Reisen auf dem Sofa - Monika Genzow - E-Book

Reisen auf dem Sofa E-Book

Monika Genzow

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Beschreibung

Das Reisen liegt mir im Blut. Von jenen Reisen, die mich besonders beeindruckt haben, schreibe ich einen ausführlichen Reisebericht mit allem Drum und Dran. Wenn ich diese Aufzeichnungen, bequem auf dem Sofa liegend, lese, versetzt mich das wieder in die damaligen Situationen. Ich mache diese Reise quasi noch einmal. Die Erinnerungen in diesem Buchblock betreffen Reisen in die Türkei, nach Italien, Südengland, Schottland und in den Norden bis St. Petersburg. Natürlich sind das ganz persönliche Eindrücke, aber vielleicht haben ja auch andere Leser Gefallen daran.

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Seitenzahl: 260

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Der Gratis-Urlaub

Die Ballonfahrt

Gerettet

Die Italienreise

Carmen im Regen

Schottland

Reise nach Südengland

Metropolen des Nordens

VORWORT

Würde ich heute nach erfolgreichem Abitur vor der Berufswahl stehen, würde ich ohne Zögern „Reisejournalistin“ sagen. Ich würde um die ganze Welt jetten und meine Eindrücke allen Interessierten zukommen lassen.

Diese Frage stellt sich jedoch heute nicht. Nicht mehr, denn ich gehe stramm auf die 80 zu.

Trotzdem kann ich es nicht lassen, auf Reisen zu gehen und meine Eindrücke und Gedanken nieder zu schreiben. Diese ausführlichen Reiseberichte und die dazugehörigen zahlreichen Fotos, die ich entgegen dem heutigen Trend, noch immer in dicken Fotoalben aufbewahre, ermöglichen es mir, auch nach vielen Jahren das Erlebte ins Gedächtnis zurück zu rufen. Dabei kann ich völlig abtauchen in die Vergangenheit. Das seinerzeit Erlebte wird wieder lebendig. Das Umfeld erscheint ebenso vor meinem geistigen Auge wie längst vergessene Details. Ich mache diese Reise quasi noch einmal. Diesmal allerdings vom bequemen Sofa aus. Es sind sehr persönliche Erlebnisse und Eindrücke. Ich bin mir nicht sicher, ob alle angeführten Fakten und Daten einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten würden. Und natürlich kann die Beurteilung der beschriebenen Ereignisse je nach Befinden des Lesers ganz anders ausfallen.

Trotzdem hoffe ich, dass meine Erinnerungen auch bei den Lesern Freude am Reisen wecken oder eigene Erlebnisse wieder aufleben lassen. Also – viel Vergnügen!

DER GRATIS-URLAUB

„Exklusiv für Sie: Wir schenken Ihnen eine Woche Hotelaufenthalt für zwei Personen in der Türkei - GRATIS!"

Das hört sich gut an. Nur noch den Flug buchen. Bei dem angebotenen Reiseunternehmen natürlich. Kostet nur knapp 400 Euro für beide zusammen. Da können wir mal richtig sparen. Das machen wir.

Mitte April kann man vielleicht schon im östlichen Mittelmeer baden? Wie auch immer.

Wir nehmen auf jeden Fall Badesachen mit.

Von Berlin - Schönefeld geht es auf den Schwingen von „Pegasus“ bis Antalya. Der Flieger ist proppenvoll. Wollen die etwa alle mit uns auf Türkei-Rundreise gehen?

Ja, sie wollen.

Am Flughafen erwarten uns freundliche Damen und Herren von „Berge & Meer" und weisen uns in die zehn Reisebusse, die in den folgenden acht Tagen unser zweites Zuhause sein werden.

Die Hälfte davon fährt mit uns die Küstenstraße in westliche Richtung bis kurz hinter Kemer.

Das Hotel „LIMRA" ist ein Riesenkomplex mit zwei pyramidenförmig ansteigenden Zehngeschossern und einer weitläufigen Apartmentanlage mit ausgedehnter Poollandschaft.

Es ist nicht gerade das, was wir uns aus dem Katalog ausgesucht hätten.

Wir beziehen Quartier im Obergeschoß eines zweistöckigen Apartmenthauses, packen als Erstes die Badesachen aus und begeben uns auf einen Erkundungsgang.

Die Luft ist mild. Die Temperatur so um die 20°C. Ein sanfter Wind weht durch die üppig blühenden exotischen Pflanzen und lässt die Palmwedel leise rascheln. Die Sonne scheint und im Hintergrund leuchten die noch schneebedeckten Gipfel des Taurusgebirges.

Ach, doch, hier kann man es schon aushalten. Mal sehen, wie warm das Mittelmeer ist. Man hört es schon rauschen. Gleich hinter der Hotelanlage brechen schaumige Wellen an den Strand. Strand?

Der Strand ist ein Meer aus Steinen. Große, kleine runde, spitze, schwarze, bunte, gemusterte, einfarbige. Es ist, als ob Neptun alle seine Schätze an dieses Ufer geschüttet hätte.

Wir ziehen die Schuhe aus und krempeln die Hosenbeine hoch.

Wie Storch im Salat staken wir unsicher über die Steine und finden keinen Halt in dem rollenden Auf und Ab der steinernen Wogen, versinken bis zu den Waden im feuchten Geröll und kämpfen uns mühsam wieder auf trockenes Terrain. Das Wasser ist warm, aber die Lust am Bad im offenen Meer ist uns nach dieser Massage vergangen.

Bleibt also der Pool. Hier ist das Wasser um einige Grade kälter, dafür aber ganz ruhig, azurblau und in dieser Jahreszeit nur wenig frequentiert. Gerade richtig für einen langjährigen Ostseeanrainer.

Viel Zeit zum Schwimmen bleibt uns allerdings nicht, denn die hiesige Reiseleitung lädt zum Empfang der neuen Gäste in den größten Saal des Hauses. "Hos geldiniz.

Herzlich Willkommen". Ali, Said, Erduan, Sari und Mohammed stellen sich vor und erklären, warum an dem geschenkten Urlaub kein Haken und kein Hintertürchen ist. - Die Türkei ist ein wunderschönes und vor allem geschichtsträchtiges Land. Die Türken sind nicht so, wie man sie in Deutschland kennt. Die Türken wollen ihr Image verbessern. Die Belegung der Hotels in der Vorsaison ist neu.

Sie schafft und erhält Arbeitsplätze, und es kauft auch jeder irgend etwas ein, auch, wenn es nur eine Kleinigkeit ist.

Die gesicherte Auslastung der Hotels und Flugzeuge ermöglicht Rabatte, die an uns weitergegeben werden konnten. Wie schön!

Ach, ja wir werden bei der Fahrt in die Berge und in die Städte wenig Zeit für Restaurantbesuche haben. Deshalb empfiehlt die Reiseleitungdie zusätzliche Buchung von vier Mittagsmahlzeiten in vorbestellten Restaurants für nur 26,50 Euro pro Person für ein Drei-Gänge-Menü. Das ist doch glatt geschenkt. Wir buchen.

Der Einweisung folgt eine Fahrt auf der Küstenautobahn entlang der Bucht von Kemer in die Berge zu einer Forellenzuchtanlage. An einem rauschenden Bach unter lichten Laubbäumen entdecken wir mehrere auf Stelzen gebaute, offene, nur mit einer durchsichtigen Plane überdachte gewächshausähnliche Terrassenrestaurants. Jede Busgruppe wird zu einer Terrasse geleitet, wo wir an langen Holztischen und Bänken Platz nehmen und in Windeseile mit frischem Fladenbrot und köstlichen, im Tiegel gebackenen Forellen bewirtet werden. Dazu gibt es türkischen Rotwein und türkisches Bier. Nicht schlecht für den Anfang. Den Rest dieses herrlichen Tages verbringen wir mit der weiteren Erkundung der Hotelanlage und am Pool.

Auch für einen kleinen Abstecher in die Geschäftsstraße vor unserem Hotel ist noch Zeit.

Eifrige Händler überbieten sich an Freundlichkeit und breiten eilfertig ihre Waren aus, unterbieten sich lautstark mit Sonderangeboten. Heute alles 50 % billiger!

Heute Schlußverkauf!

Bei einem Stand mit Onyxfiguren bleiben wir stehen und begutachten die kunstvollen Schnitzereien.

"Alles Handarbeit! Siehst Du, wie ich es mache?"

Ein junger Mann hockt auf einem Schemel und kratzt mit einem scharfen Spatel Ritzen und Rillen in ein Stück Onyx, das einmal eine Eule werden soll. Auf Eulen stehe ich. Eine aus Onyx fehlt noch in meiner Sammlung.

„Was soll denn das gute Stück kosten?" Ich zeige auf eine etwa 6 cm große Eule.

„18 Euro."

„Unmöglich. So viel kann ich nicht ausgeben."

„Wieviel willst du ausgeben"?

„5 Euro".

„Weißt du, wie lange ich muss arbeiten an einer Eule? Und dann der Stein. Kostet auch. Aber gut, weil du es bist. 10 Euro."

Das ist mir immer noch zu viel. Ich stelle die Eule wieder hin und wende mich zum Gehen.

,,8 Euro- und du suchen dir schönste."

Da entdecke ich eine Eule mit ungleichen Augen. Das macht sie interessant. Sie sieht wirklich handgemacht aus.

„Was ist hier passiert", frage ich, „die hat schiefe Augen."

„Zeig her. Wirklich - schiefe Augen. War Unfall!"

„Hast du zu tief ins Glas gesehen?"

Wir sehen uns an und müssen beide lachen.

„Nimm sie für 3 Euro, ich sie dir schenken."

Ich gebe ihm 5 Euro und bin sehr zufrieden.

Schließlich ist sie ein wirkliches Original.

Nachdem wir bei zwei weiteren Händlern ein hochwertiges türkisches Baumwollhemd für 10 Euro und eine „echte" Rolex für 20 Euro gekauft haben, treten wir den Rückzug in die handelsfreie Zone unseres Hotels an.

Das abendliche Büffet - oder besser die Büffets, denn es gibt ein Salatbuffet, ein Beilagenbuffet, eine Fleischtheke für warme und eine für kalte Gerichte, ein Obstbuffet, ein Kuchenbuffet und eine Eisbar - verleitet uns zum Schwelgen in türkischen kulinarischen Genüssen. Dazu eine laue Sommernacht im Gartenrestaurant und nette Gesellschaft am runden Tisch.

Dem jungen Paar aus Magdeburg gefällt es hier so gut, dass sie auf die weitere Rundreise verzichten wollen und lieber den vollen Hotelpreis bezahlen und relaxen, als die Strapaze einer geschenkten Woche im Reisebus auf sich zu nehmen. Nun ja, sie sparen nicht so viel wie wir, aber das ist ja ihre Sache.

Am zweiten Tag unserer Reise begrüßt uns Said, der jetzt immer unser Reisebegleiter sein wird, mit einem fröhlichen „Günaydin", was Guten Morgen heißt. Er ist so um die 40, hat dunkles, volles Haar und braune Augen und ist ein wenig vollschlank. Nach dem Gang durch den Bus zum Zählen, ob auch alle seine Schäfchen da sind, ist er schon etwas kurzatmig. Aber das soll uns nicht stören. Hauptsache, er hält die 8 Tage mit uns durch. Heute fahren wir über die Passstraße in die Hochebene nach Pamukkale. Die Betonung liegt auf dem u und der Vokal wird kurz gesprochen, sodass sich das fast anhört wie Pumukl und ich dachte schon, Said will uns veralbern. Dem ist nicht so. Ich muss mich korrigieren.

Nach dem Überqueren des Passes in 1500 m Höhe, gelangen wir in eine weite Hochebene von ca. 600 m Höhe. Das Gebiet lebt vom Baumwollanbau und der Teppichknüpferei. Die Berge sind kahl, doch das Land sieht fruchtbar aus.

Direkt neben der Straße siedeln Nomaden. Sie haben weder Strom noch fließendes Wasser und leben in ihrer Tradition wie seit Jahrhunderten. Sie sind jedoch nicht arm, wie uns Said versichert. Sie besitzen oft mehrere Hundert Ziegen und weiden auch einige magere Kühe.

Trotz allgemeiner Schulpflicht gehen Nomadenkinder nur dann zur Schule, wenn sich die örtliche Gelegenheit dazu bietet. Und das ist selten.

19 km nördlich der Provinzhauptstadt Denizli liegen über dem Meandergraben die berühmten Kalksinterterrassen, deren Abbild in jedem Reiseprospekt Tausende Touristen anlockt. Auch wir haben schon oft davon geträumt, einmal wie die alten Seldschuken, die Griechen, die Perser oder die Römer in dem warmen Badebecken der Antike die Seele baumeln zu lassen.Das Quellwasser soll 35 ° C haben und stark kalk- und kohlensäurehaltig sein. Während es durch das Plateau fließt und aus 100 m in die Ebene stürzt, kühlt es erheblich ab und verwandelt die Elemente in unlösliches Kalziumkarbonat, das sich als weißer Belag in den Terrassen niederschlägt.

Von weitem sehen die Gebilde aus wie eine riesige Burg aus Baumwolle und so bedeutet denn auch Pamukkale nichts anderes als „Baumwollburg“.

Said gibt sich alle Mühe, unser Wissen zu erweitern, aber nur die Hälfte der Businsassen hört zu. Die andere Hälfte schläft. Der Dicke hinter mir aus dem Berliner Randgebiet schnarcht mit leisem Röcheln vor sich hin und träumt sicher schon vom Mittagessen, denn ab und zu geht das Röcheln in ein Schmatzen über. Seine Frau kramt unterdessen aus einer der vielen Plastetüten, die sie bei einem Obsthändler beim Zwischenstopp an der Tankstelle erstanden hat, eine Apfelsine hervor und beginnt mit dem Schälen.

Aber jetzt halten wir an. Wir haben die antike Stadt Hierapolis erreicht oder besser das, was von ihr noch übrig ist.

Sie stammt aus dem 3.Jahrhundert v. Chr., als die Pergamener hier herrschten, und soll nach der Gemahlin des Telephos, des mythischen Ahnherrn der Pergamener benannt worden sein.

Bevor wir jedoch die 1200 m lange Arkadenstraße und das gut erhaltene Domitiantor besichtigen können, verweilen wir für kurze Zeit auf dem Friedhof. Natürlich nicht irgendein Friedhof, sondern die größte und mit 1200 Gräbern besterhaltene Nekropole der Antike. Said bittet uns, möglichst nicht auf den Grabresten herum zu klettern von wegen der Einsturzgefahr. Aber das kümmert unsere Berliner wenig. Sie machen es sich mit ihrer Plastetüte auf einem antiken Mäuerchen gemütlich und essen erst mal was. Ein Ehepaar aus Sachsen findet die Sarkophage sehr fotogen und fotografiert aus allen Himmelsrichtungen mit winkender Ehefrau im Stehen, im Sitzen und sogar im Liegen.

In der Zwischenzeit sind mindestens zehn weitere Busse vollbesetzt an uns vorbei in das unweit gelegene Thermalbad gefahren. Wir ahnen es schon - aus dem Seele baumeln lassen im lauwarmen Wasser wird nichts. Als wir am Zugang zu den Kalksinterterrassen ankommen, steht schon eine beachtliche Anzahl herrenloser Schuhe an einer der Terrassenwände aufgereiht. Nur barfuß darf das Gelände noch betreten werden und gebadet wird nur noch mit den Füßen in einem schmalen Kanal. Ob wir unsere Schuhe wiederfinden werden, wenn wir nach einer Stunde zurückkommen?

Wir reihen uns ein in den Strom der Barfüßler und stellen fest, dass der Boden, der von weitem locker und glitschig aussieht, hart und rifflig ist, wie ein Waschbrett. An einigen Stellen pieken scharfe Kalkgrate unsere empfindlichen Fußsohlen. Ab in den Graben!

Das Wasser ist wahrhaftig schön warm und man möchte gern ein stilles Plätzchen suchen und wenigstens die Füße baumeln lassen. Aber auch das ist uns nur für ein Augenblickchen vergönnt, denn der Strom der Wasserwanderer reißt nicht ab. Also gut, machen wir Platz für die Nächsten und gehen ins Theater.

Tatsächlich, unsere Schuhe stehen noch so, wie wir sie hingestellt haben und das Amphitheater ist gleich um die Ecke.

Zumindest sieht es so aus. Wir brauchen dann aber doch fast 20 Minuten, bis wir die oberste der 50 Sitzreihen erreicht haben. Von hier aus hat man eine phantastische Aussicht über die Terrassen und Hierapolis hinweg auf die Ebene und das dahinter liegende Gebirge.

Die etwa 100 m breite Bühne erscheint aus dieser Höhe klein. Es ist erstaunlich, dass man aus dieser Tiefe noch jedes einzelne Wort verstehen kann, das dort gesprochen wird. Schade, dass wir nicht zwei Monate später hierher gekommen sind, denn im Sommer finden hier alljährlich noch Konzerte und Events statt.

Heute hört man nur das „Mäh" einiger Schafe, die zwischen den Trümmern alter Säulen und Statuen das spärliche Gras zupfen. Wir begeben uns wieder zum Bus und fahren in das Hotel Richmond. Es liegt in der Ebene, nur knappe 20 km entfernt zu Füßen Pamukkales.

Der Hotelbesitzer hatte ursprünglich direkt auf dem Hang neben den Kalksinterterrassen ein Hotel gebaut, musste es aber auf Betreiben der Naturschützer wieder abreißen und bekam als Ausgleich den heutigen Standort preisgünstig zugewiesen. Irgendwie merkt man dem Hotel an, dass der Besitzer mit dieser Lösung nicht glücklich ist. Wir empfinden das Interieur als lieblos und teilweise sogar verkommen. Aber was soll's! Für eine Nacht geht das schon.

Nach einem Bakschisch heischenden Bauchtanzabend im Hotel Richmond dürfen wir am nächsten Morgen eine Teppichknüpferei in der Nähe von Denizli besuchen. Wir wissen schon, was uns dort erwartet. Erläuterung der Seidenraupenzucht Besichtigung der Seidenfadengewinnung und der Färberei, Beobachtung einiger fleißiger Knüpferinnen bei der Herstellung kompliziertester Teppichmuster. Wir haben das alles schon einmal erlebt, als wir mit Freunden in Istanbul waren.

Trotzdem finde ich es wieder faszinierend, wie aus dem kleinen Seidenkokon ein hauchdünner, unendlich langer Seidenfaden abgespult wird. Zum Andenken darf ich mir einige Kokons mitnehmen. Ich werde jedoch nicht versuchen, den Seidenfaden abzuwickeln.

Das weiß ich schon heute. Interessant ist auch, den zarten Frauen- und Mädchenhänden zuzusehen, wie sie geschickt und flink die Fäden in das Zählmuster knüpfen. Dazu bedarf es ungeheurer Konzentration und scharfer Augen. Wenn eine Musterreihe beendet ist, werden die Fadenreste mit einem scharfen Hackmesser auf die erforderliche Länge, oder besser Kürze, abgeschnitten. Die schmalen, schlanken Hände der Knüpferin müssen also auch kräftig zupacken können. Kein Wunder, dass die besten Knüpferinnen noch ganz junge Mädchen sind und hohes Ansehen genießen.

Das Einkommen dagegen ist vergleichsweise bescheiden und mit unseren Maßstäben nicht zu vergleichen.

Den Höhepunkt des Rundganges bildet die Teppichvorführung. Damit wir in die richtige Stimmung kommen, wird Tee mit Raki angeboten. Raki ist ein türkischer Obstler. Ein Teppich nach dem anderen wird nun vor uns ausgebreitet. Ein Muster immer schöner als das andere. Traditionelle Muster und moderne, Wollteppiche und Seidenteppiche, große und kleine, runde und rechteckige. Immer wieder sollen wir spüren, wie weich sie sich anfühlen und sehen, wieviel Knoten auf einem Quadratzentimeter verarbeitet werden mussten. Natürlich kann das kein Mensch mit bloßem Auge zählen. Außerdem sind wir vom Raki schon etwas benebelt oder doch zumindest beschwingt, sodass wir den Ausführungen des gewieften Managers widerspruchslos folgen. Er hat übrigens in Deutschland studiert und spricht ein einwandfreies Deutsch.

„Besitzt denn schon jemand von ihnen so einen Teppich", fragt er in die Runde.

Einige Finger gehen in die Höhe.

„Wir haben sechs Stück", erklärt eine Frau. Der Mann nickt bestätigend.

„Und? Sind sie zufrieden?"

„Ja, sehr".

„Die sind allerdings aus Marokko. Dort sind sie billiger", fügt sie zu ihrer Nachbarin gewandt leise hinzu.

„Sie haben nun Gelegenheit, in unserer Verkaufsabteilung die Vielfalt des Angebotes zu bewundern und für sich das Passende auszusuchen."

Mit diesen Worten beendet der Manager die Vorführung und überlässt das Feld den geschulten Verkäufern.

Wir wissen, wie es jetzt weitergeht, sind jedoch nicht abgeneigt, einen kleinen Teppich als Wandbehang für unser neues Wohnzimmer zu erwerben.

So überlassen wir uns willig einem netten Herrn in unserem Alter mit Namen Edin.

Eilfertig führt er uns in einen separaten Raum, in dem Gebetsteppiche und als Wandbehänge geeignete Exemplare in einer Vielzahl aufgestapelt sind.

Nun beginnt das Spiel von Neuem. Wieder werden Dutzende von Teppichen vor uns ausgebreitet. Wunderschön! Orientalische Mosaiken, osmanische Jagdszenen in Blau und Grün, in Rostrot und Beige. Der mit den osmanischen Jagdszenen könnte mir gefallen.

„Was soll dieser denn kosten?" Edins Augen leuchten auf.

„10 000 Euro!"

Mir bleibt vor Schreck die Spucke weg. Gott sei Dank fällt das Exemplar etwas groß aus und passt „leider" nicht in unsere Wandlücke.

Unsere Vorstellung geht über 40 x 60 cm nicht hinaus. Das Leuchten in Edins Augen erlischt. Es fällt ihm schwer, etwas Passendes zu finden. Aber wir wären nicht in der Türkei, wenn es nicht doch eine Lösung gäbe. Nach 20 Minuten weiterer vergeblicher Bemühungen präsentiert uns Edin einen quadratischen Seidenteppich in den Maßen 60 x 60 cm.

„Das Muster stammt aus der Kuppel der Hagia Sofia in Istanbul. Man kann ihn von allen Seiten betrachten und er erscheint jedes Mal anders, je nachdem, wie das Licht darauf fällt. Sehen sie diese feine Arbeit? Seide auf Seide! 10 000 Knoten pro Quadratzentimeter. Nur unsere besten Knüpferinnen fertigen solche Kunstwerke. Da haben sie auf Lebenszeit einen Wertgegenstand und auch ihre Kinder und Kindeskinder werden noch ihre Freude daran haben. Sie erhalten von uns ein Zertifikat, das die Echtheit dieser Handarbeit bestätigt. Greifen sie zu. Gönnen sie sich jetzt etwas, solange sie sich daran noch erfreuen können."

Er beschwört uns nach allen Regeln der Kunst. Auch der Raki ist noch in unserem Kopf am Werke.

„In welcher Größenordnung bewegt sich denn der Preis?", will mein Mann nun wissen. Edin muss im Katalog nachsehen, „l 500 Euro", antwortet er.

Nun muss ich der Sache Einhalt gebieten. Ich entschuldige mich bei Edin und bekenne, dass wir uns wohl etwas übernommen haben. Unsere Preisvorstellungen sich mehr im Hunderterbereich angesiedelt und mehr können wir nicht berappen. Edin sieht seine Felle davon schwimmen und kommt uns entgegen.

„1000 Euro."

Ein Blick in unsere Gesichter lässt ihn erkennen, dass mit uns noch immer kein Geschäft zu machen ist.

„900 Euro", schiebt er nach, „weiter kann ich nicht herunter gehen."

Mit einem traurigen Blick auf die schönen Teppiche und einem bedauernden Kopfschütteln wenden wir uns zum Gehen.

„Warten sie!", ruft Edin, „bitte warten sie noch einen Moment. Ich muss mit dem Chef sprechen. Laufen sie nicht weg!".

Er eilt davon, wir bleiben unschlüssig stehen.

Nun erscheint der drahtige Manager, lässt sich von Edin noch einmal die Situation schildern, besieht sich das von uns ins Auge gefasste Stück von allen Seiten und entscheidet mit gepresster Stimme „600 Euro. Dann kann ich wenigstens eine Knüpferin für einen Monat bezahlen."

Spricht's, nickt uns zu und verschwindet.

Mein Mann rechnet sofort - 1500 minus 600 - eine Einsparung von 900 Euro. Das gibt es nicht alle Tage, Da muss man zugreifen. Die Reise war ja ein Geschenk. Also gönnen wir uns mal etwas! Wieviel wohl die Knüpferin davon bekommt?

Bestimmt nicht mehr als 100 Euro. Aber daran würde sich auch nichts ändern, wenn wir den vollen Preis bezahlen würden. Noch immer ein bisschen benommen ob unseres Entschlusses, gesellen wir uns zu unseren Mitreisenden. Keiner weiß, ob und wer einen Teppich gekauft hat. Alle stehen mit leeren Händen da und diskutieren mehr oder weniger laut. Die Einkäufe werden mit einem gesonderten Transport nach Deutschland geschickt und uns innerhalb der nächsten vier Wochen zugestellt. Aber das Geld sind wir schon mal los.

Nachdem auch die letzten Käufer oder Gucker wieder eingetroffen sind, ruft Said zum Aufbruch. Wir haben noch eine lange Fahrt vor uns. Fünf Stunden bis in unser neues Quartier in Side, etwa auf der Hälfte zwischen Antalya und Alanya gelegen.

Um uns abzulenken, erzählt er etwas über die Sitten und Gebräuche im Landesinneren, wo die Menschen noch sehr den alten Traditionen verbunden sind. Die Dörfer liegen oftmals weit auseinander und junge Menschen haben wenig Gelegenheit, jemanden für`s Leben zu finden.

Disco gibt es nicht. Kino auch nicht. Außerdem dürfen die jungen Mädchen dem Angebeteten nicht in die Augen sehen. Und der junge Mann darf seine Auserwählte nicht ansprechen. Was tun sie also? Sie treffen sich am Brunnen. Die Mädchen holen dort zur abendlichen Stunde in Krügen das Wasser für den nächsten Tag.

Die jungen Männer stehen nun und quatschen. Ist die Auserwählte an der Reihe, pfeift der junge Mann ein bestimmtes Liedchen, sodass das Mädchen weiß, das er gern mit ihr anbändeln würde. Teilt sie seine Gefühle, lässt sie aus Versehen ihr Taschentüchlein neben den Brunnen fallen. Nun weiß der junge Mann, dass er nicht umsonst weitere Bemühungen in Gang setzen kann. Er bittet einen Verwandten, den Kontakt mit der Familie der Schönen aufzunehmen. Sind die Eltern bereit, den jungen Mann in Betracht zu ziehen, treffen sich zunächst die Eltern beider Seiten und besprechen das weitere Vorgehen. Es ist noch ein langer Weg, bis die beiden sich finden. Said ist es anzumerken, dass er diese Prozedur langweilig findet. Auch unsere Mitreisenden haben es aufgegeben, auf das Happy End zu warten. Die meisten schlafen bereits. Daher strafft er nun die Geschichte und kommt zur Verlobung. Das ist nun wieder interessant, denn die junge Braut darf mit ihrer gesamten Familie mit dem Zukünftigen in die Stadt fahren und auf seine Kosten einkaufen.

Schuhe, Wäsche, Kleider, Schmuck - alles, was ihr Herz begehrt. Zum Schluss gehen alle in ein gutes Restaurant und essen sich mal richtig satt. Der Bräutigam zahlt ja. Wenn die Braut gemein ist, kehrt der Bräutigam als armer Mann in sein Dorf zurück. Und wenn sie gar der Teufel reitet, lässt sie ihm dann ausrichten, dass er doch nicht der Richtige ist. Dann muss sie allerdings auch alle Geschenke zurückgeben, nur die persönliche Bekleidung darf sie behalten. Danach sind sich die Familien dann spinnefeind. Aber so etwas kommt zum Glück für alle Beteiligten nur äußerst selten vor.

Said ist erschöpft, als hätte er selbst den Einkaufstag bestreiten müssen. Deshalb verkündet er, uns in der nächsten halben Stunde in Ruhe zu lassen und sich selbst auch ein Nickerchen zu gönnen.

Wir sind jetzt wieder auf der Passstrasse. Das Wetter ist heute sehr wechselhaft. Gerade schien noch die Sonne und nun ist alles grau in grau.

Schon prasseln die ersten Regentropfen gegen die Scheiben. Die Straße zieht sich schnurgerade durch die Ebene und steigt allmählich an. Es ist erst 14.00 Uhr, doch es ist dunkel wie kurz nach Sonnenuntergang. Die Scheibenwischer spülen inzwischen kleine Sturzbäche nach rechts und links. Richtiges Schlafwetter. Vielleicht sollte ich auch die Augen für ein Weilchen zumachen.

Da fällt mein Blick in den Mittelspiegel vorn beim Fahrer. Ich kann sein Gesicht sehen .

Warum schneidet er Grimassen? Es stört ihn keiner im Bus und auf der Straße ist weit und breit kein Gegenverkehr zu entdecken. Er legt die Stirn in Falten und verzieht die Mundwinkel. Dann kneift er sich mit der Hand in die Wange. Erst rechts, dann links. Er fährt sich durchs Haar und schüttelt den Kopf. Dann nickt er mehrmals und kneift sich erneut in die Wangen. Er streckt sich und verdreht die Schultern. Dann kneift er sich erneut in die Wangen und zieht die Ohren lang. Jetzt bin ich hellwach. Der Busfahrer ist müde!

Krampfhaft versucht er, sich munter zu halten. Nach dem Mittagessen mit dem opulenten Drei-Gänge-Menü und der endlos langen, schnurgeraden Straße fällt das Fahren schwer.

Dazu kommen noch die schummerigen Lichtverhältnisse und der nun stärker gewordene Regen. Am liebsten würde ich aufstehen und zu ihm gehen. Doch mein Türkisch ist gleich Null. Also, was soll ich ihm sagen? Inzwischen sind wir über den Pass und nun kommt eine kurvenreiche Strecke. Hat er die Augen schon zu oder kriegt er die Kurve? Angespannt blicke ich nach vorn in den Spiegel. Nein, er sieht jetzt wieder ganz normal aus. Kneift sich auch nicht mehr. Er hat die müde Phase überwunden. Die Konzentration auf die kurvenreiche Straße hat ihn wieder belebt. Welche Erleichterung! Nun kommt auch Said wieder zu sich und beginnt ein Gespräch mit dem Fahrer.

Jetzt fallen mir die Augen zu. Es ist stockdunkel und wir sind schon kurz vor unserem Ziel, dem Hotel „Sidera" in Side, als mein Mann mich aus dem Schlaf holt.

Frisch und ausgeruht erkunden mein Mann und ich am nächsten Morgen die Hotelanlage. Hier werden wir die folgenden vier Nächte verbringen. Der u-förmige Komplex liegt direkt zwischen der einzigen und daher viel befahrenen Küstenautobahn und dem östlichen Mittelmeer und wird zu beiden Seiten von weiteren riesigen Hotelanlagen eingerahmt. Sie gleichen einer Perlenkette, die eine zeitgenössische Riesin auf dem Weg zum Meeresbad abgelegt hat. Jede Perle ist ein Unikat und übertrifft die vorherige an Schönheit und Einfallsreichtum. Im Sommer, wenn die Einheimischen die Küste wegen der großen Hitze verlassen und in ihre Sommerhäuser in die Berge ziehen, sind die 362 Zimmer und 18 Suiten im „Club Sidera“ voll belegt. Ebenso die benachbarten Urlaubsdomizile. Auch viele deutsche Urlauber sind unter den Sonnenanbetern und Badehungrigen, die allmorgendlich das Wettrennen um den besten Platz am Pool starten.

Jetzt, Mitte April, ist es noch relativ ruhig. Das Hotel ist nur zu 2/3 ausgelastet und in den anderen Anlagen sieht es genau so aus, wenn sie nicht überhaupt noch geschlossen sind. Uns macht das nichts aus. Wir sind ohnehin nur zum Schlafen hier. Nach einem reichhaltigen Frühstück finden sich alle zur Fahrt nach Antalya ein. Das allmorgendliche „Günaydin" beherrschen wir nun schon aus dem effeff.

Said ist richtig stolz auf uns.

Zur Belohnung erzählt er uns während der Fahrt etwas über Antalya. Die heute 300 000 Einwohner zählende Provinzhauptstadt wurde im 2. Jahrhundert v.Chr. vom pergamenischen König Attilos II. gegründet. In ihrer wechselvollen Geschichte herrschten hier die Römer, die Byzantiner, die Seldschuken, die Osmanen und schließlich die Italiener. Der Apostel Paulus und der Hl. Barnabas verbreiteten von hier aus das Christentum.

Hadrian baute eine wehrhafte Befestigung um die Stadt, und die Kreuzritter hatten hier einen Stützpunkt. Wir werden die historischen Bauten später noch bei einem Spaziergang bewundern können. Bevor wir jedoch dorthin kommen, halten wir in einem der zahlreichen Vororte bei einer Schmuckmanufaktur an. Es ist eine der besten, natürlich. Hier ist alles echt und hochwertig. Auf dem Basar dagegen kann es passieren, dass man Imitate mit dünner Goldauflage für teures Geld erwirbt. So, wie natürlich auch die Designerklamotten von Boss und Adidas, Joop und Puma nur das Label wirklich im Original haben. Nicht umsonst sagt man: etwas ist getürkt. Wenn Said uns das sagt, muss es stimmen. Said klärt uns auf.

Said meint es gut mit uns.

Wir gehen also in die Schmuckmanufaktur.

Eine charmante junge Frau begrüßt uns mit strahlendem Lächeln und weiht uns in die Geheimnisse des Goldes und der Diamanten und deren Verarbeitung ein. Sie hält ein funkelndes Kollier in die Höhe und fragt:

"Wer würde wohl nicht gern so ein Prachtstück sein Eigen nennen wollen?" Sie blickt fragend in die Runde. Alle sehen angestrengt in eine andere Richtung.

„Unsere Auswahl ist groß. Sie werden bestimmt das Passende für sich finden. Bitte folgen sie mir in unsere Musterräume."

Ein Saal mit tausend Spiegeln, beleuchteten Vitrinen und Schaukästen öffnet sich unseren Blicken. Es funkelt und glitzert wie in der Schatzkammer der Könige. Wir sind schier geblendet von all der Pracht.

„Darf ich ihnen das Kollier einmal umlegen?"

Die charmante Empfangsdame ist plötzlich neben mir und sieht mich bittend an. Umlegen? Warum eigentlich nicht? Das kostet ja nichts.

„Sie haben ein ausgesprochen schönes Decolté. Wie geschaffen für ein Kollier. Darf ich sie hier herein bitten?"

Ehe wir recht zur Besinnung kommen, hat die Dame meinen Mann und mich in ein Kabuff gelockt und bittet uns, in bequemen Plüschsesseln Platz zu nehmen. Ich ahne schon, was jetzt kommt. Als erstes der Tee. Mit Raki für meinen Mann, Apfeltee für mich. Die hübsche Brünette hat zum Kollier passende Ohrringe und ein Armband parat.

" Das ist wie für sie gemacht. Sehen sie nur mal in den Spiegel"

Welcher Teufel hat mich eigentlich geritten, gerade heute eine weiße Bluse mit Ausschnitt anzuziehen? Ja, sieht toll aus. Ist aber nichts für mich.

„Was soll der Spaß denn kosten?"

„Nun, das ist natürlich nicht ganz billig.

10 000 Euro". Mein Mann verschluckt sich vor Schreck. Ich beeile mich, das Kollier vom Hals zu reißen und zu dem übrigen Schmuck zu legen, den ich schon abgelegt habe.

,,Wir gehören leider nicht zu den oberen Zehntausend", sage ich und hoffe, dass mein Lächeln ebenso charmant gelingt, wie das ihre. Sie nickt verständnisvoll. Inzwischen ist der Chef des Hauses eingetroffen und leistet uns etwas Gesellschaft.

„Wir haben auch sehr schöne preiswerte Sachen. Wie wäre es mit einem Kollier aus Weißgold?" Seine Starverkäuferin springt auf, um das Modell zu holen. Wir klären den Chef indessen auf, dass wir vom Lande kommen und wenig Gelegenheit haben, einen so wertvollen Schmuck zu tragen.

Selbstverständlich kann er das nicht unwidersprochen hinnehmen. Man lebt schließlich nur einmal. Wir sind in einem Alter, wo man es sich verdient hat, auch einmal an sich zu denken. Das neue Kollier mit dazu passenden Ohrringen und Armreif liegt inzwischen vor uns auf dem Tisch. Es sieht wirklich gut aus. Könnte mir gefallen. Aber einen Armreif trage ich nicht, nie. Und die Ohrringe sind zu lang. So etwas steht mir nicht. Ich weiß es. Außerdem hätte ich sowieso lieber nur einen schönen Ring. Der Chef sieht mich an und ahnt, dass seiner Mitarbeiterin noch harte Arbeit bevorsteht. Er erhebt sich. Er muss sich auch mal um die anderen Kunden kümmern.

„Sie haben eine schöne Frau", sagt die Dame des Hauses und sieht meinem Mann tief in die Augen. Er trinkt vor Verlegenheit noch einen großen Schluck Tee mit Raki.

Ich verkneife mir das Lachen. Im Übrigen bin ich Realist. Preislich sind wir mittlerweile bei 1000 Euro angekommen. Immer noch zu viel. Erneut werden prachtvolle Schmuckstücke gegen einfachere, aber nicht weniger schöne ausgewechselt. Wie lange sind wir eigentlich schon hier drin? Hoffentlich müssen die anderen nicht auf uns warten. Allmählich werde ich nervös. Die noch immer freundliche junge Frau erkennt wohl die bedrohliche Situation. Sie kommt uns mit einem neuen Modell sehr entgegen „nur" 500 Euro für das Kollier, die Ohrringe und einen Ring. Das ist doch nun wirklich fast geschenkt.

Mein Mann hat inzwischen seinen Tee ausgetrunken. Auch ihm wird die Sache langsam zur Qual.

„Das nehmen wir jetzt", sagt er.

Er freut sich, dass er mir so ein schönes Geschenk machen kann. Soll ich mich da noch widersetzen? Ganz wohl ist mir nicht dabei, aber freuen kann ich mich schon. Immerhin haben wir dabei 500 Euro eingespart.

Erleichtert gehen wir zum Bus. Wir sind bei weitem noch nicht die Letzten. So fällt es nicht auf, dass wir noch etwas erhitzt sind von dem anstrengenden Einkauf. Die Fahrt ins Stadtzentrum bringt uns auf andere Gedanken. Das heutige Antalya ist eine moderne Großstadt. Kilometer weit strecken sich die Vororte mit architektonisch interessanten Neubauten. Ansprechend ist auch die Farbgebung. Meist sind es helle Pastelltöne, die ganze Stadtviertel zieren. In ihrer Mitte befindet sich die Moschee mit dem weithin sichtbaren Minarett in der gleichen Farbe. Das sind dann die zumeist aus Spenden gebauten Gotteshäuser der Bewohner, die sich in diesem Viertel zu einer Genossenschaft zusammengetan haben und die Häuser bauen ließen.