Razzia in Athen - Günter Dönges - E-Book

Razzia in Athen E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Butler Parker war äußerst angenehm berührt. Er befand sich auf der Akropolis und ließ die Schönheiten der Tempelanlagen auf sich wirken. Er hatte sich den alles beherrschenden Parthenom angesehen und war hinübergewechselt zum Erechtheion und genoß das Ebenmaß der Karyatiden, jener marmornen Frauenfiguren, die das Dach dieses kleinen Tempels trugen. Josuah Parker übersah und überhörte das Stimmengewirr der vielen Besucher, die wie Heuschrecken ausgeschwärmt waren und den Tempelberg von Athen bevölkerten. Josuah Parker war nicht allein nach Athen gekommen. Er begleitete Lady Agatha Simpson, die es sich urplötzlich in den Kopf gesetzt hatte, Griechenland zu besuchen. Für den Kriminal-Bestseller, den sie zu schreiben gedachte, benötigte sie einige Lokalstudien von Athen. Da die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, immens vermögend war, spielte dieser kleine Ausflug für sie überhaupt keine Rolle. Sie hatte an einer Stadtrundfahrt teilgenommen, sich mit Prospekten versorgt und ihren Butler gebeten, einige Farbfilme zu belichten. Sie plante, bereits einen Tag später wieder nach London zurück zu fliegen. Im Augenblick war die Lady nicht zu sehen. Sie hatte sich unters Volk gemischt, und der Butler brauchte sich keine Sorgen zu machen. Mit einem Kriminalfall war hier nicht zu rechnen. Dennoch blieb er nicht zu lange vor dem Erechtheion stehen. Er kannte schließlich das unberechenbare Temperament seiner Herrin, die keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Zudem gab es hier oben auf der Akropolis Scharen von ambulanten Händlern, die den Touristen einmalige Kaufangebote machten und mit Grabungsfunden lockten. Josuah Parker verließ also die Schönheiten aus Marmor, schlenderte zurück zu den Propyläen und entdeckte dann Lady Agatha, die sich gerade von zwei Männern trennte, die es eilig hatten, den Tempelberg zu verlassen. »Da sind Sie ja endlich, Mr. Parker«, sagte sie und nickte ihm wohlwollend zu, »wie lange wollen Sie noch zwischen den Trümmern herummarschieren?«

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Butler Parker – 149 –

Razzia in Athen

Günter Dönges

Butler Parker war äußerst angenehm berührt.

Er befand sich auf der Akropolis und ließ die Schönheiten der Tempelanlagen auf sich wirken. Er hatte sich den alles beherrschenden Parthenom angesehen und war hinübergewechselt zum Erechtheion und genoß das Ebenmaß der Karyatiden, jener marmornen Frauenfiguren, die das Dach dieses kleinen Tempels trugen. Josuah Parker übersah und überhörte das Stimmengewirr der vielen Besucher, die wie Heuschrecken ausgeschwärmt waren und den Tempelberg von Athen bevölkerten.

Josuah Parker war nicht allein nach Athen gekommen. Er begleitete Lady Agatha Simpson, die es sich urplötzlich in den Kopf gesetzt hatte, Griechenland zu besuchen. Für den Kriminal-Bestseller, den sie zu schreiben gedachte, benötigte sie einige Lokalstudien von Athen. Da die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, immens vermögend war, spielte dieser kleine Ausflug für sie überhaupt keine Rolle. Sie hatte an einer Stadtrundfahrt teilgenommen, sich mit Prospekten versorgt und ihren Butler gebeten, einige Farbfilme zu belichten. Sie plante, bereits einen Tag später wieder nach London zurück zu fliegen.

Im Augenblick war die Lady nicht zu sehen. Sie hatte sich unters Volk gemischt, und der Butler brauchte sich keine Sorgen zu machen. Mit einem Kriminalfall war hier nicht zu rechnen. Dennoch blieb er nicht zu lange vor dem Erechtheion stehen. Er kannte schließlich das unberechenbare Temperament seiner Herrin, die keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Zudem gab es hier oben auf der Akropolis Scharen von ambulanten Händlern, die den Touristen einmalige Kaufangebote machten und mit Grabungsfunden lockten. Josuah Parker verließ also die Schönheiten aus Marmor, schlenderte zurück zu den Propyläen und entdeckte dann Lady Agatha, die sich gerade von zwei Männern trennte, die es eilig hatten, den Tempelberg zu verlassen.

»Da sind Sie ja endlich, Mr. Parker«, sagte sie und nickte ihm wohlwollend zu, »wie lange wollen Sie noch zwischen den Trümmern herummarschieren?«

»Mylady haben sich an der klassischen Schönheit der Tempelanlagen ergötzt?« erkundigte sich Josuah Parker.

»Nun übertreiben Sie nicht gleich«, gab sie zurück, »es geht nichts über den Trafalgar Square in London, Mr. Parker ... Sehen Sie sich doch diese Unordnung an! Überall Steine und Trümmer. Kennen die Griechen keine Müllabfuhr?«

»Es handelt sich um, wenn ich dies in aller Bescheidenheit sagen darf, steinerne Zeugnisse einer ruhmreichen Vergangenheit«, bemerkte Josuah Parker.

»Nun ja«, meinte die Lady, »Sie liefern mir da gerade ein nettes Stichwort, Mr. Parker: ruhmreiche Vergangenheit.«

»Mylady verspüren den Atem der Geschichte hier auf der Akropolis?« fragte Parker hoffnungsfroh.

»Papperlapapp, Mr. Parker.« Sie winkte ihn näher zu sich heran. »Ich verspüre nicht den Atem der Geschichte, nein, ich habe sie in meinem Pompadour, um genau zu sein.«

»Mylady erwecken mein bescheidenes Interesse.«

»Ich habe Bronze aus Mykenä gekauft. Was sagen Sie jetzt?«

»Mylady sehen meine Wenigkeit überrascht und erstaunt.«

»Eine einmalige Gelegenheit, Mr. Parker«, flüsterte sie fast, »ein kleines Standbild, eine Krieger-Plastik.«

»Würden Mylady meine Wenigkeit in den Genuß eines flüchtigen Anblicks kommen lassen?«

»Doch nicht hier, wo es von Spitzeln nur so wimmelt«, sagte sie betont vorsichtig. »Sie wissen doch, daß der Kauf solcher Altertümer verboten ist.«

»Mylady konnte sich von der Echtheit des Kunstwerks überzeugen?«

»Selbstverständlich«, behauptete sie, »eine Lady Simpson führt man nicht hinters Licht, Mr. Parker, das sollten Sie aber inzwischen wissen.«

»Gewiß, Mylady. Darf man höflichst fragen, was Mylady zahlten?«

»Achtzig Pfund«, flüsterte sie nun wieder, »und mit weiteren Altertümern ist fest zu rechnen.«

»Mylady planen, noch mehr Kostbarkeiten dieser Provenienz zu erstehen?«

»Natürlich«, entgegnete sie triumphierend, »man muß die Gelegenheiten nützen. Kommen Sie, ich glaube, ich werde bereits beobachtet.«

Parker war zwar nicht dieser Ansicht, doch er deutete eine knappe Verbeugung an, lüftete die schwarze Melone und geleitete seine resolute Herrin zum Eingangstor. Sie ließ den perlenbestickten Pompadour freudig pendeln.

»Werde ich noch immer verfolgt?« fragte sie dann, als man das Tor passiert hatte, »ich möchte mich nicht umdrehen. Das könnte auffallen.«

»Mylady dürften die Verfolger abgeschüttelt haben«, erklärte Parker in seiner höflichen Art, »möchten Mylady sich noch das Dionysos-Theater ansehen, das im sechsten Jahrhundert vor der Zeitwende errichtet wurde?«

»Mein Bedarf an Antike ist gedeckt«, gab sie zurück, »man kann alles übertreiben, Mr. Parker. Zudem habe ich meine Bronze-Plastik. Die werde ich jetzt erst in Sicherheit bringen. Und Sie sollten dafür sorgen, daß ich sie durch den Zoll bringe. Lassen Sie sich etwas einfallen, Mr. Parker ...«

»Wie Mylady wünschen.« Parker war durch nichts zu erschüttern. Zudem ahnte er, was seine Herrin da gekauft hatte. Bronzestücke dieser Art wurden sicher zu Hunderten an einem Vormittag an Touristen verkauft. Ein ganzer Berufszweig lebte davon. Daher war Josuah Parker auch etwas irritiert, als zwei Männer in hellen Sommeranzügen genau auf Lady Simpson und ihn zukamen. Sie machten einen entschlossenen, sogar verbissenen Eindruck.

Josuah Parker entging keineswegs, daß die beiden Männer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Schulterhalfter trugen, die sicher nicht leer waren.

*

»Ihre Handtasche«, forderte der Mann mit dem ausgeprägten Schnurrbart. Er hatte sich vor Lady Agatha aufgebaut und griff ahnungslos nach dem perlenbestickten Pompadour der älteren Dame, der an langen Lederriemen an ihrem linken Handgelenk hing. Der Grieche sprach übrigens ein recht passables Englisch.

»Was soll das?« donnerte Agatha Simpson, »wollen Sie sich an einer hilflosen Dame vergreifen, Sie Lümmel?«

»Die Handtasche«, wiederholte der Mann und wurde nachdrücklicher. Er ahnte keinesweges, in welcher Gefahr er bereits schwebte. Er wußte nichts vom Inhalt des Pompadours. In ihm befand sich nämlich der sogenannte »Glücksbringer« der Lady Agatha, ein echtes Pferdehufeisen, das aus Gründen der Humanität nur oberflächlich in dünnen Schaumstoff gehüllt war.

»Würden die Herren sich möglicherweise identifizieren?« schaltete sich der Butler ein. Er hatte mitbekommen, in welch gefährliche Schwingungen der Pompadour geraten war.

»Los, machen Sie schon!« Der zweite Mann, ein wenig kleiner als der erste, verlor die Geduld und faßte leichtsinnigerweise nach den Lederriemen des Handbeutels. Bevor er seine Finger jedoch zu schließen vermocht, verfärbte er sich und produzierte ein ersticktes Keuchen. Dann verbeugte er sich tief vor der älteren Dame und faßte nach seinem rechten Schienbein, gegen das Lady Simpson getreten hatte.

»Sie Flegel«, tobte die Sechzigerin, »Sie wollen mich tatsächlich unsittlich belästigen?«

Der erste Mann schaute fassungslos auf seinen Begleiter, bekam einen roten Kopf vor Wut und wollte die ältere Dame angreifen. Er übersah dabei den Pompadour, der von unten nach oben pendelte und sich auf seine linke Backenseite legte.

Das Resultat war beeindruckend.

Der Mann knickte in der Hüfte ein, verlor das Gleichgewicht und legte sich anschließend entkräftet auf die mächtigen Quadersteine, mit denen der Boden bedeckt war. Dann scharrte er noch ein wenig mit den Füßen und schloß unmittelbar darauf die Augen.

»Mr. Parker, schützen Sie mich vor diesen Unholden«, verlangte die ältere Dame, um sich dann anklagend an die Touristen zu wenden, die einen ersten, vorerst noch schütteren Halbkreis gebildet hatten. Nach dieser Aufforderung an ihren Butler verbreitete Agatha Simpson sich über die rohen und verwilderten Sitten gewisser Griechen und machte ihren Zuhörern deutlich, daß sie nicht gewillt war, sich bestehlen zu lassen.

Man applaudierte der Lady und würdigte ihren Mut und ihre Einsatzbereitschaft. Sie maß den am Boden liegenden Mann mit grimmigem Blick und versetzte dann dem anderen, auf einem Bein tanzenden Frechling einen energischen Rippenstoß. Daraufhin verlor auch er verständlicherweise sein Gleichgewicht, rutschte weg und legte sich auf seinen Begleiter.

»Kommen Sie, Mr. Parker«, sagte sie dann mit ihrer baritonal gefärbten Stimme, »ich möchte mich nicht weiter provozieren lassen.«

Parker lüftete die schwarze Melone und geleitete Lady Simpson die breite Treppe hinunter. Aus Gründen einer gewissen Vorsicht war es seine Absicht, möglichst schnell in die engen Gassen der Altstadt hinabzusteigen. Parker hatte die Schulterhalfter unter den Jacketts der beiden Männer keineswegs übersehen. Er konnte sich zudem diesen Zwischenfall nicht erklären. Sollte dies alles tatsächlich nur mit der Bronze zusammenhängen, die Lady Simpson für achtzig Pfund sich hatte aufschwätzen lassen? Plastiken dieser Art wurden doch überall feilgeboten und stammten seiner Ansicht nach keineswegs aus einem vorgeschichtlichen Grab.

»Sie haben hoffentlich bemerkt, wie gut mein Kauf gewesen ist, Mr. Parker«, betonte Lady Agatha selbstzufrieden, »man wollte ihn mir wahrscheinlich wieder abjagen und erneut verkaufen. Aber mit einer Agatha Simpson kann man so etwas nicht machen!«

»In der Tat, Mylady«, pflichtete Parker seiner Herrin höflich bei, »haben Mylady bedacht, daß die beiden Männer möglicherweise Angehörige der hiesigen Polizei sein könnten?«

»Das würde mir nichts ausmachen«, erwiderte sie prompt, »aber sicherheitshalber werde ich mich natürlich umgehend beschweren, Mr. Parker, setzen Sie sich mit der britischen Botschaft in Verbindung. Solch eine Attacke kann ich nicht hinnehmen.«

»Die beiden Männer dürften die Verfolgung aufnehmen, Mylady.« Parker drehte sich um und hielt Ausschau nach den beiden Trägern der hellen Sommeranzüge. Noch waren sie nicht zu sehen.

»Was macht das schon«, gab sie erfreut zurück, »ich bin bereit, mich mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Eine Lady Simpson nimmt jede Herausforderung an, das sollten Sie wissen!«

Parker wußte es nur zu gut...

*

»Ein recht hübscher Nachmittag«, meinte Lady Simpson eine halbe Stunde später im Hotel. Das weltbekannte Haus am Syntagma-Platz bot einen herrlichen Blick auf das königliche Schloß und den angrenzenden Park. Lady Agatha aber hatte für das alles keinen Blick. Sie packte ihre Bronze-Plastik aus und bewunderte sie nachgiebig. Die kleine Statuette sah in der Tat archaisch aus, erinnerte entfernt an ein langbeiniges Strichmännchen und vermittelte dennoch überzeugend den Eindruck von Altertum und Weihe.

»Man sieht’s doch auf den ersten Blick«, stellte die ältere Dame fest, »echter kann keine Grabbeigabe sein, Mr. Parker. Ich hoffe, Sie sind nicht anderer Meinung!«

»Mein bescheidenes Kunstverständnis, Mylady, reicht nicht aus, ein endgültiges Urteil zu fällen«, erwiderte Josuah Parker, »auf jeden Fall aber scheint es sich um ein Kunstwerk besonderer Art zu handeln.«

»Nicht wahr?« Sie sah ihn triumphierend an. »Und das für nur achtzig Pfund. Geschenkt, würde ich sagen.«

»Meine Wenigkeit dachte mehr an die beiden Männer, die es wagten, Mylady zu belästigen«, redete der Butler weiter, »ohne Grund kann dies nicht geschehen sein.«

»Natürlich nicht, Mr. Parker«, freute sich Lady Agatha diebisch; »man hat eingesehen, daß ich einen Spottpreis gezahlt habe.«

»Waren es jene beiden Männer, die Mylady die Statuette anboten, wenn man fragen darf?«

»Aber nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber das interessiert mich auch nicht weiter. Sie haben die Lupe besorgt?«

»Selbstverständlich, Mylady.« Josuah Parker reichte seiner Herrin eine große Lupe, mit der sie ihre Beute näher untersuchen wollte. Er hatte sie sich unten an der Rezeption des Hotels geben lassen. Lady Agatha nahm in einem bequemen Sessel Platz, holte die Statuette vom Tisch und unterzog sie einer ausgiebigen Musterung. Josuah Parker hingegen war auf den Balkon der Hotelsuite getreten und schaute hinüber auf den Vorplatz des Gebäudes.

Die ältere Dame hielt das kleine Kunstwerk in der linken Hand und murmelte anerkennende Worte. Sie war mehr denn je davon überzeugt, einen einmaligen Fang gemacht zu haben. Sie schaute sich den rohen Bronzeguß mit der schwarz-grünen Patina wohlgefällig an und blickte dann zu Parker hinüber, der gerade wieder ins Zimmer trat.

»Sie hätten wahrscheinlich ein Vermögen dafür ausgegeben«, behauptete sie.

»Eine Möglichkeit, Mylady, die keineswegs auszuschließen ist«, lautete die Antwort des Butlers.

»Oder Sie hätten den einmaligen Wert dieser Figur nicht erkannt«, stichelte sie munter weiter.

»Auch dies, Mylady, hätte zutreffen können.«

»Man muß eben einen besonderen Blick für solche ... Was ist denn das?!« Sie stutzte, schob die Hand mit der etwa zwanzig Zentimeter großen Statuette näher an ihre Augen heran und prüfte mit der Lupe nach. Ihr Gesicht nahm einen sehr ernsten Ausdruck an und färbte sich leicht rot.

»Mylady haben eine Entdeckung gemacht?« erkundigte sich Parker in seiner höflichen Art.

»Ich ... Ich weiß nicht recht«, murmelte sie, »noch glaube ich an eine Täuschung.«

»Mylady werden sicher in wenigen Sekunden endgültige Gewißheit haben.«

»Made in Hongkong«, las sie leise, aber durchaus deutlich, »das ... das kann doch nicht wahr sein, Mr. Parker!«

»Die Kron-Kolonie Hongkong dürfte mit Sicherheit zur Zeit des griechischen Altertums noch nicht gegründet worden sein«, verlautbarte der Butler.

»Made in Hongkong«, wiederholte die bestürzte Lady noch mal. Ihr Gesicht hatte sich inzwischen krebsrot gefärbt, »Mr. Parker, was sage ich dazu?«

»Mylady wurde offensichtlich das Opfer eines kleinen Betruges«, antwortete der Butler.

»Kleiner Betrug? Achtzig Pfund, Mr. Parker! Das lasse ich mir nicht gefallen! Warum haben Sie mich nicht gewarnt? Es wäre Ihre Pflicht gewesen, mich auf diesen Irrtum aufmerksam zu machen!«

»Mylady tätigten diesen Kauf, wenn ich darauf verweisen darf, ohne meine Anwesenheit«, erklärte Parker gemessen.

»Sie hätten es eben wissen müssen«, meinte sie grollend, »selbstverständlich will ich mein Geld zurück haben.«

»Dies, Mylady, wird sich nur schwer bewerkstelligen lassen.«

»Die Einzelheiten kümmern mich nicht, Mr. Parker. Tun Sie endlich etwas!«

»Myladys Wunsch wird meiner Wenigkeit Befehl sein«, erwiderte der Butler, »wenn Mylady mich für einen Moment entschuldigen wollen ...«

Parker ergriff seine schwarze Melone, deutete eine knappe Verbeugung an und verließ das Zimmer. Er hatte unten vor dem Hotel die beiden sommerlich gekleideten Männer ausgemacht, als er auf dem Balkon war. Parker gedachte, diese beiden Verfolger in ein kurzes Gespräch zu verwickeln.

*

Josuah Parker blieb etwa drei Minuten allein in der Halle des Hotels, dann erschienen bereits die sommerlich Gekleideten, die einen leidenden Eindruck machten. Einer von ihnen humpelte leicht, der andere zeigte ein einseitig geschwollenes Gesicht. Beide Lädierte nahmen links und rechts von Parker in Sesseln Platz.

»Sie kennen uns?« fragte der Mann, dessen Wange geschwollen war. Er sprach etwas zischend, was wohl mit einem inzwischen locker sitzenden Backenzahn zu tun hatte.

»Versuchten Sie nicht, Lady Simpson zu belästigen?« erkundigte sich der Butler.

»Und das wird auch so bleiben«, trumpfte der Mann auf, »aus der Belästigung kann noch viel mehr werden, verlassen Sie sich darauf!«

»Könnten Sie mir freundlicherweise diesen Satz interpretieren?«

»Wir wollen die Statuette zurückhaben«, sagte der andere Mann, »sobald das geschehen ist, werden Sie uns nicht wiedersehen. Sie werden dann keinen Ärger mehr mit uns haben.«

»Darf ich mir gestatten, Ihnen vorab ein Kompliment zu machen?« fragte Josuah Parker, »Es ist Ihnen auf geschickte Weise gelungen, Mylady und meine Wenigkeit zu verfolgen.«

»Kleinigkeit«, sagte der Wangengeschädigte, »wir sind ja schließlich keine Anfänger.«

»Und noch mal wird man uns nicht reinlegen«, sagte der andere Mann, »wer konnte denn auch wissen, daß die Dame so hart zuschlagen würde. Wir sind einfach überrascht worden.«

»Ihre Lady wird für die Statuette natürlich entschädigt werden«, erklärte der Mann, der eindeutig Schwierigkeiten mit seinem Backenzahn hatte.

»Sie denken an die achtzig Pfund?«

»Sie hat achtzig Pfund bezahlt?« Der Mann lächelte schief.

»Sie bekommt sie zurück. Und dazu noch eine andere Figur, die garantiert aus dem Altertum stammt.«

»Wenn Sie erlauben, werde ich Mylady diesen Vorschlag unterbreiten.«

»Wir werden das Kriegsbeil für eine halbe Stunde begraben«, bekam Parker zu hören, »danach werden wir zu anderen Mitteln greifen. Das ist keine leere Drohung.«

»Sie scheinen sich demnach für Hongkong-Nachbildungen zu interessieren.«

»Wieso Hongkong-Nachbildungen?«

»Ein Warenzeichen, das dies ausweist, ist auf der Unterseite der kleinen Statuette deutlich zu erkennen, falls man eine wirksame Lupe benutzt.«

»Zerbrechen Sie sich nicht unseren Kopf. Hören Sie, wir werden gleich mit Ihnen rauf zu der Lady fahren.«

»Mylady könnte sich gestört fühlen, Mylady dürfte um diese Zeit ein wenig meditieren.«

»Wir gehen«, sagte der Mann, der an seiner Wange tastete, »Sie wissen hoffentlich, daß wir nicht unbewaffnet sind.«

»Dies ist meiner Aufmerksamkeit keineswegs entgangen. Ich weiche natürlich der Gewalt, wenn ich so sagen darf.«

Parker erhob sich und schritt würdevoll hinüber zum Fahrstuhl. Die beiden Männer, von denen jeder etwa dreißig Jahre zählte, folgten zwanglos, doch sie ließen keinen Zweifel daran, daß sie einen Fluchtversuch des Butlers im Keim ersticken würden.

»Darf ich unterstellen, daß die von Mylady gekaufte Statuette einen Wert repräsentiert, der von einem Laien gar nicht abzuschätzen ist?« fragte Josuah Parker, als man im Fahrstuhl stand.

»Je weniger Sie wissen, desto besser für Sie und die Lady«, meinte der Mann, der Schwierigkeiten mit seinem Bein hatte.

»Ein Hinweis, den man keineswegs auf die sogenannte leichte Schulter nehmen sollte«, erwiderte Josuah Parker, um anschließend die scharfe Spitze seines Universal-Regenschirms auf die Zehenpartie des links von ihm stehenden Mannes zu stoßen.

Dieser Mann, der bereits Ärger mit seinem Bein hatte, zog zischend die Luft in die Lungen und wurde von einer mächtigen Schmerzwelle überflutet. Er senkte unwillkürlich den Kopf und kam daher mit dem bleigefütterten Bambusgriff des Regenschirms in Kontakt. Der Mann verdrehte daraufhin die Augen und rutschte an der Wand des aufwärtsstrebenden Fahrstuhls hinunter.

Der zweite Mann war natürlich aufmerksam geworden, hatte die Lage allerdings noch nicht völlig durchschaut. Er schob sich von der Wand ab, gegen die er sich gelehnt hatte, und beugte sich vor, um an Parker vorbei besser sehen zu können.

Er sah allerdings nur eine erstaunliche Fülle von bunten Sternen, da der Butler es nicht versäumt hatte, den Griff des Schirmdaches gegen seinen Magen zu drücken. Der Mann gurgelte, schnappte nach Luft und besuchte anschließend ebenfalls den Bodes des Fahrstuhles.