freytags »Marcus König« (1876) geschehen ist.
Die dritte Säkularfeier von Luthers Tod (1846) veranlaßte unter dem Namen Luther-Stiftung mehrere Stiftungen für Waisen, arme und verwahrloste Kinder, auch zur Unterstützung noch vorhandener Nachkommen aus Luthers Familie. Die vierte Säkularfeier von Luthers Geburtstag (1883) führte zur Gründung einer Allgemeinen deutschen Luther-Stiftung, die bestimmt ist, die Erziehung von Söhnen und Töchtern evangelischer Pfarrer und Lehrer zu fördern; aus dem Reste der für das Wormser Lutherdenkmal gesammelten Geldsumme wurde ein Luther-Stipendium für Theologen angelegt.
Johannes 15
Dieses ist ein sehr schönes Evangelium, in welchen wir sehen, was der richtige Weg, der gewisse Weg zum ewigen Leben ist. Es scheint aber, daß man dieses Evangelium auf diesen heiligen Tag der Dreieinigkeit billigt, daß so fein der Unterschied der Personen angezeigt ist, in dem höchsten und größten Werk das Gott mit uns armen Menschen handelt, daß er uns von Sünden frei, die recht und selig macht. Denn hier steht vom Vater, daß er die Welt geliebt und ihr seinen eingeborenen Sohn geschenkt hat. Das sind die zwei unterschiedlichen Personen, Vater und Sohn, eine jegliche mit ihren besonderen Werk. Der Vater liebt die Welt und schenkt ihr den Sohn; der Sohn läßt sich der Welt schenken, und, wie Christus hier sagt, läßt er sich wie die Schlange in der Wüste am Kreuz erhöhen, auf das alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Zu solchem Werk kommt danach die dritte Person, der heilige Geist, welcher durch das Wasser der seligen Taufe den Glauben im Herzen anzündet, wohl uns also eine Wiedergeburt zum Reiche Gottes schenkt.
Dieses ist eine sehr tröstliche Predigt, die uns ein fröhliches Herz gegen Gott machen; darin wir sehen, daß alle drei Personen, die ganze Gottheit, sich dahin wendet und damit umgeht, daß den armen, elenden Menschen wider die Sünde, dem Tod und Teufel zur Gerechtigkeit, ewigem Leben und dem Reich Gottes geholfen werde. Wie können wir denn vor Gott unserer Sünden wegen uns fürchten? Wie können wir ein böses Herz zudem haben? Wenn er uns unserer Sünde willen verdammen wollte, wie wir immer wieder uns sorgen, besonders wenn das Stündlein kommt: so würde der Vater seinen eingeborenen Sohn nicht gegeben haben, Vater und Sohn würden uns nicht zum Bad der Wiedergeburt und unter das Heiligen Geistes Flügel gefördert haben. Also ist dieser Artikel von der Dreieinigkeit auf das schönste und freundlichste hier angezeigt. Aber davon ist in der nächsten Predigt noch genug gehandelt, wollen deswegen jetzt das Evangelium von Stück zu Stück vor uns nehmen, in welchem wir hören, wie der Herr mit Nikodemus, dem Schriftgelehrten, eine lange Diskussion hat, in welcher der alte gute Mann sich ganz und gar nicht zurecht finden dann. Wir müssen zu erst erkennen, was dem Nikodemus gehindert hat, daß er gar nicht weiß, was der Herr redet und haben will.
Eine gute Sache ist es, daß Nikodemus dem Herrn nach geht, und weil er öffentlich nicht darf, geschieht dieses zur Nacht. So sehen wir an seinen Worten auch, daß er es mit dem Herrn Jesus Christus nicht übel meint, sondern sehr viel von ihm hält, ihn hält für einen besonderen Prediger, welchen Gott in die Welt gesendet und seine Lehre mit herrlichen Wunderwerken bestätigt. Solche Worte redet er nicht aus einem falschen Herzen, wie die Pharisäer, Matthäus 22,16: «Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist, und lehrest den Weg Gottes recht du.» Nein, wie es Nikodemus redet, so meint er es auch in seinem Herzen, daß unser lieber Herr Jesus Christus muß ein besonderer und teurer Lehrer sein, weil Gott mit so trefflichen Wunderzeichen seine Lehre bestätigt.
Dieser Gedanke gefällt unseren Heiland wohl. Darum, weil Nikodemus ihn viel den höchsten Lehrer rühmt: also will er ihnen jetzt dafür die höchste Predigt halten, vor dem höchsten und größten Werk, wo man von predigen kann, nämlich, wie man das Reich Gottes sehen könne, das ist, wie man könne von Sünden los werden, zu Gottes Reich kommen und das ewige Leben erlangen. Denn dieses ist die Predigt, welcher allein der Sohn Gottes vom Himmel zu uns auf Erden gebracht hat, wie Johannes sagte: «der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hatten es verkündigt.»
Das ist wahr, daß alle Welt je und je sich damit bekümmert, und sich besonderer weisen und Wege gemacht und ausgedacht hat, selig zu werden. Denn Nikodemus selbst kommt mit den Gedanken, er wisse, Gott Lob! Auch ohne Christum, wie er solle und könne selig werden. Meint, weil er ein Jude ist und das Gesetz hat, habe er den Vorteil, der könne wissen, was er tun soll, wenn er Gott zu gefallen leben und den besten Gehorsam erzeigen. An diesem meint er, hat der genug, denkt nicht, daß es eine ganz anderer Meinung hat, wie er jetzt von Christus hören wird. Wie wir auch an den Katholiken sehen. Wenn ein Mönch es soweit bringt, daß er seinem Orden oder Kloster genug bringt, so denkt er, er säße schon bei Gott im Schoß, wie der Pharisäer in Lukas 18. Kapitel, der sein Fasten, Zehnten geben und andere gute Werke rühmt. In der Summe, die Menschenherzen sind so gestaltet. Wenn sie sich fürchten und entsetzen, wenn sie ihre Sünde fühlen: also trauen und hoffen sie, sie sind mit Gott wohl dran, wenn sie äußerlich fromm, und keine bösen Taten haben, wo durch ihr Gewissen erschreckt und zaghaft wird. Darum nimmt sich einer dies, jener ein anderes vor, jeder wie es ihn am besten gefällt, womit er meint vor Gott bestehen zu können. Der Jude hat seinen Mose, ein Mönch sein Kloster. Wir sind alle in dem Wahn, wenn wir die Zehn Gebote halten, so hätten wir keine Not vor Gott. So denkt Nikodemus auch. Aber weil er Christus für einen hohen, besonderen Prediger hält, will Christus sich also gegen ihn beweisen und gibt ihm diesen Unterricht: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, es sei denn, daß jemand von neuem geboren werden, kann er das Reich Gottes nicht sehen.
Nun, hier steht der Handel mit klaren, runden Worten, und Christus läßt sich hier hören als ein besonderer Lehrer; denn so etwas hat Nikodemus zuvor nicht gehört, darum versteht er es auch nicht. Dieses aber versteht er wohl, daß er noch nicht wiedergeborenen ist. Wie er aber zur Wiedergeburt kommen soll, davon weiß er nichts.
Da denke nun du auch drüber nach, was doch unser Heiland mit diesem Spruch will. Denn so man das Reich Gottes nicht sehen kann, man sei erst wieder geboren: daraus folgt ja, daß wir, geboren sind, mit Vernunft, freien Willen, mit dem Gesetz und allen guten Übungen, welche beides die Vernunft und der Wille kann erfüllen, müssen verdammt sein; dieses alles hilft nicht zum Reiche Gottes. Was ist aber das für ein jämmerlicher Handel, daß man die Leute von dieser Wiedergeburt nichts lehrt, sondern zeigt ihnen bloß, wie der Papst tut, auf eigene Werke, daß sie dadurch selig werden sollen? Wie reimt sich diese Lehre mit Christus hier? Sie sprechen: gute Werke machen selig. Christus spricht: bist du nicht wieder geboren, so wirst du nicht selig.
Nun ist es aber wahr und kann man nicht leugnen, daß ein Mensch selbst und aus eigenen Kräften, wie man an den Heiden sieht, die sich zur Zucht, Ehrbarkeit und Tugend gewöhnen. Wie man sieht, daß nicht alle Menschen Mörder, Ehebrecher, Hurer, Diebe, Weinsäufer, Müßiggänger sind, sondern viel frommer, ehrbare Leute vor der Welt sind. Solches sind alles herrliche, schöne Tugenden und Werke, da zu man auch jedermann anhalten soll; denn Gott fordert dieses in den zehn Geboten. Aber das ist beschlossen, es können so viel gute Tugenden und gute Werke sein wie sie wollen, ist die Wiedergeburt nicht da, so gehört alles an Tugenden und Werken zum Teufel und in die Hölle. In den Himmel und in das Reich Gottes geht es dadurch nicht. Dieses sagt Christus selbst und es soll niemand daran zweifeln.
Die Vernunft aber ist gefangen, die Vernunft redet, Stehlen, Morden, Ehebrechen mißfällt Gott und er straft es, da muß man ja denken, daß, wenn man diese Sünden meidet es Gott wohl gefällt und er es belohnt, sonst spricht die Vernunft, müßte Gott ungerecht sein. Nun ist es wahr, es gefällt Gott wohl, solche und andere Sünde zu meiden und Gutes zu tun, dieses will er auch nicht unbelohnt lassen. Aber das Himmelreich sehen, da gehört etwas anderes und größeres zu, nämlich, daß man, wie hier steht, anders geboren werde. Darum ist Gott dem Pharisäer in Lukas 18., nicht darum Feind, daß er kein Räuber, kein Ehebrecher noch Ungerechter ist, wie andere Leute, daß der fastet und den zehnten gibt, solches läßt sich Gott wohl gefallen, wo nicht die schändliche Untugend daran hinge, daß er meinte, er würde dadurch in den Himmel kommen, meint auch er wäre viel besser als andere Sünder.
Darum ist es hier beschlossen: Vernunft ist ein edel, köstliches Ding, der Willen zum guten ist auch sehr edel und ein köstliches Ding, daß Gesetz und die Zehn Gebote, ein feiner, ehrbarer Wandel sind alles herrliche, große gaben, wofür man Gott danken soll: aber wenn man vom Reich Gottes sagt, wie man dazu kommen soll, da hilft weder Vernunft, Wille, Gesetz, oder andere gute Werke zu; allein das macht es, daß man von neuem geboren wird; anders kann man das Reich Gottes nicht sehen, sondern man muß mit Vernunft, freien Willen, Gesetz und zehn Geboten verdammt sein und bleiben.
Ja, sprichst du, so will ich besser gar nichts Gutes tun? Nein, das taugt auch nicht, und wird dir mit dieser Weise das Gericht Gottes nur noch schwerer werden. Darum tue beides, übe dich, die Zehn Gebote zu halten, und bekenne doch mit rechtem Ernst daneben, daß du ein armer Sünder bist, der wegen seines Tuns wegen ewig müßte verdammt sein. Danach wäre uns am Heiland Christo weiter zu, wie er wiederum tröstet, nachdem er, unserer ersten Geburt wegen, uns die Seligkeit so einfach abgesagt hat.
Nikodemus fühlt das harte Urteil sehr wohl, er denkt sich, was doch die Wiedergeburt sei, und merkt, daß er in leiblicher Weise nicht noch einmal wieder geboren werden kann von Vater und Mutter, fragt deshalb, wie so etwas zu gehen soll? Denn daraus kann ja nichts werden, spricht er, daß ich noch einmal in meiner Mutter Leib kriechen und auf ein neues sollte geboren werden. Mit solcher Frage bringt er unseren Heiland dahin, daß er lehrt, wie die Wiedergeburt zugehen muß, und spricht:
«Wahrlich, wahrlich, die sage dir, es sei denn, daß jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist.»
Hier spricht unser Heiland ein Urteil gegen die erste Geburt, daß diese fleischlich und voller Sünden ist, und zum Reich Gottes nicht gehört. Als wollte er sagen: du fragt, ob du von deiner Mutter anders geboren werden müßtest. Wenn du tausendmal anders von deiner Mutter geboren würdest, so wärest du und bliebest der alte Nikodemus. Von Fleisch denn nichts denn Fleisch geboren werden. Darum gehört zu dieser Wiedergeburt nicht Vater und Mutter, wie beide Fleisch und voll Sünden sind; sondern es gehört dazu Wasser und Geist. Wer also wieder geboren ist, der ist ein neuer Mensch und wird in das Reich Gottes kommen.
Dieses werde ohne Zweifel den Nikodemus ein sehr lächerlicher Handel gewesen sein, er wird gedacht haben: nun, soll es meint Vernunft und Wille, und auch das Gesetz und Mosel nicht können, und das Wasser vermag es: was ist dies für eine Meinung? Hier wird der gute Mann so irre, daß er nicht weiß, was er sagen soll, wohl muß frei bekennen, daß er kein Mord versteht, obwohl er Mose und die Zehn Gebote sehr gut versteht, deswegen meint er auch er sei ein großer Lehrer.
Laßt uns nun die Worte fleißig merken und den Handel gut zusammen fassen. Beschlossen ist es, gute Werke sollen wir tun, und uns im Gehorsam des Gesetzes üben; aber dadurch sehen wir das Reich Gottes nicht. Wollen wir es aber sehen, so müssen nicht unsere Werke, sondern es muß ein anderer und neuer Mensch werden. Dieses geschieht nicht durch die leibliche Geburt, sondern durch Wasser und Geist; dieses sind die rechten Vater und Mutter zu dieser neuen Frucht
Das Wasser nun ist anderes nichts, als die heilige Taufe. Denn also spricht Christus, Markus im 16. Kapitel, Vers 16: «wer glaubt rund getauft wird, der wird selig.» Nun aber hat das Wasser solche reine Kraft nicht von Natur aus. Denn Wasser ist Wasser, das ist, ein Element und Kreatur, die für sich selbst das Herz nicht rühren rund nicht ändern kann, oder die Sünden ab waschen kann. Kleider, und was Unflat an der Haut ist, kann man mit Wasser reinigen und säubern; aber die Seele läßt sich durch Wasser nicht rühren noch reinigen. Das Wasser aber, wovon der Herr hier spricht und wir dazu Taufwasser sagen, ist nicht ein bloßes, natürlich es Wasser; sondern es ist ein Wasser, da Gottes Worte, Befehl und Verheißung drin ist. Da kommen zwei Dinge zusammen, Wasser und Wort, rund werden so ineinander gefügt, daß man keines vom anderen Abschneiden kann. Tust du das Wort vom Wasser, so hast du keine Taufe; tust du das Wasser vom Wort, so hast du auch keine Taufe. Wenn aber Wasser und Worte zusammen bleiben, da ist dann ein solches Wasser, in welchem der heilige Geist ist, und durch dasselbe wirst du zum Reich Gottes wieder geboren, das ist, dir deine Sünde vergeben und dich selig machen will.
Darum sollen wir diesen Spruch fleißig merken, hauptsächlich gegen das blinde Volk der Wiedertäufer, welche die Kindertaufe für untüchtig und unfruchtbar achten. Aber wie kann diese Taufe untüchtig sein, so du hier hörst, daß Christus das Wasser dazu auch wird, daß es zur Wiedergeburt durch die Mitwirkung des heiligen Geistes helfen soll? So nun die Kinder bedürfen, daß sie wieder geboren werden, und sonst das Reich Gottes nicht sehen können: warum wollte man doch ihnen die Taufe verweigern? Oder es dafür halten, als sollte solches Wasser, so in Gottes Worte gefaßt und mit Gottes Wort verbunden ist, ihnen zur Wiedergeburt nicht hilfreich sein? Ist es nicht wahr, daß die Worte Christi uns dahin dringen, wer wieder geboren werden will, der muß durch das Wasser wieder geboren werden? Also, obwohl das Wasser ohne den heiligen Geist nichts schafft, so will dennoch der heilige Geist seine Wirkung ohne daß Wasser in uns nicht haben.
Deswegen ist es ein schrecklicher großer Irrtum, daß an etlichen Orten etliche Prediger die Kinder ohne Wasser gekauft haben. Denn soll die Taufe richtig sein und der Mensch zur Wiedergeburt kommen, so muß nicht allein Wort, nicht allein Geist, sondern auch Wasser dabei sein. Denn so hat es Christus hier geordnet, und dieser Ordnung soll niemand brechen.
Das Wassertaufen sieht man mit den Augen, aber die Wirkung der Wiedergeburt, welche der heilige Geist durch solches taufen dem Herzen anrichtet, sieht man nicht. Auf das man aber um solcher heimlicher, unsichtbarer Wirkung Willen des heiligen Geistes das äußerliche, schlechte, unansehnliche Wassertaufen nicht verachte, darum spricht der Herr zu Nikodemus weiter: «Laß dich’s nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: ihr müßt von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein sausen wohl; aber du weißt nicht, von wo er kommt, und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.»
Dieses sind sehr einfältige Worte, wie auch das Werk einfältig und schlecht ist. Denn es hat kein besonderes Ansehen bei unserer Vernunft. Daß man ein Kind, oder einen alten Menschen herbringt, und bekennt, es liege wegen der Sünden unter des Teufels Banden, und kann sich selbst davon nicht freimachen, und soll doch in solcher hoher, großer Not mehr nicht tun, denn das man im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes ein wenig ins Wasser tauche oder mit Wasser begieße. Aber, spricht Christus, verachte Jahr niemand um solches schlechten Aussehens willen dieses Werk. Denn der heilige Geist führt sein Werk heimlich; da gehört der Glaube zu, der die Worte faßt, und nicht daran zweifelt, es sei also, wie die Worte hier lauten. Denn mit den Augen wirst du es nie sehen, verstehen noch fassen können. Eben wie es mit dem Wind auch ist: den Wind hörst du sausen; aber das durch ihn so solltest fassen, daß du sagen könntest: hier fängt er an, da hörte auf, das ist nicht möglich. Also geht es hier auch zu. Das äußerliche Werk mit dem Wasser sieht man, und hört das Worte klingen oder sausen, daß es geschehe in Namen Jesu, zur Abwaschung der Sünden. Wer an das Wort sich nicht halten, und den Geist und seine Wirkung anders fassen oder suchen will, der wird fehlen. Denn soll er aus dem Geist geboren werden, so gehört mehr nicht dazu, denn das wer sich taufen läßt mit Wasser, und auf das sausen (das ist, auf das Wort) merke auf dasselbe und mit Glauben annehme; so wird er zu dem Reich Gottes wieder geboren, und durch nichts anderes.
Wo sind nun die lästerlichen Rotten und Schwärmer, die mehr nicht können, denn vom Geist schreien und rühmen? Aber der ist der böse Geist, der Teufel selbst, der sie leibhaftig besessen hat, weil sie Taufe, Sakrament, Wort, die uns Christus selbst teuer erworben hat, als unnötige, unnütze Dinge zur Seligkeit, verworfen haben. Gott Strafe den Lästergeist. (Rotten und Schwärmer sind die Wiedertäufer) Also lehrt aber Christus hier nicht, sondern weißt uns auf die heilige Taufe und sausen, das ist, auf das Wort; und warnt, wo wir uns am Wasser und sausen nicht genügen lassen können so werden wir nichts vom heiligen Geist behalten und nie zu einer neuen Geburt kommen. Deswegen laßt uns unsere Taufe und das Wort als unseren höchsten Schatz befohlen sein, da wir gewiß wissen, wenn wir dabei bleiben, daß wir zum Reich Gottes wieder geboren sind.
Das ist nun die Lehre, wie man zur Wiedergeburt, das ist, zum Reich Gottes, kommen soll; eine neue, unerhörte Predigt in der Welt, aber die allein gewiß und richtig ist, und uns nicht belügt. Dagegen sind aber alle anderen Lehren falsch und belügen uns, sie haben vor der Welt einen großen Schein. Es hatte auch das Leben der Pharisäer und das Judentum, sowie das ganze Papsttum mit den Mönchen, dieses ist auch ein besonderer Schmuck und großer Schein, wenn Menschen sich fein züchtig, ehrbar und nach den zehn Geboten halten: aber durch dieses alles wird man nicht wieder geboren. Allein das Wasser und der Geist muß es tun, welcher doch sich nicht anders sehen oder merken lassen will, denn wie der Wind durch sein Sausen. Wer das Sausen annimmt, das ist, wer dem Wort glaubt und getauft wird, der ist wieder geboren und wird selig.
Aber Nikodemus steckt so tief in seinen Gedanken vom Gesetz und von guten Werken, daß er diese Predigt nicht fassen und verstehen kann. Wie wir ja bei den Katholiken auch sehen, die es richtig meinen und auch nicht böse sind, aber das liegt ihnen im Wege, daß sie denken, soll unser Tun denn nichts sein? Soll es den Gott nicht gefallen, daß wir so viel beten, fasten, Tag und Nacht ihm dienen, so ein strenges Leben führen? Darum fährt Christus den Nikodemus auch härter an, Walter unseren Heiland nicht Glauben und auch nicht weisen lassen will, so spricht er: Bist du ein Meister in Israel, und weißt das nicht?
Als wollte er sagen: du bist ein Meister im Volk Gottes, daß du Lehren und ihm den Weg zur Seligkeit zeigen sollst. Ach deines Lehrens und Wegweisens! Du bist nicht einmal so weit gekommen, daß du deine eigene Natur und dein eigenes Wesen gerecht erkennen kannst, dazu noch in den Gedanken stehst, du würdest denn den Himmel kommen, auch wenn du nicht von neuen geboren bist. Damit verwirft unser Heiland den Nikodemus und alle Prediger, die nicht mehr als von Gesetz und guten Werken predigen können, als irrige und verführerische Prediger: nicht darum, als sollte es nicht richtig sein Gute Werke zur Lehren und die Leute dazu vermahnen; denn dieses tut Gott selbst durch sein Gesetz, darum ist es recht gut getan, aber das ist Unrecht, daß man die Leute bei dieser Lehre läßt, als wenn man nicht mehr zum ewigen Leben braucht. Denn hier steht es klar, wenn man Gesetz und Werke aufs beste befolgt, so können Sie doch zum Reich Gottes nicht helfen, das sei denn, daß man wieder geboren wird durch Wasser und Geist.
Der Geist nun ist es, der durch das Wasser und Wort anderen Menschen und neue Herzen macht. Das Gesetz und die Werke ändern an den Menschen und an den Herzen nichts. Deswegen, wer die Leute zum Himmelreich richtig unterweisen will, der höre was der Heiland hier sagt, fange es nicht mit Werken und Gesetz an, welche das alte Herz nicht ändern, sondern weise die Menschen zur Taufe und Geist, das ist, zum Wort, dadurch der heilige Geist die Herzen anweht und neu gebiert. Denn eben wie wir von dem Winde mehr nicht erkennen und wissen, als das Sausen: also haben wir vom heiligen Geist auch nicht mehr denn als das Wort; da mögen wir uns dran halten, und des heiligen Geistes und seiner Wirkung warten. Was nun solches Wort sei, und wieder heilige Geist sause, lehrt der Herr Christus weiter, und spricht: Niemand fährt in den Himmel, denn der vom Himmel herunter gekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist.
Hier geht die Predigt an, da der Herr von sagt: «glaubt Ihr mir nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage; wie werdet Ihr mir glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sagen würde»? Denn diese Predigt ist nie binnen eines Menschen Herz gekommen, sondern der eingeborene Sohn, in der in des Vaters Schoß ist, hat es uns verkündigt. Nun hat solche Predigt zwei Teile. Der erste Teil ist sehr hart und trefflich; denn da ist kurz beschlossen: « Niemand fährt in den Himmel, denn der hernieder gekommen ist.»
Das ist genauso als wenn gesagt ist, wie oben: «Es sei denn, daß jemand wieder geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.»; das ist, kein Mensch kann zur Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, Seligkeit und ewigem Leben kommen durch das Gesetz, Gute Werke, Vernunft noch freien Willen; ja wenn gleich das Gesetz, gute Werke, Vernunft rund freier Wille auf das beste ist, hilft es doch nicht, wir sind und bleiben arme, verdammte Sünder, und können in den Himmel nicht kommen. Dieses ist ein heller und klarer Spruch, der den Juden und Katholiken, wo sie es glaubten, alles Vertrauen auf eigene Werke und Frömmigkeit nehmen sollte. Denn, sage mir, welcher Mensch ist vom Himmel gekommen? Keiner, Adam und Eva selbst nicht; der eingeborene Sohn Gottes von der Jungfrau Maria ist es, wie Johannes hier sagt. So denn nun niemand in den Himmel fahren soll, denn der vom Himmel heruntergekommen ist, so ist es fest beschlossen, und wird immer mehr kein Mensch es anders machen können. Alle Menschen, wie sie von Vater und Mutter auf diese Welt geboren sind, müssen unten bleiben, und werden in den Himmel so nicht kommen, kommen sie aber in den Himmel nicht, wo werden sie denn bleiben? Auf Erden haben sie auch keine gewisse, beständige Herberge, denn sie müssen sterben. Wenn sie aber nicht in den Himmel kommen, so müssen sie im Tode bleiben. Dieses ist das Urteil, welches Christus über die ganze Welt fällt, niemand ausgenommen, es sei Adam, Eva, Abraham, Mose, David, alle müssen sie hier unten bleiben und können von sich selbst nicht in den Himmel kommen. Denn der allein fährt in den Himmel, der vom Himmel herunter gekommen ist. Wo bleiben denn nun die guten Werke, Verdienst, Gesetz, freier Wille? Alles dieses gehörte in die Hölle, und hilft uns nicht in den Himmel, das ist gewiß.
Ja, sprichst du, sollen denn alle Menschen verdammt sein und verloren werden? Ja, ihretwegen ist es unmöglich, daß es könnte anders sein, sie tun und lassen, was sie immer wollen oder können, sie werden doch keinen Weg oder ein Loch in den Himmel machen. Ein einziger Weg aber ist es, den wir nicht machen, sondern der Sohn Gottes. Davon Predigt Christus weiter, und sagt: Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muß des Menschen Sohn erhöht werden. Auf das alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Dieses ist der andere Teil von dieser himmlischen Predigt, und das rechte sausen des heiligen Geistes; und es ist ja so tröstlich, wie der erste Teil schrecklich ist. Denn ein schreckliches Urteil ist es, daß niemand in den Himmel fahren und selig werden soll. Es dient aber solches schreckliches Urteil dazu, daß der Herr damit zeigen will, wie unsere erste Geburt sündhaft ist, und nichts an uns ist, dessen wir des ewigen Lebens wert sind, auf das wir nicht allein sicher, noch hoffärtig werden, sondern in uns schlagen, uns vor Gott demütigen und Gnade begehren. Da geht dann der richtige Trost an, daß, eben wie du vorher gehört hast, kein Mensch in den Himmel kommt: also hörst du hier, daß alle, die da glauben an Jesus Christus, die sollen nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Das ist nun das liebliche Sausen, wo man den heiligen Geist spüren und fassen kann.
Denn da müssen beide Predigten in der Christenheit gesprochen werden. Die erste, von der Sünde und unserer verdorbenen Art und Natur, daß wir unseres Werkes, Lebens, Tun und Lassens wegen ganz verzagt sein müssen, daß wir merken, so kommen wir nicht in den Himmel. Wo nun die Herzen durch solche Predigt richtig getroffen und erschreckt sind, da muß auch der Trost folgen, wie Jesus Christus, der Sohn Gottes, vom Himmel herunter auf die Erde gekommen, unser Fleisch und Blut an sich genommen, und den Tod unserer Sünde erlitten hat, auf das wir dadurch von den Sünden frei und wieder zum Erbe des ewigen Lebens gebracht werden sollen. Wer diese Predigt annimmt, daß er es fürwahr hält und sich tröstet, der ist genesen, daß ihn Christus nicht hier unten auf Erden und im Tode lassen, sondern will ihn mit sich hinauf in den Himmel führen.