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»Geschieht nicht seit Jahren alles, was geschieht, um der Nation den Geist auszutreiben, den Franklin Roosevelt ihr einflößte?« Anfang Juni des Jahres 1948 wurde Thomas Mann gebeten, auf der Abschlusssitzung der »Peace Conference« im Masonic Temple in Hollywood zu sprechen. Um den zunehmend aggressiven antikommunistischen Umtrieben des House of Unamerican Activities Committee (HUAC) etwas entgegenzusetzen, mobilisierten überall in den USA zahlreiche ähnliche Initiativen ihre Unterstützer. Auch Mann ergriff entschieden Partei und äußert hier besorgt: »Das Wort ›Friede‹ zum Beispiel, darf man es noch frei im Munde führen, ohne sich dem Vorwurf von unamerican activities auszusetzen?« Die Rede hatte ihn einige Tage beschäftigt und rief, wie er im Tagebuch vermerkte, andauernden Beifall hervor. Sie stimmt in einigen Teilen mit dem kurz zuvor entstandenen ›Rede-Entwurf zur Wahl von Henry Wallace‹ überein. Beide Texte wurden auf Deutsch zuerst in den ›Tagebüchern 1946 bis 1948‹ abgedruckt.
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Seitenzahl: 16
Thomas Mann
[Rede vor der »Hollywood Peace Group«]
Essay/s
Fischer e-books
In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk
Meine Damen und Herren, – als Meeting-Redner fühlt man sich heute in diesem Lande auf etwas unsicherem Boden. Man weiß nicht, was zu sagen, wovon zu reden noch erlaubt ist. Das Wort »Friede« zum Beispiel, darf man es noch frei im Munde führen, ohne sich dem Vorwurf von unamerican activities auszusetzen? Zwar hat Präsident Truman für Memorial Day Friedensgebete angeordnet. Aber ob das mehr bedeutet als seine Anerkennung des Staates Israel, oder als unser sofort wieder verleugnetes Verhandlungsangebot an Rußland, ob nicht trotzdem »Friede« als ein subversiver Begriff und als ein anderes Wort für Kommunismus betrachtet wird, dessen ist niemand sicher. Man kann nicht wissen, ob man nicht mit dieser Parole auf die Schwarze Liste des Attorney General kommt – gesetzt, man wäre noch nicht darauf – diese Schwarze Liste, die, wenn die Mundt-Nixon-Bill den Senat passiert, für jeden einzelnen von uns eine höchst schaurige Aktualität gewinnen kann.
Wie seltsam und wie melancholisch haben sich doch die Dinge geändert, seit ich zuerst in dieses Land kam! Damals, 1938, war Francis Biddle Attorney General, ein feiner Mann von hoher Bildung. Sprößling alter amerikanischer demokratischer Kultur, ein Kenner von Literatur und Kunst, ein Freund, mit dem man auf der gleichen geistigen Ebene heiter und vertrauensvoll verkehrte. Daß ich je vor dem Attorney General der Vereinigten Staaten würde zittern müssen, vermochte ich mir damals garnicht vorzustellen. Man lebte als geistiger Mensch, als Schriftsteller, in Harmonie mit dem Geist des Landes und seiner administration. Es war die Zeit, wo Amerikas großer Präsident die Worte sprechen konnte:
{388}»The work, my friends, is peace. More than an end of this war – an end of the beginnings of all wars. Yes, an end, forever, to this impractical unrealistic settlement of differences between governments by the mass killing of peoples.«