Raffaela für immer - Gudrun Leyendecker - E-Book

Raffaela für immer E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Raffaela, die sich bisher das Geld als Kleindarstellerin und Sängerin verdient hat, gewinnt einen riesigen Lottogewinn und mietet sich im Schloss des verstorbenen Künstlers Moro Rossini bei seiner Witwe Adelaide ein. Was kann man sich mit Geld alles kaufen? Vielleicht auch das Glück? Raffaelas Fantasie scheint keine Grenzen zu kennen. Der Roman RAFFAELA FÜR IMMER spielt wie die 24-bändige Reihe LIEBE UND MEHR im historischen Städtchen Sankt Augustine.

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Der Roman RAFFAELA FÜR IMMER

spielt wie die 24-bändige Reihe LIEBE UND MEHR

im historischen Städtchen Sankt Augustine. Raffaela,

die sich bisher das Geld als Kleindarstellerin

und Sängerin verdient hat, gewinnt einen riesigen Lottogewinn

und mietet sich im Schloss des verstorbenen Künstlers Moro Rossini

bei seiner Witwe Adelaide ein. Was kann man sich mit Geld alles kaufen? Vielleicht auch das Glück?

Raffaelas Fantasie scheint keine Grenzen zu kennen.

Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.

Siehe Wikipedia.

Sie veröffentlichte bisher über 65 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehnte langen Tätigkeit als Lebensberaterin.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

1. Kapitel

Die junge Frau betrachtete den Mann in der blauen Latzhose, der ihr den Rücken zudrehte und an einem Rosenbusch die vertrockneten Blüten abschnitt.

„Sind Sie hier der Gärtner?“ wandte sie sich ungeduldig an ihn.

Gelassen drehte er sich um, zeigte sein hübsches, junges Gesicht. „Ja, ich arbeite hier als Gärtner. Und Sie sind wahrscheinlich die junge Schauspielerin, die hier ein Zimmer gemietet hat und heute Morgen schon hier sein wollte, oder?“

Sie blickte ihn ärgerlich an. „Ich war verhindert, und hatte jetzt hier eigentlich einen anderen Empfang erwartet. Es ist überhaupt niemand da, stattdessen schrieb man mir die Benachrichtigung, dass ich mir im historischen Gasthof „Zur Traube“ den Schlüssel vom Schloss abholen könne. Was ist denn hier überhaupt los? Warum sind alle ausgeflogen? Es wohnen doch sonst eine ganze Menge Menschen hier, die Schlossbesitzerin Adelaide, die Witwe des großen Künstlers Moro Rossini und jede Menge Kunststudenten, die sich hier tummeln sollen. Sind die alle ausgeflogen?“

Der Gärtner lächelte. „Ich bin übrigens Bernhard, und wir sagen hier im Schloss alle Du zueinander, weil wir hier wie eine Familie zusammenleben.“ Er zog den Handschuh aus und reichte ihr die Hand.

Die junge Frau nahm sie zögernd und mit missmutigem Gesicht entgegen. „Ich bin Raffaela und hatte vor, eine Weile hier zu bleiben. Und weil ich etwas zu feiern habe, wollte ich auch direkt einen großen Einstand geben.

Aber wenn keiner da ist, kann ich mir das ja sparen.“

„Bist du mit dem Taxi gekommen? Dann hat der Fahrer bestimmt deine Koffer ins Schloss gebracht“, vermutete er. „Die ganzen Schlossbewohner sind übrigens zu einem Event unterwegs.“

Sie kickte mit dem Fuß einen Stein fort, der auf dem Weg lag. „Selbstverständlich bin ich mit einem Taxi gekommen und für ein gutes Trinkgeld hat mir der Fahrer auch die Koffer ins Schloss gebracht. Dort stehen sie jetzt hoffentlich gut und sicher in der großen Empfangshalle. Und was für ein Event soll das sein, für das sich alle Bewohner des Schlosses wegbewegen?“

„Unsere Schlossherrin hat über ihren verstorbenen Mann eine neue Biografie geschrieben, und da er Italiener war, wie du vielleicht weißt, hat der italienische Botschafter eine Lesung veranstaltet, in der er und Adelaide in ihren jeweiligen Sprachen vorlesen. Außerdem wird Moro posthum noch geehrt.“

Raffaela hob die Augenbrauen. „Er wird geehrt? Wieso gerade er? So berühmt war er doch gar nicht. Die paar Bilder, die er gemalt hat, und die wenigen Skulpturen, die er angefertigt hat, dazu noch ein paar Fotos und ein paar Gedichte! Damit ist er doch kein Einzelfall. Da müssten aber doch noch viele Menschen geehrt werden.“

Bernhard zog sich den Handschuh wieder an, nahm die Schere und schnitt erneut eine verblühte Rosenknospe vom Strauch. „Das ist auch nicht der Hauptgrund für seine Ehrung. Man denkt an ihn, weil er trotz vieler gesundheitlicher Einschränkungen ein riesengroßes soziales Engagement gezeigt hat. Er kämpfte auf vielen Ebenen, wenn auch, wie meist üblich, ohne den angemessenen Erfolg. Misshandelte Lebewesen waren dabei sein Hauptthema, und er hat sich mit viel Herzblut dafür eingesetzt.“

Raffaela riss die Augen auf. „Hatte er denn so viel Geld?“

„Nein, am Anfang hatte er überhaupt nichts. Erst später, als Adelaide ihm zu etwas Ruhm verhalf und seine Bilder verkaufte. Aber wenn er das Geld besessen hätte, das du gewonnen hast, dann hätte er bestimmt alles für seine Schäfchen ausgegeben.“

Sie sah ihn wütend an. „Was erlaubst du dir denn? Es geht dich überhaupt nichts an, was und wie viel ich gewonnen habe. Dir werde ich ganz bestimmt weder heute noch sonst irgendwann einmal einen Willkommensdrink ausgeben. Das Leben hat sich schon etwas dabei gedacht, dass ausgerechnet ich einen so großen Gewinn gemacht habe. Das kann ich dir versichern. Und wann kommt die ganze Gesellschaft wieder? Muss ich mir jetzt etwas vom Pizzaservice bestellen?“

Bernhard lachte. „Der Pizzaservice von Sankt Augustine ist ganz ausgezeichnet. Aber wenn du noch ein paar Minuten Geduld hast und dir inzwischen brav die Hände wäschst, dann komme ich gleich zu dir in die große Schlossküche und wärme für dich das auf, was meine Frau Carla für dich vorbereitet hat. Sie ist hier im Schloss so eine Art Haushälterin und hilft der Schlossherrin auf jede Art und Weise.“

„Und die ist jetzt auch mit dort? Warum bist du denn dann als Einziger hiergeblieben?“

„Wegen dir natürlich. Meine Frau kannte Moro Rossini auch schon sehr lange. Wir alle haben ihn verehrt und geliebt. Was würde Adelaide nicht alles darum geben, wenn sie ihn wieder zurückholen könnte! Ja, mit Geld kann man schon sehr viel machen. Aber selbst du könntest ihr ihren verstorbenen Mann mit deinem großen Gewinn nicht wiedergeben.“

„Gerade, weil ich weiß, wie kurz das Leben ist, werde ich mir mit dem Geld jeden Wunsch erfüllen. Vermutlich werdet ihr hier auf dem Schloss noch euer blaues Wunder erleben.“

Bernhard staunte. „Was hast du vor? Willst du jeden Tag ein paar Pyrotechniker bestellen und ein Feuerwerk aus blauen Sternen in die Luft jagen?“

„Das weiß ich noch nicht. Aber wenn ich jetzt nicht bald etwas zu essen finde, werde ich doch noch den Pizzadienst anrufen müssen.“

Der Gärtner legte die Schere beiseite. „Meine Rosen sind etwas geduldiger. Dann werde ich dich zuerst in die Schlossküche führen und dir behilflich sein. Ich kann dir zeigen, wie eine Mikrowelle funktioniert.“

„Meinst du, nur weil ich Schauspielerin bin, wüsste ich nicht, wie man Elektrogeräte einschaltet?!“ Sie sah ihn böse an. „Das kann ich auch selbst. Aber bevor ich euch alles wegesse, zeigst du mir besser, was Adelaide für mich zurückgelegt hat.“

Darauf gab er ihr keine Antwort, sondern ging an ihr vorbei und eilte voraus dem Schloss zu, sodass sie Mühe hatte, ihm nachzukommen.

2. Kapitel

In der weiträumigen Halle des Schlosses trafen sie auf eine elegant gekleidete, junge Frau, die sich sofort mit einem freudigen Lächeln an Raffaela wandte. „Du bist bestimmt unser neuer Gast! Habe ich Recht?“

Die junge Schauspielerin atmete auf. „Gott sei Dank leben hier auch noch normale Menschen“, gab sie von sich. „Ich habe hier schon einen ganz unmöglichen Mann kennengelernt. Er ist unhöflich und kennt keine Manieren.“ Sie zeigte auf Bernhard, der grinsend neben ihr stand.

Die junge Frau riss die Augen auf und verzog das Gesicht. „Das ist mein Mann, und ich habe schon befürchtet, dass er nicht die Eignung zu einem perfekten Gastgeber hat. Deswegen bin ich auch schon zurückgekommen, obwohl mich die anderen gar nicht gehen lassen wollten. Ich heiße übrigens Carla und helfe überall dort aus, wo ich im Schloss und besonders in der Küche gebraucht werde. Eine gute Freundin von mir, Abigail Mühlberg hat mir aber versprochen, die ganze Zeremonie zu filmen, sodass ich sie mir später noch einmal ansehen kann.“

Raffaela schien es nichts auszumachen, dass sie bei Carla ins Fettnäpfchen getreten war, unbeirrt fuhr sie fort. „Ja die Technik macht heute alles möglich. Begleitest du mich in die Schlossküche?“

„Gern, und ich werde dir auch beim Essen Gesellschaft leisten, falls dir das recht ist. Die meisten Menschen essen nicht gern allein.“

Während sich Bernhard umdrehte, um wieder in den Garten zu gehen, führte Carla die junge Schauspielerin in ein geräumiges Badezimmer. „Hier kannst du dich erst einmal frisch machen, während ich in die Küche gehe und schon einmal alles vorbereite. Brauchst du noch etwas?“

Raffaela sah sich um. „Ich glaube, ich finde hier alles, was benötige. Duschen kann ich später. Ich will mir nur die Hände waschen, mehr ist jetzt nicht nötig. Du kannst den Augenblick warten, dann können wir gemeinsam in die Küche gehen. Wenigstens kann man mit dir wahrscheinlich vernünftig reden. Jedenfalls hast du mich nicht sofort auf meinen großen Gewinn angesprochen.“

Carla hob die Augenbrauen. „Hat das Bernhard etwa getan? Ich weiß nicht, was heute mit ihm los ist. Vielleicht ist ihm die Sonne etwas zu Kopf gestiegen. Möglicherweise war er aber auch sauer, dass er nicht zu dem Event gehen konnte. Er hat Moro sehr geschätzt. Aber da du gerade von deinem großen Gewinn sprichst. Ich denke, damit wirst du alle Menschen in deiner Umgebung neugierig machen. Jeder stellt sich doch schon einmal vor, was er selbst mit einem solchen Gewinn machen würde. Das fragen sich sicherlich deine Mitmenschen auch, was du damit machen wirst.“

Raffaela ließ etwas Wasser über die Hände laufen, schüttelte sie ab und berührte kurz das Gäste-Handtuch. „Ich habe mir vorhin schon die Hände gewaschen, als ich hier ankam. Ja, ich kann dir verraten, was ich mit dem Geld machen werde. Ich habe mir nämlich vorgenommen, all diese Dinge damit zu tun und mir zu kaufen, die andere Menschen sich nicht ausdenken können.“

„Wie bitte? Das verstehe ich jetzt wirklich nicht.“

„Also, es ist doch ganz einfach. Andere Menschen würden sich ein Haus und ein Auto kaufen. Das werde ich zum Beispiel nicht tun. Andere Menschen würden sich viele Klamotten und teuren Schmuck kaufen, das will ich auch nicht tun. Ich habe einen Teil des Geldes zunächst einmal angelegt, damit ich mit den angelegten Geldern etwas anfangen kann.“

„Aber das tun doch viele Menschen“, warf Carla ein. Sie führte den Gast aus dem Badezimmer, den Flur entlang bis zur Schlossküche, in der sich Raffaela verwundert umsah.

„Ach, das ist ja wirklich grandios. Wie in einem Märchen! Kein Wunder, dass hier dieser riesengroße Tisch steht, an dem immer alle essen, wie mir die Schlossherrin prophezeite. Ich habe einen Jackpot geknackt, darin waren etwa 100 Millionen Euro. Das ist eine Summe, die sich kaum jemand vorstellen kann. Und ich auch nicht, deswegen habe ich es erst einmal von meinem Steuerberater anlegen lassen. Aber von dem Geld, das es täglich bringt, kann ich mir jeden Luxus leisten.“

„Jetzt hast du mich wirklich neugierig gemacht“, gestand ihr Carla. „Mit solch einer Summe kann man wirklich einmal den Kopf verlieren. Was willst du denn jetzt zuerst damit anfangen?“

„Ich will mir Menschen kaufen“, sagte sie trocken.

Die Haushälterin ließ einen Löffel fallen. „Habe ich dich richtig verstanden? Du willst dir Menschen kaufen?“

Raffaela lachte. „Also, keine Sklaven oder so, falls du das denkst. Ich werde Menschen bezahlen, dafür dass sie etwas ganz Besonderes tun, etwas, das ich von ihnen verlange. Also gebe ich dir mal ein kleines Beispiel, damit du erkennen kannst, was ich meine. Ich nehme zum Beispiel jetzt einen Hundert-Euro Schein aus meiner Tasche und sage zu dir: „Du bekommst diesen Schein, wenn du jetzt auf der Stelle einen Kopfstand machst.“ Das ist jetzt nur ein winziges Beispiel mit einer kleinen unbedeutenden Sache. Natürlich denke ich mir dann schon ganz andere, viel verrücktere Dinge aus.“

Carla riss die Augen auf. „Also, ich kann keinen Kopfstand, ich bin völlig unsportlich. Ansonsten denke ich, dass es viele Menschen gibt, die sich diesen Schein ganz schnell verdienen möchten. Hast du denn etwa auch an ganz gefährliche Sachen gedacht?“

Raffaela schüttelte den Kopf. „Nein. Warum auch? Es gibt genügend verrückte Dinge, die ungefährlich sind. Das wird mir einen riesigen Spaß bereiten und möglicherweise auch den Menschen, die ich bezahle. Vielleicht sogar in doppelter Art und Weise. Möglicherweise finden sie Spaß an den verrückten Dingen, und auf jeden Fall werden sie sich über das Geld freuen.“

Carla servierte der jungen Frau italienische Vorspeisen. Neben eingelegtem Gemüse entdeckte Raffaela auch Parma-Schinken und Artischockenherzen, die hübsch garniert auf dem Teller glänzten.

„Das kann aufregend werden“, vermutete sie. „Die Künstler hier sind alle nicht reich, die meisten von ihnen sind noch Studenten und machen sich sicherlich einen Spaß daraus, auf eine ungewöhnliche Art und Weise etwas Geld zu verdienen. Und sicherlich wirst du auch viele Freunde haben, die dir plötzlich zu Füßen legen.“

„Ich habe auch eine Heiratsannonce aufgegeben, darin suche ich einen Partner, der keine Angst vor Geld hat.“

Die junge Haushälterin riss die Augen auf. „Du hast verraten, dass du so viel Geld besitzt? Aber dann lockst du doch Männer an, die es nur auf deinen Reichtum abgesehen haben.“

„Genau die möchte ich ja kennenlernen. Das wird doch bestimmt interessant. Und ich lade sie alle zusammen ein, weil ich zuschauen möchte, wie sie sich gegenseitig ausstechen.“

Carla stellte Pasta zum Überbacken in den Ofen. „Aber das kann ins Auge gehen. Hast du denn schon mit der Schlossherrin darüber geredet? Ich weiß nicht, ob sie solche Hahnenkämpfe hier im Schloss interessant findet?“

„Ich werde mich mit den betreffenden Männern natürlich nicht im Schlossgelände treffen. Sankt Augustine ist groß und hat viele gute Plätze für Rendezvous. Ideal finde ich zum Beispiel den Märchenpark im Südwesten der Stadt.“

Die junge Haushälterin sah Raffaela aufmerksam an. „Im Märchenpark? Ist das dein Ernst? Willst du mich jetzt auf den Arm nehmen, oder hast du vor, mit den Männern zu spielen? Du siehst aus, wie eine intelligente Frau, und es scheint mir, dass du einen Plan hast, hinter dem eine ganze Menge steckt. Habe ich Recht?“

Raffaelas Lachen klang wie eine Melodie. „Ich habe mir vorgenommen, mir für mein Geld Spaß und Freude zu kaufen. Und momentan ist mir nach solch einer Belustigung zumute. Ich lasse mich einfach überraschen, von all dem, was geschehen wird.“

Sie begann, kleine Häppchen der Vorspeisen zu probieren, kaute sie langsam und bedächtig und ließ sie auf der Zunge zergehen.

Carla bediente den neuen Gast mit Wein und Wasser, und schenkte sich selbst ein Glas Orangensaft ein.

„Es wird Leute geben, die über dich meckern“, vermutete die junge Haushälterin. „Viele Menschen erwarten sicher von dir, dass du von dem Geld etwas spendest, vielleicht für Arme oder Kranke. Hättest du daran keinen Spaß?“

„Das habe ich zunächst einmal meinem Steuerberater überlassen. Er hat mir auch dazu geraten, und so habe ich ihn bevollmächtigt, alles zu spenden, was mir Steuererleichterungen verschafft. Darum werde ich mich später einmal kümmern. Jetzt bin ich neugierig auf meine Erfahrungen.“

Carla hob das Glas. „Dann trinken wir auf deine Zeit im Schloss von Sankt Augustine! Also startest du hier gewissermaßen einen Test und willst herausfinden, wie sich Menschen verhalten.“

Raffaela lachte erneut. „Aber nein! Du überschätzt mich völlig. Ich will lediglich meinen Spaß haben und herausfinden, was so alles Spaß macht. Und mich interessiert einfach, was man sich alles für Geld kaufen kann.“

„Die Liebe kann man sich jedenfalls nicht durch Geld kaufen“, antwortete Carla schnell. „Wenn man Glück hat, darf man ihr irgendwann begegnen.“

„Du glaubst an so etwas wie die wahre Liebe?“ fragte die junge Schauspielerin verwundert.

Carla nickte. „Einigen Menschen hier im Schloss ist sie schon begegnet, die wahre Liebe. Mir zum Beispiel. Bernhard und ich, wir haben uns im Schloss kennengelernt, und es hat ein paar Verwirrungen gegeben, bevor wir zueinandergekommen sind. Die Journalistin Abigail, die mit ihrem Mann ganz oben in einer Dachwohnung lebt, hat ihren Mann, den Italiener Ermanno in Italien kennengelernt, dort, wo auch die Schlossherrin Adelaide Rossini mit 17 ihren Moro kennengelernt hat. Bei allen war und ist es die große Liebe.“

Dieses Mal klang Raffaelas Lachen spöttisch. „Da bin ich aber hier in einen Kreis von besonders romantischen Künstlern geraten“, stöhnte sie. „Ich glaube nicht an die große Liebe, sondern denke, dass ihr euch alle nur etwas vormacht. Aber es gibt wohl Menschen, die diese Illusion brauchen, um heiter durchs Leben zu kommen. Ich bin übrigens jetzt satt. Die Pasta kannst du selbst essen oder deinem unfreundlichen Mann bringen. Ich werde mich jetzt etwas hinlegen und wahrscheinlich auch bald schlafen gehen. Rechnet nicht mehr mit mir, heute Abend! Und falls du so lange wach sein solltest bis die Schlossbewohner wieder alle hier eingetrudelt sind, kannst du Adelaide von mir einen Gruß sagen.“

Sie stand auf, eilte aus der Küche und hinterließ die sprachlose junge Haushälterin, die eine ganze Weile versuchte, ihre Gedanken zu sortieren und sich einen Reim auf Raffaelas Verhalten zu machen.

3. Kapitel

„Eigentlich müsste ich müde sein“, teilte Adelaide ihrer jungen Freundin Carla mit. „Es ist schon weit nach Mitternacht, und ich bin es gar nicht mehr gewohnt, so lange aufzubleiben. Aber die Gedenkfeier für meinen liebsten Moro war so schön und ergreifend, dass es mir ganz warm ums Herz wurde. Es ist so schade, dass du nicht dabei sein konntest. Zum Glück hat Abigail alles aufgenommen, und wir können es uns in den nächsten Tagen noch einmal gemeinsam ansehen.“

„Ich habe ja den Anfang mitbekommen“, beruhigte die junge Haushälterin die Schlossherrin. „Und du hast Recht, es war eine wunderschöne Feier. Man konnte deutlich spüren, wie beliebt Moro war und ist.“ Sie seufzte. „Gut, dass es die moderne Technik gibt. „Ich soll dich übrigens von unserem neuen Gast grüßen. Raffaela hat nur von den Vorspeisen probiert und sich dann eilig in ihr Zimmer zurückgezogen.“

„Tatsächlich?“ wunderte sich Adelaide. „Dann muss sie wohl von der langen Reise sehr müde gewesen sein. Sie tut mir sehr leid.“

„Warum tut sie dir so leid? Kommt sie von so weit her?“

„Nein, das ist es nicht. Sie tut mir in ihrer Situation sehr leid. Sie war doch bisher arm und steht auch ganz allein da, soviel ich weiß. Da kann einem dieses viele Geld schon zu Kopf steigen. Ich denke, dass sie mit dieser Situation völlig überfordert ist.“

Carla seufzte. „Das kann tatsächlich der Fall sein. Aber sie hat mir auch gesagt, dass sie einen Steuerberater hat, dem sie einiges anvertraut. Hoffentlich kann sie ihm auch vertrauen! Aber wie es scheint, hat sie ihre eigenen Pläne und wird sich nicht viel in ihre Vorhaben hineinreden lassen.“

„Sie hat schon Pläne? Das hätte ich nicht gedacht. Hat sie dir denn schon etwas darüber anvertraut?“

Carla nickte. „Ja, das hat sie. Und es klingt wirklich sehr komisch. Ich weiß gar nicht, ob sie vielleicht auch nur einen Scherz gemacht hat und wissen wollte, wie ich reagiere.“

„Was hat sie denn gesagt?“

Die junge Frau stockte einen Augenblick. „Das traut man sich gar nicht zu sagen. Sie will sich mit dem Geld Spaß kaufen. Viel Spaß kaufen. Sie will sich Menschen kaufen, die dann für Geld das tun sollen, was sie von ihnen verlangt. Lustige Sachen, alberne Sachen. Zum Glück keine, die gefährlich sind. Und das Tollste ist: Sie hat eine Heiratsannonce aufgegeben, in der sie erwähnte, dass sie sehr reich ist. Sie will sich mit Männern treffen, die auf ihre Annonce antworten. Da weiß ich wirklich nicht, was ich davon halten soll.“

Adelaide hob die Augenbrauen. „Wirklich? Das hört sich sehr verrückt an. Sicher hat sie da nur einen Spaß gemacht. Sie lockt doch nur Heiratsschwindler und Gauner mit dieser Annonce an.“

„Sie meinte, dass es interessant wäre, wie sich diese Männer untereinander verhalten, denn so wie es sich anhörte, will sie sie alle gemeinsam in die Stadt einladen.“

„Kaum zu glauben. Ich werde einmal mit ihr reden, vielleicht kann ich sie doch noch davon abbringen. Und natürlich lasse ich nicht zu, dass sie sich irgendwo in Sankt Augustine mit Heiratsschwindlern trifft. Das ist doch viel zu gefährlich. Ich glaube, wir müssen alle ganz schön auf sie aufpassen.“

„Sie wirkt sehr energisch. Dann müssen wir das so machen, dass sie davon so wenig wie möglich bemerkt“, überlegte Carla.

Bernhard kam hinzu und begrüßte die Schlossherrin. „Hat man Rossini einen angemessenen Abend gestaltet?“ erkundigte er sich.

„Ja, alle waren sehr bewegt, und ich hatte das Gefühl, dass Moro mit dabei ist. Alle haben an ihn gedacht, und man spürte, dass sie es ehrlich meinen und viele ihn sehr verehren und lieben. Ich wurde von einigen Gästen darauf angesprochen, ob ich nicht seine Werke hier im Schloss für alle zugänglich machen möchte, damit jeder seine Bilder, Fotos und Skulpturen im Schloss bewundern kann. Aber Abigail hatte eine ganz besondere Idee.“

Bernhard blickte die ältere Dame erwartungsvoll an. „Da bin ich gespannt. Was hat sich die Journalistin ausgedacht?“

„Sie will erst mal ein Video online stellen. Ein Rundgang durch die privaten Zimmer des Schlosses, in denen Moros Werke hängen. Sie meinte, ich solle mir meine idyllische Privatsphäre mit ihm doch noch eine Weile allein gönnen.“

„Damit hat sie Recht“, fand der junge Mann. „Moro hat genügend Werke in der Öffentlichkeit ausgestellt, sogar Kunstdrucke in den Museen der ganzen Welt, in Paris, in New York, in Mailand und wer weiß wo sonst noch. Damit sollten sich seine Fans erst einmal zufriedengeben. Aber wir hier im Schloss werden demnächst sicherlich keine zufriedene Zeit haben“, prophezeite er.

Adelaide wunderte sich. „Wieso nicht?“

„Ich werde aus unserem neuen Gast nicht schlau. Raffaela hat hier Absichten, die mir sehr seltsam vorkommen, hat dir meine Frau schon davon erzählt?“

„Ja, ein bisschen. Ich hoffe, dass die Schauspielerin wenigstens einen guten Steuerberater hat, der ihr Geld treuhänderisch verwaltet. Ich werde Niklas einmal fragen, ob er etwas über diesen Mann herausfinden kann. Es täte mir zu leid, wenn er Raffaelas ganzes Vermögen verschleudert.“

„Ich fürchte, das tut sie schon selbst“, vermutete Bernhard. „Vielleicht ist sie eine Nachfahrin von August dem Starken. Der hat zum Beispiel auch für die Hochzeit seines Sohnes ein Vermögen ausgegeben. Ich möchte einmal wissen, was es gekostet hat, das Spanferkel zu vergolden, dass er damals seinen Gästen serviert hat.“

Adelaide lächelte. „Ich glaube, das war nur Blattgold. So etwas haben wir auch in der Buchbinderei benutzt, um die Schnitte mit Gold zu belegen. Das war auch nicht so viel wert. Es war so hauchdünn, dass man es wegpusten konnte wie ein Japan-Papier. Das erinnert mich an meine Kindheit. Da gab es hauchdünne Servietten, die so dünn waren, dass man durch sie hindurchschauen konnte. Sie hatten entzückende, zarte Blumenmuster, und wir haben sie gesammelt wie Briefmarken.“

„Ob sie auf die Idee kommen wird, ein Spanferkel zu vergolden oder japanische Papierservietten zu sammeln, das weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist unser neuer Gast launisch“, fand Carla. „Erst hat sie von einem riesigen Hunger gesprochen, und als ich dann das Essen aufgewärmt hatte, stocherte sie lediglich ein bisschen auf dem Vorspeisenteller herum. Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn solch ein Mensch so viel Geld gewinnt.“

„Solange sie keine Möglichkeit hat, mit ihrem Geld einen Krieg anzuzetteln, müssen wir sie sicherlich gewähren lassen“, überlegte Bernhard.

Carla schüttelte energisch den Kopf. „Nein. Selbst wenn sie keine Waffen kauft, müssen wir ihr auf die Finger sehen. Mit so viel Geld ist sie selbst eine Waffe. Schließlich wird sie bei uns hier im Schloss leben, da können wir nicht zulassen, dass sie alles durcheinanderbringt.“

„Wir wollen das Ganze nicht so schwarzsehen!“ entschied Adelaide.

„Vielleicht hat sie doch nur Spaß gemacht, und es wird am Ende nicht so schlimm. Möglicherweise ist sie noch in einer Art Schock und kann es noch gar nicht begreifen, dass sie so viel Geld gewonnen hat. Sie soll vorher eine ganz arme Maus gewesen sein und sich mehr schlecht als recht durchs Leben geschlagen haben. Da ist es doch dann kein Wunder, wenn ihr die Umstellung nicht auf Anhieb gelingt.“

„Ja, warten wir es einfach ab“, stimmte ihr auch Carla zu.

„Ich werde jedenfalls ein Auge auf sie haben“, versprach der junge Gärtner.

4. Kapitel

Die meisten der Kunststudenten hatten ihr Frühstück bereits beendet und hatten sich im Schloss und im Garten verteilt, genauso wie an den vergangenen Tagen der Sommerferien, als Raffaela unvermittelt die Küche betrat.

Lediglich Boris und Matthias saßen noch gemeinsam mit Adelaide und Carla am Frühstückstisch der großen Schlossküche bei einem letzten Kaffee und unterhielten sich.

Ihre Augen richteten sich erstaunt auf die junge Schauspielerin, die sich aus dem Theaterfundus der neuen Laienspielgruppe von Augustine das Kostüm der Maria Theresia herausgesucht und angezogen hatte.

Boris lächelte und ging ihr entgegen. „Oh! Was für eine charmante Vorstellung schon so früh am Morgen!

Majestät, darf ich Euch zu einem Sitzplatz geleiten?“