Die Freimaurer - Alexander Giese - E-Book

Die Freimaurer E-Book

Alexander Giese

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Beschreibung

Was machen die Freimaurer Geheimnisvolles? Wie wird man Freimaurer? Gibt es eigentlich auch Frauen in den Logen? Solche Fragen und viele mehr werden in diesem kompakten Einführungswerk beantwortet. Das in bereits fünfter Auflage vorliegende Buch gibt spannende Einblicke in die jahrhundertealte Tradition der Freimaurerei und widmet sich seinen berühmtesten Vertretern aus Politik, Kultur und Wissenschaft. Der ethisch-humanitäre Männerbund ist bis heute in allen demokratischen Staaten der Welt aktiv. Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit verbindet die Mitglieder, obwohl es eine einheitliche "Weltmaurerei" nicht gibt. Stattdessen haben Freimaurer in Deutschland, Österreich, Großbritannien, Frankreich und Italien unterschiedliche Systeme, Symbole und Rituale entwickelt. Was Freimaurerei in diesen Ländern ist, bedeutet und sein will, darüber berichtet dieses Buch. Die aktuelle Auflage enthält ein Vorwort und ein ergänztes Literaturverzeichnis von Helmut Reinalter, Leiter des privaten Forschungsinstituts für Ideengeschichte.

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Seitenzahl: 127

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Alexander Giese

Die Freimaurer

Eine Einführung

5., erweiterte Auflage

Böhlau Verlag Wien Köln

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2021 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich)

Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Unbekannt, Freimaurerabzeichen – Beamtenabzeichen - Schlüssel für den Schatzmeister oder den Schaffer, 1701–1800, Wien Museum Inv.-Nr. 42110/1, CC BY 4.0, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/110605/)

Korrektorat: Volker Manz, Kenzingen

Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien

Satz: Bettina Waringer, WienEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage |

www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-205-21423-6

Inhalt

Vorwort

Was ist ein Freimaurer?

Logen, Bauhütten und Großlogen

Was tun die Freimaurer Geheimnisvolles?

Das englische Großlogensystem

Frankreichs Freimaurerei: Aufklärung, Revolution und Moderne

Die Freimaurerei in Deutschland: Ritter, Ordensbrüder, Humanisten

Die Freimaurerei in Italien: Die Baumeister des Nationalstaates und die Kurie

Freimaurer in Österreich: Reformer, Jakobiner, Liberale

Nachwort

Zeittafel

Weiterführende Literatur

Abbildungsverzeichnis

Vorwort

Alexander Gieses Einführung in die Freimaurerei zählt zu den Standardwerken der masonischen Literatur. Sie bildet – trotz vieler neuerer Forschungen – noch immer die Grundlage für weitere vertiefende Untersuchungen zum Forschungsfeld der Freimaurerei und beantwortet sachkundig die Frage nach der inhaltlichen Substanz und den Zielen der Bruderkette nicht nur historisch, sondern besonders für die Gegenwart. Giese war viele Jahre Großmeister der Großloge von Österreich und Leiter der Kultur des ORF. Ich habe selbst als Freimaurerforscher die Bruderkette zu definieren versucht: Sie ist „eine international verbreitete humanitäre Vereinigung, die unter Achtung der Würde des Menschen für Toleranz, Aufklärung, freie Entwicklung der Persönlichkeit und allgemeine Menschenliebe eintritt“.1 Die Freimaurerei geht davon aus, dass menschliche Konflikte ohne zerstörerische Folgen ausgetragen werden können. Voraussetzung dafür ist die Herstellung eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Menschen unterschiedlicher Überzeugungen und Weltanschauungen. In diesem Zusammenhang spielt für sie der offene Dialog der Kulturen und Religionen eine entscheidende Rolle.

Die Bruderkette ist auch stark auf den einzelnen Menschen ausgerichtet und bemüht sich, ihn ethisch zu vervollkommnen. Sie hat aber keine ethischen Lehrsätze aufgestellt, da nach ihrer Auffassung sittliche Normen einem ständigen Wandel unterliegen. Unter Ethik versteht die Freimaurerei „gutes“ Handeln. Die Vorstellung vom „Guten“ ist ein dem Menschen angemessenes Verhalten, bei dem praktizierte Tugendideen eine große Bedeutung haben. In der Bruderkette spricht man daher von sog. „Einübungsethik“. In diesem Sinne ist die Ethik aus freimaurerischer Perspektive auch eine Frage der Lebensgestaltung und so mit der Philosophie der Lebenskunst eng verbunden. Unter Lebenskunst versteht die Freimaurerei die „Königliche Kunst“, wie das Leben bewusst gelebt werden kann. Sie ist der praktische Versuch einer Rückkehr zum Selbst, zum einzelnen Individuum, das sich permanent bemüht, das eigene Leben zu formen und daraus ein Kunstwerk zu machen. In der Freimaurerei wird die „Königliche Kunst“ symbolisch gedeutet. Mithilfe der freimaurerischen Symbole und Rituale sollte der einzelne Bruder zu Humanität und Toleranz hingeführt werden, also zu einer Lebenskunst, zu Selbsterkenntnis, Selbsterziehung und harmonischer Lebensgestaltung.2

Die Freimaurerei hat sich im Laufe ihrer historischen Entwicklung einen Werterahmen geschaffen, der bis heute aktuell geblieben ist. In diesem Zusammenhang spielt das neue Aufklärungsdenken eine zentrale Rolle. Dabei steht die leitende Fragestellung im Vordergrund, welche wichtigen Grundlagen der historischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts noch maßgeblich nachwirken und ob es heute ein neues Aufklärungs- und Vernunftverständnis gibt, das eine brauchbare Antwort auf die Brüchigkeit der tragenden Einstellungen der historischen Aufklärung zu geben vermag. Sind ihre Leitideen heute überholt oder noch – wenn auch in neuer Form – gültig? Die neue Aufklärung versteht sich als Selbstaufklärung und kritisches Selbstdenken über Aufklärung. Sie richtet sich gegen angemaßte Autorität und Vorurteile, gegen Irrationalismus und Aberglauben, gegen Dogmen, Ideologien und absolute Wahrheiten sowie gegen Intoleranz und Fundamentalismus.

Für die Freimaurerei stellen weiters die Menschenwürde und Menschenrechte nicht nur eine Form des gemeinsamen Nenners aller Grundwerte dar, die man in den verschiedenen Religionen und Kulturen findet, sondern sie fordern auch einen universalen und zugleich eigenständig modernen Freiheits- und Gleichheitsanspruch sowie allgemeine Menschenpflichten. Auch das Menschenbild der Bruderkette ist mit den Menschenrechten und den Menschenpflichten eng verbunden. Mit diesem Werterahmen hängt auch die Idee der Humanität eng zusammen. Humanität erlebt der Bruder in der Loge und im profanen Leben, in dem er sich als Mensch unter Menschen zu begreifen versucht. Menschlichkeit, Mitgefühl und Mitleid sind daher für die Freimaurer konkrete Praxis. Das Symbol des „Großen Baumeisters aller Welten“ bildet in der Bruderkette die Basis der mitmenschlichen Ethik. Diese ist eine undogmatische, vernunftorientierte, aber auch intuitive und individuelle Ethik, die in Symbolen und konkreten Handlungen ausgedrückt wird. Sie ist keine Erfolgs- und Gesinnungsethik, sondern eine Verantwortungsethik im Hinblick auf die Verwirklichung masonischer Werte in der Gesellschaft. Auch der Toleranzgedanke steht im Mittelpunkt masonischer Handlungs- und Verhaltensweisen. Die Freimaurerei war und ist an der Verbreitung der Toleranz wesentlich beteiligt. Heute stellt das Toleranzprinzip im freimaurerischen Sinne mehr als nur Duldung und Ertragen dar, nämlich die Respektierung des Andersdenkenden durch besseres Verstehen seines Andersseins.3

In der Welt der Bruderkette spielen Symbole und Rituale eine zentrale Rolle. Sie ist in ein kosmogonisches Modell als symbolischer Ort und symbolische Zeit des rituellen Ablaufs eingebunden. Die Darstellungsformen sind historisch tradiert und von besonderer Schlichtheit. Die gesamte Symbolik ist vor allem dem „Bauen“ und der „Bautradition“ gewidmet, wobei das Symbol des Tempelbaus der Humanität eine wesentliche Bedeutung hat. Die rituellen Arbeiten erfolgen in Bildern und bildlichen Handlungen. Die Freimaurerei besteht in einer fortlaufenden Kette von Symbolen. Die Logenarbeiten werden ritualisiert durchgeführt, um die sinnbildlichen Gebräuche auszuführen, den Sinn der Symbole anzudeuten oder auch in Baustücken (Vorträgen) zu erläutern. Im Mittelpunkt der freimaurerischen Ritualistik steht die initialische Methode. Initiation bedeutet „Einweihung“. Das Ritual bezeichnet jene Ordnung, in der eine sinnbildliche Handlung vor sich gehen soll. Rituale sind eigentlich im masonischen Verständnis, sinngerichtet und dramatisch gestaltet, Abfolgen symbolischer und allegorischer Handlungen, Worte und Gesten unter Einbeziehung figürlicher Darstellungen und Objekte.

Neben dem Innenleben der Loge muss hier abschließend auch noch kurz die Wirkungsgeschichte und die gesellschaftliche Bedeutung der Freimaurerei erwähnt werden.4 Ein direkter Einfluss der Bruderkette auf Staat, Politik und Gesellschaft lässt sich nur schwer nachweisen. Die Gegner der Bruderkette haben ihren angeblich großen Einfluss dämonisiert und als politische Macht missverstanden. So sind im Laufe der Geschichte zahlreiche Verschwörungstheorien, Legenden und Erzählungen entstanden, die als Teil eines weltweiten Antimasonismus gesehen werden und an Aggressivität und Polemik bis heute nichts eingebüßt haben.

Eine einigermaßen seriöse und realistische Einschätzung der gesellschaftlichen und politischen Wirkung der Freimaurerei bezieht sich vor allem auf die Selbstbildung der Mitglieder und die Kongruenz ihres Selbsterziehungsprogramms sowie ihre Ziele und ihre Auseinandersetzung mit den wesentlichen Denkströmungen der jeweiligen Zeit. Neben politischen und gesellschaftlichen Strukturen spielen auch einzelne Persönlichkeiten in der Freimaurergeschichte seit der Frühen Neuzeit eine wesentliche Rolle. Es lässt sich nur an einzelnen konkreten Beispielen der tatsächliche Einfluss der Freimaurerei erklären und nachweisen. Dabei zeigt sich bei aller Vorsichtigkeit der Beurteilung und Einschätzung, dass die Bruderkette bei der Auflösung der frühneuzeitlichen Dogmen, in der Säkularisierung, in der Aufklärung, in der Amerikanischen und Französischen Revolution, in den verschiedenen Reform- und Freiheitsbewegungen und in den bürgerlichen Revolutionen, bei der Herausbildung des Liberalismus, der westlichen Demokratien, des modernen Parlamentarismus, des Sozialstaates und bei der Verbreitung der Menschenrechte und Menschenpflichten sowie bei den Friedensbemühungen einen gewissen Einfluss ausüben konnte. Dieser war zweifelsohne kein bestimmender, wenngleich die freimaurerischen Ideen der Humanität, Aufklärung und Toleranz in den geistesgeschichtlichen, sozialen und politischen Entwicklungen bedeutsam waren.

Heute arbeitet die Freimaurerei an einer Weiterentwicklung und Vertiefung ihrer zentralen Ideen bzw. Werte und setzt sich besonders mit Gegenwarts- und Zukunftsfragen, die für die Bruderkette wichtig sind, auseinander. Die Freimaurerei muss sich heute verstärkt – auf der Grundlage fundierter wissenschaftlicher Analysen – mit der geistigen Entwicklung der Zeit beschäftigen und darüber kritisch nachdenken, ob die Bruderkette jenseits von Parteipolitik und Religionskonflikten eine wichtige Funktion dort übernehmen könnte, wo eine aus masonischer Perspektive notwendige gesellschaftliche Kurskorrektur wesentlich erscheint – und dies ganz im Sinne der Ritualworte „wie hier im Tempel durch das Wort, im Leben durch die Tat walten zu lassen“.

Innsbruck, im Dezember 2020

Univ.-Prof. em. Dr. Dr. h.c Helmut Reinalter (Leiter des privaten Forschungsinstituts für Ideengeschichte in Innsbruck)

_________________

1 Vgl. dazu Helmut Reinalter: Freimaurerei. Geheimnisse – Rituale – Symbole. Ein Handbuch, Salier, Leipzig 2017, S. 7.

2 Helmut Reinalter: Freimaurerei, S. 11 ff., S. 68 ff.

3 Helmut Reinalter: Die Freimaurer, C.H. Beck, 7. Aufl., München 2016.

4 Helmut Reinalter: Freimaurerei, Politik und Gesellschaft. Die Wirkungsgeschichte des diskreten Bundes, Böhlau, Wien 2018.

Was ist ein Freimaurer?

Was also ist ein Freimaurer? Ein Mann, der dem Bund der Freimaurer angehört? Genügt dieser Satz? Nein. Bedeutende Männer haben bedeutsame Antworten formuliert, Bibliotheken sind geschrieben worden, um zu erklären, was die Freimaurerei ist und was nicht.

In Gotthold Ephraim Lessings „Ernst und Falk“, einem Gespräch für Freimaurer, nicht über sie, heißt es: „Die Freimaurerei ist nichts Willkürliches, nichts Entbehrliches, sondern ein Notwendiges, das in dem Wesen des Menschen und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist.“

Die Freimaurerei ist also eine Sache des Bürgers, ja aller Menschen. Johann Gottfried Herder setzte Lessings Freimaurergespräche fort: Er sah den Bund der Freimaurer als eine „sichtbar-unsichtbare“ Gesellschaft. Johann Gottlieb Fichte verfasste „Sechzehn Briefe für Konstant“ als eine „Philosophie der Maurerei“. Auch Friedrich Schlegel schrieb Freimaurergespräche. Alle diese Arbeiten sind wenig bekannt, obschon sie aus der Feder „deutscher Klassiker“ stammen – oder gerade deshalb! Man sollte meinen, das Urteil so bedeutender Männer müsse genügen. Man sollte meinen, wer sich als Gegner der Freimaurerei betrachtet, sehe sich veranlasst, diese Schriften zu lesen. Offenbar ist das nicht der Fall, offenbar beschäftigt zwar das „Geheimnis“ der Freimaurer viele, sie suchen es aber nicht dort, wo es zu finden ist.

Naturgemäß hält man sich an das Sichtbare. Dort allein ist es nicht zu finden. Was befremdet an den Freimaurern? Zu ihren Versammlungen haben Nicht-Maurer keinen Zutritt. Sie sind verschwiegen. Sie haben Gebräuche, die, sofern sie überhaupt bekannt sind, seltsam anmuten. Sie haben Rituale, die sie pedantisch vollziehen. Und, wie man hört, besondere Symbole, die sie wie ihre Erkennungszeichen geheim halten. All das ist Grund genug, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart, sie als „verdächtig“ erscheinen zu lassen. Was geht da vor sich? Scheuen sie das Licht der Öffentlichkeit? Sie, die man auch die „Erleuchteten“ genannt, die man als Männer der „Aufklärung“ bezeichnet hat? Wenn sie Ehrenhaftes denken und tun, warum verbergen sie sich? Solche und ähnliche Anschuldigungen, Gedanken und Zweifel werden immer wieder gegen die Maurer geäußert.

Die Maurerei wurde oft als Geheimbund angesehen. Sie galt vielen als Urheber von Verschwörungen, Attentaten, Komplotten. Man hielt die Freimaurer für Drahtzieher in Politik, Wirtschaft und Kultur. Jahrhundertelang wurde die Maurerei mancherorts für Rebellion, Revolution, ja für Morde verantwortlich gemacht. Und Jahrhunderte hindurch gehörten diesem Bund die hervorragendsten Männer ihrer Nationen, weltweit, an: George Washington und Goethe; Alexander Fleming, der Entdecker des Penicillins; Henri Dunant, der das Rote Kreuz gründete; Gustav Stresemann und Aristide Briand, die mit dem Kellogg-Pakt die deutschfranzösische Verständigung herbeiführen wollten; Preußens König Friedrich II. ebenso wie der römisch-deutsche Kaiser Franz I.; die überwiegende Mehrheit der US-Präsidenten; Mozart; der österreichische Friedensnobelpreisträger Alfred Hermann Fried. Die Liste der hochqualifizierten Männer, die Freimaurer waren, ergäbe ein ganzes Buch. Die Situation scheint paradox: Wie konnte, wie kann ein Bund solche Mitglieder aufweisen und dennoch als ein gefährlicher Geheimbund angesehen werden?

Als gefährlich, als bedenklich, das ist jetzt zu sagen, wurde und wird der Bund in allen jenen Ländern (und bei jenen Nationen) betrachtet, die entweder autoritär regiert werden oder auch bloß ihre Meinungsbildung in diesem speziellen Fall der Kirche Roms überantworten.

Autoritäre Staaten, Diktaturen oder Theokratien, etwa islamische, bestimmen durch ihnen eigene Gesetze, was sie für Menschenrecht ansehen.

Diesem doppelten Zwang mussten sich Freimaurer oft entziehen. Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit, die Menschenrechte und das Üben demokratischer Formen war immer wieder Aufgabe der Freimaurer; von ihnen gefordert, von ihnen verfochten. Dadurch aber setzten sie sich gewollt oder auch ungewollt, sehr oft und an vielen Orten in ein Missverhältnis zu Machthabern, die autoritär oder dogmatisch dachten und handelten. Sie wurden dann beschuldigt, „Thron und Altar“ zu unterminieren – und doch waren und sind Mitglieder des englischen und der skandinavischen Herrscherhäuser Großmeister „ihrer“ Freimaurer, waren und sind Geistliche Mitglieder des Bundes. In der Vorstellung Hitlers oder Mussolinis waren es die Freimaurer, die „internationale Verschwörungen“ anzettelten; gemeinsam, wie Hitler fabulierte, mit Juden und Bolschewiken. Doch hatten die Kommunisten gleich zu Beginn ihrer Revolution in Russland die Maurerei verboten.

Das Ritual der Freimaurer stützt sich zum Teil auf Personen, Ereignisse und Bilder aus dem Alten Testament, aber das ist ja auch Grundlage zweier Weltreligionen. Juden schufen einen nur ihnen vorbehaltenen Männerbund: B’nai B’rith. In islamischen Staaten ist heute die Maurerei verboten, weil sie fundamentalistischen Prinzipien entgegensteht. Nationalistische Gruppierungen in fast allen Ländern werfen der Freimaurerei Kosmopolitismus vor, wenn nicht gar Vaterlandsverrat. Das war nicht nur in der Vergangenheit falsch, das ist es auch in der Gegenwart. Ein Gebhard Leberecht Blücher, ein General Scharnhorst, ein Freiherr von und zum Stein, sie alle Erneuerer eines „deutschen Vaterlandes“ – waren Freimaurer.

Die meisten italienischen Patrioten wie Garibaldi – Freimaurer!

Diese wenigen Hinweise machen deutlich, dass generelle Urteile über die Freimaurerei – wie verallgemeinernde Aussagen überhaupt – unrichtig sind. Vorschnelle Urteile über diese bemerkenswerte Gesellschaft müssen zu Fehlmeinungen führen. Es lohnt sich, auf die Entstehung und die Geschichte der Maurerei kurz einzugehen und auch über ihr Brauchtum zu berichten. Die Darstellung jedoch ist aus mehreren Gründen schwierig: Sie ist notgedrungen subjektiv, da die Maurerei nicht erklärt, sondern nur erlebt werden kann. Sie beruht auf dem persönlichen Erlebnis des Initiierten (d. h. Eingeführten, in die Loge Eintretenden) und auf dem, was er selbst in den Bund einbringt: an Gedanken, Überlegungen, Handlungen, Gefühlen.

Der „Wert“ eines Maurers ergibt sich aus dem, was er selbst, aus dieser Konfrontation von Mensch und Symbol, aufgrund des maurerischen Brauchtums aus seinem eigenen Leben „macht“, wie er sein Leben gestaltet. Goethe hat diese Aufgabe mit zwei Worten umschrieben: Denken und Tun. Und jeder Freimaurer wird über den Bund seine eigene Meinung haben, ihn subjektiv erfahren. Das erschwert die Darstellung, die sich um eine mögliche Objektivität nur bemühen kann.

Wer wird Freimaurer?