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Alte Bräuche in einer neuen Zeit
Schlussverkauf, Vorweihnachtsstress und Reisesaison: Unser Jahr scheint klar gegliedert. Doch in der Hektik des Alltags sehnen sich viele nach Entschleunigung und innerer Ruhe. Christina und Meliha verleihen alten Bräuchen einen modernen Twist. Sie interpretieren die Jahreskreisfeste neu und zeigen, wie wir sie nutzen können, um in Einklang mit der Natur zu kommen. Sie geben Tipps für die Visualisierung unserer Träume und beschreiben, wie wir mithilfe von Ritualen zu größerer Verbundenheit mit uns selbst finden. So kommen wir in den universellen Fluss, ohne unsere moderne Welt zu verlassen.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
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www.piper.de
© Piper Verlag GmbH, München 2023
Covergestaltung: FAVORITBUERO, München, nach einer Idee der Autorinnen
Covermotiv: Canva/Sparklestroke
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence, München mit abavo vlow, Buchloe
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Text bei Büchern mit inhaltsrelevanten Abbildungen ohne Alternativtexte:
Cover & Impressum
Widmung
QR-Code
Vorwort
Vom Herzensruf zum Buch
Der Verlust unserer Wurzeln
Im Einklang mit der Natur & dem Puls der Erde
Wieder einweben in Rhythmen & Zyklen
Teil 1
Ursprünge & Geschichte der Jahreskreisfeste
Zurück auf Anfang: Schöpfungsmythos & die Entstehung der Welt
Die Erde als dreifaltige Göttin
Die Sonne als Sonnenkind, -könig & -gott
Animismus
Das Heidentum
Wer ist wer? Die Germanen & die Kelten
Stammeskampf und Territorialkonflikt
Germanische & keltische Religion
Die Anderswelt
Sind die Jahreskreisfeste wirklich den Kelten zuzuordnen?
Tradition & Religion
Aneignung alter Traditionen im Christentum
Von polytheistischer Naturverehrung zu dem einzig wahren Gott
Religion & moderne Spiritualität
Aberglaube & Hexen
Der Jahreszyklus, seine Feste & die Rauhnächte
Rhythmen & Zyklen als feste Bestandteile unseres Lebens
Die Erde
Die Jahreszeiten
Klimabedingte Jahreszeitenverschiebung
Der Mond
Planeten- & Sternenzyklen
Die Sonne
Der Sonnenzyklus
Die Sonne & der Klimawandel
Biologische Rhythmen
Ultradiane Rhythmik
Circadianer Rhythmus & die innere Uhr
Infradiane Rhythmik
Hormonelle Zyklen
Menstruationszyklus & Ovarialzyklus
Testosteronzyklus
Wo wir heute gegen den Naturzyklus leben
Entstehung des Kalenders & unserer Zeitrechnung
Astrologisches Neujahr – 21. März
Natur-, Kultur- & Traditionserhaltung
Unsere Vorfahr*innen & die Epigenetik
Zeitqualität
Die Klimakrise
Unabhängigkeiten von den Gesetzen der Natur
Resilienz gegen Weltschmerz
Naturrhythmus & Regeneration
Regionale & saisonale Nahrungsmittel
Obst- & Gemüsekalender
Transportwege
Teil 2
1 x 1 der modernen Spiritualität: Praktische Tools
Ganzheitliche Rituale für deinen Alltag
Modern Mystic Tools
Dein spiritueller Ort & dein Altar
Journal
Kerzen
Kristalle
Tarot-, Engels- oder Orakelkarten
Götter, Feen, Spirit Guides & Krafttiere
Kräuter
»Unkraut sagt man nicht.«
Wildkräuter sammeln
Kräuterkalender
Räucherwerkzeug & Räucherwerk
Entstehung des Räucherns
Warum räuchern wir?
Unkompliziert räuchern mit einem Räucherbündel
Räuchern mit Räucherstövchen
Räuchern mit Kohle
Heimische Alternativen zu Palo Santo
Dein Mindset
Intuition & dein Unterbewusstsein
Manifestieren
Energie
Universum & Äther
Die 8 Jahreskreisfeste & Rauhnächte
Teil 3
SAMHAIN – Halloween – 31. Oktober bis 2. November
Ursprung & Bedeutung: Ein neuer Zyklus beginnt
Anderswelt
Tod & Wiedergeburt
Von Totenfesten & der Endlichkeit
Wintervorsorge
Jagd- & Schlachtzeit
Tradition & Religion: Feste damals & heute
Halloween & Reformationstag
Allerheiligen & Allerseelen
Sankt Martin
Mythologie
Samhain: Gott der Unterwelt
Der Jahreskreiskönig & König Artus
Astrologie
Zeitqualität heute: Rituale & Routinen
Der Winter kommt
Ahn*innen, epigenetisches Erbe & Ahnenrituale
Persönlicher Tod & Wiedergeburt: In deine eigene Unterwelt abtauchen
4. Quartal: Wirtschaftliches Elefantenquartal vs. Festlichkeiten & üppige Gemütlichkeit
Samhain & die Natur
Pflanzen & Kräuter der Saison
Früchte der Saison
Schwarze Holunderbeeren für das Immunsystem
Einlegen & Fermentieren
Teil 4
YULE – Wintersonnenwende – 21. Dezember
Ursprung & Bedeutung: Die Wiedergeburt der Sonne
Tradition & Religion: Feste damals & heute
Die Geburt von Jesus & dem Sonnenkind
Adam, Eva & der verhängnisvolle Baum
Die Adventzeit & ihre Wurzeln
Heiliger Nikolaus & Knecht Ruprecht
Die Perchten & ihr Treiben
Heilige Lucia
Weihnachten
Woher es wirklich »weih-nachtet«
Yule, Jule, Yul, Jul, Júl, Jööl …
Das germanische Julfest & der Julklotz
Mythologie
Von goldenen Söhnen & Sonnengöttern
Rot steht für Fruchtbarkeit
Der Weihnachtsmann als Schamane
Astrologie
Zeitqualität heute: Rituale & Routinen
Ausklang des Jahres zwischen Hektik & Innenschau
Das vergangene Jahr zur Wintersonnenwende reflektieren
Klarheit in den Schatten finden
Yule & die Natur
Pflanzen & Kräuter der Saison
Mistelzweige
Weltenbaum
Früchte der Saison
Hagebutte
Teil 5
RAUHNÄCHTE – 24. Dezember bis 5. Januar
Ursprung & Bedeutung: Die Zeit zwischen den Jahren
Die Zeit zwischen den Jahren: Warum zwölf Rauhnächte?
Wann genau sind die Rauhnächte?
Herkunft der Bezeichnung »Rauhnächte«
Die Zeit, in der die Arbeit ruht
Die Bedeutung der einzelnen Rauhnächte
Tradition & Religion: Feste damals & heute
Silvesterbräuche
Heiliger Silvester
Laute Begrüßung: Höllenlärm, Böllern & Neujahrsfeuerwerk
Neujahrswünsche & Glückssymbole
Bleigießen
Dreikönigsfest: Nicht drei, falsche Namen & überhaupt keine Könige?
Der Bohnenkönig & sein Loskuchen
Pflugmontag
Losbräuche & Orakelzeit
Omen der Rauhnächte: Zeichen im Alltag & Traumdeutung
Mythologie
Die Wilde Jagd
Frau Holle
Astrologie
Zeitqualität heute: Rituale & Routinen
Traumtagebuch: Deine Träume als Omen für die Zukunft
Vorbereitung & Traumerinnerung
Intuitive Deutung
Tägliche Impulse anhand von Tarot- & Orakelkarten
Bedeutungen & Interpretation
Innenschau & Visionsreisen
Stille Zeit & laute Welt
Echtes Wachstum entsteht in der Stille
Die Rauhnächte & die Natur
Pflanzen & Kräuter der Saison
Räucherrituale während der Rauhnächte
Teil 6
IMBOLC – 1. bis 2. Februar
Ursprung und Bedeutung: Das langsame Erwachen
Frühjahrsmüdigkeit
Das richtige Licht
Tradition & Religion: Feste damals & heute
Mariä Lichtmess
Christbaum-Abputzen
Narrenzeit
Donnerstag: Der kleine Fastabend oder Weiberfastnacht
Sonntag: Großer Fastabend oder Herrenfastnacht, Estomihi
Montag: Rosenmontag
Dienstag: Fastnachtsdienstag, Faschingsdienstag, Bauernfastnacht
Mittwoch: Aschermittwoch
Karneval & Fasching
Karnevalstradition und -kritik
Fastenzeit
Wetterweissagung & Groundhog Day
Mythologie
Brigid & heilige Brigida
Schneeweißchen & Rosenrot & der Bär als Sonnengott
Astrologie
Zeitqualität heute: Rituale & Routinen
Radikale Ehrlichkeit & Reinigung im Innen und Außen
Reinigung
Im Innen: Cord-Cutting zur Bereinigung von Ver-Bindungen
Im Außen: Frühlingsputz mit den vier Elementen
Planung ist die halbe Arbeit
Imbolc & die Natur
Pflanzen & Kräuter der Saison
Die glänzende Birke
Frühjahrs-Detox mit Kräutern
Teil 7
OSTARA – Frühlingstagundnachtgleiche – 21. März
Ursprung & Bedeutung: Frühlingserwachen &-beginn
Die Tagundnachtgleiche
Der Frühlingsanfang
Ostern & Ostara
Tradition & Religion: Feste damals & heute
Ostern & die Karwoche
Palmsonntag
Gründonnerstag
Karfreitag & Karsamstag
Ostersonntag
Feldweihe und das Sonnenrad
Ostereier
Eier als Fruchtbarkeitssymbol
Eierproduktion & Konsum
Frühlingsbeginn weltweit
Mythologie
Göttin Ostara
Rückkehr von Persephone
Der Osterhase
Astrologie
Zeitqualität heute: Rituale & Routinen
Zeit für dein eigenes Erwachen: Frühlingsgefühle
Balance & Wachstum
Dein inneres Feuer entfachen
Ostara & die Natur
Pflanzen & Kräuter der Saison
Frühlingskräuter
Bärlauch
Teil 8
BELTANE – 1. Mai
Ursprung & Bedeutung: Liebe, Lust & Fruchtbarkeit
Tradition & Religion: Feste damals & heute
Der Marienmonat Mai
Walpurgisnacht & Hexensabbat
Freinacht
Hexenverfolgung, Vertreibung von Heiden & ihrer Feste
Maibäume
Walpurgisfeuer & Maisprung
Tanz in den Mai
1. Mai – Tag der Arbeit & Arbeiterbewegung
Mythologie
Die Hochzeit des Götterpaars
Die Maikönigin & der Grüne Mann
Pan & Bacchus
Astrologie
Zeitqualität heute: Rituale & Routinen
Erwecke deine Gefühls- & Sinneswelt
Auf Körperebene
Über unsere Sinne
Geruchssinn
Geschmackssinn
Hörsinn
Sehsinn
Tastsinn
Ekstatischer Tanz & Trance
Deine tiefsten Bedürfnisse
Beltane & die Natur
Pflanzen & Kräuter der Saison
Die Eisheiligen – 12. bis 15. Mai
Früchte der Saison
Teil 9
LITHA – Sommersonnenwende – 21. Juni
Ursprung & Bedeutung: Höhepunkt der Sonnenkraft
Die Sommersonnenwende
Sonnentempel & Sonnenuhren
Tradition & Religion: Feste damals & heute
Johannes der Täufer
Weiße Nächte in St. Petersburg & Skandinavien
Sonnenwendfeuer
Sommerfeste
Mythologie
Sonnengott Baldur
Astrologie
Zeitqualität heute: Rituale & Routinen
Fülle & Prosperität
Halbzeit: Von Wende zu Wende
Bilanz ziehen
Resümee: 2-Stufen-Plan
Litha & die Natur
Der Sommergarten als Allegorie der Leistungsgesellschaft
Pflanzen & Kräuter der Saison
Sonnenkräuter
Johanniskraut
Früchte der Saison
Holunderblüten
Obstreife: Import & Export
Teil 10
LUGHNASADH – 1. August
Ursprung und Bedeutung: Erste Ernte
Heiß & heißer: Die Jahrhundertsommer
Das erste Erntefest (Schnitterfest)
Vorrat anlegen
Tradition & Religion: Feste damals & heute
Heiliger Jakobus
Mariä Himmelfahrt
Feuerfest
Laib-Messe
Mythologie
Das Götterpaar
Der Gott Lugh
Loki
Korngöttinnen: Von Ceres bis Sif
Sifs goldenes Haar
Vegetations- & Wettergott Thor
Astrologie
Zeitqualität heute: Rituale & Routinen
Erste Ernte & Dank
Kräfte sammeln
Dein Feuer & dein Licht
Lughnasadh & die Natur
Frauendreißiger
Pflanzen & Kräuter der Saison
Herbstanzeiger: Die Goldrute
Brennnesselsamen als regionales Superfood
Früchte der Saison
Teil 11
MABON - Herbsttagundnachtgleiche – 21. September
Ursprung & Bedeutung: Die Herbsttagundnachtgleiche
Erntezeit & Vorsorge
Tradition & Religion: Feste damals & heute
Erntedankfeste: Ein letztes Hurra!
Erzengel Michael
Erntedankfest
Mythologie
Mabon, Sohn der Muttergöttin Modron, & die Entstehung der Jahreszeiten
Astrologie
Zeitqualität heute: Rituale & Routinen
Angehender Rückzug
Dankbarkeit & Ernte einbringen
SAD – Seasonal Affective Disorder
Zwischen persönlichem Rückzug & Performancedruck der Globalisierung
Balance im Innen
Grenzen nach Außen
Mabon & die Natur
Pflanzen & Kräuter der Saison
Früchte der Saison
Teil 12
Abschlussworte
Danksagung
Weiterführende Literatur
Anmerkungen
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für unsere Ahn*innen und Vorfahr*innen,
allen voran unsere Eltern.
Hol dir deinen gratis Jahreskreisfeste-Kalender.
Dieses Buch darf dir als Reiseführer und Handbuch dienen, um deinen eigenen Weg und Umgang mit den Rauhnächten und Jahreskreisfesten zu finden. Angereichert mit zahlreichen Hintergründen, Fakten und Möglichkeiten zeigt es dir, wie du alte Riten in deinen modernen und sogar in einen urbanen Alltag integrieren kannst. Die Jahreszyklen sind ein Thema, in das man hineinwachsen darf, selbst wenn man noch nie etwas davon gehört hat. Es ist allem voran ein Herantasten, wie du die natürlichen Zyklen in deinem Alltag ganzheitlich leben kannst.
Viele der heute überlieferten Erzählungen zu den Ursprüngen der Rauhnächte und Jahreskreisfeste sind aufgrund fehlender oder nicht eindeutiger Verschriftlichungen umstritten. Weltweit gibt es Funde und Vermächtnisse vorangegangener Kulturen, die auf unterschiedliche Ansätze schließen lassen, wie diese Riten begangen wurden. Wir versuchen, eine Brücke zwischen damals und heute zu schlagen – ganz ohne kulturelle Aneignung oder Hokuspokus, doch immer mit Integrität und Verbundenheit zu uns selbst.
Wir wollen zeigen, dass diese Feste auch heute noch Relevanz haben und selbst in einem urbanen Alltag nichts von ihrer Magie einbüßen müssen. Dazu können wir die alten Bräuche übernehmen, dürfen sie aber an unsere Zeit anpassen.
Die Bedürfnisse der nachkommenden Generationen nach Akzeptanz, Inklusivität, Respekt, Klimabewusstsein und der Freiheit, über den eigenen Körper, Geschlechterrollen und Liebe selbst zu bestimmen, stehen für sie im Vordergrund. So finden heute vordergründig Menschen mit ähnlichen Interessen und Bedürfnissen in neuen Formaten und Subkulturen zusammen, nicht mehr nur, weil sie die gleiche Herkunft oder Religion haben. Spiritualität als Trendbewegung ist schon seit vielen Jahren auf dem Vormarsch. Durch die kommerzielle Verbreitung von Yoga und Meditation und damit einhergehend fernöstlichen Philosophien ist sie ein fester Bestandteil der westlichen Welt geworden.
Für eine kraftvolle moderne Spiritualität braucht es jedoch mehr. Grundvoraussetzung für eine stabilisierende spirituelle Praxis sind ein Bewusstsein und eine wahre Verbindung zu uns selbst. Reflexion und Innenschau, Selbstverantwortung und die Bereitschaft, unseren Teil – in welcher Form auch immer – für das Gemeinwohl und somit das Kollektiv zu leisten. In einem weiteren Schritt können wir dann auch die Verbindung zur Natur wiederherstellen. Denn Spiritualität ohne Naturverbindung fehlt die Erdung.
Wir, die Autorinnen dieses Buchs, sind fernab von traditionellen Riten aufgewachsen. Vielleicht haben wir als Kinder noch etwas davon mitbekommen, im Jugendalter wurden sie aber immer weniger relevant. Spätestens zum Studium war alles andere interessanter, und auch bei uns kehrten Social Media, Konsum und die Taubheit gegenüber dem Sein ein, eine oder mehrere Krankheiten unserer Zeit. Unabhängig voneinander hatten wir beide irgendwann genug davon und folgten einem Herzensruf nach Veränderung.
Mitten im Spätsommer 2020 begegneten wir uns zum ersten Mal, enthusiastisch, geladen mit einer kindlichen Neugier. Man könnte meinen, es war ein Wink des Schicksals, eine »göttliche« Fügung oder Kismet. Heute trauen wir uns zu sagen, es war sogar Teil eines universellen Plans, dessen Reichweite auch wir erst, während wir die letzten Zeilen dieses Buchs schreiben, beginnen zu begreifen. Als gemeinsame Schnittmenge unserer damals noch fast heimlichen Leidenschaft entwickelte sich ein Tanz mit den Rhythmen der Natur, mit alten Riten und der gegenwärtigen Welt, mit allem, was sie mit sich bringt. Wir begannen, gemeinsam Vorträge darüber zu halten und immer tiefer in die Materie des zyklischen Lebens im Einklang mit der Natur, aber auch dem Zeitgeist abzutauchen.
Dieses Buch entstand aus einem Herzensruf heraus, aber auch aus Neugier, Verantwortungsbewusstsein und dem Wunsch, einen entstaubten Blick auf altes Wissen und Riten zu wagen. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit, uns wieder mit unseren Wurzeln zu verbinden, für die pure Nacktheit des Seins zwischen Mensch und Erde, unabhängig von Nationen, Religionen, politischer, ethnischer oder kultureller Zugehörigkeit, ist das, was uns alle verbindet und wieder zusammenführen kann.
Das Leben im Einklang mit den Naturzyklen ist nicht nur ein Trend oder Lifestyle, es ist eine Lebenseinstellung, basierend auf Respekt uns selbst sowie unserer Umwelt und deren Fortbestehen gegenüber. Ein emotional geladenes Thema, das uns seit Jahrzehnten begleitet und in den kommenden Jahren das Schicksal zukünftiger Generationen besiegeln wird.
»Wir heilen die Vergangenheit in der Gegenwart als Ahn*innen der Zukunft.« – Meliha Guri
Dieses Buch ist unser Beitrag zu einem Umdenken, eine Sensibilisierung für unsere Existenz, eine Brücke zu den weisen Alten, die den Boden für uns geebnet haben, überhaupt diese Entwicklung als Menschheit erleben zu können. Die Recherche hat uns an der einen oder anderen Stelle zutiefst erschüttert, manchmal betroffen gemacht, aber uns auch so lebendig fühlen lassen und Zuversicht im Hinblick auf die vielen Möglichkeiten gegeben, die auch in einem urbanen Alltag umsetzbar sind. Sie hat uns aufgerüttelt, erinnert und ermutigt, auch die kritischen Themen, die im Kontext mit Spiritualität und alten Riten oft gar nicht erst gesehen werden, auszuführen.
Das Leben im Zyklus der Natur kann und darf unabhängig von Zeit und Raum gelebt werden. Es ist irrelevant, ob du in einer Großstadt, auf dem Land oder irgendwo dazwischen lebst. Die Auswirkungen unseres Handelns holen uns überall ein.
Wir können jemandem auf der anderen Seite der Welt innerhalb einer Sekunde eine Nachricht schreiben, jegliche Musik hören, die jemals aufgenommen wurde, Herzen transplantieren, Schafe klonen und mit künstlicher Intelligenz bald noch so vieles mehr. Was ein Großteil der Menschen dafür nicht mehr kann – und hier übertreiben wir absichtlich ein wenig –, ist, mehr als fünf Pflanzen und Kräuter zu benennen. Eine britische Studie zeigt, dass Kinder Schwierigkeiten haben, gängige Pflanzen wie Brennnessel, Löwenzahn und Eichenblätter zu identifizieren, dafür können sie mit spielerischer Leichtigkeit Bildlogos den richtigen Marken zuordnen.[1] Manche sprechen dabei bereits von einer Art »Natur-Defizit-Störung«. Auch Feste, die wir noch feiern, wie Weihnachten und Ostern, oder Feiertage wie Mariä Himmelfahrt sind für viele nicht mehr im Ursprung oder ihrer wahren Bedeutung nachzuvollziehen.
Die andere Seite ist die der vielen Menschen, die in den letzten Jahren auf der Suche nach Antworten und einer spirituellen Anbindung in andere Kulturen eingetaucht sind. In einer modernen, globalisierten Gesellschaft ist das im Grunde auch zu erwarten und eine natürliche Form der Traditionserhaltung. Neben den mittlerweile in die westliche Welt integrierten asiatischen Lehren wie der Traditionellen Chinesischen Medizin, Ayurveda, Yoga oder dem japanischen Reiki gibt es auch Antworten in heimischen Traditionen. So sind beispielsweise die boomenden Selbstfindungsretreats eine gute Möglichkeit für Auszeiten und um eine Verbindung mit sich selbst zu etablieren. Hierbei sollte man aber immer auch die eigene Loyalität und Integrität reflektieren, sich also die Frage stellen, ob man nur in einem Trend von Spiritual Bypassing, also einer Art Flucht, mitschwimmt oder wirklich die Bereitschaft zur Veränderung hat. Denn das Ausborgen schamanischer Traditionen wie zum Beispiel die Ayahuasca-Zeremonien der südamerikanischen Ureinwohner und sonstiger spiritueller Tourismus bleiben kulturelle Aneignung, wenn die Intention nicht da ist, das Erfahrene nicht nur zum Wohl deiner selbst, sondern zum Wohl aller zu leben.
Die meisten der im deutschsprachigen Raum ansässigen Menschen wissen heute mehr über griechische und altägyptische Mythologie als über keltische und germanische, obwohl man diese Völker doch viel eher als unsere Vorfahr*innen bezeichnen könnte. Das liegt auch daran, dass die Kelten[2] kein Volk waren, das viel verschriftlicht hat. Wissen sollte eher im Herzen getragen werden. Und im Gegensatz zu den Römern bauten sie keine Tempel für die Ewigkeit, sondern der ganze Wald war ihnen heilig. Vermehrt kommt in unserer Gesellschaft nun das Verlangen nach einer Verbindung zum Ursprünglichen zurück, was sich bei einer so spärlichen Faktenlage und dem vielen überlieferten Halbwissen denkbar schwierig gestaltet. Doch das soll uns nicht länger aufhalten, unsere eigenen Wurzeln wieder aufzuarbeiten und zurückzuerobern.
Ja, einiges von dem, was man häufig über die Kelten und Jahreskreisfeste liest, mag einem romantisierten Wunschdenken gleichkommen, und dennoch haben viele der alten Bräuche – jedoch meist leider sinnentleert – bis heute überlebt. Wer weiß heutzutage noch, dass das Oktoberfest ursprünglich ein Erntedankfest war oder der Maibaum im Dorf ein Symbol der Fruchtbarkeit des Landes ist? Diese Kontexte möchten wir mit diesem Buch wiederherstellen.
Zu Jäger-und-Sammler-Zeiten verlief das Leben in vollkommenem Einklang mit dem jahreszeitlichen Geschehen. Der Mensch war unmittelbar in den Kosmos und das Naturgeschehen eingebettet.
Ob der alles erleuchtende Vollmond oder der dunkle Neumond am Nachthimmel regierte, machte einen spürbaren Unterschied. Es gab noch kein elektrisches Licht, das unseren natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus verschob. Die Umwelt war nicht nur etwas, das draußen stattfand, sondern direkt am eigenen Leib erlebt wurde.
Heute vergessen wir oft das Zusammenspiel von Himmel und Erde, dass der Mond auf unser Gemüt, den Körper und die Gezeiten einwirkt und die Sonne überlebensnotwendig für viele Körperfunktionen ist.
Regenzeit und Trockenzeit, Leben und Tod, Winter und Sommer, Tag und Nacht – das Leben unserer Vorfahr*innen war von Polaritäten geprägt. Diese erkannten sie damals noch als essenziell, denn ein ewiger Sommer würde unsere Felder verdorren lassen, ewige Ernte aufgrund von Übernutzung unsere Felder nährstoffarm zurücklassen. Wenn dich das an unsere heutige Landwirtschaft oder Leistungsgesellschaft erinnert, dann weil uns diese Polarität abhandengekommen ist. So etwas wie Ruhe, Regeneration oder Leere kennen wir kaum noch. Stattdessen gibt es 365 Tage im Jahr Avocados und Erdbeeren im Supermarkt, und selbst bei Dunkelheit sind unsere Wohnungen noch hell erleuchtet. Wir zwingen uns selbst, always on und fortwährend produktiv zu sein – ohne je eine richtige Pause einzulegen.
Die Zyklen der Natur erinnern uns, dass endloses Wachstum unnatürlich ist. Jeder Sonnenaufgang bedeutet auch einen Sonnenuntergang. Auf Sommer folgt Herbst. Genau so lehrt uns die Natur, wann die günstigste Zeit ist, um neue Projekte zu launchen, Wachstum zu kultivieren, sich zurückzuziehen, sich auszuruhen und zu träumen. Ein Vogel würde nie ein Nest im Winter bauen, genauso wenig, wie ein Wal gegen den Strom migrieren würde. Dieses Buch ist weit davon entfernt, dich an den Pranger zu stellen, weil du dir im Winter mal Erdbeeren gönnst. Aber es ist wichtig zu realisieren, wie unnatürlich unser Alltag und bestimmte alltägliche Handlungen geworden sind, die wir im 21. Jahrhundert für selbstverständlich und als gegeben hinnehmen.
Unser Ziel ist vielmehr, dich zu inspirieren, wieder in Einklang mit dem Rhythmus der Natur und den natürlichen Zyklen zu kommen.
Damit Natur fortan nicht mehr nur etwas ist, das außerhalb deiner vier Wände stattfindet und das es zu bezwingen gilt, zeigen wir dir, wie sie gelebte Realität werden kann. Indem du lernst, ihre Wellen zu reiten und das als deine Superpower zu nutzen, entstehen viele Vorteile für dein Leben. Ein Same keimt im Dunklen, wächst heran, entfaltet seine Blätter, blüht auf, vergeht und kehrt wieder zur Erde zurück. Es ist der natürliche Kreislauf des Lebens. Ein Kreislauf, für den wir heute jegliche Wertschätzung oder Gefühl verloren haben.
Die Gesetze der Natur erinnern uns daran, dass auch wir, wenn die Zeit reif ist, mühelos aufblühen und erschaffen, ohne etwas erzwingen zu müssen. Auf der anderen Seite brauchen wir auch den Rückzug und die fruchtbare Dunkelheit, damit Ideen im Stillen keimen und wir uns regenerieren können.
Unsere moderne Kultur zwingt uns jedoch dazu, jeden Tag die gleiche Leistung zu erbringen, unabhängig von den Jahreszeiten oder unserem eigenen Tempo. Wir haben nie gelernt, mit den Strömen der Natur zu schwimmen, auf das Auf und Ab der Energie in uns wie auch um uns herum zu achten. Dieses Geschenk möchten wir dir mit diesem Buch machen. Du kannst die Portale des Jahreskreises nutzen, um die schwindende und zunehmende Energie bewusst in dir wahrzunehmen und einen gemeinsamen Rhythmus zu kultivieren.
Wir haben in den letzten Jahrhunderten durch unsere rasante Entwicklung, vor allem durch unsere technologischen Errungenschaften, die Verbindung zur Natur und auch unserer inneren Uhr, unseren »Ur-Rhythmus«, verloren. Auf die Jahreskreisfeste und ihre moderne Entwicklung bezogen hatten wir evolutionär kaum Zeit, Körper und Geist an die neuen Umstände anzupassen. Somit hinken wir mit der sogenannten Kulturation hinterher. Darunter versteht man die kulturelle Evolution, die sich unter anderem auf die Übertragung von Ideen, Verhaltensweisen, Werten und Traditionen von einer Generation zur nächsten bezieht.
Hier betritt die Magie der Jahreskreisfeste das Jetzt, und das Verständnis von Vergehen und Werden kann uns wieder in das jahreszeitliche Geschehen einweben. Denn Polarität bringt alles wieder ins Gleichgewicht.
Unser Kulturerbe ist größtenteils geprägt von der typischen Vegetation wie auch den großen Temperaturschwankungen, die vier deutlich unterscheidbare Jahreszeiten hervorbringen. Für eine*n Ureinwohner*in im Dschungel des Amazonas, für die oder den der Kontrast der Jahreszeiten nicht so stark ausgeprägt ist, wird eine andere Auseinandersetzung mit der Natur relevant sein. Das dortige Klima wird einen anderen Einfluss auf sein Gemüt haben wie das unsrige. Wir Mitteleuropäer*innen dürfen lernen, unsere eigene Flora und Fauna wie auch unser Klima wieder wertzuschätzen. Wir dürfen herausfinden, welche Geschenke den vier Jahreszeiten – ja, selbst dem kalten, vermeintlich bösen Winter – innewohnen. Statt völlig konträr zu unserem eigenen regionalen Rhythmus zu leben und im tiefsten Winter in den Süden flüchten zu wollen oder Superfoods von dort zu essen, dürfen wir die Geschenke vor der eigenen Haustür wieder als solche erkennen.
Wir denken, einer der Schlüssel, um der Klimakrise zu begegnen, besteht darin, das eigene Land im Sinne der Erde, auf der wir stehen, unsere Wurzeln und Natur wieder besser zu verstehen. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass es nicht reicht, einfach nur mit rein analytischem und logischem Verstand verstehen zu wollen, welche Auswirkungen unser Verhalten auf die Natur und das Klima hat. Um tatsächlichen, nachhaltigen Wandel einzuläuten, braucht es ein wahres Gefühl von Verbundenheit mit der Natur und unserem Kulturerbe. Denn dass zu viele von uns Natur nicht mehr wirklich kennen, geschweige denn eine aufrechte, intakte Verbindung zu ihr haben, ist leider Stolperstein Nummer eins für diesen Prozess.
»Man kann nur lieben, was man kennt. Und man schützt nur, was man liebt.« – Christina Danetzky
Die Jahreskreisfeste wieder bewusst zu begehen kann uns helfen, uns in den Rhythmus der Natur einzubinden und so ein Gefühl der Wertschätzung und Verbundenheit zu heimischer Natur, Klima und Boden herzustellen.
In diesem Sinne lass dich von uns auf eine zeitgemäße Reise durch die Jahreskreisfeste und Rauhnächte mitnehmen, mit vielen Fakten aus dem Jetzt und noch mehr aus dem Damals, um eine Brücke für dein Wohlbefinden in neuen Zeiten zu schaffen.
Unsere Vorfahr*innen empfanden die Zeit als Rad. Sie beobachteten die Natur und ihren Wandel ganz genau, begriffen Pflanzen, Tiere und die Gezeiten als beseelt, verstanden sich mit ihnen als Einheit. Sei es in alten Sagen oder der Mythologie, Höhlenmalereien und Bauten, überall finden sich Überreste von Bräuchen, mit denen der Mensch das Leben und seine Zyklen zelebriert hat. Wir bezeichnen diese Haltung heute als Animismus.
Das Grundprinzip der Jahreskreisfeste und der Bräuche um solare, lunare und zyklische Wendepunkte im Jahresrad bestand darin, diese bewusst wahrzunehmen. Es ging um die tiefe Verbindung zwischen Menschen, Natur und Erde. So orientierten sich die Feste am jahreszeitlichen Rhythmus und markierten die Übergänge von einer Jahreszeit in die nächste. Dieser bewusste Übergang war für eine durch den Ackerbau geprägte Gesellschaft überlebenswichtig.
Gerne werden die Jahreskreisfeste im deutschsprachigen Raum den Germanen und noch viel lieber den Kelten angehängt. Beide Völkergruppen begingen Feste, die sich an Sonne, Mond und Sternen sowie den Jahreszeiten orientierten. Tatsächlich hatten aber Völker auf der ganzen Welt solche Feste und kamen häufig auf ähnliche Schlüsse und Bräuche. Als Religionen – im europäischen Raum vor allem das Christentum – überhandnahmen, wurden alle, die sich keiner Religion zugehörig fühlten, unter dem Überbegriff »Heiden« zusammengefasst.
Aus dem keltischen Brauchtum sind lediglich vier Feste überliefert. Es sind die Hochfeste Samhain, Imbolc, Beltane und Lughnasadh, die immer zu Vollmond gefeiert wurden. Im Jahr 1958 wurden die vier Sonnenfeste, die beiden Sonnwendfeiern Litha und Yule sowie die Tagundnachtgleichen Ostara und Mabon, von Gerald Gardner, dem Begründer der Naturreligion Wicca, in den Jahreskreis mit aufgenommen. Die vier Sonnenfeste hatten ihren Ursprung höchstwahrscheinlich in germanischen Festen. So wurden hier vermutlich keltisches und germanisches Kulturgut in einem achtspeichigen Jahreskreis zusammengefasst. Die vereinfachte Einteilung, dass die Germanen Sonnenfeste und die Kelten Mondfeste feierten, stimmt so aber wahrscheinlich auch nicht. Neolithische Steinanlagen wie Stonehenge, Nebra, Goseck und viele mehr bieten Hinweise darauf, dass sie zu Sonnenfesten wie auch zu Vollmonden genutzt wurden.
Kulturen und Völker auf der ganzen Welt haben seit jeher versucht, die Entstehung der Welt und des Universums zu erklären. Die nordische und die griechische Mythologie, die Erzählungen aus der Bhagavad Gita, ja sogar die Lebensphilosophien der Aborigines in Australien oder der Ureinwohner in abgelegenen Gebieten des südamerikanischen Regenwalds, sie alle huldigten unabhängig voneinander Sonnengöttern und Erdgöttinnen. Viele Schöpfungsmythen weisen Parallelen auf, so zum Beispiel der Glaube an die Erschaffung allen Seins durch die Handlung eines oder mehrerer Götter. Diese werden oft als übernatürliche und mächtige Wesen dargestellt. Eine weitere Gemeinsamkeit ist auch der Kampf zwischen den Göttern oder Kräften, die die Welt erschaffen, und solchen, die sie zerstören, sowie zwischen Licht und Dunkelheit, Gut und Böse, Weiblichkeit und Männlichkeit oder Leben und Tod. Polaritäten spielen hier eine wichtige Rolle.
Schöpfungsmythen sind grundlegende Bausteine, auf denen die kulturelle Identität von Völkern und Gemeinschaften aufbaut. Die Hauptdarsteller*innen der meisten Ursprungsgeschichten sind die Erde selbst, die Sonne und der Mond. In diese Trilogie fügt sich der Mensch und nimmt seinen Platz ein.
Der Erde und dem Mond werden häufig die weiblichen Aspekte als Schöpferin zugewiesen und der Sonne die männlichen.
Eine Selbstverständlichkeit in jeder Kultur war die Annahme der Existenz einer Muttergöttin. Diese zeigt sich uns in dreifacher Gestalt: als Jungfrau, als Mutter und Alte oder als Symbol für (Wieder-)Geburt, Leben und Tod. Wir kennen diese Erd- und Fruchtbarkeitsgöttinnen aus vielen Überlieferungen unter Namen wie Gaia, Demeter, Isis, Innana und vielen mehr.
Dargestellt werden die unterschiedlichen Aspekte der Muttergöttinnen oft durch die Farben Weiß, Rot und Schwarz. Es sind die Urfarben des Lebens. Weiß steht für das »Lebengebende«, den männlichen Samen und die Muttermilch. Rot symbolisiert das Blut in unseren Adern, durch das das Leben pulsiert, und auch die Feuerglut, die uns warm hält. Schwarz steht für den Tod, das Vergängliche und Verwesende. Es spiegelt sich im Ruß, in verbrannter Erde und erloschenem Feuer wider.
Die weiße Göttin treffen wir zum keltischen Imbolc als Brigid. Sie ist die jungfräuliche, lichtbringende Göttin, die nach dem langen Winter aus der Unterwelt aufsteigt und den Frühling mitbringt. Sie verwandelt sich danach in die rote Göttin der Fruchtbarkeit und der Reife. Zu Ostara oder Beltane, je nach Tradition, zeugt sie mit ihrem Geliebten, dem Sonnengott, den neuen Jahreskreiskönig. Zu Litha steht sie für die Lebens- wie auch die Jahresmitte und schenkt uns im Sommer zahlreiche Früchte und Blüten, bis sie sich zu Samhain in die schwarze Greisin verwandelt und zur Königin der dunklen Jahreshälfte und der Unterwelt, dem Reich der Toten, wird. Zu Yule wird am Zenit der Dunkelheit das Sonnenkind geboren, das Licht der Welt. Es ist der Retter in den dunklen Zeiten, der das Licht wiederbringen wird. In der Zwischenzeit regeneriert sich die große Göttin in der Unterwelt neu, um im Frühling als weiße Lichtgöttin zurückzukehren.
Bei all diesen unterschiedlichen Erscheinungen handelt es sich um ein und dieselbe Göttin. Auch in der hinduistischen Kultur finden wir die Verehrung der dreifaltigen Göttin. Saraswati ist die weiße Göttin mit ihrem Schwan. Wie das der keltischen Brigid findet auch ihr Fest im Februar statt. Die rot gekleidete Lakshmi, deren Symbol die rote Lotosblüte ist und die die Göttin des Wohlstands und Glücks ist, bringt Fülle und Reichtum auf die Erde wie im Frühling Walpurga. Man könnte sie mit den Göttinnen der Fruchtbarkeit oder der Ernte gleichsetzen. Sie wird abgelöst von der schwarzen, schreckenerregenden Göttin Kali, der Zerstörerin. Daran erinnern uns hier als Pendant Morrigan und die irisch-keltische Sheela-na-Gig.
Die Dreifaltigkeit findet sich nicht nur in weiblicher, sondern auch in männlicher Gestalt wieder. Im Christentum kennen wir Gott Vater, Gottes Sohn und den Heiligen Geist. Im Hinduismus sind es Brahma, Schöpfer des Lebens, Vishnu, der Erhalter, und Shiva, der Zerstörer. Auch diese männliche Dreifaltigkeit steht für den Kreislauf des Lebens.
Der Jahreskreis beginnt in der nordischen Tradition in der dunklen Jahreshälfte mit Samhain, dem Totenfest, mit dem Tod des Sonnenkönigs oder auch Jahreskreiskönigs. Das Licht, also der Sonnenkönig, lässt sich in dieser Zeit kaum sehen und taucht erst zu Yule wieder auf. Was uns heute eher als Weihnachten bekannt ist, ist die Geburt des Lichtbringers und neuen Königs. Das Sonnenkind ist geboren, und die helle Jahreshälfte bricht an. Über Imbolc und Ostara wächst er heran, wie es auch die Sonnenkraft tut, bis er dann zu Beltane als grüner, strammer Jüngling zum ersten Mal zeugungsfähig wird und mit der großen Göttin den nächsten Königsanwärter zeugt. Wie die jungen Hirsche im Wald fordert der junge Sonnenprinz nun auch seinen rechtmäßigen Platz als König ein, um den alten abzulösen. Zur Sommersonnenwende feiern wir den Höhepunkt seiner Herrschaft. Doch am Zenit seiner Kraft wird er beschnitten, und mit Lughnasadh beginnt seine Kraft nun schnell zu schwinden. Zu Mabon macht er sich langsam auf seinen Weg in die Unterwelt, bis er, wie auch die Kraft der Sonne, zu Samhain endgültig stirbt, damit dann der gesamte Zyklus von Neuem beginnen kann.
Der Jahreskreis beginnt in der finsteren Jahreszeit, wie auch wir aus den Tiefen des dunklen Mutterschoßes geboren werden und der Samen in der Erde heranreift, um ans Licht zu kommen.
Unter Animismus versteht man eine Weltanschauung, die davon ausgeht, dass alle Dinge, vor allem Objekte wie Steine, Berge, Flüsse, Tiere und Pflanzen, eine Seele oder ein Bewusstsein haben. Damit einher geht die Vorstellung, dass die Welt von verschiedenen Arten von Geistern, Göttern oder Geistwesen bewohnt ist, die mit der Natur und Lebewesen interagieren. Die Bedeutung von Riten, Opfern und Zeremonien hat in diesem Zusammenhang große Relevanz, um diese Wesen zu besänftigen, ihre Gunst zu gewinnen und ihren Schutz zu bekommen. Die Ahn*innen und Vorfahr*innen sind ein weiteres Element, das aktiv in diese Lebensweise eingebunden ist, genauso wie zwischenmenschlicher Umgang, gegenseitiger Respekt und Achtsamkeit der Welt, Natur und Gemeinschaft gegenüber.
Viele indigene Völker, die noch sehr naturverbunden und abgeschottet leben, praktizieren den Animismus. Bis heute spielt er in Kultur und Spiritualität eine wichtige Rolle und wird in seiner grundlegenden Idee auch in modernen esoterischen und spirituellen Bewegungen weitergelebt.
Der Animismus betont die Verbundenheit zur Natur und besagt, dass alles Leben eine Seele oder ein Bewusstsein hat, wohingegen die heutige Entfremdung von Mensch und Natur zu Trennung und Dominanz des Menschen über die Natur führt. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, welche Auswirkungen sein Handeln auf die Umwelt hat, bedient sich der Mensch an der Natur und versucht, sie so zu kontrollieren, dass seine Bedürfnisse befriedigt werden. Die wechselseitige Abhängigkeit und das daraus resultierende Ungleichgewicht erleben wir heute in Form des Klimawandels, der Verschiebung der Jahreszeiten und schwerwiegender Naturkatastrophen mit Konsequenzen für ebendiese Bedürfnisse.
Für die vielen Völker in Europa vor der Christianisierung und später auch der Islamisierung, die sich auf verschiedene polytheistische, animistische und naturverbundene Glaubenssysteme bezogen, haben sich die Begriffe »Heidentum« sowie »Paganismus«, was wörtlich etwa »ländlich« bedeutet, etabliert.
Sie waren grundsätzlich nicht monotheistisch organisiert und verehrten eine Vielzahl von Gottheiten, Geistern und Naturkräften. Die Überlieferung ihres Glaubens beruht auf mündlichen Erzählungen von Mythen, Sagen, Legenden und Bräuchen, die von Generation zu Generation überlebt haben.
Heute erfährt das Heidentum eine Art Renaissance und lebt beispielsweise im Wicca, Ásatrú oder Druidismus wieder auf. Aber auch zahlreiche moderne spirituelle Lebensweisen greifen Elemente daraus auf, ohne sich den genannten Gruppen zuzuordnen. Sie alle beziehen sich auf unterschiedliche kulturelle und historische Kontexte, was es schwer macht, sie in einheitlichen Definitionen zu erfassen. Das Wiederentdecken und Neuaufleben der heidnischen Traditionen beruht vor allem auf dem Wunsch nach der Verbindung zur Natur und den natürlichen Rhythmen des Lebens. Auch wenn heute das Verständnis über die Geheimnisse der Natur dank Forschung und Wissenschaft ein ganz anderes ist als damals, kommen die Verehrung von Gottheiten und Begleitwesen sowie das Abhalten von Riten und Zeremonien wieder in Mode. Die Authentizität der verschiedenen Gruppierungen ist dabei nicht unumstritten, und manche Auslegungen und Bewegungen sind als problematisch zu betrachten, da sie sich alter Traditionen zur Untermauerung ihrer eigenen Ideologien bedienen. Kultstätten werden zu touristischen Wallfahrtsorten beziehungsweise Cashcows, und Verfilmungen der alten Götterwelten lassen die Kinokassen klingeln.
Die Bewegung hin zu einem modernen Heidentum ist sehr divers und entwickelt sich mit dem Zeitgeist. Die Vernetztheit der Welt, die Möglichkeit, in jeden noch so abgelegenen Ort der Erde zu fliegen, in Kulturen einzudringen und sie an andere Orte mitzunehmen und zu integrieren, Bücher über jede Kultur lesen zu können und durch das Internet jegliche Information abrufen zu können, haben entscheidenden Einfluss auf diese Entwicklung genommen – eine zweischneidige Wendung, die Konflikte im Bereich kultureller Aneignung aufwirft und gleichzeitig wieder mehr Bewusstsein und Verbundenheit zur Natur schafft.
Der Begriff und das Konzept der »Germanen« gehen hauptsächlich auf Julius Caesar zurück. Er fasste dabei mehr als 70 Stämme und Völker zusammen, die zwischen Rhein, Donau und Weichsel lebten, um die Germanen wie eine gefährliche Bedrohung wirken zu lassen. So konnte er große militärische Ressourcen für sich mobilisieren und diese rechtfertigen. Es gab aber keinen gemeinsamen Staat der Germanen. Sie existierten nie als einheitliches Volk oder mit einer gemeinsamen Identität, wie oft blind angenommen wird. Ähnliches gilt für die »Kelten«. Auch sie hatten weder einen gemeinsamen Staat noch eine gemeinsame Führung, sondern waren eher Zusammenschlüsse und Verbände verschiedener Stämme.
Auch ist keine schriftliche Geschichtsüberlieferung der Kelten selbst vorhanden, weshalb unser Wissen über sie bis heute begrenzt ist. Was wir heute an schriftlichen Quellen über die Kelten und Germanen besitzen, stammt ausschließlich aus griechischen und römischen Berichten. Einiges über sie wissen wir mittlerweile auch aus archäologischen Ausgrabungen dank Grabbeigaben und deren Analysen.
Beide Völkergruppen waren Indoeuropäer in der Eisenzeit und haben gemeinsame Wurzeln in ganz Mitteleuropa. Ihre Spuren erstrecken sich von Irland bis Anatolien. Einfachheitshalber wurden die Stämme von den Römern westlich des Rheins in Kelten und die Stämme östlich des Rheins in Germanen eingeteilt – auch wenn diese vereinfachte Zuteilung sicher nicht im Sinne der Stämme war. Schließlich erstreckte sich das Gebiet des vermeintlichen Germaniens über den gesamten mitteleuropäischen Raum bis nach Skandinavien.
Aber für die Römer waren viele der keltischen und germanischen Stämme schwer auseinanderzuhalten, weshalb beide Begriffe, »Kelten« und »Germanen«, bis heute immer wieder verwechselt werden. Das macht es so schwierig, genau zu verstehen, was die Relikte dieser Kulturen zu bedeuten haben, und auch, wie ihr Glauben und ihre Vorstellungen tatsächlich aussahen.
Als deutlichsten Unterschied der beiden Stammesgruppen kann man hervorheben, dass die Kelten ein hoch entwickeltes Volk mit einem ausgeprägtem Wirtschaftssinn waren und bereits Städte bauten und Handel trieben. Sie waren eine Gruppe von Völkern, die in Teilen von Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Irland lebten, eine gemeinsame keltische Sprache und Kultur sowie Kunst, Musik, Spiritualität und Kriegsführung hatten. Eine starke aristokratische Kultur prägte ihre Werte, und sie waren bekannt für ihre prächtigen Kunstwerke, insbesondere ihre kunstvollen metallischen Gegenstände.
Im Gegenzug konzentrierten sich die Germanen im Norden Deutschlands, in Skandinavien und in Großbritannien mehr auf Kriegsführung, Landwirtschaft und Handel. Auch sie hatten eine germanische Sprache und Kultur, jedoch weniger aristokratisch geprägt und mehr auf Funktionalität als Ästhetik bedacht.
Trotz der Unterschiede zwischen Kelten und Germanen gibt es auch Gemeinsamkeiten, wie ihre polytheistischen Religionen und ihre Verbindung zur Natur, die einen Einfluss auf die europäische Geschichte, Kultur und ihre Erb*innen hat.
Während die Gallier zur La-Tène-Zeit, etwa 450 v. Chr., auf französischem Gebiet noch weitverbreitet waren, führte der Gallische Krieg im 1. Jahrhundert zur Unterwerfung der gallischen Stämme durch Caesar. Nachdem fast ganz Gallien römisch besetzt worden war, wandte Caesar seine Aufmerksamkeit weiter östlich den Germanen zu. Er wollte Germania magna, wie er es nannte, erobern. Das ließ sich gut an das Volk bringen, und es gelang ihm auch für eine kurze Zeit. Stamm für Stamm – die sich selbst eben nicht als »germanische« Einheit, sondern gesondert voneinander sahen – unterwarfen sie sich der Macht Roms und zahlten Tribut. Unter Kaiser Augustus kam es 9 n. Chr. schließlich zur berühmten Varusschlacht – auch als Schlacht im Teutoburger Wald bekannt –, bei der die Römer eine vernichtende Niederlage gegen ein germanisches Heer unter dem Cherusker Arminius (heute auch der Befreier Germaniens genannt) erlitten. Rückblickend war der Krieg gegen die Kelten und Germanen kein gewöhnlicher Krieg um Land und Besitz, es war ein Kampf der Kulturen. Die Römer bezeichneten ihre Gegner als »Barbaren« und hielten sie für Wilde.
Obwohl größtenteils besiegt, unterworfen und vernichtet, gibt es bis heute Bevölkerungsgruppen im modernen Europa, die sowohl keltische Brauchtümer fortführen und praktizieren als auch die Sprache sprechen und ehemalige keltische Gebiete im sogenannten Celt belt bewohnen. Auch wenn Länder wie das heutige Frankreich, Deutschland, Österreich, die Schweiz und Skandinavien ebenso von keltischen Stämmen bewohnt waren, zählen sich nur noch wenige wirklich dazu. Die heute anerkannten sechs Regionen, die noch auf diesem Gebiet liegen, sind Schottland, Irland, Isle of Man, Wales, Cornwall und Bretagne mit einer Bevölkerung von knapp 20.000.000 Einwohnern. Der Rest Europas, wie wir es heute kennen, hat sich in verschiedene Staaten aufgeteilt.
Beide, die germanische wie die keltische Religion, basieren auf der indogermanischen Religion, welche im Lauf der Zeit an die regionalen kulturellen und wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst wurde. Ein ausgeprägter Götter-, Toten- und Ahnenkult ließ die Menschen stammesübergreifend zusammenkommen und ihre Bündnisse untereinander bekräftigen. Auch wenn Kelten und Germanen die gleichen Ursprünge teilten und ihre Götter bevorzugt auf Waldlichtungen, an Gewässern, Mooren und in Hainen zu finden waren, variierten die Namen der Gottheiten. Deshalb erfordert es heute einiges an Recherche und Interpretationskunst, um die richtigen Zusammenhänge zu finden. Neben einem gemeinsamen Götterkult praktizierten die Stämme auch ähnliche Riten der Opfergabe. Später entwickelten sich in beiden Gruppen die priesterähnlichen Posten der Druiden und Völva für die Erhaltung und Weitergabe spirituellen Wissens. Magie, Okkultismus, Zauberei und der Orakelkult wurden fester Bestandteil des kultisch-rituellen Spektrums. Die Neugier des Menschen, einen Blick in die Zukunft zu wagen oder etwas Verborgenes herauszufinden, das Leben und den Tod zu verstehen oder gar zu überwältigen, scheint damals wie heute Trendhöhepunkte gehabt zu haben.
Nichtsdestotrotz setzte sich die Christianisierung durch und verbreitete sich rasant im gesamten europäischen Raum, integrierte die alten Riten in den eigenen Jahreslauf und verwandelte die Götter zu ihren Heiligen.
Die Anderswelt ist in der keltischen Mythologie eine Welt auf einer anderen Ebene, zu der zu bestimmten Zeitpunkten im Jahr oder an bestimmten Orten auch wir Menschen Zutritt haben. Immer dort, wo auch physisch Erde und Wasser zusammenkommen, also in Gewässern, Seen und Flüssen, ahnte man Übergangsorte in die Anderswelt. Heilige Orte, an denen sich die Welt von Gottheiten, Feen, Geistern und anderen Fabelwesen eröffnet. Nach keltischer Vorstellung gibt es noch weitere dieser Schwellenorte wie bestimmte Höhleneingänge, Hügel oder Inseln. Normalsterbliche bekamen zu Übergangszeiten, wie es die Jahreskreisfeste sind, Zutritt zu dieser Anderswelt. Für die Kelten waren rund um die acht Festtage und die Rauhnächte die Schleier zwischen den Welten dünner als sonst, und feinfühlige Menschen konnten durch sie einen Blick in die Zukunft erhaschen oder Kontakt zu ihren Ahn*innen aufnehmen.
Ja und nein. Seit es Aufzeichnungen zu menschlichen Zivilisationen gibt, gibt es diese auch zu Architektur, Tempeln und Kunst, die sich vor allem nach dem kosmischen Geschehen richten. Die »Heirat zwischen Himmel und Erde/Erdgöttin und Sonnengott« wurde weltweit zelebriert.
Im zentraleuropäischen Raum sind uns die Feste der Kelten und später vor allem die angepassten Versionen aus dem Christentum bekannt. Natürlich sind die Ursprünge tief in diesen Völkergruppen verankert, aber sie über einen Kamm zu scheren und als rein keltische Feste zu bezeichnen wäre schlichtweg inkorrekt. So, wie wir heute ganz bedacht und inklusiv über andere Themen sprechen, darf es sich auch mit diesen Festen verhalten.
Jahreskreisfeste sind globale, solare und lunare zyklische Festivitäten, die Ursprünge in so gut wie allen Kulturen weltweit haben und von den Menschen seit Jahrtausenden zelebriert werden. Durch die Völkerwanderung verschwammen die Grenzen der Zugehörigkeiten.
Die weitere Vermischung und Verschmelzung ihrer Riten sind in einer globalisierten Welt wie heute unvermeidbar.
Im Gegensatz zum Heidentum gibt es bei den abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) zentrale religiöse Texte und Institutionen. So organisiert konnten sie sich durchsetzen, sie übernahmen viele der heidnischen Bräuche und Traditionen und machten sie zu ihren eigenen. In dieser Entwicklung gab es einen ausgeprägten religiösen Exklusivitätsanspruch, und Andersgläubigen gegenüber war man prinzipiell feindlich eingestellt. So erhielten der Begriff »Heidentum« und auch die Bezeichnung »Heide« eine negative Konnotation und sind auch im heutigen Sprachgebrauch hauptsächlich abschätzig oder beleidigend gemeint.
In den einzelnen Kapiteln zu den Jahreskreisfesten gehen wir näher darauf ein, wie die ursprünglichen Bräuche übernommen wurden und sich in heute besser bekannte Feste wie Weihnachten und Ostern verwandelt haben. An dieser Stelle ist es wichtig, zu unterstreichen, dass wir uns rein auf historische Fakten beziehen und nicht eine Glaubensrichtung, einen Kult oder eine Ideologie bevorzugen. Das Ziel dieses Buchs ist es, einen überwiegend objektiven Überblick zum Thema zu geben und den Fokus auf eine moderne Integration der alten Bräuche zu legen.
Mit der Ausdehnung des Christentums ging auch eine große Bewegung des Missionierens einher. Man versuchte, die Menschen immer mehr von ihrem Glauben an die beseelte Natur zu trennen. Vor allem für das durch Landwirtschaft geprägte einfache Volk war das Zusammenleben im Einklang mit der Natur aber etwas Selbstverständliches. Deshalb konnten sich Bräuche und Riten, wie beispielsweise das Ausräuchern des Stalls und Hofs, aber auch die Erntefeste und Rauhnächte oder das Aufstellen des Maibaums in einigen Regionen bis heute halten.
Der katholischen Kirche waren die heidnischen Riten ein Dorn im Auge, doch so einfach ließ sich die Landbevölkerung nicht von den altüberlieferten Traditionen abbringen. So fand sich ein fauler Kompromiss, und man verpasste den alten Traditionen einen christlichen Anstrich. Feste und Gottheiten wurden übernommen, in Heilige verwandelt und in ein christliches Gewand verpackt.
Wurde in antiken Religionen meist eine polytheistische Vielgötter-Verehrung praktiziert, bei denen auch weiblichen Erd- und Fruchtbarkeitsgöttinnen neben vielen anderen gehuldigt wurde, verschwanden diese irgendwann von der Bildfläche. Mit dem israelischen Jahwe-Kult zog ein Gott ein, der neben sich keine weiteren Götter duldete. Darauf folgte später das Christentum, das ebenfalls den Glauben an andere Götter ausschloss. Das führte zum Konflikt mit zahlreichen polytheistischen naturverehrenden Religionen, allen voran dem Heidentum. So kam es zu Auseinandersetzungen zwischen christlichen Missionaren und den Einheimischen, die weiter ihre Naturgottheiten verehrten. Den Kelten und Germanen waren Bäume heilig, und sie waren Kultstätte für Versammlungen, Rituale und Zeremonien.