Ran an das Fett - Anne Fleck - E-Book
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Anne Fleck

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Beschreibung

Fett entsteht – aus Fett. Oder? Ein weit verbreiteter Glaubenssatz lautet: Wer schlank und gesund sein will, sollte sich – da waren sich lange fast alle einig, von der Weltgesundheitsorganisation bis hin zu den Weight Watchers – fettiges Essen verkneifen. Und das ist: so falsch. Unter dem Fettarm-Dogma hat sich die größte Übergewichtsepidemie aller Zeiten entwickelt, gab es einen Anstieg zahlreicher chronischer Krankheiten, befeuert durch wirtschaftliche Interessen und die fatalen Fehlinformationen schlecht informierter Politiker und einer unkritischen Presse. Dr. med. Anne Fleck räumt in diesem Buch mit den Vorurteilen gegenüber den Fetten endlich auf und zeigt, dass sie ein Eckpfeiler jeder gesunden Ernährung sind. Denn Fett als Makronährstoff ist der beste Brennstoff für ein gesundes Leben, der uns u.a. vor Herz-Kreislauf-Krankheiten, Übergewicht, Depression, Alzheimer und Krebs schützt. Dieses Buch erklärt, wie der Fettschwindel in unsere Köpfe kam, und zeigt innovative Wege auf, wie wir mit gesunden Fetten unseren Körper stärken und heilen – und so gesund und schlank werden können.

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Seitenzahl: 524

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Anne Fleck

Ran an das Fett – Das Praxisbuch

Mit Rezepten, Tipps und Gesundheits-Checks

 

 

 

Über dieses Buch

Fett entsteht – aus Fett. Oder? Ein weit verbreiteter Glaubenssatz lautet: Wer schlank und gesund sein will, sollte sich – da waren sich lange fast alle einig, von der Weltgesundheitsorganisation bis hin zu den Weight Watchers – fettiges Essen verkneifen. Und das ist: so falsch. Unter dem Fettarm-Dogma hat sich die größte Übergewichtsepidemie aller Zeiten entwickelt, gab es einen Anstieg zahlreicher chronischer Krankheiten, befeuert durch wirtschaftliche Interessen und die fatalen Fehlinformationen schlecht informierter Politiker und einer unkritischen Presse.

Dr. med. Anne Fleck räumt in diesem Buch mit den Vorurteilen gegenüber den Fetten endlich auf und zeigt, dass sie ein Eckpfeiler jeder gesunden Ernährung sind. Denn Fett als Makronährstoff ist der beste Brennstoff für ein gesundes Leben, der uns u. a. vor Herz-Kreislauf-Krankheiten, Übergewicht, Depression, Alzheimer und Krebs schützt. Dieses Buch erklärt, wie der Fettschwindel in unsere Köpfe kam, und zeigt innovative Wege auf, wie wir mit gesunden Fetten unseren Körper stärken und heilen – und so gesund und schlank werden können.

Vita

Dr. Anne Fleck ist seit Jahren international anerkannte Expertin für innovative Präventiv- und Ernährungsmedizin und engagiert sich als Dozentin und Moderatorin für moderne Gesundheitsansätze. Die Bestsellerautorin (u. a. «Schlank! und gesund mit der Doc Fleck-Methode» und «Die 70 einfachsten Gesundrezepte») ist einem breiten Publikum u. a. bekannt aus der mit ihr konzipierten NDR-Fernsehserie «Die Ernährungs-Docs». Anne Fleck lebt und arbeitet in Hamburg in eigener Praxis.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Februar 2019

Copyright © 2019 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Covergestaltung Hafen Werbeagentur, Hamburg

Coverabbildung Umschlagfoto: Dennis Dirksen

Umschlagillustration: Anne Fleck

ISBN 978-3-644-20065-4

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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Dieses E-Book ist nicht vollständig barrierefrei: Es enthält Abbildungen ohne Alternativtexte.

 

 

www.rowohlt.de

Für Lorenzo und alle Menschen, die mich die Wahrheit über die Heilkraft des Fettes lehrten. Und für alle anderen, die die Sehnsucht nach Wahrheiten und einem erfüllten, gesunden Leben in sich tragen.

Einführung

Ahnen Sie, was die meisten Menschen daran hindert, in maximaler Gesundheit zu leben? Was wohl? Der fatale Mangel an Fett! Schlicht und einfach: Fett.

FETT! Was ist das für Sie? Vielleicht so à la «Fett beschert ärgerliche Fettflecke». Fett schwimmt als Fettauge auf der Suppe. Fett schwabbelt als «Muffin-Effekt» über dem Hosenbund. Für manchen Kunstliebhaber und Bewunderer des Künstlers Joseph Beuys sind Fettflecke sogar künstlerischer Ausdruck. Fett ist aber eines nicht: ein «Gift», wie es in den letzten Jahrzehnten irrtümlich diffamiert wurde. Fett ist vielmehr ein geheimes Heilmittel de luxe für Ihren Organismus. Fett ist das bisher gut versteckte Kleinod für Ihre Gesundheit. Für Ihre Gesundheit können Sie vieles tun: sich etwas mehr bewegen, ausreichend schlafen, entspannter mit Problemen umgehen, die Nähe liebenswerter, ehrlicher Menschen suchen, insbesondere aber Ihre Ernährung kritisch hinterfragen und Fett aus der Schmollecke holen. Was wir essen, hat eine kolossale Wirkung auf die gesamte Biologie unseres Körpers: Darmflora, Immunsystem, Hormonkreislauf, Stoffwechsel – alle diese Teile eines hochfiligranen Puzzles, unseres Körpers, reagieren auf unsere Nahrung. Was wir essen, landet in unseren Zellen, den kleinsten Einheiten des Körpers. Sie können Ihre Zellen im Zeitlupentempo zugrunde richten oder mit cleverer, fettreicher Ernährung hegen und pflegen.

Ein kurzes Gedankenspiel: Stellen Sie sich Ihren Körper als großes Ganzes vor: eine vortrefflich formierte Einheit aus Millionen von Zellen. Und jede Zelle als Minieinheit Ihres Körpers braucht Fett als lebensnotwendigen Baustein für Zellmembran und Zellbestandteile, genauso wie Sie und ein duftendes Basilikumpflänzchen in der Küche oder das Eichhörnchen im Wald die Luft zum Atmen brauchen. Jede quietschlebendige Zelle Ihres Körpers lechzt laut nach gesundem Fett. Aber leider bleibt dieser verzweifelte Ruf von den meisten ungehört. Wenn Sie die Zelle systematisch «fetten», stoßen Sie die Tür zur ganzheitlichen Heilung auf. Je mehr gesunde Zellen, umso gesünder der ganze Organismus.

Wir alle haben die Chance, durch bewusste Ernährung unseren Körper zu renovieren – mit der potenziellen Heilkraft des guten Fettes. Sie zweifeln? Sind Sie sich nicht mehr wert als Ihr Auto? Mit Staunen erlebe ich, wie, ohne mit der Wimper zu zucken, in die heißgeliebte Karre «Nur-das-beste»-Motoröl geschüttet wird, ein Euro mehr oder weniger spielt keine Rolle. Jede Fahrradkette, jede Motorsäge braucht das richtige Fett, um zu funktionieren. Aber geht es um den eigenen Motor, den Körper, wird man nicht selten nachlässig, fahrlässig und lebt vor sich hin – ohne die erforderliche Sorgfalt. Nicht wenige schwören auf geschmacklich fade, fettarme Produkte oder beträufeln ihre Zellen sorglos mit minderwertigen Killerfetten. Kein Wunder, wenn irgendwann der Motor stottert, der Körper von einer «Fehlzündung» zur nächsten zittert. Kein Wunder, wenn ein Infekt den nächsten ablöst, chronische, ängstigende Krankheitsmonster lauern oder das Oberstübchen – Konzentration, Gedächtnis und gute Laune – nicht mehr so ganz rundlaufen wie früher. Die fettarme Ernährung bewirkt eine Meuterei auf Ihrer gesundheitlichen Kommandobrücke. Egal welche Schlagzeilen Ihnen um die Augen flattern, egal wie oft Ihnen «Fettarm ist gesund!» eingetrichtert wurde, die moderne Wissenschaft belegt: Fett ist nicht das Übel, sondern die Rettung. Und Millionen Menschen könnten von der Heilkraft des Fettes profitieren, wenn sie es nur wüssten …

Auf die Qualität des Fettes kommt es an und auf den Rest der «Lebensmittel», die Tag für Tag in Ihrem Magen anlanden. Denn klug gewähltes, gutes Fett hat als perfekter Brennstoff die einzigartige Gabe, die Zellen zu regenerieren und so den gesamten Organismus zu heilen. Fett bietet Ihnen die Chance, Ihre Gesundheit machtvoll zu beeinflussen, mehr als Sie es sich vorstellen können. Fett macht nicht nur schlank und schlau, glücklich und sexy, sondern schützt nachweislich vor Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus, Demenz und Krebs. Nicht nur das. Fett kann nicht nur Krankheiten vorbeugen und sie lindern, sondern heilen! Deshalb ist es elementares Modul meiner Heilmethode.

Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, wird es Sie hoffentlich in den Fingern kribbeln, die spaßbefreite Fettaugen-Zählerei hinter sich zu lassen. Denn dieses Buch ist nicht nur eine Liebeserklärung an das Fett. Ran-an-das-Fett gibt Ihnen auch eine bewährte Anleitung, wie Sie Ihre Gesundheit Schritt für Schritt aufmöbeln. Ohne Gesundheit ist alles nichts! Aber, Hand aufs Herz: Die meisten von uns gehen ziemlich leichtsinnig mit ihrer Gesundheit um. Bis man erst mal auf die Nase gefallen ist und sich fiese Krankheiten ins Leben eingeschummelt haben, fühlt man sich meist unverwundbar und macht gedankenlos weiter wie immer. Alles beginnt mit unserem Denken und den Dingen, die wir als «Wahrheit» bewerten. Irren ist menschlich. Und Leben ist lebensgefährlich. Gewiss. Das Fehlen von Fett ist jedoch besonders gefährlich. Aber wie kam es zu dieser fatalen Fehleinschätzung?

Gesundes Fett fehlt nicht zufällig in unserem Leben und auf Ihrem Teller! Jahrzehntelang haben «Experten», auch durch Ernährungsleitlinien, den sympathischen Nährstoff dämonisiert. Die jahrelange Gehirnwäsche, die Mär vom «bösen Fett» trägt seit Jahren riesige Früchte, auch tödliche. Naiv trotten Millionen von Menschen seit Jahrzehnten bizarren, verirrten Empfehlungen, fettarm zu essen, hinterher. Mit katastrophalen Folgen für die Gesundheit und Kostenexplosionen im «Gesundheitssystem». Mit dem Wegstreichen von gesunden Fetten vom Speiseplan und dem kolossalen Vormarsch von raffinierten Kohlenhydraten und Zucker in unsere Nahrung wurden die Menschen weltweit immer dicker und kränker. Leitlinien hinken weltweit oft dem Stand der Forschung hinterher – dabei sind gesunde Fette inzwischen längst rehabilitiert. So ändern sich auch Empfehlungen in der täglichen Beratungspraxis für die breite Masse der Bevölkerung nur eher schwerfällig.

Es haben wohl diejenigen mehr gesundheitliches Glück, die sich am wenigsten um fettarme Produkte scheren und sich nicht an sklavische Ratschläge halten. Denn das Verteufeln von Fett beruht nur auf einer vagen Hypothese eines einzigen Forschers – und die ist auf wissenschaftlich feinem Sand gebaut. Auch davon erzählt Ihnen Ran-an-das-Fett. Es ist lange her, dass ich auf das Geheimnis des Heilens durch Fett gestoßen bin. Es war in meinen ersten Jahren im Medizinstudium in Leipzig, nach der Wende, als mich das Faszinosum Fett packte. Doch wenn Sie jetzt denken, dass ich in den Vorlesungen etwas über Vorsorgemedizin, Ernährungswissenschaft oder Heilen mit Fett erfahren durfte, weit gefehlt. Leider! Im Studium habe ich de facto nichts zum Thema Ernährungs- oder Präventivmedizin gehört. Das Medizinstudium orientierte sich wie unser «Gesundheitssystem» leider vornehmlich an Krankheiten. «Krankheitssystem» scheint mir da fast der treffendere Ausdruck für unser Gesundheitswesen. Im Studium büffelt man Anatomie, Biochemie, Physiologie und die Naturwissenschaften, anschließend die Krankheiten des Menschen, ihre Leitsymptome und wie man die Diagnose und die klassische Therapie aus Medikation und operativen Heilverfahren einläutet. Was ganzheitliche Gesundheit bedeutet – konkret: Wie man einen Menschen von klein auf gesund erhält –, davon hörte ich leider nichts in den vielen Vorlesungen.

In dieser Zeit posaunte der Mainstream fleißig den Segen der fettarmen, kohlenhydratreichen Ernährung. Und auch ich ernährte mich damals anders als heute, nämlich deutlich «fettärmer» und in vermeintlich gesunder Kohlenhydratmast. Anders auch, als ich es aus meiner Kindheit gewohnt war. Damals war Fett niemals verpönt. Nicht weniger hatten mich meine langen Aufenthalte in Frankreich als Jugendliche und während des Studiums Fett eher als Freund und nicht als Feind kennenlernen lassen. Aber langsam wurden unmerklich Müsli, Cornflakes, Cerealien, Brot mit Belag und Schokolade zunehmend meine täglichen favorisierten Klassiker. Gutes Fett? Fehlanzeige. Diese fettarm-zuckerreiche Ernährung war das komplette Gegenteil dessen, was die moderne Ernährungswissenschaft heute für die Vorsorge und Therapie von Krebs und chronischen Krankheiten empfiehlt. Auch ich war arglos auf dem fettarmen, unüberlegten Trampelpfad des Mainstreams gelandet. Allerdings hatte ich bereits eine leise Ahnung, dass dieser Pfad nicht wirklich zielführend ist.

 

Irgendwann an einem irre kalten Novemberabend mäanderte ich nach einem langen Universitätstag durch die Innenstadt von Leipzig. Ein feiner Nieselregen bohrte sich durch meinen viel zu dünnen Mantel. Es war mehr als ungemütlich, und meine Füße froren langsam zu Eisklumpen. Da meine kleine Studentenbude leider nicht besonders winterfest und nur mit einem unzuverlässigen Kohleofen ausgestattet war, besuchte ich an solch eiskalten Abenden manchmal als heimliches «Hobby» zum Aufwärmen noch öffentliche, gut beheizte Orte. An diesem Abend schlüpfte ich spontan in ein kleines, uraltes Kino um die Ecke. Auf dem Programm stand irgendein Hollywoodfilm. Dieser Abend sollte mein Denken über Gesundheit und Fett radikal verändern. Lorenzos Öl hieß der besagte Film, mit Susan Sarandon und Nick Nolte in den Hauptrollen. Er handelte von einer wahren Geschichte und einer bis heute nicht populären und unterschätzten Thematik: Heilen mit Fett. Es ist die Geschichte des kleinen Lorenzo, der an einer seltenen, unheilbaren Krankheit litt und mit der tödlichen Prognose vor Augen sein Lebensende erwartete. Die Medizin hatte den Jungen aufgegeben. Aber dessen ausweglose Krankheit konnte dank des couragierten Kampfes seiner Eltern und visionärer Wissenschaftler erfolgreich gelindert werden – allein durch die bis dato utopische Therapie mit einer speziellen Ölmischung. Lorenzos Blatt wendete sich. Vom komaähnlichen Dahinsiechen zu einer faszinierenden Linderung der Symptome; er lebte sogar viele Jahre weiter, allen Statistiken zum Trotz!

Dieser Kinoabend im November war mein erster, aber wichtigster Anstoß, über den Einsatz von Fett als Heilmittel nachzudenken. Und nach und nach fing die Idee des «Heilen mit Fett» in mir Feuer. Mir dämmerte, dass man Fett zu Unrecht zum Sündenbock abgestempelt hatte. Auch kam ein erster Verdacht auf, dass es für die ruinierte Volksgesundheit andere Schuldige gab – wie raffinierte Kohlenhydrate. Aber ich hatte keinen echten Schimmer, keine wissenschaftlichen Belege, wie entscheidend die Bedeutung von Fett für unser aller Gesundheit ist. Nach diesem ersten, heftigen «Rums» wollte ich verstehen, wie es dazu kommen konnte, dass man das Fett derart verunglimpfte. Und es wurde mein Antrieb, offen und ohne Vorurteile, Fett zu analysieren und differenziert durchzudeklinieren. Motivation braucht immer ein echtes Motiv. Und dieses Motiv war für mich ein sehr starkes: die Wahrheit über Fette und ihre Heilkraft herauszufiltern. Und die Ergebnisse meiner jahrelangen Recherche haben meine Vermutung von damals bestätigt. Fett kann heilen!

 

Dieses Buch bietet Ihnen den neuesten Stand der Forschung. Sie lernen, was «gutes Fett» und was «schlechtes Fett» ist, denn nur gutes Fett heilt – schlechtes Fett killt. Sie tauchen in das verwirrende Thema Cholesterin und die weitverbreitete Cholesterinlüge ein, die uns seit Jahrzehnten auf Trab hält. Sie werden zum Guru in Sachen Pflanzenöl, ein schmierig-schwieriges Thema. Wichtig, denn nicht selten verführt Sie der Heiligenschein von harmlos oder gesund scheinenden Pflanzenölen zu ungesunden Entscheidungen. Dass Fette lebensverändernd wirken und Krankheiten von A bis Z bekämpfen können, vom profan wirkenden Aknepickel bis zur Zahnfleischentzündung, von Herzinfarkt über Diabetes und Demenz zum Krebs, darüber erzählt dieses Buch. Ran-an-das-Fett wird nicht nur Ihre Einstellung gegenüber Fett revolutionieren, sondern Sie dann an die Hand nehmen, damit Ihnen der Ölwechsel im Alltag leichtfällt. Denn erst dann werden Sie am eigenen Körper erleben, dass Fett um vieles gesünder ist, als Sie bisher dachten. Deswegen bin ich absolut überzeugt, dass jeder Mensch, der sich ein Leben in Gesundheit wünscht, dieses Buch lesen und damit arbeiten sollte! Die Aussichten sind spannend und ermutigend.

Seit über zwanzig Jahren behandele ich Tausende Patienten nach meiner Heilmethode. Dabei steht die ganzheitliche, individuelle Betrachtung des einzelnen Menschen im Vordergrund und im speziellen Fokus auch die fettbetonte, antientzündliche und darmgesunde Ernährung. In meiner Sprechstunde, in meinen Beratungen, Seminaren und Vorträgen habe ich mit diesem Ansatz bereits unzähligen Menschen helfen können. Die vielen dankbaren Menschen, denen ich so selbst bei schwersten chronischen Krankheiten helfen konnte, werde ich nie vergessen. Sie sind es, die mich ermutigten, auch dieses mir so wichtige Buch zu schreiben, das viele Jahre in mir gereift ist. Der unumstößliche Fakt, wie Fett die Gesundheit der mir anvertrauten Menschen verändert hat, ist für mich eine immense Motivation und hinterlässt das Gefühl einer tiefen Befriedigung. Die meisten Menschen machen die höchst erstaunliche «fette» Erfahrung: Entfaltet gesundes Fett im Körper seine erste Wirkung, fragt man sich, warum man so lange Zeit seines Lebens auf diesen exzellenten Sprit verzichtet hat. «Ich bin auf Öl!» – diesen Satz schenkte mir ein schwer kranker Rheuma-Patient, der vor Morgensteifigkeit und Gelenkschmerzen kaum mehr die Treppe herunterkam und bereits wenige Wochen später Stufen herunterstolzierte, wie man es vorher kaum für möglich gehalten hätte. Dies ist nur eines von zahllosen, bewegenden Beispielen.

Die sensationellen Erfolge, die ich erreichen konnte, seitdem ich konsequent auf die Heilkraft des Fettes setze, haben in mir den tiefen Wunsch wachsen lassen, dieses Wissen zu sammeln, zu verdichten und an Sie weiterzugeben. Wenn Sie die Tipps aus diesem Buch beherzt umsetzen, werden Sie sich, je nachdem wo Sie gerade gesundheitlich stehen, in kurzer Zeit wesentlich gesünder fühlen als heute. Wenn Sie die praxisbewährten Tipps aus Ran-an-das-Fett anwenden, wird Ihr Ziel – eine nachhaltige Gesundheit für Sie und Ihre Lieben – in greifbare Nähe rücken.

Ich hoffe sehr, dass Ran-an-das-Fett für Sie und Menschen, die Ihnen am Herzen liegen, zu einer ungeahnten Dimension Ihres Verständnisses von moderner Ernährung und Gesundheit führt. Und noch etwas. Lieber Leser, liebe Leserin, ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass dieses Buch ein machtvoller Schlüssel für Ihre gesundheitliche Zukunft wird. Sie ahnen jetzt hoffentlich, dass dies durchaus im Bereich des Möglichen ist.

 

Ihre

Dr. Anne Fleck

Teil 1Neue fette Wahrheiten

Über den zu Unrecht ungeliebten Nährstoff

Biographie eines fetten Irrtums, der uns krank macht

Über Jahrhunderte hielt sich die Überzeugung, die Sonne drehe sich um die Erde – Sie wissen schon, bis Galileo Galilei das Gegenteil bewies und es ihm dennoch nicht gelang, die Machthaber von dieser Tatsache zu überzeugen. Ein bisschen geht es mir so, wenn ich an die Rolle von Fett auf unserem Speiseplan denke: Über Jahrzehnte hielt sich die Fettarm-Doktrin hartnäckig, dabei war das Gegenteil eigentlich längst bewiesen. Fett macht NICHT fett – und Fett ist NICHT ungesund, im Gegenteil. Aber das Dämonisieren von Fett hat sich als «Wahrheit» in unseren Gehirnzellen breitgemacht. Zu oft, zu lange, zu überzeugend und zu enthusiastisch wurden uns die unzähligen und fetten Märchen über das Fett eingeflüstert. Seitdem spukt das Fettarm-Dogma nicht nur in unseren hirngewaschenen Gedanken, sondern – leider noch immer – auch in den medizinischen Leitlinien, mit fatalen Folgen für Gesundheit und Gesundheitssysteme. Ideen und Thesen gibt es viele. Überzeugungen gibt es viele. Aber jede falsche Überzeugung ist gefährlich. Das lehrt uns die Geschichte. Doch wie ist es dazu gekommen, dass das Fett seit Jahrzehnten verteufelt wird?

Wie falsche Hypothesen und Dogmen der Gesundheit schaden und wie wir in das falsche Dogma geschlittert sind

Die unrühmliche Geschichte des Fettarm-Dogmas nimmt ihren zarten Anfang in einer schlichten Hypothese, dass Fett krank und dick macht – genauso wie eine große Lawine, die mit einer winzigen Spur im Schnee anfängt. In der Schule haben wir gelernt, dass eine Hypothese etwas ist, was noch nicht bewiesen ist, dass es gilt, sie zu beweisen. Oder zumindest sollte man das Ziel haben, sie zu beweisen. Umso bitterer war für mich die Einsicht, dass sich das Fettarm-Dogma allein auf wackelige Hypothesen stützt. Thesen, die nie korrekt bewiesen wurden. Das ist, zugegeben, starker Tobak.

Die Geschichte dieses «fetten» Irrtums liest sich wie ein Krimi, so unglaublich und erschütternd sind die Fakten, die ans Licht kommen. Sie begann mit zwei laut in die Welt hinausposaunten und vehement verteidigten Thesen: dass Fett fett und insbesondere das gesättigte Fett herzkrank mache (die feinen Details und verirrten Thesen werden Sie bald kennenlernen!). Für viele gelten diese beiden Thesen leider auch heute noch als Naturgesetz der Ernährungsmedizin. Dabei sind sie längst widerlegt! Aber es ist schwierig und langwierig, diese etablierten, verinnerlichten, scheinbar wahren «Naturgesetze» umzustoßen. Dazu muss man verstehen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass unbewiesene Hypothesen von Wissenschaftlern akzeptiert und verteidigt wurden. Wie konnte die Wissenschaftsgemeinde in diesen Fettnapf treten? Eine längere Geschichte – dazu muss ich weit ausholen.

 

Zunächst einige grundsätzliche Überlegungen zum Wesen von wissenschaftlicher Arbeit – und der Ernährungswissenschaft im Besonderen. Wissenschaftliche Arbeit begründet sich immer auf Ideen, Hypothesen und Vorstellungen. Diese gilt es zu beweisen oder zu widerlegen. Ein Wissenschaftler sollte es als seine grundsätzliche Pflicht sehen, seine eigenen Ideen stets kritisch zu hinterfragen und den Gegenbeweis zuzulassen. Die Geschichte des Fettarm-Dogmas lehrt uns, dass in diesem Fall diese so einfache wie wichtige wissenschaftliche Regel mit Füßen getreten wurde. Wie kann das sein? Das Problem der Ernährungswissenschaft liegt darin, dass die Biologie und Ernährungsphysiologie des Menschen hochkomplex sind und Nahrung mehr als nur die Summe aller Nährstoffe und ein paar Kalorien. Jede Wissenschaft ist fehlbar. Nicht jede Studie, die sich wohlklingend «Studie» nennt, ist von sauber ausgefeilter Methodik, von glasklarer Analyse und von validem Studienaufbau. Über viele Jahre musste ich lernen und ernüchtert akzeptieren, dass es in der Ernährungswissenschaft extrem schwierig ist, unabhängige und objektive Forschungen zu finden. Mein Eindruck ist, dass Studien oft «ergebnisorientiert» aufgebaut sind, das heißt, sie dienen dem Ziel, ein gewünschtes Ergebnis zu bestätigen. Es ist belegt, dass die Finanzierung von Studien ihre Ergebnisse beeinflussen kann.[1] Ein weiteres Problem der Ernährungswissenschaft sind die sogenannten Beobachtungsstudien einer Bevölkerungsgruppe. Das Beobachten von Populationen ist grundsätzlich methodologisch zu schwach, um daraus allgemeingültige Konsequenzen zu ziehen. Populationsstudien zeigen nur eine Korrelation, also einen Zusammenhang auf, unterscheiden aber nicht zwischen Ursache und Wirkung. Trotzdem ist es oft so, dass man – häufig in Ermangelung soliderer Daten – diese Ergebnisse dankbar aufgreift. Sie werden dann nicht selten überinterpretiert, von den Medien in leuchtenden Schlagzeilen präsentiert und vom Verbraucher als Wahrheit geschluckt.

Fette Überraschung? – Das «fette» Paradoxon

Nun hat es parallel zur Entwicklung des Fettarm-Dogmas, zu dessen Historie ich gleich komme, durchaus Publikationen gegeben, in denen dem Fett ein positiver Effekt auf unsere Gesundheit zugesprochen wurde – sie wurden nur irgendwie nicht ernst genommen. Stöbert man in historischen und anthropologischen Quellen, so stößt man zum Beispiel auf beachtliche Berichte über die Ernährungsweise von Naturvölkern. Dabei kommt zutage: Je höher der Fettanteil der Ernährung, desto besser scheint es um die Gesundheit bestellt.

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts machte Vilhjalmur Stefansson, ein Anthropologe der Harvard-Universität, ein bemerkenswertes Experiment, indem er mehrere Monate bei Eskimos in der kanadischen Arktis verbrachte. Für diese Menschen war er der erste weiße Mann, der ihnen über den Weg lief. Er lernte von ihnen Fischen und Jagen und erforschte ihre Lebens- und Essgewohnheiten. Die Eskimos verzehrten fast ausschließlich Robben- und Lachsfleisch, hier und da ein paar Eier im Frühling. Grünzeug aus Gemüse, beschrieb Stefansson später, war eher in Zeiten der «Hungersnot» auf dem Teller. Und obwohl diese Menschen über Monate fast in kompletter Dunkelheit des Winters lebten, nennt der Forscher diese Menschen die gesündesten, mit denen er je zusammengelebt habe.[2] Der Forscher beobachtete, dass die Eskimos fetten Fisch und fettes Fleisch hüteten wie einen Schatz. Mageres Fleisch wurde eher an die Hunde verfüttert. Heutzutage picken wir uns auf der Speisekarte das fettarme Putenbrüstchen mit Salat heraus – umso erstaunlicher und exotischer ist diese Anekdote.

Eine ähnliche Erkenntnis gewann George Mann, Professor für Biochemie und Ernährungswissenschaft von der Harvard-Universität, in den sechziger Jahren, als er und sein Team das Volk der Massai studierten. George Mann war neugierig, er hatte gehört, dass Massai sich fast ausschließlich von Blut, Milch und Fleisch ernährten, also von Fetten tierischer Quelle. In seinen Arbeiten beschreibt der Wissenschaftler, dass die Massai Gemüse und Obst eher als Futter für Kühe betrachten, nicht als Ernährung für Menschen. Und obwohl sich die Massai sehr monoton und extrem fettreich ernährten, fand das Forscherteam bei den untersuchten Probanden hervorragende Werte für Blutdruck und Gewicht, sie waren frei von metabolischen Krankheiten. Wäre die These vom schlechten Fett absolut zutreffend, hätte das Volk der Massai nicht unter einer Epidemie von Herzkrankheiten leiden müssen? Die Forschergruppe um George Mann bewies genau das Gegenteil. Und noch mehr: Keiner der untersuchten Massai litt unter chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Krebs.

Gute Wissenschaft braucht immer kritische Fragezeichen und den Diskurs, wie gute Politik. Auch wenn Beobachtungsstudien wie diese frühen Arbeiten von Stefansson und Mann, beide zu ihrer Zeit anerkannte Wissenschaftler, gewisse Schwächen aufweisen, kann man diese eindrucksvollen Berichte nicht einfach unter den Teppich kehren. Leider ist genau das passiert – ebenso wie mit anderen wissenschaftlichen Arbeiten respektabler Köpfe, auf teilweise unrühmliche Art. Dabei hätte die Frage, wie Menschen, die vermeintlich ungesund fettreich essen, so gesund sein können, die Wissenschaft aufrütteln müssen! Kann es also tatsächlich sein, dass Ernährungsexperten etwas übersehen haben? Kann es wirklich sein, dass über Jahrzehnte ignoriert wurde, dass Fett doch nicht schädlich ist? Ist so etwas überhaupt möglich?

Die Milchmädchenrechnung oder das kleinkarierte Korsett der Kalorienzählerei

Offenbar wurde einiges «falsch gesehen». Deshalb müssen wir an dieser Stelle auf die sklavische Zählerei von Kalorien näher eingehen.

«Alle Kalorien sind gleich!» Dieser weltweit verbreitete Trugschluss fußt auf den Prinzipien der einfachen Physik. Jedem Nahrungsmittel wird ein Brennwert zugesprochen, der eine bestimmte Menge an Energie freisetzt. Heißt anders ausgedrückt: Bei der Verbrennung von hundert Kalorien aus einem Cola-Getränk oder aus Nüssen und Mandeln wird exakt die gleiche Menge an Energie im Körper frei. Was dabei völlig außer Acht gelassen wird, sind die sonstigen Eigenschaften der Nahrungsmittel – dabei ist es nun überhaupt nicht egal, ob wir unsere Energie aus einem Brokkoli oder einer Zuckerschnecke ziehen. Aber es hat lange gedauert, bis wir das verstanden haben.

Die Anfänge der Kalorienzählerei fielen in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, als man in den USA gegen einen plötzlichen Tsunami von Herz-Kreislauf-Krankheiten kämpfte. Die erschütternd große Anzahl von Herztoten hielt Medien, Bevölkerung, Wissenschaft und Politik in Atem. Doch weshalb der plötzliche Anstieg? Auf der Suche nach passenden Antworten findet man ein interessantes Detail: Die Essgewohnheiten hatten sich Ende des 19. Jahrhunderts für die meisten Amerikaner stark geändert. Früher landeten nur unverarbeitete regionale und saisonale Nahrungsmittel, frei von gehärteten oder verarbeiteten Fetten, auf den Tellern. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts verirrten sich erstmals raffiniertes Pflanzenöl und gehärtetes Öl in Form von Margarinen und eine neue Vielfalt von verpackten und vorgefertigten Nahrungsmitteln auf den Esstisch. Dieser Fakt hat eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Gesundheit. Denn bei aller Sympathie für Fett, hier muss man klar differenzieren: Es gibt gesunde Fette, die schützen und heilen, und schlechte Fette, die «killen». Diese «neuen Öle» und Fertigprodukte waren damals Teil einer jungen Lebensmittelbranche, die sich gerade etablierte. Es waren die Zeiten, in denen man beispielsweise erstmals aus dem in Massen anfallenden Abfallprodukt der Baumwollsamenindustrie ein für den Menschen verzehrbares Öl fabrizierte: Baumwollsamenöl, das vor der Verarbeitung für den Menschen ungenießbar war. Interessant ist aber, dass in dieser Periode der panischen «Herz-Angst» niemand aus Forschung und Wissenschaft daran dachte, die Rolle von raffinierten und teilgehärteten pflanzlichen Ölen bei der Epidemie der Herz-Kreislauf-Krankheiten kritisch zu beäugen. Stattdessen hielt die Idee der Kalorienzählerei Einzug in den Alltag. Und sie konnte sich gut im Sattel halten, gab es doch ein paar eifrige und exponierte Verfechter wie beispielsweise Dr. Frederick Stare, Leiter des Instituts für Ernährung an der Harvard Medical School. Auch für ihn, einen Wissenschaftler mit reichlich Einfluss, gab es keine fettmachenden oder schlankmachenden Lebensmittel, sondern einfach nur ein Zuviel an Nahrung. Für ihn galt die Regel: «Kalorien sind alle gleich, egal aus welcher Quelle.»

Auch hierzulande ließen sich viele Wissenschaftler und Vorstände von leitlinienprägenden Institutionen von der Idee der Kalorienbilanz anstecken. So hielt sie Einzug in Hörsäle, Leitlinien und Empfehlungen der gesundheitspolitischen Institutionen. Die Kalorienzählerei wurde zu einer angesehenen Theorie, wie man sein Gewicht im Zaum halten konnte, Ärzte empfahlen ihren Patienten das stumpfe Kalorienzählen. Fett mit seiner hohen Kalorienzahl (Energiedichte) wurde verteufelt. Es galt nun, Fett um jeden Preis zu vermeiden. Und mit der Präzision eines Handchirurgen wird seitdem fleißig der Fettrand von zum Beispiel Fisch oder Fleisch mit dem Messer abgetrennt. Im Supermarkt springen uns entsprechende Etiketten in leuchtenden Farben ins Auge: «Fettarm. Kalorienarm».

Jahrzehntelang war die Kalorienbilanz quasi Naturgesetz und simple «Wahrheit». Eine Wahrheit, an der kaum jemand zweifelte. Eine Wahrheit mit einem riesigen Haken: Sie ist wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Denn inzwischen ist längst belegt, dass wir die Hauptnährstoffe Fett, Eiweiß und Kohlenhydrate im Körper unterschiedlich verarbeiten und Fett nicht zwingend fett macht, obwohl es mehr Kalorien hat. Fettkalorien werden im Körper anders verstoffwechselt als Zuckerkalorien: Fette stimulieren den Stoffwechsel, lassen den Blutzucker in Ruhe und provozieren keine nachteiligen Insulinreaktionen. Fette sind wunderbare Geschmacksträger, sie verlangsamen die Magen-Darm-Passage des Nahrungsbreis, machen uns herrlich satt und lassen uns deshalb im Tagesverlauf insgesamt weniger essen. Im Gegensatz dazu pushen zuckerreiche und kohlenhydratdichte Lebensmittel die Insulinantwort und treiben dadurch die Fettzellen an, immer mehr Fett zu bunkern.[3] Es ist also das Zuviel an Zucker, das dick macht – und eben nicht so egal, was wir essen …

Aber Stimmen, die inmitten der Kalorienzählzeit darauf aufmerksam machten, konnten sich leider nicht durchsetzen. Der angesehene Wissenschaftler Dr. Alfred Pennington argumentierte bereits 1953 im renommierten New England Journal of Medicine, dass Übergewicht durch die hormonellen Effekte von Kohlenhydraten verursacht wird und daher durch Reduktion von Kohlenhydraten behandelt werden könne, ohne dass man sich dabei um die Zufuhr von Fett Sorgen machen müsste. Diese bahnbrechende Erkenntnis stand schon damals im Gegensatz zur Theorie der Kalorienbilanz, aber sie verhallte ohne Konsequenzen.

Die Idee der Kalorienbilanz zwingt noch heute Menschen zum «Ich muss Kalorien zählen»-Denken. Als ich vor einigen Jahren mein erstes (Koch-)Buch veröffentlichte, wollte ich sehr modern sein und verzichtete auf die Kalorienangaben bei den Rezepten. Mir war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, wie extrem gedrillt Menschen auf diese Kalorienzahlen sind. Seien Sie ehrlich zu sich und fragen Sie sich: Wonach schielen Sie als Erstes bei einem Produkt oder Rezept? Oder zumindest als Zweites? Genau – auf die bescheuerten Kalorien. Die Reaktionen vieler Leser, die sehnsüchtig die Kalorienzahlen vermissten, machten mir klar: Es ist noch viel zu früh für den Verzicht auf diese Angabe. In nachfolgenden Kochbüchern habe ich Kalorienzahlen wieder brav gelistet, um meine Leser nicht zu irritieren. Es wird noch dauern, bis es einen breiten Konsens für eine differenziertere Betrachtung gibt und auch der Mainstream verbreiten wird, dass es in erster Linie darauf ankommt, sich auf einfache, unverarbeitete Lebensmittel zu konzentrieren. Denn was wir essen – eine clevere Nahrungsmittelauswahl, die das Fett nicht verdammt –, macht Kalorienzählen weitgehend überflüssig. Schon jetzt freue ich mich auf den Tag, an dem dies eintreten wird. Beruhigend zu sehen, dass das Kalorienzähl-Dogma zumindest jetzt für viele bereits sichtbar wackelt und mittlerweile lautstark von Wissenschaftlern kritisiert wird.

Untrennbar verwoben mit der Kalorienzählerei ist die Entstehung des Fettarm-Dogmas. Die Geschichte dieses «fetten» Irrtums ist die Geschichte von brillierenden, ehrgeizigen Persönlichkeiten, von enthusiastischen Wissenschaftlern, die sich unbedacht auf kurzsichtige Daten und kurzfristige Schlussfolgerungen stürzten. Es ist die Geschichte von in Panik geratenen politischen Institutionen, die etwas gegen die bedrohliche Zunahme von Herz-Kreislauf-Krankheit und Übergewicht tun wollten. Es ist die Geschichte von schlecht beratenen Politikern, die sich auf falsche Leitlinien stützten, und die einer Lebensmittelindustrie, die begeistert auf den fehlgeleiteten Zug aufsprang. Denn mit Ängsten, wie etwa der Angst vor zu viel Kalorien und vor dem Fett, ließ sich und lässt sich noch immer viel Geld verdienen. Aber wie kam es zu einer so krassen wissenschaftlichen Fehleinschätzung?

Highway to Hell – Von ehrgeiziger Dogmatik, verführerischen Thesen und Schmalspurwissenschaft

Das Fettarm-Dogma haben wir in erster Linie einem einzigen ehrgeizigen Forscher zu verdanken. Geistiger Vater der «Fettarm ist gesund»- und «Böses Fett geht aufs Herz»-Hypothese (Diet-Heart-Hypothesis) war Ancel Benjamin Keys, ein Biologe und Physiologe der Universität von Minnesota, der mit zielstrebiger Forschung, eminenter Überzeugungskraft und maximaler Entschiedenheit aufzutrumpfen wusste. Er galt als unverbesserlicher, zäher Querkopf. Seinen extremen Ehrgeiz und beharrlichen Charakter klopfte er in die beiden bereits genannten unwiderstehlichen Thesen: Fett macht fett, und Fett macht herzkrank. Nina Teichholz beschreibt in ihrem Buch «The Big Fat Surprise» ausführlich die Persönlichkeit und den wissenschaftlichen Fauxpas des Ancel Keys.[4] Als Persönlichkeit war Ancel Keys unbeirrbar und charismatisch. Es verwundert daher im biographischen Rückblick nicht, dass er das Feld der Wissenschaft revolutionierte und Medien, Politiker, Wissenschaftler und zuletzt auch die Entscheider der Lebensmittelindustrie von seiner Hypothese überzeugen konnte. Von einer Hypothese, die nie bewiesen war und die heute widerlegt ist. Obwohl Kritiker Ancel Keys lebenslang vorwarfen, dass er kein waschechter «Ernährungswissenschaftler» war, gelang es ihm in schwindelerregendem Tempo, sich an die Spitze der Ernährungsforschung zu setzen. Leider, denn bereits seine ersten Arbeiten sind ein Zeichen wissenschaftlicher Schmalspurarbeit. Seine These, dass (gesättigte) Fette Herzerkrankungen auslösen sollen, leitete er beispielsweise aus den Daten einer Mini-Studie ab. Es kommt noch schlimmer: Keys untersuchte dabei Ernährungsprotokolle eines einzigen Tages. Das ist brutal! Das muss man sich genauer anschauen.

Keys war ein Mensch, der sich besonders für das Reisen begeisterte. Gemeinsam mit seiner Frau Margaret, einer Medizintechnikerin, bereiste er in den frühen Fünfzigern Südeuropa. Keys faszinierte, dass es im mediterranen Raum deutlich weniger Herzinfarkte gab. Dazu muss man wissen: Europa war nach dem Zweiten Weltkrieg in einem katastrophalen Zustand. Die Infrastruktur war zerstört, und noch viele Jahre nach Kriegsende herrschten Nahrungsknappheit und Hungersnot. In Italien und Griechenland, in Ländern, die Keys mit seiner Frau Margaret in der Nachkriegszeit bereiste, mangelte es an Nahrung. Keys schlussfolgerte, dass die Nahrungsknappheit an teuren Fleischprodukten und Eiern, also der Mangel an gesättigtem Fett und Cholesterin, der Hauptgrund für geringe Herzinfarktraten war. Keys und seine Frau Margaret bestimmten dazu bei einer kleinen Untersuchungsgruppe von 30 Männern die Serum-Cholesterin-Werte und führten ein Elektrokardiogramm (EKG) durch. Außerdem warfen sie einen flüchtigen Blick auf die Ernährungsgewohnheiten: Es gab etwas Getreide, in Olivenöl eingelegtes Gemüse, fermentierte Milchprodukte aus Käse oder Obst. Fleisch wurde nur von extrem wenigen verzehrt, «bis auf eine kleine Schicht sehr reicher Leute …»[5], schrieb er. Diese winzige Studie strotzt vor Mängeln: die geringe Probandengröße, das Fehlen von validierten Methoden, um die Ernährung wirklich zu messen, und die Tatsache, dass ein unauffälliges EKG das Fehlen einer Herzerkrankung niemals beweist. Trotzdem schrieb Keys aus vollster Überzeugung: Fett ist die Ursache für Herzkrankheit. Er schlussfolgerte: Der Verzicht auf gesättigtes Fett, zum Beispiel aus Fleisch, schützt vor Herzinfarkt. Dabei übersah Keys einen einflussreichen Fakt: Im und nach dem Zweiten Weltkrieg gab es insgesamt auch nur wenig zuckerreiche und kohlenhydratdichte Nahrungsmittel. Außerdem arbeiteten die Menschen damals körperlich hart und waren bewegungsaktiv. Diese wichtigen Umstände blieben in Keys’ Analysen komplett unberücksichtigt. Mit einem Augenzwinkern muss ich anmerken, dass Ancel Keys die Freude der untersuchten Bewohner, am Käse zu knabbern, entgangen sein muss. Käse ist ebenfalls eine nicht unbeachtliche Quelle von (gesättigtem) Fett. Doch Ancel Keys bewies, wie geschickt er darin war, alle Ergebnisse zu ignorieren, die ihn nicht bestätigten.[6] Aus solchen dürftigen Daten schloss Keys das erste fettarme Resümee. Es sollte nicht der einzige Fauxpas des Wissenschaftlers bleiben. Und dennoch gelang es ihm, die Aufmerksamkeit der damaligen Forscherwelt und Medien auf sich zu ziehen.

Ancel Keys war derjenige, der in den fünfziger Jahren das Fett auf die Anklagebank zerrte und schuldig sprach. Bereits bekannte Fakten zum Essverhalten der Eskimos oder fast zeitgleiche Forschungen zum Essverhalten der Massai wurden nicht gehört. Einzig das Kalorienzählen hatte schon begonnen, die Wissenschaftler und Ärzteschaft zu begeistern. Ancel Keys kam also mit seiner These gerade zum rechten Zeitpunkt. Seinen Eigensinn steckte er in weitere Studien. Seine damals mit großem Pathos vorgetragene Idee der sogenannten «Diet-Fat-Hypothesis» begründete er auf Daten der sogenannten Sechs-Länder-Studie, die zugegeben mehr als die magere Zahl von 30 Probanden untersuchte, aber dennoch einige verstörende Details preisgibt: Er beobachtete in dieser Studie das Auftreten von Herz-Kreislauf-Krankheiten, die Sterblichkeit und die Nahrungsaufnahme aus Fett. Interessanterweise standen Keys für diese «Sechs-Länder-Studie» umfassende Daten von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation WHO aus insgesamt 22 Ländern zur Verfügung. Mmmh. Wie kann es sein, dass aus einem Datenfundus aus 22 Ländern dann eine «Sechs-Länder-Studie» gebastelt wird? Das ist in der Tat ein verdächtiges Fragment. Leider entspricht es den Tatsachen: Keys wählte exakt jene sechs Länder aus, bei denen er davon ausgehen konnte, dass sie seine «fettarme Idee» am besten stützten. Er wählte präzise ausschließlich Länder, die eine hohe Herzinfarktrate und eine Ernährung mit viel Fett aufwiesen.[7] Mit diesem wahrheitsverzerrenden Datenmix war es dann keine fette Überraschung mehr, dass Keys einen «direkten Zusammenhang» zwischen Nahrungsfett und Herzerkrankung aufzuspüren schien. Ancel Keys hat die seiner These widersprechenden Daten aus den anderen 16 Länder einfach weggelassen. Simpel unterschlagen. Nur so ergab sich aus seiner Sicht die logische Konsequenz: Fett macht krank – und vor allem das gesättigte Fett aus der Nahrung verursacht Herzinfarkte. Ein Irrtum!

Wie die Herzattacke eines US-amerikanischen Präsidenten die Welt verändert

Der 23. September 1955 war für Ancel Keys’ Idee ein bedeutendes Datum: An diesem Tag explodierte sie förmlich. Denn an jenem Septembertag erlitt der US-amerikanische Präsident Eisenhower die erste von mehreren schweren Herzattacken. Betreut wurde der Präsident von seinem persönlichen Leibarzt, dem Kardiologen Dr. Paul Dudley White. Keys – der es vorzüglich verstand, einflussreiche Verbindungen aufzubauen – hatte sich seit Jahren mit diesem Dr. White persönlich angefreundet. Es gibt Berichte von gemeinsamen Reisen des Arztes mit Keys und dessen Frau Margaret. Sicherlich gelang es Keys, den Arzt des Präsidenten dabei mit seiner Fettarm-Hypothese zu becircen.[8] Dass dem so ist, beweist eine bemerkenswerte Pressekonferenz, die Dr. White bereits einen Tag nach dem Herzanfall des Präsidenten gab. Mit bedeutender Autorität in der Stimme empfahl der Arzt des Präsidenten der amerikanischen Bevölkerung eine herzgesunde Lebensweise: Es gelte nicht nur Stress zu reduzieren und Zigaretten zu meiden, auf einmal tauchten neu das gesättigte Fett und Cholesterin als Übeltäter für Herzkrankheiten auf. Das Fettarm-Dogma hatte gezündet, sogar beim Leibarzt des Präsidenten. Und Präsident Eisenhower mutierte in den nachfolgenden Jahren zu einem verbissenen Fettgegner und Ernährungsfanatiker der Luxusklasse. Mit fast religiösem Eifer mied er streng Nahrungsmittel mit gesättigtem Fett und stürzte sich stattdessen auf mehrfach ungesättigte Fette und Margarine, die in dieser Zeit den Markt eroberten. Diesem streng fettarmen Regime blieb er treu, bis er 1969 an einer Herzattacke verstarb.[9]

Die erste Herzattacke des Präsidenten Eisenhower und die Wertschätzung der Fettarm-These durch dessen Leibarzt wurde das medienwirksame Stützrädchen für Ancel Keys’ Thesen. Keys nutzte sein Netzwerk sowie seinen immer größer werdenden Einfluss und steuerte die Mitgliedschaft in der American Heart Association (AHA) an. Die AHA, ein vormals unscheinbarer Verband, hat sich im 20. Jahrhundert zu einer einflussreichen Organisation entwickelt. Die von ihr herausgegebenen Richtlinien wurden teilweise maßgeblich von Geldgebern beeinflusst. Bedrückender Fakt: Der rasante Aufstieg der AHA zu einem machtvollen Instrument begann im Jahr 1948, in dem Jahr, als Procter&Gamble 1,7 Mio. Dollar an den kleinen Verband spendete. Auch heute erhält die AHA mehrere Millionen US-Dollar jährlich; diese drückt verarbeiteten Lebensmitteln eine Art Prüfsiegel auf. Und das, obwohl sich darunter nicht selten verschiedene Zuckerarten finden.[10]

Das einflussreiche TIME Magazine präsentierte auf der Titelseite ein Foto von Ancel Keys im strahlend weißen Laborkittel. Er wurde gefeiert als einer der «einflussreichsten Ernährungsexperten des 20. Jahrhunderts» – «Mr. Cholesterin!» eroberte die Medien. Obwohl er kein «echter» Ernährungswissenschaftler war und vor allem nie einen kausalen Zusammenhang, sondern nur eine Verbindung zwischen gesättigten Fettsäuren und Herzinfarkten nachweisen konnte, ging Ancel Keys als Sieger vom Feld. Die Öffentlichkeit stand geschlossen hinter ihm, und viele Wissenschaftler schlossen sich an. Man glaubte seiner Idee, anstatt sie zu hinterfragen. Den Preis dafür zahlen wir noch heute. Irren ist menschlich. An unzähligen Punkten irrt jeder von uns im Leben. Das Problem sind jedoch Gegenstand und Qualität des Irrtums von Ancel Keys und seine immense Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung in jenen modernen Industrienationen, die auf das Dämonisieren von Fett hereingefallen sind. Daher ist es enorm wichtig, diesen Irrtum aufzuarbeiten. Die Sonne dreht sich ja schließlich auch nicht um die Erde, wissen wir dank Galileo Galilei.

Aber, wo waren sie denn, die modernen Galileis, die tapferen Verteidiger der soliden Wissenschaft und des Fetts?

Von wackeren Visionären und scharfen Ellbogen

Bereits in den frühen fünfziger Jahren gab es durchaus Wissenschaftler, die Keys’ nassforsches Auftreten misstrauten und Kritik übten. Beispielsweise waren die Studien der Keys-Kritiker Dr. Jacob Yerushalmy, Professor für Statistik an der University of California in Berkeley, und Dr. Herman Hilleboe, damals Ernährungsbeauftragter des Staates New York, radikale Opposition gegen die Fettarm-These. Die beiden angesehenen Wissenschaftler hatten sich 1957 die Mühe gemacht, die gesamten Daten der 22 Länder, die von Keys auf sechs Länder abgeschmolzen worden waren, in eine unabhängige Analyse zu packen. Das brüskierende Ergebnis: Es fand sich keine einzige Korrelation zwischen Fett in der Ernährung und Herz-Kreislauf-Krankheiten.[11] Rums! Keys beobachtete solche Arbeiten anderer Forscher, die Aufmerksamkeit auf sich zogen, abschätzig. Es war die Zeit der kräftigen Ellbogen, in der er und seine Anhänger opponierende Arbeiten als «nicht ausreichend wissenschaftlich begründet» niedermachten. Es fanden sich immer einleuchtende Gründe, um solche Gegenthesen als unglaubwürdig zu diffamieren.[12] Und so wurden die Ergebnisse alternativer Studien verworfen, missinterpretiert oder missverstanden.

Eingangs hatte ich erwähnt, dass es in der Ernährungswissenschaft aufgrund der Komplexität schwierig ist, zu eindeutigen Ergebnissen zu gelangen. Damit eine Ernährungsstudie wirklich vernünftig aufgestellt ist, braucht man kontrollierte Experimente. Die Probanden werden mit spezifischer Nahrung über einen bestimmten Zeitraum ernährt und über ihre sonstigen Essgewohnheiten befragt. In den bestangelegten Studien wird den Probanden das Essen sogar extra zubereitet, damit sich niemand zu Hause anstelle des vorgeschriebenen Essens eine Fertigpizza in den Ofen schiebt. In weniger gut kontrollierten Studien wird den Probanden lediglich geraten, was sie essen sollen, oder ihnen wird ein Ernährungstagebuch in die Hand gedrückt. Idealerweise werden Menschen mit einer Kontrollgruppe verglichen, die ihre Ernährung überhaupt nicht ändert. Auf diese Weise kann man den Effekt und die Wirkung der Ernährungsintervention isoliert darstellen und diskutieren. Im optimalen Fall ist eine Studie darüber hinaus «randomisiert», das heißt, per Zufallsprinzip werden diese zwei Gruppen zusammengewürfelt. Dabei sollten die untersuchten Gruppen jedoch ähnlich sein, zum Beispiel dieselbe Altersgruppe oder denselben Lebensstil haben, sodass der einzige Unterschied zwischen den beiden untersuchten Gruppen die Ernährung ist.

Ende der fünfziger Jahre starteten einige große Ernährungsstudien, die explizit entworfen wurden, um das Fettarm-Dogma zu stützen: Jeder, der sich mit dem Thema Ernährungswissenschaft ernsthaft oder beruflich beschäftigt, kennt diese Studien bereits, denn sie wurden in nahezu jeder Publikation über Ernährung und Arteriosklerose über Jahrzehnte zitiert. Erst in der jüngsten Vergangenheit begann man, die Studienergebnisse kritisch zu analysieren. Die neuen Details, die ans Licht kamen, sind mehr als sensationell. In Wahrheit wies keine dieser allseits gepriesenen Studien tatsächlich nach, dass der Verzehr von weniger gesättigten FettenHerz-Kreislauf-Krankheiten verhindert und das Leben verlängert. Die «Wahrheit» über das «böse» Fett fußte allein auf Sand und bunter Vorstellungskraft. Das Paradoxe daran ist: Diese Studien wurden als Beweisstücke für Ancel Keys’ Diet-Heart-Hypothese angeführt – so etwa die Los Angeles-Veterans-Study (1969). In dieser Studie wurden Männer aus einem Altersheim untersucht. Bei der einen Hälfte der Untersuchten wurden die gesättigten Fette aus Butter, Milch und Käse durch Pflanzenöl ersetzt, die andere Hälfte verzehrte die reguläre Kost mit gesättigten Fetten und tierischen Nahrungsmitteln. Im Ergebnis zeigte sich für die «Pflanzenöl-Gruppe» ein Absinken der Cholesterinwerte und – noch beeindruckender – der Herzinfarktfälle gegenüber der Vergleichsgruppe. Dies hört sich erst mal sehr positiv an. Gleichzeitig gab es aber ein viel besorgniserregenderes Detail, nämlich dass sich in der «Pflanzenöl-Gruppe» mehr nicht-kardiale Todesfälle häuften, wie unter anderem durch Krebs.[13] Mehr Todesfälle durch Krebs – auch ein nicht gerade harmloser Fakt, oder? Leider war man zu dieser Zeit nur auf den Einfluss des gesättigten Fetts auf die Herzgesundheit fokussiert. Und so wurde diese Studie beklatscht und im Ergebnis simplifiziert: Eine Reduktion von gesättigtem Fett minimiert das Herzrisiko. Das klang doch viel besser und passte zum aktuellen Mainstream.

Auch die Finnish-Mental-Hospital-Study (1968) wurde immer wieder hochgekocht, um gesättigtes Fett in Misskredit zu bringen. Auch dort verglich man zwei Gruppen mit unterschiedlichem Ernährungsverhalten. Was verschwiegen wurde: Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen waren statistisch nicht signifikant, und die untersuchte Gruppe war gar nicht stabil.[14] Das hinterlässt einen faden Beigeschmack. Genauso wackelig präsentierte sich die vielzitierte Oslo-Studie von 1968. Hier wurden 412 mittelalte Männer mit Zustand nach Herzattacken in zwei Gruppen unterteilt. Es kam bei der einen Gruppe zu einer Reduktion des Cholesterins, aber es zeigte sich auch, dass die Ernährung mit wenig gesättigtem Fett keinen Einfluss auf die Zahl der plötzlichen Todesfälle hat.[15] Und noch eine Studie ist erwähnenswert: Der U.S. Multiple Risk Factor Intervention Trial aus dem Jahr 1982 untersuchte das Essverhalten und die Sterberaten von mehr als 12000 Männern. Das Ergebnis der Studie wurde vielfach veröffentlicht: In der Gruppe von Menschen, die wenig gesättigteFettsäuren und Cholesterin verzehrten, gab es einen marginalen Rückgang an Herzkrankheiten. Wichtig ist jedoch: Die Rate des Sterbens an anderen Krankheiten lag vielfach höher als bei Herzinfarkt. Doch darüber wurde kaum berichtet.[16] Zum Schluss stand als Schlagzeile nur noch in Großbuchstaben: «Weniger Herzattacken!»

Der Kaiser ist nackt – oder wie berechtigte Kritik langsam verstummt

Das fette Drama nahm seinen Lauf. Sein Urheber Ancel Keys war leider kein Freund der ehrlichen Selbstkritik. Seiner Meinung nach musste jeder, der sich seiner These in den Weg stellte, den sicheren Gegenbeweis antreten, den er, Keys, den anderen Wissenschaftlern leider schuldig blieb. Dabei gab es sogar anfangs großen Tadel, wie beispielsweise von Dr. Pete Ahrens, einem der Väter der modernen Fett-Forschung. Ahrens bezog bereits 1957 eine klare Position zur Fettarm-Hysterie: Wenn unbewiesene Hypothesen enthusiastisch als Wahrheit proklamiert würden, solle man immer hinterfragen, ob es eine andere Erklärung für das beobachtete Phänomen gebe, forderte Ahrens. Er war einer der wenigen Forscher, die Kohlenhydrate aus Getreide, Cerealien, Brot, Nudeln und Zucker im Verdacht hatten, Übergewicht und chronisch degenerativen Krankheiten zu verursachen. Wie recht er hatte. Pete Ahrens sagte korrekt voraus, dass eine fettarme Ernährung ein unreflektiertes Hineinstopfen von Zucker und Kohlenhydraten zur Folge haben würde.[17]

Und es gab noch weitere Kritiker der Fettarm-Hypothese, die nicht nur an ihr zweifelten, sondern an den Betonköpfen der Befürworter allmählich verzweifelten. Einer war der Arzt und Visionär Dr. John Yudkin aus London. Yudkins wissenschaftliche Arbeit bezweifelte, dass Nahrungsfett die Arterien verstopft, und machte vielmehr den Zucker für Herz-Kreislauf-Krankheiten und chronische Leiden verantwortlich. In seinem 1972 veröffentlichten Bestseller «Pur, weiß, tödlich» plädierte er beherzt für eine zucker- und kohlenhydratarme Ernährungsweise. Doch John Yudkins wissenschaftliche Arbeiten passten genauso wenig wie die Thesen von Pete Ahrens in die Ernährungsideologie der damaligen Zeit. Die beiden Kassandras der Wissenschaft mussten dafür sogar Einschränkungen ihrer beruflichen Karriere hinnehmen.

Der Widerspruch von Kritikern: Es hat ihn gegeben, aber er versickerte langsam im Mainstream einer hysterischen Betrachtung der Ernährung und verschwand schließlich. Trauriges Spiel!

Ernährungspyramiden – Grabstätten der GesundheitWie Ernährungsleid(t)linien der öffentlichen Gesundheit geschadet haben

Man kann jetzt hysterisch und mit erhobenem Zeigefinger allein Keys die Schuld geben für den ungerechten Kreuzzug gegen das Fett und seine katastrophalen Folgen: die größte Übergewichtsepidemie aller Zeiten und die Explosion chronisch degenerativer Krankheiten. Aber die irrende und irreführende Hypothese des Ancel Keys und seiner Gefolgschaft ist nur ein Part eines Trios – aus Wissenschaft, Politik und Industrie –, das uns in eine fette Sackgasse geführt hat. Als Politiker auf den Fettarm-Zug aufsprangen, schrieb die Tragödie ihr nächstes düsteres Kapitel. Indem sich die Fettarm-These ideologisch in die Köpfe schlecht beratener Politiker einpflanzte, wurde das Drama quasi institutionalisiert. Es ist ein politisches Skandalon, wenn man nicht bewiesene Hypothesen als «Wahrheit» übernimmt.

Und auch hier lehrt uns der Blick in die Geschichte: Seit den fünfziger Jahren überschlug sich bekanntlich die Zahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Übergewicht. Herzinfarkt als Killer Nr. 1 – diese Schlagzeile beherrschte die Medien, und Politiker witterten das Problem und versuchten Lösungen zu finden. Auf der Wartebank zu verharren, bis wirklich valide Resultate vorliegen würden, das fiel damals weder der breiten Öffentlichkeit noch den Politikern ein. Welch verhängnisvoller Fehler! 1976 beispielsweise überließ es der zuständige Ausschuss in den Vereinigten Staaten einem einzigen Menschen, Nick Mottern, die ersten nationalen und gemeingültigen Ernährungsrichtlinien für die gesamte US-amerikanische Bevölkerung auszuarbeiten. Das Dramatische: Mottern hatte keinen fachlichen Hintergrund in puncto Medizin und Ernährung, er war Journalist. So konnte er die feingliedrigen epidemiologischen Hinter- und Abgründe nicht perfekt durchschauen. Es fehlte ihm einfach die Erfahrung im Lesen von Studien, um deren Schwächen aufzudecken. Das ist selbst für Ärzte zuweilen eine harte Nuss. Jetzt kommt aber ein qualitativ folgenschwerer Fehler: Anstatt viele verschiedene Experten mit unterschiedlichen Standpunkten zum Thema Ernährung und Gesundheit anzuhören, bezog sich Nick Mottern in seinen Empfehlungen nur auf den Rat eines einzigen. Mark Hettstedt, Professor für Ernährung aus Harvard, war ausnahmslos die geistige Stütze. Und er war getreuer Anhänger des Fettarm-Dogmas. Rums! Unter diesem Einfluss schrieb Mottern unbeirrbar jene Richtlinien zusammen, die das Fettarm-Dogma als offizielle Ernährungsempfehlung für die Bürger der USA in Stein meißelte. Man empfahl eine Reduktion des Fettes von 40 auf 30 % der Gesamtkalorien und für gesättigtes Fett eine Verknappung auf maximal 10 % der Kalorien. Der Kohlenhydratanteil wurde dagegen auf stattliche 55 bis 60 % der Kalorien angehoben.[18]

Es ist kaum zu glauben, dass das Fett auf eine solche Weise politisch zum Schafott getragen wurde. Der heilige Kreuzzug gegen Fett war jetzt auf den höchsten politischen Ebenen ausgerufen, und die Messer, um die Butter vom Brot zu kratzen, wurden gewetzt. Man kommt aus dem Staunen kaum noch heraus: Aus schmalster Datenbasis wurden Ernährungsempfehlungen für Hunderte Millionen von Menschen abgeleitet. Und das Schlimmste ist: Der Heilige Krieg gegen das Fett, er wird an verschiedenen Orten bis heute geführt.

 

Es ist sehr traurig festzustellen, dass genau dieses Fettarm-Dogma, mit dem man eigentlich die Probleme Herzinfarkt, Schlaganfall und Übergewicht eindämmen wollte, ebendiese Probleme verschärft hat. Kein Wissenschaftler kann mit Gewissheit sagen, wie viele Menschen die fettarme Ernährung auf dem Gewissen hat. Nicht nur ich vermute, dass die Zahl im hundertfachen Millionenbereich liegt. So wurde aus einer offiziellen Ernährungsleitlinie ein Friedhof, ein Massengrab. Denn die Empfehlungen, die ein einzelner engagierter Journalist hochmotiviert zusammenschrieb, wurden Vorbild der Leitlinien in vielen anderen westlichen Industrienationen, auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es galt die muntere Devise: Jeder kann sich durch fettarme Ernährung selbst vor Herzinfarkt und bestimmten chronischen Krankheiten schützen. Mit viel Getreide als Müsli oder Cerealien, Obst und Gemüse. Die berühmt-berüchtigten Ernährungspyramiden, deren breite Basis die Kohlenhydrate bildeten, befanden sich auf dem Siegeszug. Ernährungspyramiden, die alle im Regen stehen lassen. Und das Fett? Man trieb es im wahrsten Sinne des Wortes auf die Spitze. Die Fette sind bis heute die winzige Spitze nicht weniger Ernährungspyramiden. Fett ist der Dämon, Kohlenhydrate sind die «gesunde» Basis. Alle fingen an, fettarm zu l(i)eben – mit dramatischen Konsequenzen für die Gesundheit.

Das Scheitern des weltweiten Fettarm-Experiments

Das fettarme Experiment war ein jämmerlicher Fehlschlag für die gesamte öffentliche Gesundheit. Brav waren wir und gehorchten. Brav reduzierten wir das Fett, brav kratzten wir die Butter vom Brot – und nach einer Portion Sahne nagte das schlechte Gewissen. Die große Mode «fettarm» schnappte nahezu jeden, oft in rasantem Tempo.

Butter und Eier wurden aus dem Kühlschrank verbannt, stattdessen eroberten Cerealien, Brot, Nudeln, fettarme Milchprodukte, Pflanzenöl und Margarine Küche und Supermarktregale. So komplettierte sich das «Trio infernale» aus Forschung, Politik und Wirtschaft. Die Lebensmittelindustrie sprang mit Begeisterung auf den rasenden Zug auf. Die Fettarm-Welle verursachte eine riesige Umrüstung der Nahrungsmittelbranche. Wenn der köstliche Geschmack von Butter in Nahrungsmitteln fehlt und gesättigtes Fett verdammt wird, dann braucht man irgendeine Substanz, die Geschmack gibt. Die Lösung: Gesättigte Fette wie Butter und Schmalz wurden als Geschmacksträger gestrichen und durch stark verarbeitete Pflanzenöle und Zucker oder Zuckeraustauschstoffe ersetzt. Die neuen Produkte eroberten den Markt, brav den neuen «gesundheitsförderlichen Leitlinien» folgend. Doch überraschenderweise ging es mit der Gesundheit der Menschen nicht bergauf, sondern rasant bergab. Nicht verwunderlich, denn kohlenhydratdichte, stark zuckerhaltige Nahrungsmittel lassen uns beim wiederholten Verzehr immer häufiger danach greifen, der Insulinwert rast in die Höhe, Fett wird gespeichert, der Heißhunger angekurbelt, der Stoffwechsel verlangsamt und niedriggradige Entzündungen, die als die heimlichen Treiber von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten, werden befeuert. Die Folgen sind Übergewicht, Diabetes 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen – und Krebs.

Kaum hatte also das Fett die Bühne der Lebensmittelindustrie verlassen, stieg der Anteil des Zuckers in Nahrungsmitteln enorm in die Höhe. Auch hierzulande: In Deutschland lag der Verbrauch von Zucker im Jahr 2014/2015 bei durchschnittlich rund 33,6 kg pro Kopf.[19] Man vermutet, dass Menschen in westlichen Industrienationen im Schnitt den Gegenwert von 30 Würfelzuckern pro Tag verzehren.[20] Schon der fettarme Fruchtjoghurt, den nicht wenige sich zum Frühstück genüsslich einverleiben, enthält nicht selten mehr Zucker als eine Dose Limonade. Das besondere Problem ist, dass bestimmte Zuckerarten – insbesondere Fruktose, etwa aus Glukose-Fruktose-Sirup – extrem schnell ins Blut gehen und dadurch Übergewicht, Insulinresistenz, Diabetes, Fettleber, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebs befeuern. Davon zu unterscheiden ist die Fructose aus einem ehrlichen Stück Obst, die von Ballast- und Faserstoffen ummantelt ist und daher langsam in den Blutkreislauf übertritt.

Jüngste Zahlen und Trends belegen: Die Gesundheit leidet – das Fettarm-Experiment ist auf ganzer Linie gescheitert.

Die Ehrenrettung des Fetts – Blick in die Zukunft

Die noch immer weitgehend gültigen Empfehlungen, die in offiziellen Leitlinien und in Medien verbreitet werden, wurden seit Ancel Keys’ Hypothesen kläglich weiterentwickelt.

1999 veröffentlichte Alessandro Menotti eine bahnbrechende Studie, die alle Daten aus der Sechs-Länder-Studie von Ancel Keys erneut einer kritischen Analyse unterzog. Er sah sich dabei akribisch alle Daten und Kategorien von Lebensmitteln an und konzentrierte sich nicht nur auf die Fette. Und schwupps: Alessandro Menotti machte eine mehr als bemerkenswerte Entdeckung.[21] Im Ergebnis zeigte sich, dass Zucker eine deutlich höhere Korrelation mit Herzerkrankungen hatte als Fett. Als ein guter Spürhund – er erinnert darin an Dr. Pete Ahrens und Dr. John Yudkin – hatte dieser italienischer Forscher die Fährte von Zucker und Kohlenhydraten als Antriebsfaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten und für chronische Erkrankungen aufgenommen. Das ist auch wieder Jahrzehnte her – und trotzdem dauert es, bis Ernährungsempfehlungen den neuesten Stand spiegeln werden.

Denn eines muss uns klar sein: Auch die Lebensmittelindustrie beeinflusst Empfehlungen und Leitlinien erheblich. 2014 bewies die Publikation einer investigativen Arbeit im renommierten British Medical Journal, dass Experten der öffentlichen Gesundheit von der Zuckerindustrie und damit verbundenen Unternehmen Forschungsbeihilfen, Beratungshonorare und andere Formen der Finanzierung erhalten hatten.[22] Das erklärt vermutlich manche zögerliche Tendenz. Es herrscht ein massiver Interessenkonflikt. Um Interessenkonflikte zu minimieren, würde ich mir noch etwas wünschen: dass die Ernährung immer im Verantwortungsbereich von Gesundheitsministerien liegt, d.h. hierzulande vom Landwirtschaftsministerium abgekoppelt wird. Natürlich ohne dass der Steuerzahler eine enorme Kostenlast durch die Umstrukturierung abtragen muss. Das behutsame Entflechten und Auseinanderdröseln von Interessen wäre aus meiner Sicht ein politisch wichtiger Schritt im Sinne der Gesundheit der Menschen und Gesundheitsökonomie. Gruß an alle Entscheider in der Politik.

Inzwischen gibt es auch etwas Grund für zarten Optimismus. Seit Ende 2015 wurde das stumpfsinnige, rigide Fettaugenzählen in USA und Kanada aus offiziellen Richtlinien verbannt.[23] Und auch kanadische Ernährungsempfehlungen der Gesellschaft Heart and Stroke von 2017 sprechen das Fett endlich frei. Gratulation! Endlich. Nach fast sieben Jahrzehnten sind die Panik vor Fett und der Kreuzzug vorbei – zumindest in den Köpfen der Wissenschaftler.

Die Cholesterinlüge

Auch das Cholesterin ist böse! Oder nicht? Schauen wir erst mal, was es mit Cholesterin überhaupt auf sich hat. Das Cholesterin, auch Cholesterol genannt, ist eine fettartige Bausubstanz – ein Grundbaustein allerZellmembranen. Als unverzichtbarer Bestandteil einer schützenden Ritterrüstung hält es die Zelle fest im Griff. In seiner Funktion als Wächter der Zellmembran stützt und festigt Cholesterin die Zellmembran und regelt ihre Permeabilität, die Durchlässigkeit. Es sorgt dafür, dass sich keine unerwünschten, miesepetrigen Gäste in der Zelle breitmachen und dass auch unsere Haut wie ein Regenmantel wasserdicht ist. Darüber hinaus ist Cholesterin die Ausgangsbasis für wichtige Stoffe, eine heißbegehrte Bastelsubstanz, aus der unser Körper in seiner von Mutter Natur geplanten Genialität einiges zusammenbaut: Gallensäuren für die Fettverdauung, weibliche und männliche Sexualhormone Östrogen und Testosteron, aber auch die Hormone der Nebenniere, sogenannte Steroidhormone unter anderem für die Stressregulation. Und nicht nur das: Wir brauchen Cholesterin auch, um körpereigenes Vitamin D zu produzieren. Scheinbar ist Cholesterin, ähnlich wie Fett, nicht ganz so bitterböse wie sein Ruf. Aber es blieb dennoch nicht von Hysterie und einer perfiden Treibjagd verschont.

Hysterische Hetzjagd auf das Cholesterin

Fast parallel zum Kreuzzug gegen das Fett fand auch eine Hetzjagd auf das Cholesterin statt. Nahezu jeder war besessen davon, die Cholesterinwerte im Blut zu messen und sie fast hysterisch zu bewerten. An dieser Stelle erspare ich Ihnen Details, wie es zu dieser Cholesterin-Hysterie gekommen ist – wichtig ist hier nur die Erkenntnis, dass sie sich bis heute auswirkt, leider. Und wichtig ist auch zu wissen, dass es schon vor mehreren Jahrzehnten visionäre Forscher gab, die nicht bereit waren, sich in die Cholesterinfrage engstirnig zu verbeißen.

Zum Beispiel Dr. Pete Ahrens, Sie erinnern sich vielleicht, einer der damals bedeutendsten Fettforscher. Anders als das Gros der Wissenschaftler konzentrierte er sich nicht auf Cholesterin, sondern auf vielversprechendere Fettwerte, die Triglyceride. Seine Studien waren bemerkenswert: Ahrens konnte belegen, dass sich Herzrisiken deutlich besser durch Triglyceride vorhersagen lassen als durch Cholesterinwerte.[1] Daher forderte er, dass Triglyceride anstelle von Cholesterin als Indikator für Herzkrankheiten berücksichtigt werden sollten. Ahrens’ Modell definierte zudem Kohlenhydrate und nicht Fett als Auslöser der Herzerkrankungen.[2]

In Zeiten der Fettarm-Ägide war das natürlich eine wissenschaftliche Position, die niemand attraktiv fand. Trotzdem gab es kluge Köpfe, die diese bedeutsame Erkenntnis wie eine kleine Fackel, deren Licht zum Glück nicht erlosch, in die Forschung der Zukunft weitergetragen haben.

Studien, die die Welt verändern

Framingham ist eine kleine Stadt nahe Boston in Massachusetts. Sie wurde 1948 das Experimentierfeld einer der größten Bevölkerungsstudien, um Ursachen und Risiken von Herzkrankheiten und Arteriosklerose zu entlarven: Die Studie startete mit rund 5200 Teilnehmern beiderlei Geschlechts zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr. 1971 wurden die Kinder der ersten Probanden-Generation miteinbezogen, mittlerweile befindet sich die Studie seit 2016 in der dritten Generation. Die ersten Ergebnisse von 1961 schlugen ein wie der Blitz, und als Konsequenz wurde Gesamtcholesterin als «zuverlässiger» Vorhersage-Marker für Herzkrankheiten gebrandmarkt. Es schien, als hätte man den wahren Schuldigen für die Herzmisere gefunden: Nahrung, die das Gesamtcholesterin nach oben pusht, steigere das Herzrisiko. Endlich hatten die Ärzte «den» Messfaktor gefunden, mit dem sie Risikopatienten aus dem düsteren Tümpel der Unsicherheit fischen konnten. Die Ohnmacht schien besiegt. Aber nur scheinbar: Die Langzeitergebnisse der Studie lieferten nämlich ein verstörendes Bild. Es zeigte sich nach über 30 Jahren, dass die Aussagekraft des Cholesterins in keiner Weise so stark ist, wie die Forscher ursprünglich dachten. Vielmehr hatte sogar die Hälfte der Herzinfarktpatienten einen normalen Cholesterinwert. Damit schien das Cholesterin als zuverlässige Alarmanlage für Herzkrankheiten ausgeschaltet. Sollte man meinen. Aber die Wissenschaftler der Framingham-Studie und die Medien hatten sich Jahrzehnte in diese selbstgestrickte, unbeirrbare «Wahrheit» verrannt, in der Cholesterin und Fett die Feinde waren. Inzwischen glaubte jeder Hausarzt, jeder Patient an das «böse Cholesterin» und an das «böse Fett». Deshalb gingen diese Daten in den späten achtziger Jahren bei ihrer Veröffentlichung eher unter. Rums. Die Langzeitanalyse entdeckte aber noch ein bizarres Ergebnis: Je weiter das Cholesterin nach unten gedrückt wurde, umso höher die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit und die Gesamtmortalität. Rums!

Diese mehr als bemerkenswerten Fakten wurden damals dramatischerweise kaum wissenschaftlich diskutiert und nicht in aufsehenerregenden Veröffentlichungen publiziert – sie passten offenbar nicht ins «fettarme, cholesterinarme» Konzept. Ein wichtiges Fazit: «Je mehr gesättigtes Fett man isst, umso niedriger ist das Cholesterin», wurde erst 1992 von einem der Framingham-Studien-Direktoren veröffentlicht. Dennoch: Zwar hatte endlich jemand die Wahrheit niedergeschrieben, aber auch diese bedeutsame Erkenntnis ging für viele Ärzte und Wissenschaftler verloren. Denn statt den paukenschlagartigen Paradigmenwechsel in einer breit zugänglichen Publikation in die Welt hinauszutragen, ging der neue Fakt in einem winzigen Editorial unter und blieb damit für die breite Masse der Ärzte im Verborgenen. Rums.

Das Gezerre um die Wahrheit und das vermutlich bewusste Verbergen von Fakten machten aus George Mann, einem der rechtschaffenen Kritiker und Beteiligten an der Framingham-Studie, einen verbitterten Menschen. Vor seinem Tod 2012 erzählte er, dass seine kritische Haltung desaströs für seine Karriere gewesen war. Es sei unmöglich gewesen, kritische Daten in renommierten Zeitschriften unterzubringen. Zu dicht und zu schlagkräftig stand die Front der Gegner.[3]

Reizthema Cholesterin

Ein Opfer der leidigen Diskussion um Cholesterin war das Ei – denn allein ein Hühnerei enthält 220 Milligramm Cholesterin. Das macht nichts, aber jahrzehntelang wurde in offiziellen Empfehlungen gewarnt, dass mehr als 300 mg Cholesterin pro Tag mit einem erhöhten Herzrisiko verbandelt seien. Also waren maximal drei Eier pro Woche erlaubt. Alles andere wurde als riskantes Spiel mit der Gesundheit abgewertet. Dabei sind Eier eigentlich so beliebt, als Spiegelei, Rührei, Frühstücksei, pochiertes Ei … Aber täglich kommen mir seit vielen Jahren Fragen wie «Kann ich täglich Eier essen?» und «Wie viele Eier darf man essen?» zu Ohren.

Eier sind viel mehr als Cholesterin. Eier sind Nährstoffbomben mit höchster Eiweißqualität, enormen Mengen an Mikronährstoffen wie Magnesium, Kalium, Kalzium, Kupfer, Eisen, Mangan, Zink, Jod und Fluor, Cholin, Omega-3-Fett (falls von Freiland-Hühnern) – dazu in geballter Ladung alle B-Vitamine, inklusive Vitamin B12, Vitamin A, E und K und Antioxidantien wie Lutein. All das soll nichts wert sein und sogar schädlich? Und ein Blick in die Tierwelt zeigt doch auch: Ein Ei ist in der Lage, ein «Küken» als komplettes Lebewesen hervorzubringen, was doch wohl deutlich macht: Das Ei ist mehr wert und sollte von der Anklagebank gezerrt werden. Wir kommen gleich noch mal zum armen Ei zurück, denn die Forschung hat zum Glück Erstaunliches zur Rehabilitation seines Rufes geleistet.

Cholesterin – Schluss mit Eier-Verbot und Laborkosmetik

Seit Jahrzehnten wird auch Cholesterin mit negativen Schlagzeilen verfolgt. Damit muss Schluss sein, denn der Mythos vom Cholesterin als ernährungsmedizinischer Bombe ist längst entschärft. Als ein wesentlicher Baustein der Zellmembran ist Cholesterin eine Substanz, die dringend gebraucht wird. Eben weil das Cholesterin so unverzichtbar für die Gesundheit des Menschen ist, hat die Natur uns Menschen unabhängig von einer Cholesterinzufuhr über die Nahrung gemacht. Beim Menschen wird Cholesterin nur zu einem kleinen Teil mit der Nahrung (fettes Fleisch von Innereien, Leberwurst, Eidotter oder Butter) aufgenommen. Zum Großteil (90 %) wird es in der Leber eigenständig synthetisiert. Selbst mit rein pflanzlicher, cholesterinfreier Ernährung produziert der menschliche Körper die benötigten Cholesterinmengen. Bei den meisten Menschen funktioniert die natürliche Cholesterinregulation perfekt.[4], [5], [6] Das Nahrungscholesterin hat keinen bedeutenden Zusammenhang mit dem Cholesterin im Blut.[7] Die meisten von uns können Eier oder andere cholesterinhaltige Nahrungsmittel ohne Bedenken genießen.[8]

Aber hier kommt die grundsätzliche Frage: Muss denn ein erhöhter Cholesterinwert im Blut um jeden Preis gedrosselt werden? Man unterscheidet seit Jahrzehnten grob vereinfacht «schlechtes» Cholesterin, LDL-Cholesterin, und «gutes» Cholesterin, HDL-Cholesterin. Diese simple Klassifizierung ist überholt. Denn inzwischen gilt es, das früher als «schlecht» bezeichnete LDL-C und auch das «gute» HDL-C differenzierter zu betrachten. Jüngere Studien demonstrieren, dass etwa hohe HDL-C-Werte