RAUB von Silber MORD für Gold - Iris Otto - E-Book

RAUB von Silber MORD für Gold E-Book

Iris Otto

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Beschreibung

Gibt es eine lukrativere Geldanlage als Gold? Nicht für die 77-jährige Rosalie, die ihr bescheidenes Vermögen vollständig in Schmuck investiert hat. Ausgerechnet als sie eine ihrer Ketten verkaufen will, wird das Juweliergeschäft in Ebbelheim am Taunus überfallen. Zu allem Überfluss muss Rosalie feststellen, dass ihr Schmuck Hehlerware ist. Schnell kommt sie in Kontakt mit dem halbseidenen Milieu und gerät ins Visier der Polizei. Der Alarm erreicht Hauptkommissar Beinert nur einen Tag vor seinem wohlverdienten Urlaub. Aber den Raubmord seiner jungen Kollegin Analyn zu überlassen, kommt für ihn nicht in Frage. Also kämpft er gegen die Zeit sowie eine wachsende Zahl Verdächtiger. Und die einzige Augenzeugin ist wie vom Erdboden verschluckt.

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Das Buch

Gibt es eine lukrativere Geldanlage als Gold?

Nicht für die 77-jährige Rosalie, die ihr bescheidenes Vermögen vollständig in Schmuck investiert hat. Ausgerechnet als sie eine ihrer Ketten verkaufen will, wird das Juweliergeschäft in Ebbelheim am Taunus überfallen. Zu allem Überfluss muss Rosalie feststellen, dass ihr Schmuck Hehlerware ist. Schnell kommt sie in Kontakt mit dem halbseidenen Milieu und gerät ins Visier der Polizei.

Der Alarm erreicht Hauptkommissar Beinert nur einen Tag vor seinem wohlverdienten Urlaub. Aber den Raubmord seiner jungen Kollegin Analyn zu überlassen, kommt für ihn nicht in Frage. Also kämpft er gegen die Zeit sowie eine wachsende Zahl Verdächtiger. Und die einzige Augenzeugin ist wie vom Erdboden verschluckt.

Die Autorin

Iris Otto ist in Niedersachsen aufgewachsen und kam mit einem Umweg über Bayern 1992 in den Main-Taunus-Kreis. Nach einer mehrjährigen Phase als Familienmanagerin bildete sich die gelernte Reiseverkehrskauffrau zur Schriftstellerin weiter. 2016 erschien ihr Kriminalroman »Mord kommt vor dem Fall«. Außerdem veröffentlicht sie Kurzgeschichten und Kurzkrimis.

Weitere Informationen unter: www.irisotto.de

© 2017 Iris Otto

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

Lektorat: Dr. Hanne Landbeck, www.schreibwerk-berlin.de

Umschlag: Dipl. Grafikdesignerin Martina Otto, www.mo-keramik.de

ISBN

Paperback:

978-3-7439-5724-4

Hardcover:

978-3-7439-5725-1

e-Book:

978-3-7439-5726-8

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Reden ist Silber, schweigen ist Gold, doch manchmal muss man handeln.

Rosalie

Kapitel 1

»Hände hoch! Überfall!«

Wäre der Ausruf weniger fordernd gewesen und wären der Verkäuferin die Gesichtszüge nicht so entglitten, hätte Rosalie die tiefe Bassstimme hinter sich vielleicht für die eines Witzboldes gehalten, der zu schlechten Scherzen aufgelegt war. Aber als es in der nächsten Sekunde zweimal hinter ihr krachte und das Glas der ersten Schmuckvitrine zerbarst, wusste sie, dass dies bittere Realität war. Rosalie befand sich mitten in einem Überfall auf das Schmuck- & Auktionshaus Rugery.

Die eben noch freundlich entspannte Verkäuferin schrie auf, warf beide Hände nach oben und gleichzeitig das Telefon auf den Marmorboden. Die dunklen Augen der Frau waren vor Schreck weit aufgerissen und alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen. Vor wenigen Minuten hatte sie mit ihren pechschwarzen Haaren und dem knallroten Wickelkleid, das jede Kurve ihres Körpers betonte, noch wie eine feurige Tangotänzerin gewirkt. Jetzt schnappte sie wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft. Rosalie spürte, wie ihr eigener Pulsschlag sich beängstigend beschleunigte. Ihr Herz war nicht mehr das jüngste. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren! Sie riss sich vom Anblick der Schmuckverkäuferin los und wandte ihren Kopf leicht zur Seite. Eine schwarz behandschuhte Hand raffte aus der zertrümmerten Vitrine alle Uhren, derer sie habhaft werden konnte. Unwillkürlich drückte Rosalie ihre Handtasche fester an ihren Bauch. Gleichzeitig senkte sie den Kopf. Jetzt hatte das feuchte Märzwetter in Ebbelheim sogar noch etwas Gutes, denn sie hatte ihr beigefarbenes Kopftuch mit den weißen Tupfen weit in die Stirn gezogen, um ihre Haare vor dem Nieselregen zu schützen. Unauffällig hob sie den Kopf und ließ ihren Blick von den schwarzen Händen des Räubers aufwärts wandern. Der Mann trug einen schwarzen Lederblouson zu einer schwarzen Jeans und schwarzen Schuhen. Haare und Gesicht verbarg er unter einer ebenfalls schwarzen Strumpfmaske. Auf einer Bühne wäre er das passende Pendant zu der Tangotänzerin für einen feurigen Paso Doble. Aber der Herr wollte nicht tanzen, sondern stopfte die exklusiven Uhren mit einer Hand in eine Baumwolltasche, die über seiner Schulter baumelte. Die andere Hand hielt einen Vorschlaghammer. Dann umfasste er mit beiden Händen den Stiel. Kein Ton drang aus seinem Mund, als er kraftvoll und präzise auf die Glasscheibe der nächsten Vitrine schlug. Einmal, zweimal. Laut krachend zerbarst das Sicherheitsglas. Splitter flogen Rosalie entgegen, prallten an ihrer geliebten Jacke aus Schurwolle und Kaschmir ab und fielen zu Boden. Diesmal verschwanden in Sekundenschnelle ausgefallene Silberketten, Ohrstecker und Ringe in der Umhängetasche. Ein silbrig glänzendes Metallschild mit dem Schriftzug ›Individuelles Design – exklusive Silberkollektion‹hatte ausgedient und landete vor Rosalies Füßen. Blitzartig drehte der Mann sich um. Er hatte bereits die nächste Vitrine ins Visier genommen. Erschrocken wich Rosalie einen Schritt zurück. Die Scherben knirschten unter ihren Schuhen. Ihre Kniekehle berührte schon das kleine Ledersofa, das für wartende Kunden bereitstand. Weiter zurückweichen konnte sie nicht. Viel würde von dem altehrwürdigen Schmuck- & Auktionshaus Rugery nicht übrig bleiben, wenn nicht bald jemand dem Treiben Einhalt gebot. Doch Rosalie betete inbrünstig, dass genau dies nicht geschehen würde. Nur keine Polizei, solange sie noch im Geschäft war. Ihr Puls pochte bis zum Hals.

Als die dritte Vitrine mit zwei präzisen Schlägen in Trümmern ging, fing die Schmuckverkäuferin hysterisch an zu schreien und rannte vor den Verkaufstresen. Rosalie zog ihre Schultern hoch, als könne sie damit ihre Ohren vor dem Geschrei schützen. Reden ist Silber, schweigen ist Gold – selten war eine Lebensweisheit so angebracht wie jetzt. Doch in diesem Fall reichte es nicht einmal für Bronze, denn die Frau riss kreischend, als wolle sie eine Alarmanlage ersetzen, einige der mit Brillanten besetzten Goldcolliers an sich. Dabei verletzte sie ihre Hand an den herumliegenden Scherben. Gleichzeitig versuchte sie mit der zweiten Hand, den Täter am Ärmel wegzuziehen. Sie war chancenlos. Der Mann beendete den unfreiwilligen Tanz mit einer ruckartigen Bewegung seines Arms und schüttelte die Frau ab wie ein lästiges Insekt. Die Verkäuferin geriet ins Straucheln, rappelte sich wieder auf und griff den Mann erneut an. Dabei schrie sie: »Das glaube ich jetzt nicht! Du bist doch …« Der Mann hob den Hammer und schlug zu. Ungebremst flog die Verkäuferin mit dem Kopf gegen eine der zerstörten Vitrinen und sank zu Boden. Sekunden später waren die Goldcolliers bereits in der Baumwolltasche des Mannes verschwunden. Wieder hob er den Hammer. Dann schaute er zu Rosalie. Sollte sie ihre Rückkehr nach Ebbelheim am Taunus tatsächlich mit dem Leben bezahlen? Wie sehr vermisste sie in diesem Moment die wärmenden Sonnenstrahlen auf Teneriffa. Sie könnte jetzt mit ihren siebenundsiebzig Jahren in ihrer Lieblingsbar einen Cappuccino trinken. Doch stattdessen befand sie sich im nasskalten Ebbelheim am Taunus mitten in einem Raubüberfall. Rosalies Kehle entrang sich ein Seufzer, als sie rücklings auf die Couch sank.

***

Der Countdown lief. Präzise wie ein Schweizer Uhrwerk zählte die digitale Uhr auf dem Computerbildschirm die Zeit runter: ein Tag, drei Stunden, sechsundvierzig Minuten und zwölf Sekunden ... elf Sekunden ... zehn. Das satte Grün der Palmwedel, der helle Sand und das tiefblaue Meer auf seinem PC zogen Hauptkommissar Beinert ebenso in den Bann, wie die stetig zerrinnende Zeit. Nur noch ein Tag, drei Stunden, fünfundvierzig Minuten und vierundfünfzig Sekunden trennten ihn von seinem Abflug zu eben diesem Strand. Mit beiden Händen rieb er über sein etwas fülliges Gesicht und holte sich damit in die Wirklichkeit zurück. Bis er sich in die Wellen des Indischen Ozeans stürzen würde, gab es noch einiges zu erledigen.

Akten über Akten! Beinert hasste diese unerledigten Papierberge. Ein weiterer Aktendeckel flog auf den Stapel zu seiner Linken, der in der letzten halben Stunde zu einer beachtlichen Höhe angewachsen war. Bei den meisten Vorgängen fehlte nur eine Kleinigkeit: eine E-Mail hier, eine Bestätigung dort. Aber Kleinvieh machte bekanntlich nicht nur Mist, sondern auch Arbeit. Beinert griff nach dem nächsten Stück Papier, einem Schreiben der Personalabteilung. Die Probezeit seiner jungen Kollegin, Analyn Zettelmann, näherte sich dem Ende und die Personalabteilung forderte seine Beurteilung als ihr Vorgesetzter. Diesen Vorgang konnte er schlecht delegieren und legte ihn daher in seine Schublade. Die Sache hatte Zeit bis nach seinem Urlaub. Auf einen Post-it-Zettel kritzelte er ›Bitte erledigen‹, klebte ihn auf den Aktenstapel und trug alles zu dem Schreibtisch seiner Kollegin. Ihre halb-asiatischen Mandelaugen würden sich morgen früh noch weiter verengen, wenn hanseatische Wut und philippinische Zurückhaltung in ihr kämpften. Ein Anblick, auf den er sich insgeheim schon freute. Als habe es genau auf diesen Moment gewartet, meldete sich ihr Telefon und zeigte eine interne Nummer. Ohne zu zögern, nahm Beinert den Hörer an sein Ohr.

»Lissy, was gibts?«

»Ach Hartwig, du bist es. Ich suche Analyn.«

»Die verstärkt seit zwei Stunden die Kollegen vor dem Asylantenheim.«

»Ach so. Schade. Und du hältst hier die Stellung?«

»Nein, ich bin ebenfalls auf dem Sprung.«

»Du auch? Was für ein Aufgebot für ein paar arme Asylanten.«

Beinert widersprach: »Nein, ich werde dort nicht gebraucht. Ich fahre nach Hause. Koffer packen.«

»Ach richtig. Du hast ja Urlaub. Wandern im Bayerischen Wald, oder?«

»Nichts da. Siebenundzwanzig Jahre Bayerischer Wald sind genug.«

»Siebenundzwanzig Jahre? Das ist quasi mein ganzes Leben.« »Meins auch«, antwortete Beinert trocken. »Jedenfalls mein früheres.«

Lissy lachte fröhlich in sein Ohr. »Was eine neue Liebe bewirken kann. Wer hätte das gedacht.«

»Wem sagst du das.« Beinert musste selber schmunzeln. Der erste gemeinsame Urlaub mit Silvia! Er freute sich darauf wie ein Kind auf Weihnachten.

»Wo gehts denn hin?«

»Wir fliegen nach Phuket.«

»Phuket«, Lissy ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen als habe es einen besonderen Geschmack. »Cool. Kann man da wandern?«

»Wieso wandern?«

»Na, früher hast du nur Wanderurlaube gemacht.«

»Früher – jetzt geht es in ein Strandresort zum Schnorcheln, Tauchen, Schwimmen, Seafood essen, Sonnenuntergänge im Meer. Schließlich reise ich mit einer Bademeisterin.«

»Wenn deine Flamme ausfällt, sag Bescheid. Dann springe ich ein und bringe dir das Schwimmen bei«, kokettierte Lissy.

»Keine Chance«, erwiderte Beinert. »Ich bevorzuge Profis an meiner Seite. Außerdem könntest du meine Tochter sein.«

»Eben drum. Überleg mal, wie viel Aufsehen du mit mir in diesem Resort erregen würdest.«

»Danke, aber dafür bin ich zu alt, Lissy. Außerdem musst du hier die Stellung halten und mir hinterher den neuesten Klatsch und Tratsch erzählen. Das kann niemand so schön wie du.«

»Was soll das denn heißen?«

»Nichts.« Beinert lachte in ihr beleidigtes Schweigen hinein.

Lissy hatte Herz und Mundwerk auf dem rechten Fleck. Er mochte ihre junge, unbekümmerte Art. Trotzdem beendete er das Telefonat. Auf dem Rückweg zu seinem Schreibtisch schaltete er die Kaffeemaschine aus. Endlich mal ein früher Feierabend. Die freie Zeit konnte er gut gebrauchen. Sein Koffer stand zwar schon im Wohnzimmer, aber von allein packte er sich nicht. Seit der Scheidung hatte sich sein Leben komplett verändert. Das schlimmste Tal hatte er dank Silvia hinter sich gelassen. Allerdings hatte er auch so manche Komfortzonen seines früheren Lebens eingebüßt. Fertig gewaschene und gebügelte Wäsche hatte ebenso dazugehört wie ein stets gefüllter Kühlschrank oder ein lecker gekochtes Abendessen nach Feierabend. Jetzt hieß es günstigenfalls gemeinsam kochen. Aber das alles war Jammern auf höchstem Niveau. In einem Tag, drei Stunden, neunundzwanzig Minuten und vier Sekunden würde er bereits im Flugzeug sitzen und ganz Ebbelheim konnte ihm den Buckel runterrutschen. Pfeifend schaltete Hauptkommissar Beinert den Computer aus, nahm seine Lederjacke vom Haken und schloss hinter sich die Tür ab. Im Erdgeschoss warf er einen kurzen Blick in den Dienstraum der Streifenpolizei.

»Ich bin dann mal weg«, rief er den beiden anwesenden Kollegen zu.

Lissy nahm das Headset ab, das sie mit der Telefonzentrale verband. »Warte mal, Hartwig. Kommt Analyn noch mal rein?«

»Nein. Warum?«

»Ist privat. Wobei – vielleicht kannst du mir ja auch helfen.

Ich suche kurzfristig eine neue Wohnung.«

»Hm, ich halte mal Augen und Ohren offen. Vielleicht findet sich eine geräumige Bambushütte auf Phuket.«

»Haha, sehr witzig.« Lissy verzog säuerlich die Miene und konnte trotzdem ein Grinsen nicht verbergen. »Schönen Feierabend«, rief sie ihm hinterher.

»Ebenso.« Beinert tippte zum Gruß mit dem Zeigefinger an die Stirn und verließ die Wache, als das Telefon klingelte und Lissy sich Kopfhörer und Mikrofon über ihre blonden Haare schob.

Hauptkommissar Beinert manövrierte gerade seinen Passat aus der Parklücke, als er Lissy im Rückspiegel erblickte, die wild mit den Armen fuchtelte. Wenig begeistert steuerte er den Wagen neben das Gebäude und ließ die nasse Fensterscheibe hinunter.

»Was gibts?«

»Raubüberfall auf das Juweliergeschäft in der Bahnhofstraße.«

»Scheiße!«

»Wem sagst du das. Eine Frau ist schwer verletzt. Ein Streifenwagen ist bereits unterwegs.«

»Mist«, brummte Beinert in seine Bartstoppeln. »Ruf die Zettelmann an. Sie soll da auch hinkommen.« Dann gab er Gas.

***

Als Analyn Zettelmann die Bahnhofstraße erreichte, hatten die Kollegen vom Streifendienst bereits alle Hände voll damit zu tun, Schaulustige auf Abstand zu halten. Ein Krankenwagen blockierte eine der beiden Fahrspuren, während der Notarztwagen direkt auf dem Gehweg parkte. In der Dämmerung zuckten blaue Lichtreflexe über die Schaufenster des Juweliergeschäfts und spiegelten sich auf dem nassen Asphalt. Analyn steuerte den einzigen freien Parkplatz an. Kurz darauf rannte sie mit hoch gezogenen Schultern durch den Nieselregen, während ihre Augen bereits über die Fassade des Juweliergeschäfts glitten. ›Sie sollten es sich wert sein!‹,lautete die Werbebotschaft quer über der Schaufensterscheibe. Eine überschaubare, aber sehr erlesene Auswahl an Ketten, Ringen und Uhren waren auf der anthrazitfarbenen Auslagefläche drapiert. Versteckte Spots brachten Gold, Silber und Brillanten zum Funkeln. Aber die Regentropfen, die an der Scheibe wie eilige Perlen hinabglitten, legten einen Schleier über all den Glanz. Kleine Kunststoffwürfel mit aufgedruckten Zahlen setzten die Kunden darüber in Kenntnis, wie viel man investieren musste, um seinem äußeren Erscheinungsbild zu neuen Werten zu verhelfen. Die vier- oder gar fünfstelligen Zahlen lösten in Analyn Unverständnis aus. Wieso gaben Menschen soviel Geld für Schmuck aus?

Auf den Eingangsstufen schüttelte sie die Feuchtigkeit aus ihren pechschwarzen Haaren und hielt kurz inne. Es war ihre Art, sich vor dem, was nun kommen würde, zu wappnen. Sie atmete zweimal tief durch und trat dann durch die geöffnete Eingangstür. Heller Marmorfußboden, kirschbaumfarbene Vitrinen und mintgrüne Wände gaben dem Geschäftsraum ein edles Ambiente. Schon beim zweiten Schritt knirschten Glassplitter unter ihren Turnschuhen. Der oder die Täter hatten übel gewütet. Ein großer Teil der Glasvitrinen war zerstört und bis auf wenige Schmuckstücke geplündert. Einzig die Schaufensterauslage samt ihrer Glasabtrennung zum Innenraum war noch intakt. Auf dem Sofa davor glitzerten Millionen von Scherben. Ein Tablett lag falsch herum auf dem Marmorboden zwischen zerbrochenen Gläsern. Eine Champagnerflasche spiegelte sich daneben in ihrem eigenen kostbaren Nass, das sich mit dem Wasser einer umgekippten Blumenvase vermischte. Ein Notarzt und ein Rettungssanitäter kümmerten sich um eine Frau. Obwohl deren Kopf bereits verbunden war, sickerte Blut durch den Verband, der immer mehr die Farbe ihres knallroten Kleides annahm. Während der Sanitäter eine Infusionsflasche hochhielt, fummelte der Arzt an der Kanüle herum, die er auf dem Handrücken der Patientin fixiert hatte. Ihre Augen waren geschlossen und ihr Brustkorb hob und senkte sich kaum sichtbar.

Niemand erwiderte Analyns Gruß, als sie über die Scherben ging. Zu konzentriert kämpften die Männer um das Leben der Frau. Analyn steuerte ein Nebenzimmer an. Sie hatte sich nicht getäuscht. Hauptkommissar Beinert war bereits hier und hörte einem Mann zu, dessen Gesicht ebenso weiß war wie sein gebügeltes Hemd.

»Als auf meinem Handy der Alarm einging, bin ich sofort losgerast. Aber als ich hier ankam, war alles schon gelaufen.« Der Mann lief in dem kleinen Kämmerchen zwischen Schreibtisch und Küchenzeile hin und her. Er unterbrach seine Wanderung nicht, als Analyn eintrat und grüßte. Ihr Chef hingegen drehte sich zu ihr um.

»Ah, Frau Zettelmann. Gut, dass Sie hier sind. Darf ich vorstellen: Herr Rugery. Der Besitzer des Geschäfts.«

Analyn nickte. »Und wer ist die verletzte Frau da draußen?«

»Eine Mitarbeiterin, Gabriella Waldbach«, antwortete Hauptkommissar Beinert. Da es draußen lauter wurde, erhob auch Beinert seine Stimme, als er den ruhelosen Wanderer ansprach: »Sie haben doch Überwachungskameras, Herr Rugery.«

»Selbstverständlich.«

»Wir müssen das Filmmaterial sichten und sichern. Wie sieht es mit Außenkameras aus?«

Rugery schüttelte den Kopf. »Die Bereiche, die im öffentlichen Raum gefilmt werden dürfen, sind sehr begrenzt. Das sollten Sie doch am besten wissen.« Dann änderte er seine Laufrichtung und öffnete einen der Schränke. Graue Strähnen durchzogen seine dunklen Haare ebenso wie seinen gepflegten Bart. Das weiße Hemd mit einem locker gebundenen Seidenschal und die graue Flanellhose verliehen dem Mann eine Mischung aus Lässigkeit und Schick. Die Aufmachung sollte wohl bei seiner zahlungskräftigen Kundenschicht Vertrauen erwecken. Aber dies waren keine normalen Umstände und Rugery wirkte alles andere als souverän, als er einen Laptop auf den Schreibtisch stellte.

»Haben Sie schon einen Überblick, wie viel Schmuck abhanden gekommen ist?«, wollte Analyn wissen.

»Wir haben erst vor wenigen Tagen eine neue Kollektion bekommen. Ketten, Ringe und einige Rolex-Uhren. Alles sehr exklusiv und hochwertig. Der Schmuck lag in den langen Vitrinen rechts vom Eingang und die Uhren in den beiden Säulenvitrinen links. Soweit ich das vorhin auf die Schnelle sehen konnte, ist das alles weg.«

»Nun, Sie sind bestimmt gut versichert«, versuchte Analyn, den Mann zu trösten.

Dieser wurde ungehalten. »Versichert, versichert! Es geht doch nicht bloß um das Geld! Es waren echte Schmuckstücke! Unikate! Filigrane Handarbeiten! Wissen Sie, wie viele Stunden Arbeit in einer Halskette stecken, die nicht nullachtfünfzehn Massenware ist? So etwas hat nicht nur einen materiellen Wert. Das ist unersetzlich. Verstehen Sie?«

Analyn nickte, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie das verstand. Sie machte sich nicht allzu viel aus Schmuck. Eine schlichte Silberkette, dazu ein schmaler Ring mit einem durchsichtigen Stein, von dem sie nicht einmal sagen konnte, ob er echt war oder wie er hieß, waren der einzige Schmuck, den sie besaß.

Rugery tippte auf einem Laptop herum, als der Notarzt den kleinen Raum betrat. Analyn sah ihm die schlechte Nachricht an, bevor er sie aussprach: »Tut mir leid. Wir können nichts mehr für die Frau tun.« Frustriert streifte er die blutigen Einweghandschuhe ab und nickte den Anwesenden kurz zu, bevor er sich umdrehte und ging.

Rugery ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen und vergrub sein Gesicht in den Händen.

»Das kann nicht wahr sein, das kann nicht wahr sein …«, wiederholte er immer wieder, bis Analyn ihn unterbrach.

»Können Sie uns den Namen und die Adresse Ihrer Mitarbeiterin geben, Herr Rugery? Sicher hat Sie Angehörige, die wir verständigen müssen, bevor es die Medien tun.«

»Gabriella, ich meine Frau Waldbach, lebt allein. Aber sie hat eine Schwester. Ich kann Ihnen die Telefonnummer und Adresse geben.«

Der konkrete Arbeitsauftrag gab dem Mann Halt und er kramte nach Zettel und Stift. Mit zittriger Hand scrollte er über sein Handy und notierte dann das Gewünschte.

»Danke, ich kümmere mich darum«, versprach Analyn und steckte das Papier in ihre Hosentasche.

»Wir nehmen den Laptop mit«, ordnete Beinert an und löste die Verkabelung.

»Ich gebe Ihnen das Password.« Rugery begann erneut zu schreiben.

»Frau Zettelmann, sagen Sie den Kollegen, sie sollen sich draußen mal nach Überwachungskameras von anderen Geschäften umsehen. Vielleicht erfahren wir so, woher der Täter kam und wohin er floh.«

»Mache ich.«

»Und was passiert mit …«, der Juwelier zögerte, »Gabriella?«

»Sie muss in die Gerichtsmedizin. Vielleicht warten Sie hier hinten, bis wir Sie rufen?«, schlug Analyn vor. Kurz legte sie ihre Hand auf die Schulter des Mannes, als könne sie ihm damit Trost und Kraft geben. Dann folgte sie ihrem Chef in den Verkaufsraum.

Es war bereits dunkel als Analyn ihren kleinen Corsa hinter der Polizeistation Ebbelheim parkte. In ihrem Büro im ersten Stock brannte Licht. Beinert war vorausgefahren, während sie noch gewartet hatte, bis Frau Waldbach in die Gerichtsmedizin gebracht worden war und die Kollegen von der Spurensicherung ihre Arbeit aufgenommen hatten. Vor morgen früh würde es keine weiteren Informationen geben. Blieb zu hoffen, dass ihr Chef auf dem Überwachungsvideo brauchbares Material gefunden hatte. Aber als Analyn das Büro betrat, bemühte Beinert sich mit einer Hand um die Verkabelung des fremden Laptops, während er mit der anderen Hand sein Telefon ans Ohr presste. Sein Tonfall war ungewöhnlich harsch, dafür, dass er mit seiner Liebsten telefonierte.

»… ja, ich weiß, Schatz! Gib mir noch eine Stunde. … Nein, natürlich nicht! … Warum sollte der Urlaub platzen? … So ein Blödsinn … Ja, bis später, Tschüss.« Dann legte er das Telefon zur Seite.

»Probleme?«, fragte Analyn.

»Nein, wie kommen Sie darauf? Ich meine, doch. Das Kabel reicht nicht.«

»Versuchen Sie es mal mit der Steckdose von der Schreibtischlampe«, schlug sie vor und legte den Zettel mit den Zugangsdaten auf Beinerts Schreibtisch.

Wenig später erschienen die Fenster von insgesamt drei Überwachungskameras auf dem Bildschirm.

»Na, dann wollen wir mal.« Beinert klickte auf eine Aufnahme, die nahezu den gesamten Verkaufsraum umfasste. Er startete die Wiedergabe gegen sechzehn Uhr dreißig und während der Film hochgeladen wurde, zog Analyn ihren Schreibtischstuhl an Beinerts Tisch und setzte sich. Einen kurzen Moment war sie versucht, ihn wegen des Aktenbergs auf ihrem Schreibtisch zur Rede zu stellen, aber im Moment gab es Wichtigeres zu tun.

Die Bildqualität war erstaunlich gut. Frau Waldbach war allein im Laden und hob gerade ihr Handy an ihr Ohr, als eine ältere Frau mit einem gepunkteten Kopftuch den Geschäftsraum betrat. Sie schlenderte an den Schmuckauslagen entlang. Es dauerte eine Weile, bis die Verkäuferin ihr Telefonat beendete und die Kundin ansprach.

»Typisch. Wenn man nicht in das Beuteschema dieser Nobelläden passt, wird man als Kundin komplett ignoriert«, kommentierte Analyn das Verhalten der gerade verstorbenen Frau Waldbach. »Schade, dass es keinen Ton dazu gibt.« Da ihr Chef stumm blieb, konzentrierte Analyn sich wieder auf die beiden Frauen. Die Ältere kramte in ihrer Handtasche und zog etwas heraus.

»Stopp! Was ist das?« Beinert klickte auf seine Maus und unterbrach die Aufnahme. Dann zoomte er das Bild heran.

»Eine Pralinenschachtel? Was soll das denn?«

»Keine Ahnung.«

Beinert ließ den Film weiterlaufen. Frau Waldbachs Körperhaltung spiegelte eine gehörige Portion Abneigung wider, während sie sich über die Pralinenschachtel beugte und hineingriff. Beinert pfiff durch die Zähne.

»Das nenne ich kalorienarmes Konfekt.« Erneut stoppte er die Aufnahmen und vergrößerte ein Collier, das die Verkäuferin in ihren Händen hielt. Elfenbeinfarbene Perlen und blaue Saphire funkelten im Licht. Leider drehte sich Frau Waldbach dann leicht zur Seite und verdeckte damit den Blick der Kamera.

»Warum trägt die Kundin dieses dämliche Kopftuch?«, fragte Beinert ungehalten. »Man kann nicht einmal erkennen, wie alt die Frau ist. Geschweige denn, wie sie aussieht.«

»Vielleicht weil es draußen regnet?«

»Ja draußen, aber nicht drinnen.«

Während die Kundin das Collier wieder in der Pralinenschachtel verstaute, legte Frau Waldbach ein geschäftiges Treiben an den Tag. Lächelnd deutete sie auf eine Flasche und reichte wenig später der Frau ein gefülltes Glas Champagner. Dann eilte sie hinter den Verkaufstresen und ergriff das Telefon. Nach einem erneuten Lächeln in Richtung ihrer Kundin drehte sich Frau Waldbach zur Seite und schien angeregt zu telefonieren. Die Kundin stellte ihr Sektglas ab. Analyn traute ihren Augen nicht.

»Ich fass es nicht. Die klaut!«

»Ja, aber nur Erdnüsse«, bemerkte ihr Chef trocken, nachdem er die Aufnahme vergrößert hatte.

»Aber beutelweise«, empörte sich Analyn.

Kaum hatte die Frau ihre Handtasche wieder geschlossen, drehte sie sich gemächlich um. Frau Waldbach war immer noch mit ihrem Telefonat beschäftigt. Plötzlich zuckten beide Frauen zusammen.

»Stopp!«, schrie Analyn. »Noch mal, aber langsamer.«

In Zeitlupe sahen sie, wie die Frauen sich nacheinander umdrehten.

Die Totale zeigte eine dunkel gekleidete Gestalt mit einer Strumpfmaske über dem Kopf. Der Täter griff augenblicklich in seine Jacke und förderte einen langen Vorschlaghammer zutage, mit dem er gezielt auf die erste Schmuckvitrine zu seiner Rechten einschlug. Zwei Schläge genügten und das Glas zerbarst. Mit schwarzen Lederhandschuhen griff der Mann in die Scherben und stopfte Ketten und Ringe in eine Baumwolltasche. Dann schlug er erneut zu. Diesmal wechselte Silberschmuck von der Vitrine in seine Tasche. Inzwischen rannte Frau Waldbach hinter dem Verkaufstresen hervor, den Mund weit aufgerissen.

»Was macht die denn?«, schrie Analyn fassungslos. »Warum versteckt sie sich nicht einfach?«

»Falsches Heldentum«, erwiderte ihr Chef, »auch Dummheit genannt!«

Sobald die Verkäuferin den Mann erreicht hatte, zog sie an dessen Ärmel. Gleichzeitig versuchte sie, einige der Colliers vor ihm in Sicherheit zu bringen. Ein Unterfangen, das ihr nicht gut bekam. Blitzschnell drehte der Maskierte sich um und schubste die Frau von sich. Aber so leicht gab die nicht auf. Ein zweites Mal attackierte sie den Dieb. Seine Antwort folgte prompt, in dem er mit dem Hammer nach der Frau schlug. Frau Waldbach brach zusammen. Im Fallen schlug ihr Kopf hart auf den Rand der kaputten Glasvitrine. Sofort raffte der Mann die Colliers an sich. Dann drehte er sich um und schaute zu der Kundin. Diese wich einen Schritt zurück, die Handtasche fest an ihren Bauch gepresst. Wie in einem Stummfilm sackte sie plötzlich bewusstlos auf die Couch. Unbeirrt malträtierte der Mann mit zwei festen Schlägen die nächste Vitrine, räumte auch diese leer und verschwand dann, genauso schnell, wie er gekommen war, wieder auf der Straße.

»Wow! Die ganze Aktion hat gerade mal drei Minuten gedauert«, stellte Analyn fest.

»Drei Minuten siebzehn, um genau zu sein.«

»Was ist das denn?« Analyns Aufmerksamkeit kehrte zu dem Bildschirm zurück, wo die vermeintlich bewusstlose Kundin sich plötzlich aufrappelte. Mit wenigen Schritten eilte sie zu Frau Waldbach. Fürsorglich beugte sie sich über die Verkäuferin am Boden. Dann griff sie nach dem Telefon und presste es an ihr Ohr. Sprach die Frau irgendetwas? Und wenn ja, mit wem? Analyn konnte es nicht erkennen.

Plötzlich hatte es die Kundin sehr eilig. Statt Erste Hilfe zu leisten, verließ sie fluchtartig das Juweliergeschäft.

»Die beiden werden sofort zur Fahndung ausgeschrieben«, ordnete Beinert an. »Veranlassen Sie, dass die Fotos umgehend an alle Polizeidienststellen rausgegeben werden.«

»Viel sieht man nicht auf den Bildern. Der Mann ist komplett vermummt und die Frau ist mit ihrem Kopftuch quasi auch nicht zu erkennen«, wandte Analyn ein. Als ihr Chef den Mund öffnete, ergänzte sie schnell: »Aber es ist unsere einzige Chance im Moment. Ich werde die Bilder auch an die Presse geben.«

»Mit einer detaillierten Beschreibung der Kleidung«, forderte Beinert.

Ohne ein Klopfen öffnete sich die Tür und Lissy streckte ihren Kopf ins Büro. »Ihr zwei Hübschen seid ja noch da«, stellte sie grinsend fest, erhielt aber keine Antwort. »Hartwig, ein Reporter von der Ebbelheimer Zeitung will ein Interview. Und dann wären da noch Anfragen von main tv, Pro Sieben, der Frankfurter Allgemeinen, der Rundschau und der …«

»Die sollen bis morgen warten.« Er schaute auf seine Uhr. »Sag denen, vormittags um elf Uhr gibt es eine Pressekonferenz. Für die heutigen Abendnachrichten und den Zeitungsdruck schickt Frau Zettelmann gleich zwei Überwachungsbilder und eine Kurzmeldung raus. Das muss fürs Erste reichen. Wir haben zu tun, da stört die Presse nur.«

»Alles klar.« Lissy zog die Tür hinter sich zu.

»Lissy!«, schrie Beinert hinter ihr her.

Die Gerufene steckte ihren Kopf erneut zur Tür herein. »Von wem kam eigentlich der Notruf wegen des Juweliergeschäfts?«

»Das lief mehrgleisig. Erst über die normale Alarmanlage des Geschäfts. Die läuft automatisch bei uns auf. Und dann war da noch ein Anruf.«

»Von einer Frau oder einem Mann?«

Lissy musste nicht lange überlegen. »Eine Frau. Aber ich muss wieder runter. Wir haben heute Abend nur eine Notbesetzung wegen der Demo vor dem Asylbewerberheim. Du hilfst uns doch später, Analyn?«

Beinert seufzte. »Stimmt. Unser Grüppchen Rechter macht sich mal wieder wichtig, um die Asylanten zu erschrecken. Es ist eine Schande, dass dieser Haufen Verblendeter so viele Polizeikräfte bindet. Ganz abgesehen von dem großen Echo, das sie in der Presse finden. Alles harmlose Chaoten.«

»Hoffen wir, dass es friedlich bleibt«, entgegnete seine Kollegin. »Ich komme bei euch vorbei, Lissy, sobald ich hier fertig bin.«

Lissy lächelte ihr dankbar zu und kehrte an ihren Arbeitsplatz zurück.

Beinert stand auf und machte sich an der uralten Kaffeemaschine zu schaffen. »Das Rathaus sollte unserem Juwelendieb dankbar sein. Der hält ihnen morgen die Titelseite der Ebbelheimer Zeitung zumindest von den rechten Parolen sauber.«

»Sie werden den Überfall wohl nicht eigens dafür bestellt haben«, bezweifelte Analyn und schob ihren Stuhl an den Schreibtisch zurück. Anschließend griff sie nach dem fremden Aktenberg und trug ihn zu Beinerts Arbeitsplatz. Im Austausch nahm sie den Laptop des Juweliers mit. Dann meldete sie sich per WhatsApp bei ihrem Bruder ab und schickte einen Kuss-Smilie für ihre kleine Nichte Leonie mit. Eine zweite Nachricht ging an ihren Freund Marius. Die Verabredung zum Essen musste sie absagen. Ihr Feierabend war in weite Ferne gerückt.

Wortlos nahm ihr Chef den Aktenberg von seinem Schreibtisch und legte ihn auf das Sideboard neben die Kaffeemaschine, die geräuschvoll vor sich hin blubberte.

Kapitel 2

Heute Morgen ging Marius alles gegen den Strich: die fetzige Radiomusik, das monotone Geräusch der Laufbänder und Rudergeräte sowie die Gespräche einiger Frühsportler, die die Theke des Fitnessstudios säumten. Am allermeisten störte ihn aber die ständige Wiederholung der gleichen Meldungen in den Radionachrichten. Es gab Kriege in der Welt, Menschen verhungerten - und das einzig Berichtenswerte war offenbar der gestrige Überfall auf das Juweliergeschäft in Ebbelheim. Für einen der Frühsportler stellte Marius den Kaffeevollautomaten auf Cappuccino und schob eine Tasse unter den Auslauf. Als er den Startknopf drückte, rutschte eine Handvoll Kaffeebohnen in das Mahlwerk. Ein intensiver Duft stieg in seine Nase und der Kaffee zischte in die Tasse. Ein weiterer Sportler trat an den Tresen, wischte sich mit einem Frotteehandtuch den Schweiß von der Stirn und orderte einen Powerdrink Maracuja. Wenig später stellte Marius das Gewünschte zusammen mit dem Kaffee auf den Tresen. Auch die Fitnessanhänger sprachen über den Raubmord. Alle kannten offenbar das Schmuckgeschäft persönlich und hatten Trauringe, die Silberrassel zur Taufe des Enkelkinds oder die Armbanduhr samt Monogramm zum Abitur des Juniors dort gekauft.

»Das Familienunternehmen steht unter keinem guten Stern, seit der Seniorchef es seinem Sohn überlassen hat. Es ist schon der zweite Raubüberfall in drei Jahren«, gab ein Rentner zum Besten, der sich mit seinem T-Shirt als Finisher des JP Morgan-Laufs outete, und nun die Ebbelheimer Tageszeitung zur Seite schob.

Marius’ Handy musizierte in der Tasche seiner Jogginghose. Ohne nachzusehen wusste er, dass es ein Anruf von Analyn war. Dreimal hatte er sie heute früh schon ins Leere laufen lassen. Mehr als einen Zweizeiler hatte sie gestern Abend nicht für ihn übrig gehabt. Manchmal hasste er ihren Beruf: immer im Einsatz, immer auf dem Sprung, immer für andere da – zu selten für ihn. Marius rieb erst über sein unrasiertes Kinn und schob dann seine viel zu langen Ponyhaare nach hinten. Es war Ewigkeiten her, dass sie beide Zeit miteinander verbracht hatten.

»Hier klingelt irgendwo ein Telefon«, bemerkte eine Frau in violettem Sportbustier. »Ich glaube, das ist bei dir.« Sie zeigte mit dem Strohhalm ihres Energydrinks zu Marius.

Wohl oder übel zog er sein Handy aus der Hosentasche. Kaum hatte er den Bildschirm berührt, schaute er auf das Foto einer lachenden Analyn, in deren Gesichtszügen sich die Gene eines philippinischen Vaters und einer deutschen Mutter wunderbar vereinten. Das Bild verschwand, als er das Telefon an sein Ohr presste und sie begrüßte: »Hey.«

»Hey, schön deine Stimme zu hören.« Das fand er auch, aber er sagte es nicht. Und so fuhr Analyn fort: »Störe ich gerade? Bist du an der Uni?«

»Nein, ich arbeite.«

»Du bist sauer wegen gestern Abend, oder?«

»Hm, wie man’s nimmt.« Marius drehte sich vom Tresen weg und wischte ziellos mit einem Lappen um das Spülbecken herum.

»Es tut mir so leid. Ehrlich. Ich hätte den Abend auch lieber mit dir verbracht als mit meinem Chef. Aber gestern wurde der Juwelierladen in der Bahnhofstraße überfallen und …«

»Ich weiß«, unterbrach er sie. »Gestern war es ein Überfall, vorgestern war es Leonie, die betreut werden musste, davor hattest du deinen Mädelsabend mit Lissy und davor war irgendetwas anderes. Ich weiß es schon gar nicht mehr. Aber ich habe auch vergessen, wann wir das letzte Mal Zeit miteinander verbracht haben.«

»Du bist ungerecht«, konterte sie und ihre Stimme bekam diese Nuance, die ihm verriet, dass ihre gute Laune langsam dahin schwand. »Du hast mit Studium und Schichtdienst im Fitnessstudio auch wenig Zeit. Da werde ich mir ja wohl mal was anderes vornehmen dürfen. Das kannst du schließlich genauso tun.«

»Ja, nur dass meine Schichtpläne im Voraus feststehen. Ich sage nicht ab, während du am gedeckten Tisch wartest.«

»Tut mir leid«, lenkte sie ein. »Ich wollte einfach deine Stimme hören, bevor ich den ganzen Tag nur mit Beinert spreche.«

»Den kannst du gleich haben. Er läuft gerade auf mich zu.«

»Muss nicht sein. - Also, tschüss dann. Ich muss zur Arbeit.«

Tatsächlich kam Hauptkommissar Beinert gerade aus der Umkleidekabine, marschierte zum Tresen und nahm sich eine Mandarine aus der Obstschale. Während er die Frucht pellte, überflog er die Berichterstattung über den Raubüberfall in der Ebbelheimer Zeitung. Dann klopfte er zum Gruß auf den Tresen und ging.

»Tschüss«, sagte Marius, aber da hatte Analyn schon aufgelegt.

Abigail trat aus dem kleinen Raum für Mitarbeiter und ging an Marius vorbei. Dabei klatschte sie laut in ihre Hände. »Auf gehts, Leute. Erhebt eure müden Glieder. Bauch, Beine, Po sind dran.«

Die meisten Sportler folgten der zierlichen Rothaarigen in den Gymnastikraum. Der Tresen leerte sich. Marius räumte Tassen und Gläser weg. Sein Blick blieb an der Zeitung hängen. Ein Foto zeigte den Juwelendieb: eine durch und durch schwarz gekleidete Gestalt mit einer Maske vor dem Gesicht. Das konnte quasi jeder sein. Zu erkennen war der Mensch dahinter nicht. Auf dem zweiten Bild war eine Frau mit einem Kopftuch abgebildet. Von ihrem Gesicht war nur die Nasenspitze im Profil zu sehen. Für eine Sekunde durchzuckte Marius der Gedanke an Rosalie. Doch die saß mit ihrem erschummelten, aber wohlverdienten Geld auf Teneriffa, ließ sich die Sonne auf den Kopf scheinen und die Füße im Pool baumeln. Was für ein Glück! Die turbulenten Zeiten mit der unternehmungslustigen Rentnerin hatten sich tief in sein Gedächtnis gebrannt, auch wenn er die couragierte alte Frau in sein Herz geschlossen hatte. Einmal mit Rosalie auf Verbrecherjagd gewesen zu sein, das deckte den Bedarf für den Rest seines Lebens und weit darüber hinaus. Seit Monaten hatte er nichts mehr von ihr gehört, wenn man mal von den vielen Päckchen absah, die sie ihm regelmäßig schickte.

Der kurze Brummton seines Handys zeigte den Eingang einer Kurznachricht. Marius strich über das Display. Sein Mitbewohner Olli meldete sich. Noch so einer, der die Sonnenseite des Lebens für sich gepachtet hatte. Seine Selfies aus Kneipen am Broadway, die zeigen sollten, wie cool sein Auslandssemester war, löschte Marius meistens sofort. Eigentlich lohnte es gar nicht, diese Nachricht zu öffnen, aber er tat es trotzdem. Und was er dann las, war nicht dazu angetan, seine Laune zu verbessern. Glückspilz Olli hatte eine feste Stelle in New York angenommen und wollte nun seine Wohnung in Ebbelheim kündigen. Was lag da näher, als Untermieter Marius die Übernahme des Mietvertrags anzubieten? Großzügig bot Olli an, das Mobiliar gegen einen kleinen finanziellen Beitrag an Marius abzutreten. Sofern Marius kein Interesse an der Wohnung hätte, wäre das auch kein Problem. Dann würde Olli die Wohnung fristgerecht kündigen.

»Mist!«, fluchte Marius. Wie sollte er sich die Wohnung allein leisten? Er hatte einen Bachelor in Sportwissenschaften mit Nebenfach Biologie vorzuweisen und sein derzeitiges Studium von Philosophie und Geschichte bog langsam auf die Zielgerade ein. Was er nicht vorweisen konnte, war ein geregeltes Einkommen jenseits seines Aushilfsjobs in diesem Fitnessstudio. Und der Stundenlohn hier war lausig. Wohl oder übel musste er sich einen Mitbewohner suchen oder noch besser: eine Mitbewohnerin. Da fiel ihm nur eine ein. Aber ob die wollte? Marius seufzte und steckte sein Handy ein. Gleich kam seine Ablösung. Ein kurzer Abstecher nach Hause und dann musste er zur Uni radeln.

»Mein Geldbeutel ist weg!«, kreischte eine Frauenstimme aus der Ecke der Laufbänder. Das hatte gerade noch gefehlt! Notgedrungen folgte Marius dem hysterischen Geschrei. Vor einem hohen Regal mit großen Fächern für Sporttaschen warf eine Frau ihre kastanienbraunen Haare auf den Rücken. Ihr violettes Sportbustier hob und senkte sich inklusive ihres Busens hektisch, während sie in ihrer Tasche wühlte.

»Das gibt es doch nicht. Vorhin war mein Geldbeutel noch hier drin.«

Marius blickte sich um. Die Tür zu der kleinen Außenterrasse war geöffnet, um frische Luft einzulassen.

»Alles weg«, jammerte die Frau. »Geld, EC-Karte, Kreditkarte, Pass, Führerschein. Wer ersetzt mir das denn?«

Marius deutete auf das kleine Messingschild über dem Regal. »Wertsachen haben hier nichts verloren. Dafür gibt es extra die kleinen Schließfächer vorn neben dem Tresen.«

Die Frau ignorierte seinen Hinweis und verteilte stattdessen Handtuch, Duschgel, Tampons, diverse Müsliriegel, Feuerzeug und Zigarettenschachtel auf dem Fußboden. Sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, ihre Schätze in der Tasche wieder zu finden.

Es war nicht der erste Diebstahl und vermutlich auch nicht der letzte. Praktisch jeder Besucher des Fitnessstudios konnte in einem unbeobachteten Moment etwas aus einer der Taschen entwenden. Marius trat auf die kleine Terrasse. Die weniger gesundheitsbewussten Sportler legten hier gern eine Raucherpause ein. Unter einem der Stühle fand er einen bordeauxfarbenen Geldbeutel. Marius hob ihn auf. Das Geldfach war leer, aber aus den kleinen Schlitzen schauten jede Menge Plastikkarten heraus. Der Schaden schien sich in Grenzen zu halten und ein bisschen Lehrgeld schadete der Frau nicht. Marius schaute sich um. Niemand war zu sehen. Der Metallzaun stellte kein wirkliches Hindernis für einen halbwegs sportlichen Taschendieb dar. Aber wer wusste schon, ob der Täter von drinnen oder draußen gekommen war?

***

Nahezu zeitgleich mit seiner Kollegin traf Hauptkommissar Beinert um kurz nach acht auf der Polizeistation Ebbelheim ein. Während er seinen Wagen parkte, ging Analyn bereits auf das Eingangsportal zu. Kaum hatte er das Gebäude betreten, hörte er sie schon mit Lissy kichern. Die beiden hingen zusammen wie Pech und Schwefel. Ein Umstand, der Beinert störte. Heute war keine Zeit für privaten Smalltalk und so rief er im Vorbeigehen über den Tresen der Wachstube: »Guten Morgen, die Damen. In gut zehn Stunden können Sie Ihr Kaffeekränzchen fortsetzen. Bis dahin haben wir einen Raubüberfall aufzuklären.«

»Guten Morgen, Hartwig«, grüßte Lissy ihn zurück, kein bisschen verstimmt wegen seines ruppigen Tonfalls. »Nur zehn Stunden? Das ist ja rekordverdächtig.«

»Traust du mir wohl nicht zu, was?«, fragte er über die Schulter. »Wirst schon sehen, um achtzehn Uhr fahre ich zum Flughafen und der Fall ist gelöst.«

»Da würde ich aber nicht drauf wetten«, erwiderte Lissy. »

Ich auch nicht«, vernahm er die Stimme von Frau Zettelmann.

»Hoffentlich hast du dein Gepäck schon mitgebracht. Das gäbe dir noch etwas Reserve. Wenns knapp wird, bringe ich dich mit Blaulicht zum Flughafen«, frotzelte Lissy.

Beinert verkniff sich eine Antwort. Was hätte er auch sagen sollen? Die Optionen waren alternativlos, wie es so schön hieß. Silvia hatte ihm vergangene Nacht die Hölle heiß gemacht, er solle sich unterstehen, den gemeinsamen Urlaub platzen zu lassen. Und das wollte er auch nicht. Trotz seines Unbehagens gegenüber Flugzeugen freute er sich auf Thailand. Er könnte natürlich Analyn mit der Bearbeitung des Raubüberfalls während seiner Abwesenheit betrauen. Aber das ging gar nicht! Schließlich hatte sie schon das letzte Verbrechen in Ebbelheim im Alleingang gelöst, während er mit Silvia … naja, Schwamm drüber. Niemand konnte permanent erreichbar sein. Auch ein Hauptkommissar durfte mal in die Mitternachtssauna gehen und eine in jeder Hinsicht heiße Nacht erleben. Aber das würde ihm kein zweites Mal passieren. So viel stand fest.

Eine Reihe von E-Mails poppte auf, als Beinerts Rechner hochgefahren war. Er überflog zuerst den Bericht der Spurensicherung.

»Keine verwertbaren Fingerabdrücke«, fasste er zusammen.

Obwohl seine Kollegin ebenfalls auf ihrem Rechner herumtippte, antwortete sie: »Kein Wunder, der Typ hat Handschuhe getragen. Das war kein Amateur.«

»Leider nicht.«

»Wir müssen uns als erstes eine Liste aller gestohlenen Schmuckstücke bei Herrn Rugery holen. Vielleicht taucht das eine oder andere Teil auf dem Schwarzmarkt auf.«

»Haben Sie die Schwester von Frau Waldbach gestern erreicht?«, fragte Beinert nach.

»Nein, Sie war weder gestern Abend noch heute früh zu Hause. Eine Nachbarin meinte, sie wäre als Stewardess viel unterwegs. Ich probiere es mittags noch einmal.«

»Gut. Die Gerichtsmedizin wird noch etwas Zeit brauchen. Fangen wir also bei Rugery an.«

»Wegen Renovierungsarbeiten geschlossen– eine nette Umschreibung.« Beinert klopfte mit seinem Zeigefinger erst auf das Schild im Schaufenster und dann deutlich lauter an die verschlossene Eingangstür des Schmuck- & Auktionshauses Rugery. Der Chef erschien persönlich und schloss die Tür auf. Thomas Rugery war ganz in schwarz gekleidet und die tiefen Ringe unter seinen Augen verrieten, dass er die vergangene Nacht nicht viel geschlafen hatte.

»Gibt es schon irgendwelche Erkenntnisse?«, fragte er sofort.

Beinert antwortete mit einem knappen »Guten Morgen. Dürfen wir reinkommen?«

»Selbstverständlich.« Der Juwelier gab die Tür frei und schloss hinter den beiden Beamten wieder ab.

»Sie waren ja schon fleißig«, fasste Analyn das Erscheinungsbild des Geschäftsraums zusammen. Sämtliche Glassplitter waren verschwunden, der Fußboden war frisch gewischt und glänzte an einigen Stellen noch feucht. Nur ein dunkler Fleck in den Fugen des Marmorbodens ließ erkennen, wo Frau Waldbach am Vorabend ihren schweren Verletzungen erlegen war.

Rugery verteidigte seine Putzaktion. »Ihre Kollegen sagten gestern Abend, dass die Spurensicherung abgeschlossen wäre und den ersten Aufräumarbeiten nichts im Wege stände. Schließlich muss das Geschäft weiterlaufen.«

Irgendwo lief eine Toilettenspülung. Eine kleine, rundliche Frau mit Schürze und Kopftuch kam aus dem hinteren Zimmer. Ihre Hände steckten in knallgelben Gummihandschuhen.

»Ich fertig«, sagte sie leise zu Herrn Rugery und vermied es, Beinert oder seine Kollegin anzuschauen.

»Ist gut, Fatma. Vielen Dank. Ich melde mich.«

Die Frau streifte ihre Handschuhe ab und nahm dann ihren Mantel, der am Türgriff des Büros hing. Rugery schloss erneut die Eingangstür auf und die kleine Gestalt schlüpfte hinaus auf die Straße. Dabei griff sie hastig nach einem Geldschein, den Rugery ihr verstohlen hinhielt. Beinert sah durch das Schaufenster einen schwarzen, tiefer gelegten Mercedes die Straße entlangrollen. Es handelte sich um ein älteres Modell, aber der auf Hochglanz polierte Lack machte das Fahrzeug zu einem echten Schmuckstück. Der Wagen hielt direkt vor dem Juweliergeschäft und beschleunigte, sobald die Frau eingestiegen war.

»Ihre Putzfrau?«, fragte Beinert beiläufig.

Rugery fuhr mit dem Finger unter seinen Hemdkragen. »Ja.

Bitte machen Sie ihr keine Schwierigkeiten. Sie putzt seit Jahren hier. Meine Ex-Frau hat sie angeschleppt und ich wollte sie nach der Scheidung nicht einfach auf die Straße setzen. Sie braucht das Geld dringend.«

»Man kann auch auf legale Weise in Deutschland arbeiten«, warf Analyn ein.

Der Juwelier nickte und gab dem Gespräch eine andere Richtung. »Konnten Sie schon irgendetwas erreichen?«

»Wir sind dran, Herr Rugery«, antwortete Beinert vage. »Haben Sie inzwischen einen Überblick, was alles gestohlen wurde?«

»Ja, ziemlich präzise sogar. Der Schaden ist größer als befürchtet. Es wurde Schmuck im Wert von anderthalb Millionen erbeutet.«

Beinert stieß einen Pfiff aus. »Nicht schlecht für ein doch eher kleines Geschäft.«

»Klein, aber fein«, konterte Rugery pikiert. Dann fuhr er fort: »Ich habe meiner Versicherung bereits eine Aufstellung aller gestohlenen Schmuckstücke zugemailt.«

»Prima. Wir hätten gern eine Kopie der Liste.«

»Kein Problem. Die kann ich Ihnen ausdrucken.«

»Danke. Haben Sie auch Abbildungen von den Schmuckstücken?«, wollte Analyn wissen.

»Teilweise ja. Von der Auktionsware und den Eigenanfertigungen erstelle ich immer Expertisen. Dazu fotografiere ich die Schmuckstücke auch. Einiges davon finden Sie auf unserer Online-Auktionsplattform. Die Rolex-Uhren sind erst vor zwei Tagen geliefert worden. Ich habe Lieferscheine und Rechnungen. Abbildungen kann man beim Hersteller bekommen oder aus dem Internet runterladen. Das ist kein Problem.«

Analyn zog einen kleinen Schreibblock und einen Stift aus ihrer Jackentasche. »Nur damit ich das richtig verstehe: Sie haben Schmuck aus eigener Herstellung, den Sie auf Auktionen oder hier im Laden verkaufen, und zusätzlich werden Sie mit Ware von anderen Herstellern beliefert. Ist das richtig?«

»So in etwa«, erwiderte Rugery. »Als gelernter Goldschmied fertige ich immer wieder Colliers, Ohrringe oder Ringe selbst an. Meistens auf Bestellung von Kunden. Aber gelegentlich auch für den Verkauf. Hinzu kommt die Ware, die ich auf Schmuckmessen ordere. Dies trifft natürlich auch für die Uhren zu. Uhren, egal in welchem Preissegment, lassen wir uns direkt vom Hersteller liefern. Der Auktionsbereich läuft separat. Kunden kommen zu uns, mit Erbstücken oder Schmuck, der zwar wertvoll ist, aber nicht mehr ihrem Geschmack entspricht. In dem Fall sehe ich mir die Ware an, erstelle eine Expertise und mache einen Preisvorschlag. Ist der Kunde einverstanden, wird sein Schmuckstück auf unserer Online-Plattform zum Verkauf angeboten.«

»Kaufen Sie Ihren Kunden den Schmuck ab?«

»Nein, wo denken Sie hin! Wir sind kein Laden für Goldanund -verkauf oder ein Pfandhaus, wie Sie es rund um den Hauptbahnhof finden. Wir nehmen die Ware lediglich in Kommission.

Findet sich ein Käufer, bekommt unser Kunde sein Geld. Sonst erhält er die Ware zurück.«

Analyn nickte und ließ den Stift über das Papier gleiten.

»Es war nicht der erste Überfall auf Ihr Geschäft«, übernahm Beinert das Gespräch.

Rugery rieb sich seine müden Augen. »Vor drei Jahren waren wir schon einmal Opfer eines Überfalls. Der Schaden war immens mit 1,2 Millionen Euro, aber es gab zum Glück keine Verletzten. Ich dachte, schlimmer kann es nicht kommen. Aber das war ein Irrtum.«

»Ich habe mir die Akten angesehen. Es war ein Einzeltäter, der nie gefasst wurde.«

»Ja, die Polizei, dein Freund und Helfer. Uns konnten Sie seinerzeit nicht helfen, trotz hochmoderner Alarmanlage und Sicherungssystemen.« Rugery klang enttäuscht und vergrub seine Hände in den Hosentaschen.

»Soweit ich weiß, war just an dem Tag Ihre Videoüberwachung defekt«, antwortete Beinert.

»Stimmt. Der Wartungsdienst konnte erst zwei Tage später kommen und da war es dann schon zu spät gewesen.«

»Entsprechend dürftig war auch das Phantombild, das damals angefertigt worden war. Wer hatte an dem Tag Dienst?«, fragte Beinert beiläufig.

»Gabriella – ich meine, Frau Waldbach«, antwortete der Juwelier.

»Richtig. So steht es auch in unseren Akten. Nun hat die arme Frau den zweiten Überfall sogar mit ihrem Leben bezahlt. Wissen Sie, was ich mich frage? Ob es vielleicht der gleiche Täter war. Hat sich Frau Waldbach vielleicht deshalb so todesmutig dazwischen geworfen, weil sie den Täter kannte?«

Hilflos hob Rugery seine Schultern und ließ sie wieder fallen. Frau Zettelmanns Augen wanderten zwischen den beiden Männern hin und her, während sie an ihrem Stift knabberte. Da sie die naheliegendste Frage nicht stellte, fuhr Beinert fort: »Wo waren Sie eigentlich gestern Nachmittag, Herr Rugery?«

Der Angesprochene ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Beim Friseur. Als der Alarm auf meinem Handy einging, saß ich beim Friseur.«

»Das werden wir überprüfen«, versprach Beinert und blickte seine Kollegin auffordernd an.

***

Rosalie pustete in den heißen Cappuccino. Der Speiseraum der kleinen Pension leerte sich. Am Nachbartisch versteckte jemand den Kopf hinter der Ebbelheimer Tageszeitung, ein älteres Ehepaar studierte den Fahrplan des Main-Taunus-Kreises und die Bedienung räumte einen verwaisten Tisch ab. Das Frühstücksbuffet war weitgehend geplündert. Rosalie war gut gesättigt und trank eine letzte Tasse Kaffee, bevor sie ihr Tagwerk begann. Aber so einfach war das nicht. Der gestrige Besuch in dem Auktionshaus hatte sich zwar sehr vielversprechend angelassen, doch dann waren in Nullkommanichts ihre fein säuberlich aufgestellten Pläne den Ebbelheimer Bach hinunter gerauscht, als gäbe es gerade ein Jahrhunderthochwasser, obwohl es nur leicht genieselt hatte.

Rosalie nahm einen Schluck und genoss einen Moment den Geschmack von Koffein und Milch auf der Zunge. Warum hatte die blöde Schmuckverkäuferin am Telefon nur so leise getuschelt? Obwohl sie wahrhaftig nicht schwerhörig war, hatte Rosalie nicht alles verstanden. Abgesehen davon, dass die Antworten des Ladenbesitzers ja ohnehin nicht zu hören gewesen waren. Aber das Wenige, das an ihr Ohr gedrungen war, hatte genügt, um sie zu beunruhigen. Eigentlich hätte sie in diesem Moment das Geschäft verlassen müssen. Aber nein, sie war geblieben. Wollte dem Problem auf den Grund gehen. Und dann gab es diesen verheerenden Raubmord. Der Kerl hätte wirklich eine halbe Stunde später kommen können! Nun war die Verkäuferin tot, der Laden geplündert und sie hatte nicht mehr erfahren, was es mit ihrer Kette auf sich hatte. Das einzig Gute war, dass sie diesen muskelstrotzenden Hammerschläger unversehrt überlebt hatte. Manchmal musste man sich an Kleinigkeiten freuen, bevor man am großen Ganzen verzweifelte. Diese Maxime hatte Rosalie erfolgreich verinnerlicht.

Ihr Tischnachbar faltete die Zeitung zusammen, stand auf und brachte ihren Kaffee zum Überschwappen, als er sich zwischen den eng gestellten Tischen hindurchzwängte. Rosalie quittierte seine Entschuldigung mit einem Lächeln und sah dem Mann nach, bis er durch die Eingangstür verschwunden war. Dann angelte sie die Tageszeitung vom Nachbartisch. Es überraschte sie nicht, dass der Raubüberfall es auf die Titelseite geschafft hatte. »RAUBMORD IN EBBELHEIM« war der reich bebilderte Artikel überschrieben. Hastig überflog sie die Zeilen, die sich in vagen Vermutungen über den Tathergang ergingen. Genauer las sie die Beschreibung des Täters und betrachtete anschließend ein verzerrtes Schwarz-Weiß-Bild, das den bis zur Unkenntlichkeit vermummten Mann zeigte. Dann sah sie das zweite Foto an. Es fühlte sich an, als würde das Blut in ihren Adern schockgefrostet. Unter der Bildunterschrift »Zeugin oder Komplizin?« war tatsächlich ihr Konterfei abgebildet. Ihr Gesicht war zwar nur sehr undeutlich im Profil zu sehen, das Kopftuch hatte Schlimmeres verhindert, aber die detaillierte Beschreibung von Gestalt und Kleidung reichten. Mechanisch griff sie an ihren Hals, öffnete den Knoten des beigen Seidentuchs mit den weißen Tupfen und ließ es auf ihren Schoß gleiten. Keine vierundzwanzig Stunden war sie in Ebbelheim und schon wurde sie von der Polizei gesucht. Verstohlen blickte Rosalie sich im Frühstücksraum um. Das Ehepaar hatte seine Bahnverbindung gefunden und brach auf.

Gedanken jagten wie aufgescheuchte Gazellen durch ihr Gehirn. Als Erstes musste sie die Halskette an einem sicheren Ort unterbringen. Dann galt es, ihre Pläne zu überdenken. Sie hatte nicht viel Bargeld in ihrem Portemonnaie. Zwei Übernachtungen hatte sie glücklicherweise im Voraus bezahlt, aber wenn sich der Schmuck nicht verkaufen ließ, hatte sie ein Problem. Rosalie griff nach ihrer Handtasche und öffnete sie einen Spalt. Während das Halstuch in der Tasche verschwand, strichen ihre Fingerspitzen über die Pralinenschachtel mit dem kostbaren Inhalt. Rasch nahm Rosalie einige Zuckertütchen aus dem Vorratsglas auf ihrem Tisch, steckte sie in ihre Handtasche und stand auf. Im Hinausgehen ließ sie die Tageszeitung in einen Papierkorb fallen. Schließlich mussten nicht mehr Menschen als unbedingt notwendig diese verräterischen Fotos sehen.

***

Als Analyn mit ihrem kleinen Corsa bereits das zweite Mal auf der Suche nach einem freien Parkplatz um den Häuserblock fuhr, sah sie die Frau den Gehweg entlangkommen. Der kleine Rollkoffer, den sie hinter sich herzog, die Uniform einer Stewardess und nicht zuletzt die tiefschwarzen Haare bestätigten Analyn in der Annahme, dass es sich um die Schwester von Gabriella Waldbach handeln musste. Kurz entschlossen steuerte sie einen Behindertenparkplatz an und stieg aus. Eine ältere Frau lehnte auf ein Kissen gestützt im offenen Fenster und beobachtete mit zusammengekniffenen Lippen die Straße. Analyn grüßte die Frau lächelnd im Vorbeigehen. Als Antwort keifte die Frau ihr hinterher: »Sind Sie blind? Der Parkplatz ist für Behinderte. Oder sind Sie behindert? Vielleicht geistig?« Analyn schaute kurz über die Schulter zurück zu dem Parkplatz und dann wieder zu der Frau. Entschlossen trat sie unter das geöffnete Fenster.

»Guten Morgen. Schön, dass Sie hier so ein wachsames Auge auf den Straßenverkehr und das Wohngebiet haben.« Dann hob sie ihren Dienstausweis in die Höhe. »Kommissarin Zettelmann. Ich bin im Einsatz und bei Gefahr im Verzug kann ich überall parken.«

»Das ist ja gar kein Polizeiauto«, monierte die Alte.

»Undercovereinsatz – verdeckte Ermittlungen, verstehen Sie?«, antwortete Analyn und steckte ihren Ausweis wieder in die Jackentasche. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den Wagen im Auge behalten und ansonsten Stillschweigen über meinen Besuch hier bewahren.«

Skeptisch, aber bedächtig, nickte die Frau und Analyn ging mit einem Grinsen den Gehweg entlang. In einer halben Stunde wusste wahrscheinlich der ganze Häuserblock, dass hier ein hochdramatischer Polizeieinsatz stattfand.

Analyns Handy vibrierte in der Hosentasche. Im Display stand die Zentrale.

»Wo steckt Ihr denn?«, fragte Lissy leicht genervt. »Ihr könntet Euch wenigstens mal abmelden, wenn keiner mehr im Haus ist.«

»Sorry, nächstes Mal. Es ist im Moment alles etwas hektisch. Was gibts denn?«

»Anruf vom Rathaus. Hartwig soll dringend dort vorbei kommen, aber den erreiche ich nicht. Es ist irgendwas Wichtiges.«

»Lass nur, ich übernehme das. Sonst schafft er am Ende seinen Flieger nicht. Ich bin hier gleich fertig.«

Analyn beendete das Telefonat und betrat das fremde Treppenhaus. Der Ernst ihres Anliegens holte sie ein, als sich die Wohnungstür öffnete und sie der Schwester der Toten gegenüberstand. Erneut zeigte Analyn ihren Ausweis vor.

»Ist etwas passiert?«, wollte die Frau argwöhnisch wissen.

»Es geht um Ihre Schwester Gabriella, Frau Waldbach.«

»Der Überfall«, sagte die andere gedehnt, als fiele es ihr gerade ein. »Ich habe im Radio gehört, dass ein Juweliergeschäft überfallen wurde. Ist es das?«

Analyn nickte. »Darf ich reinkommen?«

Wortlos gab die Frau die Tür frei und Analyn betrat den hellen Flur.

»Was ist mit Gabriella? Ist sie verletzt?« Sorge und Erregung mischten sich in die Stimme.

»Nein. Es tut mir leid, Frau Waldbach. Ihre Schwester ist tot. Sie hat versucht, den Täter an dem Raub zu hindern. Daraufhin hat der Mann sie getötet.«

Stumm schüttelte die Frau immer wieder den Kopf. Schließlich ging sie ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch sinken. Das Gesicht verbarg sie in ihren Händen. Analyn hörte das Ticken einer Uhr und gab der Frau Zeit. Es dauerte eine Weile, bis Frau Waldbach den Kopf hob, sich schniefend mit dem Handrücken über die Nase wischte und flüsterte: »Ausgerechnet jetzt. Sie war seit einigen Wochen so glücklich.«

»Gab es einen bestimmten Grund dafür?«, fragte Analyn behutsam.

Die andere nickte und schnäuzte ihre Nase. »Gabriella war verliebt.«

»Ich brauche den Namen und die Anschrift des Mannes.«

»Sie hat in den höchsten Tönen geschwärmt von ihrem Manfred. Aber ich habe ihn noch nicht einmal kennengelernt. Ich bin als Stewardess viel unterwegs. Wenn ich hier war, war ihr Manfred unterwegs. Er ist Wirtschaftsprüfer. Für nächstes Wochenende hatten wir einen gemeinsamen Raclette-Abend geplant. Nun ist es zu spät.« Sie schluchzte eine Weile, dann richtete sie sich wieder auf. »Warum hat sie auch immer noch bei dem Scheißkerl gearbeitet? Es musste ja soweit kommen.«

»Welchen Scheißkerl meinen Sie denn?«

»Na, wen wohl? Ihren Exmann!«

»Frau Waldbach war verheiratet mit …«

»… Thomas Rugery.«

»Seit wann sind die beiden geschieden?«

»Seit ungefähr zwanzig Jahren.«

»Ach, so lange schon.« Analyn zog ihren Notizblock und einen Bleistift aus der Jackentasche. »Und wie lange waren sie verheiratet?«

»Etwas mehr als drei Jahre.«

»Woran ist die Ehe gescheitert?«

»Daran, dass er ein Arschloch ist!«, sagte Frau Waldbach mit fester Stimme. »Aber Gabriella wollte das nicht wahrhaben. Sie sagte immer, als Ehepaar seien sie beide eine Katastrophe gewesen, aber beruflich ein Dream-Team.«

»Und, war das so?«, wollte Analyn wissen.

»Beruflich konnte Gabriella bei ihm schalten und walten, wie sie wollte. Da hat Thomas ihr die ganz lange Leine gelassen. Er war eher der kreative Geist, eben Künstler und Handwerker, während Gabriella Struktur in die kaufmännischen Belange des Geschäfts gebracht hat.«

»Verstehe ich das richtig, dass er sie dafür privat eher an der kurzen Leine gehalten hat, um in Ihrem Bild zu bleiben?«

»Nein. Thomas hat Gabriella privat nicht gegängelt, aber er hat sich abgeseilt, wann immer es ging. Und das war ziemlich oft der Fall.«

»Können Sie das präzisieren?«, bat Analyn und hob ihren Stift.

***

Marius hatte sein Fahrrad noch nicht am Gitterzaun des Müllplatzes angeschlossen, da hörte er hinter sich das Rattern der Gummiräder eines Rollators auf den Waschbetonplatten. Ihm blieb nicht genug Zeit, im Haus zu verschwinden und somit einem Gespräch mit seinem betagten Nachbarn zu entkommen. Sich einfach auf das Fahrrad schwingen und noch eine Runde drehen, war auch keine Option, denn Herr Kreuzner versperrte mit seinem Rollator den schmalen Weg.

»Gut, dass ich Sie treffe, junger Mann.« Das faltige Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Kommt die hübsche Frau Kommissarin heute?«

»Weiß nicht«, antwortete Marius wortkarg.

»Ich habe ihr ein paar Zimtschnecken gebacken. Die isst sie doch so gern.«

Marius zog den Schlüssel aus dem Fahrradschloss und steckte ihn in seine Hosentasche. Seit Analyn sich einmal von dem alten Herrn zu Kaffee und Kuchen hatte einladen lassen, verfolgte er sie mit seinen Zimtschnecken. Lob wollte eben wohldosiert sein.

»Ich sage es ihr«, versprach Marius und sah zu, wie der Rollator wenige Zentimeter an seinem Turnschuh vorbeirollte.

»Wissen Sie was? Nehmen Sie den Kuchen doch gleich mit. Ich öffne abends nicht mehr gern die Tür. Die Zeiten sind so unsicher. Erst die Asylanten und nun der Raubmord in dem Juwelierladen. Ja, wo leben wir denn?«

Lamentierend hatte der alte Mann die Haustür erreicht und suchte mit zittrigen Fingern nach seinem Hausschlüssel. Marius kam ihm zuvor, schloss die schwere Glastür auf und hielt sie fest, bis Herr Kreuzner seine eigene Wohnungstür erreicht hatte.

»Nicht weglaufen, junger Mann. Ich bringe Ihnen den Kuchen«, bat er und Marius versprach es. Sobald sich die Wohnungstür öffnete, verbreitete sich der köstliche Duft von frisch Gebackenem im Treppenhaus.