Projektarbeit in der Kita - Petra Stamer-Brandt - E-Book

Projektarbeit in der Kita E-Book

Petra Stamer-Brandt

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Beschreibung

Projektarbeit mit Kindern ist eine häufig angewandte Form der Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen. Dieser Leitfaden beantwortet alle grundlegenden Fragen zur Projektgestaltung. Wie wird im Team und gemeinsam mit den Kindern ein Projekt geplant und durchgeführt? Übersichtlich in Module aufgeteilt finden pädagogische Fachkräfte Antworten zu diesen Fragen, Basisinformationen, Praxistipps sowie hilfreiche Anregungen zu jeder Phase des Projektverlaufs.

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Petra Stamer-Brandt

Projektarbeit in der Kita

Im Interesse der besseren Lesbarkeit und weil Frauen in frühpädagogischen Berufen prozentual immer noch stärker vertreten sind als Männer, wird in diesem Buch die weibliche Form verwendet, wenn von pädagogischen Fachkräften die Rede ist. Selbstverständlich sind damit aber männliche und weibliche Fachkräfte gleichermaßen gemeint.

Überarbeitete Neuausgabe 2018

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2009

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung und -konzeption:

SchwarzwaldMädel, Simonswald

Umschlagfoto: Harald Neumann, Freiburg

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-81467-9

Inhalt

Benutzerhinweise

Modul 1: Grundlagen und Vorüberlegungen

Das Bildungsverständnis der Projektarbeit

1.1Die Idee vom Lernort Kita

1.2Zum Begriff Projektarbeit

Projektlernen heißt leben

Projekte sind ganzheitlich und inkludiert

1.3Wie Kinder lernen

Kinder wollen die Welt selbst erforschen

Kinder haben ihre eigene Sprache

Kinder brauchen Zumutungen

Der Kreislauf erfolgreichen Lernens

1.4Projektarbeit ist Bildungsarbeit

Was bedeutet der Bildungsbegriff für die Kita?

Welche Rolle spielt die Bildungsarbeit in Konzeptionen und Bildungsempfehlungen?

Checkliste: Alle Bildungsbereiche ansprechen

Das Bild vom Kind in der Bildungs- und Projektarbeit

Checkliste: Leitfragen zum Menschenbild

1.5Projektarbeit ist kompetenzorientiert

Fähigkeiten zum Leben im 21. Jahrhundert

1.6Projektarbeit – ein Weg zur Inklusion

Inklusive Projektarbeit ist partizipativ

Inklusive Projektarbeit nutzt Vielfalt

Das Verständnis von Vielfalt

Gesprächsleitfaden »Eine inklusive Praxis entwickeln«

1.7Das Team und die veränderte Rolle der pädagogischen Fachkraft

Die pädagogische Fachkraft als Projektleitung

Zentrale Fragen im Team

Und wann ist ein Team ein Team?

Projekt: Zeit- und Arbeitsplan

Alle ziehen an einem Strang

Wie Teams ihren Sitzungen einen Rahmen geben können

1.8Projektarbeit braucht Eltern

In gemeinsamer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft kann Projektarbeit gut gelingen

Checkliste: Zeitmanagement

Stolperstein: Sind Projekte Zeit- und Ressourcenfresser?

Modul 2: Planung

Projekte mit Kindern planen

2.1Am Anfang steht die Situationsanalyse

Fragen zur Situationsanalyse

2.2Von der Situationsanalyse zur Beobachtung

Gerichtete Aufmerksamkeit – ungerichtete Aufmerksamkeit

Aktives Zuhören

2.3Die Themenentscheidung: Projektinitiative

Themenbedeutung und -auswahl

Die Kinder entdecken ihr Thema

Pädagogische Fachkräfte entdecken und dokumentieren die Themen der Kinder

Pädagogische Fachkräfte initiieren ein Thema

Auf der Suche nach gemeinsamen Projektthemen

Eltern-Umfrage

Beispiel: Vertragsentwurf für eine öffentliche Projektaktion

Die Kinder wählen aus!

Inhalt, Struktur und Lernprozesse im Blick behalten

2.4Planungsschritte

Die Projektskizze

Das Projektvorgehen planen

Organisationsformen von Projektideen

Das Team bereitet sich vor

Stolperstein: Was ist mit relevanten Themen, die die Kinder nicht nennen?

Modul 3: Durchführung

Das Projekt realisieren

3.1Die Startphase

Gemeinsame Auftaktveranstaltung

Zielsetzung und Arbeitsplanung

3.2Die Realisierungsphase

3.3Präsentation der Zwischenergebnisse

3.4Zwischenreflexion

3.5Höhepunkt und Abschluss

3.6Dokumentation

3.7Kritik und Besinnung

Stolperstein: Wenn das Projekt zur Eintagsfliege wird

Modul 4: Evaluation und Dokumentation

Projekte dokumentieren die pädagogische Arbeit

4.1Projektarbeit evaluieren und Feedback geben

Was bedeutet Evaluation genau?

Das Feedback – Methodensammlung

Methode: Spinnennetz

Kopiervorlage: Feedback-Plakat zur Projektsitzung

Kopiervorlage: Problemlösungsbogen für Teamgespräche

Kopiervorlage: Feedbackbogen für Eltern und/oder pädagogische Fachkräfte

Kopiervorlage: Auswertungsbogen für Kinder

Fragebogen zur Zusammenarbeit mit Eltern

Fragebogen zur Auswertung der Projektarbeit im Team

Checkliste: Selbsteinschätzung »Projektarbeit«

Das Blitzlicht

4.2Beobachten und dokumentieren

Die unterschiedlichen Zugänge zur Beobachtung

Eine Bildungsdokumentation anlegen

Projektdokumentation der Kinder

Projektdokumentation der pädagogischen Fachkräfte

4.3Projektarbeit braucht Öffentlichkeit

Gestaltungstipps für eine Info-Broschüre zur Projektarbeit

Stolperstein: Das Projekt als kurzlebiges Instrument der öffentlichen Darstellung

Literatur

Über die Autorin

Benutzerhinweisefür den »Leitfaden Projektarbeit in der Kita«

Dieser praxisorientierte Leitfaden bietet Ihnen eine Fülle an Anregungen für die Projektarbeit in Kindertageseinrichtungen. Er wendet sich an pädagogische Fachkräfte, Studierende der Fach- und Fachhochschulen für Sozialpädagogik sowie Absolventinnen und Absolventen der Studiengänge »Frühe Kindheit«. Hier erhalten Sie einen Orientierungsrahmen für Ihre Projektarbeit und das notwendige Handwerkszeug wie Kopiervorlagen und andere Arbeitshilfen, die Ihnen den pädagogischen Alltag erleichtern und an die Bedürfnisse Ihrer Einrichtung praxisnah angepasst werden können.

Projektarbeit setzt gute Teamarbeit voraus. Wie Sie mit Ihrem Team Projekte erfolgreich planen und durchführen können, wird in 4 Modulen aufgezeigt:

Grundlagen und Vorüberlegungen

Planung

Durchführung

Evaluation und Dokumentation

Im ersten Modul erfahren Sie, welche Idee der Projektarbeit zugrunde liegt und welche Schlussfolgerungen sich daraus für die pädagogische Praxis ableiten lassen. Sie erhalten Informationen über inklusive Pädagogik und die darin verankerten Aspekte einer Pädagogik der Vielfalt und Partizipation. Auch die Bedeutung des Teams, die veränderte Rolle der pädagogischen Fachkraft und die produktive Zusammenarbeit mit den Eltern werden in diesem Zusammenhang thematisiert. Diese »paar Gramm Theorie« werden Ihnen und Ihrem Team helfen, das Projekt »Projektarbeit in unserer Einrichtung« erfolgreich für alle Beteiligten durchzuführen. Setzen Sie sich im Team mit diesen Grundlagen auseinander und freuen Sie sich über die Vielfalt der Meinungen und Anregungen.

Im zweiten Modul erhalten Sie ganz konkrete Anregungen zur Planung der Projektarbeit, und in Modul drei wird die Durchführung in der Praxis dargestellt. Modul vier gibt abschließend Hinweise darauf, wie Sie das Projekt dokumentieren und evaluieren können. Das hilft Ihnen weiter, mit Ihren Stärken zu arbeiten, sie auszubauen und Stolpersteine zu vermeiden. Hier finden Sie auch Tipps, wie Sie Ihre wertvolle Arbeit gut in der Öffentlichkeit präsentieren können.

Modul 1Grundlagen und Vorüberlegungen

Das Bildungsverständnis der Projektarbeit

1.1 Die Idee vom Lernort Kita

»Kindliche Erkenntnis ist nicht das kalkulierte Produkt pädagogischen Bemühens,sondern entsteht im selbsttätigen Flirt mit der Welt.«

Anette Dreier

Immer mehr Kinder verbringen einen größeren Teil ihres Tages in der Kita – mit den dort arbeitenden pädagogischen Fachkräften und den anderen Kindern. Die Kita ist zu einem der wichtigsten Erfahrungs- und Lernorte neben der Familie geworden. Und weil das Erfahrungslernen eine so immense Bedeutung in den ersten Lebensjahren hat, sollte es nicht dem Zufall überlassen bleiben, welche Erfahrungen die Kinder machen. Lernorte können so gestaltet werden, dass sie das Interesse der Kinder ebenso wecken, wie es auch Impulse der Erwachsenen tun. An jeder Ecke der Kita, im Innen- und im Außenbereich, lassen sich Erfahrungen sammeln. Neben dem Elternhaus ist die Kita der Ort, an dem erste Angebote für die Kinder bereitgestellt werden, wo sie Neues und Interessantes entdecken können, ihnen Vielfalt begegnet und sie sich in Ruhe mit den Dingen auseinandersetzen können, die sie interessieren. In der Auseinandersetzung mit den Dingen gewinnen sie an Kompetenz. Der Erfahrungsgewinn steht in einem großen Zusammenhang mit dem Raum- und Materialangebot, das den Kindern zur Verfügung steht.

Das Interesse und die Bedürfnisse der Kinder stehen nicht im Widerspruch zu den Erwartungen der meisten Erwachsenen. Auch sie wünschen sich, dass Kinder Bildung erhalten, ihre Kompetenzen erweitern und ihr späteres Leben fit, kompetent und weitgehend autonom in den Griff bekommen können. Die Kita ist zu dem Ort geworden, an dem Kinder zusammen mit dem fachlich versierten und professionell agierenden Team wichtige Lernerfahrungen machen können. In einer Welt der rasanten gesellschaftlichen, technischen, medialen und wirtschaftlichen Veränderungen werden Wissen und Bildung zum Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Teilhabe. Eltern sind nicht immer in der Lage, Kindern einen anregenden Entwicklungsrahmen zu bieten. Die Institution Kita hat sich deswegen im Laufe der Jahre von der reinen Betreuungs- und »Unterhaltungsinstitution« zur ersten Bildungseinrichtung entwickelt: Die Kita ist ein Ort, an dem Kinder sich selbst bilden und nachhaltige Lernerfahrungen machen können.

Wissen wird dabei nicht als eine Ansammlung von Informationen verstanden, die quasi auf Knopfdruck und ohne Sinnzusammenhang abgefragt werden können. Das zu erwerbende Wissen muss nicht nur das Interesse der Kinder berühren, sondern auch einen Bezug zu ihrer Lebenswelt und zum Hier und Jetzt haben. Nur wer den Sinn dessen versteht, was er lernt, begreift auch und kann das Wissen auf andere Bereiche übertragen. Andreas Müller zitiert in seinem Buch »Nachhaltiges Lernen« den Stoßseufzer mancher Eltern: »Mein Kind lernt nur das, was es will.« Logisch, was denn sonst? Wer also Lernmotivation erzeugen möchte, muss sich genau anschauen, mit wem er es zu tun hat. Pädagogische Fachkräfte haben die Aufgabe, die Kinder zu beobachten, sie zu verstehen und ihre Bedürfnisse und Interessen wahrzunehmen. Interesse entsteht nicht, weil in erwachsenen Köpfen eine Idee entstanden ist, die – wie mit einem Trichter – in kindliche Köpfe transportiert wird. Interesse entsteht durch das Leben an sich. Leben bedeutet erleben und erfahren – und das mit allen Sinnen. Das (subjektive) Interesse der Kinder an bestimmten Aspekten ihres Lebens muss allerdings entdeckt und der Lernweg durch Ermutigung, Bestätigung, tragende Beziehung, intelligente und anregende Raumgestaltung und Materialbereitstellung geebnet werden. All das ist im Rahmen von Projektarbeit in besonderer Weise möglich, setzt aber voraus, dass pädagogische Fachkräfte

ein humanistisches Bild vom Kind haben und es nicht als defizitäres Wesen begreifen,

ihre Rolle neu definieren und sich selbst nicht als allwissend begreifen, sondern als Mit-Lerner, Wegbegleiter und Moderator,

einer inklusiven Pädagogik den Vorrang geben, die auf Vielfalt und Partizipation aufbaut,

auf Ganzheitlichkeit setzten,

unsere Antwortkultur durch eine Fragenkultur ersetzen.

1.2 Zum Begriff Projektarbeit

In der »Kita zum Gutshof« dreht sich drei Tage lang alles um das gesunde Frühstück. Die Kinder entwerfen einen Speiseplan, sie kaufen ein und bereiten das Essen zu. In einer anderen Kita ist jeden Mittwoch von 9 bis 12 Uhr Projektzeit. In jedem Raum findet ein anderes Projekt statt. Nach einem halben Jahr werden die Projektthemen, die von den Kindern kommen oder den Erwachsenen initiiert werden, gewechselt.

Lena beschäftigt sich schon seit vier Wochen mit den vielen kleinen Krabbeltieren an der Hauswand und unter den Steinplatten im Garten. Sie verfolgt und zeichnet Ameisenstraßen, betrachtet Fotobildbände und Bestimmungsbücher. Manchmal erzählt sie auch im Morgenkreis von ihren Beobachtungen. Und die »Schlosspark-Kinder« widmen sich schon in der fünften Woche dem spannenden Thema Zirkus.

In manchen Kitas werden Kurzprojekte für die Gruppe, in einigen über mehrere Wochen andauernde und gruppenübergreifende Projekte und in wieder anderen Projekttage und viele weitere, unterschiedlichste Varianten durchgeführt. Allen Projekten ist jedoch gemeinsam: Die Kinder bearbeiten weitgehend selbsttätig ein Thema und beleuchten es von möglichst vielen Seiten. Das Projekt entspringt den Interessen und Bedürfnissen der Kinder. Und die Rolle der Erzieherin ist nicht mehr die der Bestimmerin, sondern sie wird zur Begleiterin oder – wie Tassilo Knauf sagt – zur »Assistentin der Kinder«.

Projekt– eine Begriffsbestimmung

Ein Projekt stellt den gemeinsam von Erziehenden, Kindern, Eltern und Experten unternommenen Versuch dar, Leben, Lernen und Arbeiten zu verbinden. In Projekten findet über einen längeren Zeitraum eine Auseinandersetzung mit einem Thema statt, an der verschiedene Gruppen gleichberechtigt beteiligt sind. Dabei ist nicht in erster Linie das Produkt, also das Handlungsergebnis, das angestrebt wird, von Bedeutung, sondern der Weg, wie man dahin gelangt. Ausgangspunkt von Projekten ist in aller Regel eine Thematik, die die Beteiligten besonders beschäftigt (Knauer & Brandt 1999).

Doch wird der Begriff der Projektarbeit heute geradezu inflationär gebraucht. Sobald pädagogische Fachkräfte ein Thema mehr als oberflächlich behandeln, sich von ausschließlich jahreszeitlicher Programmgestaltung lösen, wird die Tätigkeit als Projektarbeit deklariert. Doch: Eine umfassende Beschäftigung mit einem Thema stellt nach meiner Ansicht nicht gleich ein Projekt dar.

Nun ist Projektarbeit kein geschützter Begriff, und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es unterschiedliche Vorstellungen von dem gibt, was unter einem Projekt zu verstehen ist. Ein Projekt ist aber auf keinen Fall ein neudeutscher Begriff für das, was man früher »Beschäftigung« nannte. In Anlehnung an den US-amerikanischen Pädagogen John Dewey, der ein Gramm Erfahrung besser als eine Tonne Theorie einschätzt, bezeichnen wir heute mit Projektarbeit eine Lernform, die auf Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, Kooperation, Erleben, Situationsbezug, Inklusion, gesellschaftlicher Relevanz und dem Interesse der Beteiligten basiert. Projekte heben sich von der Beschäftigung folgendermaßen ab:

Projekte entstehen durch den Handlungsbedarf der Beteiligten.

Hier stellt sich die Frage, wie dieser Handlungsbedarf festgestellt wird, wie sich Kinder äußern und wie pädagogische Fachkräfte den angemeldeten Bedarf gruppenspezifisch umsetzen.

Projekte sind immer demokratisch. Sie zielen auf Partizipation ab und setzen stets kooperative und solidarische Arbeitsformen voraus.

Das hat Konsequenzen für die Vorplanung, die Zusammenarbeit im Team und die Beteiligung der Kinder am Planungs- und Durchführungsprozess.

Projekte sind zeitlich befristet. Sie verfolgen einen umfassenden Zielkatalog und sind in mehrere Arbeitsschritte zu untergliedern.

Die logischen Arbeitsschritte lauten: Analyse der Situation, situationsangemessene Planung, Durchführung, Reflexion, Präsentation.

Projekte fördern nachhaltige Entwicklung.

Diese hat zum Ziel, die Lebensbedingungen der Kinder zu sichern und zu verbessern. Das geschieht durch die Entfaltung wesentlicher »Human Resources« wie Intelligenz, Kreativität und Fantasie, Kooperations-, Konflikt- und Kritikfähigkeit, Fähigkeit zu verantwortlicher Entscheidungsfindung in komplexen und risikoreichen Situationen.

Projekte ermöglichen eine inklusive Pädagogik.

Im Rahmen der Projektarbeit können sich alle Kinder aktiv beteiligen, unabhängig von ihrer Entwicklung und ihrer Leistungsfähigkeit. Ihrer Individualität wird Rechnung getragen, kein Kind wird ausgegrenzt. Alle Kinder erhalten die gleiche Wertschätzung und den gleichen Anteil am Projektgeschehen.

Projekte fördern »Soft Skills« (Schlüsselqualifikationen, Kompetenzen).

Sie sind besonders geeignet, um geradezu spielerisch und selbsttätig »Soft Skills« einzuüben. Dazu gehören: Soziale Kompetenz wie Empathie, Teamfähigkeit, Konfliktlösungskompetenz, interkulturelle Kompetenz, Kommunikative Kompetenz, Selbst-Kompetenz, Sachkompetenz.

Projektlernen heißt leben

Der Begriff »Projekt« wurde bereits Anfang des 18. Jahrhunderts geprägt. Er kommt aus Frankreich, wo Studenten im Rahmen ihres Architekturstudiums sogenannte »projets« einreichen mussten. Dabei handelte es sich um Baupläne, die ohne Hilfe des Professors hergestellt wurden. Sie wurden in kooperativer Form entwickelt und sollten möglichst originell sein. Eine spätere sozialreformerisch-politische Variante beschrieb ein Projekt als ein Lernen durch Tun, basierend auf einem grundlegenden Verständnis von Demokratie. Wesentliche Elemente davon finden wir auch heute: Orientierung am Kind, an der Wirklichkeit und am Produkt. Projektarbeit war und ist nicht einfach eine Methode, sondern eine Erziehungsphilosophie, deren Kern das freie, selbstbestimmte Lernen ist und »denkende Erfahrung« (Dewey 1916) ermöglicht. Auch deutsche Reformpädagogen machten es sich zum Ziel, durch Projektarbeit Lernen »natürlicher« zu gestalten – nicht mehr abgehoben von der Lebenswirklichkeit des Kindes. So bezeichnen wir heute mit Projektarbeit eine Lernform, die auf Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, Kooperation, Erleben, Situationsbezug, gesellschaftlicher Relevanz, Partizipation, Autonomie und Orientierung an dem Interesse der Beteiligten, vorrangig der Kinder, basiert (Gudjons 1992).

Das »Arbeiten« in Projekten verändert den Lernvorgang wesentlich. Kinder machen nicht mehr nach, sondern lernen, agieren, forschen, entdecken und produzieren selbstständig. Die Gegenüberstellung der Methoden »Beschäftigung« und »Projektlernen« (siehe Seite 13) zeigt die Vorteile des Projektlernens deutlich auf, denn es ist eine aus dem Leben des Kindes stammende Methode.

Projekte sind ganzheitlich und inkludiert

1.3 Wie Kinder lernen

»Lernen heißt entdecken, was mir möglich ist.«

nach: Fritz Perls

Kindheit ist lernen! Kinder beobachten ihre Umwelt vom ersten Lebenstag an genau, sammeln Erfahrungen und machen sich daraus einen Reim für späteres Handeln. Sie probieren Dinge aus und lernen, darauffolgende Reaktionen einzuordnen. Sie werden von anderen Menschen beeinflusst, geprägt und erobern sich trotzdem spielend ihre Welt. Lernen ist für Kinder so etwas wie eine fortwährende Entdeckungsreise. Und während sie sich auf dem Entdeckungspfad befinden, weichen sie auch immer wieder von diesem Weg ab. Denn: Wer sich nicht traut, den einmal eingeschlagenen Weg zu verlassen, bleibt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke. Lernen bedeutet:

Einer Spur nachgehen

Freude am Tun haben

Etwas erforschen

Etwas unternehmen und dabei Mut entwickeln

Sich mit anderen auseinandersetzen

Neugierig sein

Freude an Leistung entwickeln

Selber entdecken, statt nachahmen

Sich über eigene Stärken freuen

Wir wissen heute, dass Menschen sich in erster Linie selbst bilden. Wenn wir diesen Gedanken ernst nehmen und damit an die Forschungsergebnisse von Hans-Joachim Laewen (2007) anknüpfen, dann ergeben sich daraus wesentliche Konsequenzen für die pädagogische Arbeit in der Kita und somit natürlich auch für die Projektarbeit. »Die Überzeugung einer Erzieherin, dass Kinder von sich aus neugierig und interessiert mit allem umgehen, was ihnen auf dieser Welt begegnet, ihre Zuversicht in die Sinnhaftigkeit des Tuns jeden Mädchens und Jungen und ihr Respekt vor deren ganz individuellen Aneignungswegen und Ausdrucksformen wird Auswirkungen auf ihr Handeln haben« (Andres & Laewen 2011, vgl. auch: www.infans.net/das-infans-konzept/). So verstanden, stellt die Erzieherin den Forschergeist und den Selbstbildungsprozess der Kinder in den Mittelpunkt ihres Interesses. Die Voraussetzungen dafür lauten:

Jedes Kind wird als Konstrukteur seiner Welt anerkannt und erhält vielfältige Möglichkeiten zur Selbstbildung.

Jedes Mädchen und jeder Junge wird als Gegenüber ernst genommen und in seiner Besonderheit anerkannt. Die Beziehung zwischen Erzieherin und Kind ist durch Verlässlichkeit und Konstanz gekennzeichnet.

Die Mitarbeiterinnen der Kindertageseinrichtung stehen in einem regelmäßigen fachlichen Dialog. Sie verstehen sich selbst als Forschende und werden dabei durch Beratung unterstützt. Die kontinuierliche Qualifizierung und der Kontakt zu fachlich relevanten regionalen und überregionalen Institutionen werden als Voraussetzung für professionelles Handeln gefördert.

Zur Ausgestaltung des Lebens in der Kita werden die Wünsche der Eltern gebraucht und sind ernst zu nehmen. Der Umgang mit Erwachsenen ist durch Dialog, Zusammenarbeit und geteilte Verantwortung gekennzeichnet. (Die Leitziele 1 und 4 wurden von der Entwicklungsgruppe Brandenburg/INFANS (2003) formuliert; die Leitziele 2 und 3 von Beate Andres (2003).)

Kinder wollen die Welt selbst erforschen

Kinder machen sich schon vom Tag ihrer Geburt an ein Bild von der Welt. Sie folgen dabei genetisch verankerten Dispositionen und einem ausgeprägten inneren Drang (Ayres 1992). Das Kind macht sich von sich aus auf den Weg, seine nahe Umwelt zu erforschen, weil es daran interessiert ist, sie zu begreifen und für sich zu ordnen. Es ist dabei nicht nur Akteur, sondern auch Konstrukteur, denn es konstruiert seine Interaktionen selbsttätig und macht sich ein eigenständiges Bild.

Dieses Bild ist mehr als ein Abbild der Umgebung. Das Kind interpretiert, verknüpft unterschiedliche Wahrnehmungen, zieht Schlüsse und ordnet auch die unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen ein. Diesen Wahrnehmungen folgen Interpretationen und Handlungsabsichten. Das Handeln des Kindes ist dabei nicht auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet – wie wir Erwachsene es manchmal so gerne hätten –, sondern hat seine Bestimmung in sich selbst. Die Frage »Warum machst du das jetzt?« ist demzufolge recht überflüssig. Lehren und Lernen kann in diesem Sinne nur heißen, »von außen Anstöße zu geben, die Verarbeitung aber obliegt dem einzelnen Subjekt« (Gudjons 1992, S. 47). Die Verarbeitung von Informationen und Erfahrungen wird immer ganz individuell vorgenommen und ist deswegen grundsätzlich auch als individuelle Leistung anzuerkennen. Für Sie als pädagogische Fachkraft bedeutet das: Zwischen Ihren Planungsangeboten und Impulsen steht immer das besondere Interesse des Kindes, das die Welt anders wahrnimmt und andere Schlussfolgerungen für sein Handeln zieht als Erwachsene.