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Amüsant und ernsthaft zugleich stellt sich Alexander Giese die großen Fragen unseres heutigen Lebens. Täglich werden wir mit Nachrichten konfrontiert, die uns ein einseitiges, katastrophales Bild dieser Welt anbieten. Diese Anleitung für ein unzeitgemäßes Leben soll Ihnen helfen, Ihren Weg zum Glück zu finden und sich dabei reich zu fühlen.
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Seitenzahl: 164
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REICH OHNE GELD
Alexander Giese
Reich ohne Geld
ISBN
eISBN 9783475547125
2. Auflage Mai 2016
Gestaltung und Druck: Aumayer Druck und Verlag
A-5222 Munderfing, Gewerbegebiet Nord 3
Telefon: +43/7744/20080, E-mail: [email protected]
Alexander Giese
Aumayer Druck & Verlag
Irgendeinmal stellen Sie sich die Frage warum Ihr Leben so aussieht, wie es eben jetzt ist und ob es vielleicht ganz anders sein könnte. Erwarten Sie nicht, dass ich Ihnen einen guten Rat geben könnte wie Sie ihr eigenes Leben besser und schöner gestalten. Das können nur Sie selbst. Aber auf dem Weg dahin möchte ich Sie gerne begleiten. Letztlich können nur Sie alleine entscheiden, ob diese meine Begleitung für Sie nützlich oder unnütz war.
Diese kleine Schrift ist jedoch kein weiterer Beitrag zur Flut der jetzt so modern gewordenen esoterischen Ratgeber und ich selbst tauge keineswegs zu einem Guru. Nicht von mir werden Sie beraten, sondern von ihrem eigenen Selbst.
Vielleicht dürfen wir unsere gemeinsame Wanderung so beginnen: Erinnern Sie sich: Von Kindheit an wurden wir in der besten Absicht uns zu erziehen ständig einem fremden Willen unterworfen. Natürlich war das zu unserem Besten gedacht. Erziehung im landläufigen Sinn ist zumeist Fremdbestimmung, zur Reife jedoch gehört mehr. Auch in unserem späteren Leben sehen wir uns immer wieder Vorgesetzten, Konkurrenten ja selbst Vertrauten und lieben Personen gegenüber, die es – letztere in der besten Absicht – darauf anlegen uns ihren Willen aufzuzwingen‚ uns für ihre Ideen aufzuschließen, praktisch uns einer weiteren Phase der Fremdbestimmung zu unterwerfen. Das alles klingt nun überaus dramatisch und brutal. Im täglichen Leben, in unserem Alltag vollzieht sich diese Prozedur jedoch fast unmerklich.
Also noch einmal: Jeder Einsichtige wird eine sorgsame, behutsame Erziehung, die sowohl versteht Grenzen zu setzen als auch Freiheiten zu gewähren ‚als notwendig und richtig beurteilen.
Überlegen Sie jedoch, ob Ihnen die auferlegten Gebote und Verhaltensweisen willkommen waren‚ ob Sie sie akzeptierten oder dagegen rebellierten.
Wenn wir das Glück hatten in eine halbwegs vernünftige Familie hineingeboren zu werden, so erfuhren wir beides: Fremdbestimmung und jene kostbare Anleitung sich selbst frei entwickeln zu dürfen. Leider müssen wir annehmen, dass eine große Anzahl von Menschen diese Freiheiten weder erlebt haben, noch dass sie ihnen gelehrt wurden, und dass in ihnen der Wille zur Selbsterziehung verkümmert ist.
Offenbar stehen wir immer der Frage gegenüber: Wie sollen wir leben? Diese Frage wollen wir nun versuchen zu beantworten. Nein! Nicht wir wollen es versuchen, sondern Sie sollen es versuchen.
Der deutsche Philosoph Herder beginnt sein Buch über die Erziehung des Menschengeschlechtes mit dem kapitalen Satz: Die Erde ist ein Stern unter Sternen.
Natürlich weiß Herder, dass die Erde ein Planet ist, aber auch wir Menschen auf diesem Planet sind aus Sternenstaub geschaffen, und somit Bestandteil dieser ewig werdenden und vergehenden Materie, wobei uns im Augenblick noch die Maßstäbe fehlen, um jenen Teil der ungeheuren schöpferischen Kraft, die diese Kette von Universen im Gang hält zu erfassen.
Und doch haben wir als Menschen sichtbaren Anteil an diesem unbegreiflichen Wunder. Die Tatsache, dass wir Kinder zeugen und gebären können, und mit jedem neuen Menschen wieder ein Kosmos entsteht, ist wahrhaft unserer Bewunderung würdig. Wir tun auch alles als Eltern, als Erzieher, dieses Kind, dass ja die Fortsetzung von uns selbst ist, gesund aufzuziehen, es zu ernähren, zu bekleiden, ihm eine Erziehung angedeihen zu lassen, und wir erwägen dann, zur gegebenen Zeit, welchen Beruf diese Tochter oder dieser Sohn ausüben kann oder soll. Sehr lange Zeit ist daher dieses Kind von uns durch uns bestimmt, unterliegt gewissermaßen einer Fremdbestimmung, der es auch im späteren Leben immer wieder begegnen wird. Ich stelle mir vor, dass es nicht genügt, einen Menschen aufzuziehen und auf einen Beruf vorzubereiten, denn dieser mein Nachkomme wünscht nämlich darüber hinaus zumindest zwei fast unerreichbare Ziele zu verfolgen: Glück und Freiheit.
Glücklich jedoch kann ein Mensch nur selbst werden, und kaum jemand kann ihm dabei helfen. Freiheit wird uns immer nur in Portionen zuteil und kann nur in einer Ordnung verwirklicht werden, da sie sonst im Chaos münden würde. Ich denke, es gibt für jeden Menschen über seinen Berufswunsch und über seine Existenzsicherung hinaus ein geheimes Ziel, dass freilich nur er selbst erreichen kann, wozu er jedoch des äußeren Anstosses, einer gewissen Anleitung und Mithilfe bedarf.
Was meine ich und wie soll ich das was ich meine beschreiben? Ich glaube, dass jeder Mensch über die notwendige Pflicht sich zu erhalten auch die Aufgabe in sich fühlt, alle seine Fähigkeiten so auszubauen, dass er so etwas wie eine harmonische Persönlichkeit wird. Man kann nicht alles wissen und lernen. Die Welt ist unendlich. Goethe sagt: „Willst du ins Unendliche schreiten, gehe im Endlichen nach allen Seiten“. Man verzeihe mir, wenn ich das ziemlich einfach ausdrücke: wir alle haben um ein Mensch zu werden, eine doppelte Aufgabe, nicht nur die der Erhaltung und Reproduktion unseres Daseins, sondern auch diejenige die Fülle des Daseins anzustreben und zu erreichen. Man kann mir entgegnen, dass in unserer kapitalistischen Welt die Schere zwischen arm und reich sich immer weiter auftut, und dass es für Milliarden von Menschen immer schwerer wird, ihre Existenz zu sichern. Aber dennoch bleibt immer Zeit und Gelegenheit sich der zweiten wesentlichen Aufgabe zu widmen – nämlich reich zu sein ohne Geld. Das ist keine Vertröstung auf ein Jenseits und keine Abkehr von der notwendigen Verbesserung unserer Lebenswelten. Hunger und Not sind die größten Feinde unseres Geschlechtes. Vollkommenheit aber wird nur erreicht, wenn über die Sicherung der bloßen Existenz hinaus der Mensch zum Bewusstsein, eines zwar nie erreichbaren aber immer anzustrebenden, geistigen Reichtums kommt.
Die antiken Philosophen beschäftigten sich sehr intensiv mit der Bekämpfung menschlicher Leidenschaften. Die Stoiker gingen soweit, dass sie totale Gelassenheit propagierten und jedwede Äußerung einer – vielleicht zu heftigen – Anteilnahme, sich und anderen verboten. Die Schule Epikurs hingegen suchte ihr Glück in einer allseitig ausgewogenen Gemütslage. Unsere jungen Menschen benutzen sehr häufig das Wort „cool“, das meines Wissens nach sehr vielfältig angewendet werden kann. Es ist erstaunlich wofür unsere Jugend das Wort „cool“ verwendet, höchst allseitig und auch für Personen und Verhältnisse, für Konsumgüter aller Art. Ich weiß nicht recht was der richtige Inhalt dieses Wortes ist. Offenkundig wird er mit Leidenschaft verwendet, mit einer Leidenschaft, die sich selbst nicht zugestehen will eine solche zu sein. Was Leidenschaft bewirken kann, ist unser aller Erfahrung nach sehr vielseitig. Das Sprichwort „Eifersucht ist eine Leidenschaft mit Eifer sucht, was Leiden schafft“ legt den Kern des Wortes frei. Beim ersten Anhören denken wir nämlich nicht an Leiden, an Schmerzen, an Ungemach, sondern der Gewohnheit nach an eine überaus gesteigerte uns euphorisch mitreißende Gemütslage. Was heißt Lage, wir denken an einen Gemütssturm, wenn es dieses Wort überhaupt gibt. Die seelische Verfassung gibt es. Gemäß unseres moderaten Seelenzustandes in unserer sogenannten aufgeklärten Zivilisation sind wir geneigt alle Leidenschaften zu verurteilen, in ihnen eine negative Ausformung unseres psychischen Zustandes zu sehen und vor uns und vor unseren Mitmenschen uns so darzustellen als ob wir Herrin oder Herr unserer Leidenschaften wären.
Was ist schlecht an den Leidenschaften? Und was ist an ihnen gut? Wenn sie uns unserer Vernunft berauben, uns unfähig machen sachgemäß, rationell zu handeln, wenn sie uns und unsere Mitmenschen in Gefahr bringen an Leib und Leben schädigen, oder auch „nur“ in Angst versetzen. Dann darf man sie als schädlich bezeichnen. Man darf nicht nur, man muss es.
Ist aber nicht in jedem Sammler, in vielen Künstlern, in erfolgreichen Kaufleuten , in gläubigen Gottesdienern , in rasend Verliebten, aber auch in Vätern und Müttern zumindest immer eine Funken von Leidenschaft vorhanden, der sich zur gegebenen Zeit in ein starkes Feuer, vielleicht sogar in einen Flächenbrand verwandeln kann. Ist es nicht so, dass visionäre Leidenschaften vieles in der Welt weder er- noch gefunden, vieles nicht entwickelt worden wäre. Die Sache mit den Leidenschaften ist also durchaus ambivalent, wie übrigens sehr vieles, ja das meiste in unserer Welt. Eine traditionelle, rigorose angeblich auf christlichen Werten aufbauende Erziehung versucht unsere Leidenschaften, sofern sie offenkundig aus unserem Triebleben erwachsen, einzudämmen, zu unterdrücken und als böse darzustellen. Da war Epikur vernünftiger. Er hielt es mit der Ausgewogenheit und wusste sehr wohl, dass alle unsere Triebe , die mehr organisch, biologischen, wie auch unsere geistigen Interessen (die sich durchaus zu Leidenschaften entwickeln können) mit richtigem Verständnis , sehr wohl positiv , dem Aufbau unserer Persönlichkeit dienen können. Nicht alles was „cool“ ist, ist lebensfördernd, nicht alles was unter dem Titel Leidenschaft verzeichnet wird, ist lebenszerstörend. Der Eifersüchtige terrorisiert seine Partnerin, er kontrolliert sie, er beobachtet jeden ihrer Schritte, bringt sie mit seiner Eifersucht zur Verzweiflung . Und täglich lesen wir Nachrichte, dass Eifersüchtige ihre Opfer verletzen, töten, somit sich selbst und ihren Partner aus der Welt der Vernünftigen ausschließen.
Nun müssten wir überlegen, woher diese Leidenschaften stammen, wie wir sie zähmen können, wie wir ihrem negativen Aspekt eine positive Wendung geben können. Welche Leidenschaft beherrscht Sie? Ich wette, dass Sie mir antworten werden: „Keine“. Ich bin aber nicht sicher, ob Sie eine genaue Gewissenserforschung vorgenommen haben. Es steht mir auch nicht zu, das von Ihnen zu verlangen, aber vielleicht macht es Ihnen Spaß den Versuch der Selbsterkenntnis zu wagen.
Und vielleicht noch eines: Ist es wirklich erlaubt zwischen negativen und positiven Leidenschaften zu unterscheiden?
In alten Zeiten wurde vermutlich das Wissen nicht unterteilt. Der Wissende verfügte über einen Erfahrungsschatz, d. h. er kannte sich in der Geschichte seiner Vorfahren aus, er wusste um das Wissenswerte in der Gegenwart und sehr viele Wissende verfügten über ein Vorwissen, eine Art Ahnung von dem was die Zukunft zu bringen imstande wäre. Diese Personen die wir aus der Bibel unter dem Namen Propheten kennen, die in der klassischen Antike die Bezeichnung Vater hatten, waren hoch geschätzte Persönlichkeiten. Und wie wir uns aus dem Schulunterricht erinnern, bedienten sie sich einiger Requisiten, so z. B. der Innereien von Tieren, der Beobachtung des Vogelfluges, der Einatmung von betäubenden Dämpfen oder des einfachen Werfens von Stäben auf den Erdboden.
Die Liste könnte verlängert werden, obwohl es meiner Meinung nach ein unendliches Feld des Wissens gibt, das wir nie zur Gänze erlernen können, beschäftigt auch in der Gegenwart das Wissen von der Zukunft ganze Industriezweige. Nahezu wissenschaftliche Methoden werden ausgeklügelt, um nicht blindlings zu planen. Industrie, Wirtschaft, die politischen Parteien und die Regierung möchten sehr gerne wissen was uns die Zukunft bringt. Das Wort Prognose bedeutet wortwörtlich Vor- oder Vorauswissen.
Nun sind es wir selbst, die die Zukunft gestalten und es wäre vermutlich intelligenter genauer zu wissen wer wir selber sind, wozu wir fähig sind.
Jeder von uns aber weiß, dass die Zukunft in Wahrheit nicht zu entschlüsseln ist , weil in dem schier unermesslichen Netzwerk aller möglichen Ereignisse der kleinste Zufall größte Auswirkungen haben kann. Nun ist es kaum zu verstehen, was Zufall ist. Man könnte meinen dass Zufall etwas Geheimnisvolles, Übernatürliches, vom Glück oder Schicksal Abhängiges sei.
Und doch ist Zufall nur jenes Ereignis, dessen Ursache wir nicht erkannt haben, oder unerwartet in eine Kette von Ereignissen eintritt. Alle Zukunftsforscher versuchen Trends, die sich in der Gegenwart abzeichnen und die stark genug sind, dass man ihnen eine gewisse Dauer zumuten kann in die Zukunft hinein zu verlängern und ihre möglichen Wirkungen abzuschätzen.
Kein Zukunftsforscher kann mit dem Zufall rechnen, der ja eo ipso unberechenbar ist.
Alle Methoden, alle Hochrechnungen, alle Interviews, die sich mit der Zukunft beschäftigen haben daher drei Möglichkeiten, Szenarien vorzubereiten, die entweder optimistisch, pessimistisch oder halbwegs wahrscheinlich sind.
Die Seherin Cassandra, der Seher Teiresias, die Priesterin Pythia sind die legitimen Vorläufer unserer modernen Zukunftsforscher. Ihre Voraussagen waren kaum weniger erfolgreich als die ihrer modernen Kollegen, aber ebenso oft reine Misserfolge. Eines glaube ich sicher: Besser als jede Zukunftsforschung scheint mir Vertrauen, Mut und Energie in der Gegenwart.
Darauf gibt es zunächst nur eine egoistische Antwort: Für mich ist wissenswert, was mir Spaß macht, was mir nützt, was mich fördert; alles das womit ich Geld verdienen kann. Für mich ist wissenswert was meine Neugier befriedigt, was mir über meine Mitmenschen Neues und Überraschendes mitteilt. Für mich ist wissenswert was in meiner Familie, meinem Freundeskreis, was in meiner Stadt, in meinem Land, was in der Welt passiert.
Also im Grunde recht viel, und diese Neugier wird ja von einer Unzahl von Medien befriedigt. Ist es wirklich wissenswert? Wie unterscheide ich Wissenswertes von Nutzlosem? Ist das Nutzlose nicht wissenswert? Würde ich diese Entscheidung treffen, dann schlösse ich den gesamten Bereich der Kunst, der Musik, der Malerei aus meinem Leben aus. Kunst ist zwecklos. Musik hat ebenso keinen realen Zweck; ebenso wenig die bildenden Künste. Und doch wird niemand leugnen, dass ein Leben ohne die Musik Mozarts, die großartigen Bilder der alten und neuen Maler, etwa die Rembrandts, Goyas oder auch Picassos und Kurt Regscheks, farblos, uninteressant und nicht lebenswert wäre.
Es scheint mir, dass man möglichst früh im Leben sich überlegen sollte, welches Wissen man erwirbt. Da wir wie an anderer Stelle erörtert wird, lebenslang lernen müssen, um zu erleben, ist natürlich die Berufsausbildung unabdingbar. Sie allein jedoch scheint mir ein bloßes Gerippe, Skelett, eine bloße Maschine zu sein. Das wirklich Wissenswerte verbirgt sich hinter so nebulosen Worten wie Geist, Seele, Erlebnis. Und tatsächlich versucht ja jeder Mensch, gleichgültig welchen sozialen oder bildungsmäßigen Standards, sich auf seine Weise wissenswerten Genuss zu verschaffen. Der eine vergnügt sich an Popmusik, der andere geht zu einem Konzert von Schostakovitsch. Der eine liest Comics, ein anderer Goethe oder Heinrich Heine. Es gibt jedoch auch Menschen, die aufs Lesen verzichten und ihren Wissenserwerb mehr oder weniger dem Zufall überlassen und das ist schade.
Es ist jedoch aus sehr vernünftig, und das macht im Grunde jeder Fachwissenschafter, sich auf einen Wissensbereich zu beschränken. Goethe sagt: was dir nicht angehört, das sollst du meiden. So wie man Vorlieben für bestimmte Farben, Kleider, Schmuckgegenstände haben darf und soll, sollte man sich möglichst früh darüber klar werden, welchem Wissensgebiet, man seine besondere Aufmerksamkeit zuwendet. Hat man eine Hauptidee gefasst, von dem womit man sich am meisten beschäftigen will, so kann man gleichzeitig oder später weitere Disziplinen anstreben und in sie eindringen.
Und dabei ist es eigentlich sehr wichtig, dass man diese Entscheidung trifft. Wir leben in einer Gesellschaft deren Produktionsmechanismen, deren Sozialformen, deren Informationssysteme sich im Augenblick vollkommen neu aufbauen. Wer hier mitkommen will, wer nicht zurück bleiben will, muss das wirklich Wissenswerte anstreben. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden!
Die Arbeiterbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts hat in Europa aus verständlichen Gründen unter anderen Schlagworten auch jenes geprägt, das überaus hoffnungsvoll die Meinung vertrat Wissen sei Macht.
Sie hat damit im Prinzip eine der Kernwahrheiten unseres Menschengeschlechtes ausgesprochen. Nur stellt sich heraus, dass bloßes Wissen weder dem Einzelnen noch der Gemeinschaft eine echte Bewältigung der Lebensverhältnisse ermöglicht. Man muss nämlich auch die Gelegenheit haben, erworbenes Wissen anzuwenden, geeignetes Wissen in eine lebensfördernde Tat umzusetzen. Die schier unfassbare Menge des zeitgenössischen Wissens kann von niemand einzelnen mehr überschaut werden.
Das wäre noch kein Unglück. Was jedoch wirklich daran zweifeln lässt, dass Wissen allein schon Macht ist, ist die Tatsache, dass man Macht braucht, praktisch in irgendeiner Weise mächtig sein muss, um Wissen zu verwerten.
Der Unwissende ist immer im Nachteil, der Wissende ist nicht im Vorteil, bloß weil er weiß.
Gegenwertig stehen wir einer Entwicklung gegenüber die zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte alles bisherige Wissen jedermann verfügbar macht. Online und Internet, die in der westlichen Welt weitverbreitet sind und langsam den ganzen Globus erobern, bereiten den gesamten traditionellen Schatz an Wissen für jeden auf der über die notwendige technische Einrichtung und die ebenso notwendige Neugier verfügt. Das ist ein ungeheurer Sprung vorwärts, der sinnvoll genutzt werden sollte. Wir müssen leider davon ausgehen, dass eine Unmenge unnötigen Wissens ebenso auf allen Kanälen abrufbar ist, d. h. das Geschwätz und Geschnatter des redefreudigen Publikums ebenso hier seinen Niederschlag findet, wie wirklich Wissenswertes.
Seit längerer Zeit sind Suchmaschinen im Einsatz, die dem Wissbegierigen aus der ungeheuren Fülle aller Daten die Gesuchten ausfindig machen. Diese Suchmaschinen werden sich in Zukunft zu sehr spezialisierten, wahrhaft findigen Methoden herausbilden und so das Internet stets praktikabler gestalten. Unter dem Pretext, dass sich in den kommenden Generationen das Internet so einbürgert wie heute das Auto und das Telefon, steht uns dann die Fülle des Gesamtwissens der Menschheit zur weiteren Verwendung zur Verfügung.
Unter dem selben Pretext kann dieses Wissen in Zukunft tatsächlich Macht bedeuten insofern es dem Suchenden die Möglichkeit bietet mehr Vielfältiges, Bedeutendes auf schnellstem Wege zu sammeln und für seine speziellen Zwecke entweder in Produktion oder jede andere soziale Beziehung umzusetzen. Das erstaunliche an dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass alles das was ehedem nur den Spezialisten zur Verfügung stand, nun jedermann zugänglich ist. Es gibt daher keine Ausreden. Man kann sich nicht mehr darauf berufen nicht die richtigen Schulen besucht zu haben. Unkenntnis ist in Zukunft nahezu eine Schande. Dieses Regelwerk zeitgenössischen Wissens ist vielleicht die größte Revolution in unserem Bildungswesen.
Wie kann ich feststellen, wer ich bin? Es gibt eine ganze Reihe von Meditationsübungen, die uns, wie sie meinen, Einblick in uns selbst gewähren. Am Apollotempel in Delphi stehen zwei Sätze. Der eine von ihnen „Dem Bürgen sollst Du würgen“ geht uns in diesem Zusammenhang nichts an, der andere „ Erkenne Dich selbst „ trifft unser Thema. Die Schwierigkeit besteht nun darin sich selbst zu erkennen. Da wir ein Bewusstsein besitzen, haben wir das Gefühl und die Anschauung von einem Ich. Wir empfinden uns als Subjekt. Wenn wir uns selbst betrachten, in dem wir uns etwa im Spiegel ansehen, sehen wir uns als Objekt. Der Mensch ist also Subjekt und Objekt in einem.