China - immer eine Reise wert - Monika Genzow - E-Book

China - immer eine Reise wert E-Book

Monika Genzow

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Beschreibung

China - fern, fremd und geheimnisvoll. Im Jahr 2014 ging ein lange gehegter Traum in Erfüllung. Wir schenkten uns eine Reise ins Reich der Mitte. Shanghai mit beeindruckenden Wolkenkratzern und der im Stil der Kaiserzeit restaurierten Altstadt, eine Kreuzfahrt auf dem Yangtze mit Querung des Drei-Schluchten-Staudamms und Besuch der Geisterstadt Fendu, Chongqing, die Millionenstadt, die erst im Zuge des Staudammbaues entstand, Xi An mit der Terrakottaarmee und nicht zuletzt Peking, Hauptstadt, Kaiserstadt und Ausgangspunkt für den Besuch der Großen Mauer - Stationen, die uns in eine unbekannte, reizvolle und überraschende Welt führten. Die Pflege uralter Kultur und eine interessante, abwechslungsreiche Landschaft zogen uns in ihren Bann. Es war eine unvergessliche Reise!

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Seitenzahl: 155

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Konfuzius sagt: Nihau

Shanghai – traditionell und modern

Kreuzfahrt auf dem Yangtze

Tanz und Tee in Chongqing

Kotau vor der Terracottaarmee

Peking – zu Besuch in der Hauptstadt

Konfuzius sagt: Nihau

Von jeher haben Menschen das Bedürfnis, in die Ferne zu reisen und die Welt mit eigenen Augen zu sehen. Wir machen da keine Ausnahme. Diesmal zieht es uns ins Reich der Mitte.

Jahrtausende alte Kultur, faszinierende Landschaften, sagenumwobene Orte, Epoche machende Erfindungen und eine auf Traditionen gegründete Geisteshaltung kennzeichnen das alte China und machen uns neugierig auf das China von heute, das immer präsenter wird und streitbarer.

Und wir fragen uns, was wohl Konfuzius, der noch immer verehrte Weise, seinen Mitbürgern und der Welt von heute sagen würde.

Vielleicht würde er sagen:

Wenn du eine Reise tust, öffne die Augen und dein Herz und lass andere daran teilhaben.

*

Noch bevor wir überhaupt Richtung Osten in Bewegung kommen, fahren wir erst einmal mit der Deutschen Bahn nach Frankfurt/Main mit 90-minütigem Zwischenaufenthalt in Hamburg. Auf dem Bahnsteig zieht es wie Hecht und ich bin froh, dass ich kurz vor der Abreise noch ein warmes Wolltuch in den Koffer gelegt habe.

„Mach doch bitte mal den großen Koffer auf“, bitte ich meinen Mann, „mein Tuch liegt gleich obenauf“. Harald greift in seine Jackentasche und kramt ein Weilchen darin herum, kann aber die Schlüsselchen für die kleinen Vorhängeschlösser, mit denen wir unsere beiden Koffer „reisesicher“ verschlossen haben, nicht finden. Dann folgt die andere Seite, schließlich die Umhängetasche mit den Reisepapieren. Kein Schlüssel. Ich habe sie auch nicht.

„Wir müssen sie wohl zu Hause vergessen haben. Aber es gibt bestimmt hier auf dem Bahnhof eine Möglichkeit, das Schloss zu öffnen und ein neues zu kaufen.“

„Zwei“, sage ich, „wir brauchen zwei neue Schlösser.“

Mein Mann verdreht die Augen.

„Das geht ja gut los.“

Nach einigem Suchen finden wir einen Laden, der auch Kofferschlösser führt und kaufen zu einem horrenden Preis zwei neue Schlösser. Die alten kann der Verkäufer aber nicht öffnen. Das darf er nicht, sagt er, dazu ist er nicht befugt. Da müssen wir uns an die Bahnpolizei wenden.

Die Polizei erweist sich in der Tat als Freund und Helfer und ermöglicht uns mittels eines Bolzenschneiders den Zugang zu unseren beiden Koffern. So machen wir unsere erste Reisebekanntschaft.

Auf dem Frankfurter Flughafen verläuft alles nach Plan. Das Wetter ist schön, der Airbus von China-Air pünktlich zur Stelle und wir, schon leicht ermüdet, auf den über das Internet ausgesuchten Plätzen im Flieger. Nach dem Start um 20.00 Uhr taucht die Sonne zu unserer Linken die Abendwölkchen in einen rosigen Schimmer. Als wir nach 35 Minuten die Sonne immer noch auf unserer Seite haben, hege ich erste Zweifel, ob wir auch im richtigen Flieger sind. Das Wetter erlaubt eine gute Sicht nach unten und da entdecke ich eine größere Stadt, umgeben von mehreren Seen. Das könnte Schwerin sein, denke ich. Wenig später finde ich das bestätigt, denn nun macht der Flieger einen Schwenk nach Osten und ich finde erst Wismar, dann Rostock und Rügen und danach geht es hinaus auf die Ostsee.

Jetzt weiß ich auch, warum die Unterweisung durch die digitalen Stewardessen auf den Bordmonitoren auch den Gebrauch einer Rettungsschwimmweste enthielt. Wir benötigen sie aber nicht, sondern fliegen etwa in Höhe Estland wieder über Land, zwischen St. Petersburg und Moskau hindurch über endlose, unbewohnte Gebiete dem Ural entgegen. Die Jalousien werden jetzt geschlossen, das Licht auf Notbeleuchtung eingestellt und Nachtruhe empfohlen. Den Monitor mit der Fluginformationskarte lasse ich weiter flimmern. Als ich das erste Mal aus einem unruhigen Schlaf erwache, haben wir gerade den Baikalsee überflogen. Obwohl wir mit einer Geschwindigkeit von 850 km/h dahin düsen, habe ich das Gefühl, überhaupt nicht vorangekommen zu sein. Das nächste Mal queren wir gerade die mongolische Steppe. Das Rütteln der Maschine und der Blick auf die Karte zeigen, dass wir uns den Ausläufern des Kunlun-Gebirges nähern. Das Flugzeug wird im Jetstream geschüttelt. Ich schiebe die Jalousie etwas hoch und sehe einen roten Streifen im milchigen Wolkendunst. Wir sind also schon auf Südostkurs. Aber es liegen immer noch vier Flugstunden vor uns.

Gerade bin ich wieder im Halbschlaf versunken, da ertönt die wach rüttelnde, emotionslose Stimme der chinesischen Flugbegleiterin, die in drei Sprachen das Frühstück ankündigt. Es erweist sich als ein ausgewachsenes Menue. Salat, Hähnchencurry mit Reis, Kuchen und Getränke nach Wahl. Kurz nach dem Abräumen beginnt der Sinkflug. Wir verlassen die Reiseflughöhe von knapp 11000m und nähern uns ganz allmählich wieder der Erde.

Seit gut zwanzig Minuten befinden wir uns nun im Landeanflug. Endlich! Nach elfstündigem Flug und siebenstündigem Zeitunterschied landen wir bei heiterem Himmel und frühlingshaften Temperaturen in Shanghai. 9450 km liegen hinter uns.

Angestrengt blicke ich aus dem Bordfenster. Von der zweitgrößten Stadt Chinas und ihren 28 Millionen Einwohnern ist so gut wie nichts zu sehen. Ab und an tauchen schemenhaft ein paar Wolkenkratzer in der Ferne auf. Alles andere liegt im Mittagsdunst. Jetzt erkenne ich so etwas wie eine Uferlinie und Wasser unter uns.

Der „International Airport Pudong“ liegt östlich der Stadt am Rande des Chinesischen Meeres. Nur wenige Minuten später setzt der Pilot den Airbus 330 butterweich auf die Landebahn. Und nun rollen wir. Und rollen und rollen. Zwei riesige Abfertigungshallen haben wir schon passiert, aber unser Flieger rollt ungebremst weiter. 40 km2 groß soll das Areal des viertgrößten Flughafens der Welt sein. Wie lang sind da die Rollbahnen? Jetzt kommt ein drittes Terminal in Sicht und nun, endlich, macht auch das Flugzeug einen Schwenk und wir steuern das Terminal an. Wir verabschieden uns von den diensteifrigen, aber etwas reserviert wirkenden Stewardessen und eilen endlos erscheinende Gänge entlang zur Passkontrolle. Eine kleine Unsicherheit entsteht an den mit den üblichen Absperrbändern versehenen Einordnungswegen. Die chinesischen Schriftzeichen, die die Ankommenden in „Einheimische“ und „Sonstige“ sondieren, sind uns nicht geläufig. Aber der in zahllose Handys, Smartphones und Tabletts sprechende Strom der mit uns angereisten Chinesen folgt zielgerichtet den linken Schlängellinien. Also halten wir uns rechts. Da entdecken wir auch die in kleinen Buchstaben angebrachte englische Beschriftung an den Tafeln. Ohne Komplikationen passieren wir die Grenz- und Zollkontrolle und eilen mit unseren Koffern in die Empfangshalle. Hier soll uns Frau Wang Yu Yang, von nun an unsere Reiseleiterin, unter ihre Obhut nehmen.

Ein Empfangskomitee von Fähnchen und Tafeln haltenden Vertretern der verschiedensten Reisegesellschaften erwartet uns. Frau Wang bildet mit einem kleinen Fähnchen unseres Reiseveranstalters in der Hand quasi das Ende dieser Schlange. Als die Reisegruppe laut ihrer Liste komplett ist, eilt sie mit uns zügigen Schrittes aus der Halle und das ganze 200 m lange Terminal entlang zu einem Kleintransporter, der unsere Koffer aufnimmt und zum Hotel bringt, während wir schon dem ersten Höhepunkt unserer Reise entgegen sehen.

Eine Fahrt mit dem Transrapid steht auf dem Programm. Dazu kommt es jedoch zunächst einmal nicht. Es fehlen nämlich zwei Personen bei der Kofferabgabe. Bei dem vorgelegten Tempo und dem Gewusel in der Empfangshalle sind sie abhandengekommen. Um wen geht es jetzt? Noch kennt keiner den Anderen. Standen da nicht noch zwei ältere Leute bei unserer Gruppe mit solchen pinkfarbenen Hartschalenkoffern? Ja, das könnte sein. Die haben wir auch gesehen. Frau Wang spurtet zurück in die Empfangshalle und kehrt nach einiger Zeit erleichtert mit den beiden im Schlepptau wieder. Nun also noch diese Koffer in den Transporter und dann geht es im Konvoi noch einmal außen am Terminal entlang und am Ende wieder hinein, denn dort befindet sich die Endstation des Transrapid.

Er steht auch schon auf dem Gleis. Nein, das ist falsch, denn der Transrapid ist eine Magnetschwebebahn und steht demnach nicht auf einem Gleis. Jedenfalls nicht auf einem uns geläufigen. Von Bildern wissen wir, dass er vielmehr auf einer Art Betonschwebebalken sitzt, wie ein Huhn auf dem Ei. Durch Hydraulik und Magnetismus wird er beim Fahren in der Schwebe gehalten. Jetzt steht er wie ein ganz normaler ICE an einem Bahnsteig, drei Sektionen, stromlinienförmig, schnittig in Weiß und Rot. Die ersten Fotografen scheren aus der Gruppe, um den SMT, den „Shanghai Magev Train“ in voller Länge aufzunehmen. Es sind nur knapp achtzig Meter.

„Wir steigen im mittleren Bereich ein“, kann Frau Wang gerade noch rufen. „Beeilen Sie sich, der Zug fährt gleich ab.“

In der Magnetbahn sind, wie im Flugzeug, jeweils drei Plätze rechts und links in Fahrtrichtung angeordnet und mit leuchtend blauem Velour bezogen. Die Beinfreiheit ist großzügiger, sodass auch das mehr oder weniger große Handgepäck noch dazwischen passt. Eine junge Frau mit bayerischem Akzent hat einen gewaltigen Rucksack auf dem Buckel, den sie nur ungern abnimmt. Aber selbst der findet noch neben ihr und dem Vordermann Platz.

„Richten Sie sich nicht so häuslich ein“, sagt unsere Reiseleiterin, „die Fahrt dauert nur knapp zehn Minuten.“

„Wieso?“, fragt eine ältere Dame ungläubig, „ich habe gelesen, dass die Strecke 30 km lang ist. Und dann nur zehn Minuten?“

„Genau genommen würde er für diese Strecke vom Flughafen Pudong bis zur Metrostation Longyang sogar nur 7,8 Minuten benötigen, aber durch das Anfahren und Bremsen wird es etwas mehr“, klärt uns Yu Yang auf. Sie hat uns gebeten, sie doch beim Vornamen zu nennen. Kein Mensch in China spricht jemanden mit „Herr“ oder „Frau“ an, sagt sie.

„Die höchste Geschwindigkeit des Zuges lag im Test bei 501 km/h. Für den Linienverkehr waren ursprünglich 450 km/h zugelassen, aber seit dem schrecklichen Zugunglück mit vielen Toten im Süden des Landes mit einem anderen Hochgeschwindigkeitszug hat man die Höchstgeschwindigkeit des Transrapid auf 300 km/h begrenzt.“

Inzwischen sind alle Fotografen wieder an Bord.

„Wir haben gar kein Zugpersonal gesehen“, sagt einer, dem Tonfall nach aus dem Norden stammend, so wie wir.

„Die Magnetschwebebahn fährt vollautomatisch.“

Noch bevor Yu Yang antworten kann gibt ein Bayer sein Wissen kund. Und dann geht es nach einem akustischen und einem optischen Signal plötzlich los. Wie beim Start im Flugzeug werden wir in die Sitzpolster gepresst.

„Huch, gleich hebt er ab!“

„Jo, mei, das is ane Beschleunigung von 1,3 m/s oder von 0 auf 300 in 90 Sekunden. I hab`das daham scho g`lesen.“

Der Bayer, der, wie sich im Nachhinein herausstellt, ein Franke ist, hat sich gründlich auf die Reise vorbereitet. Außerdem sollte ja schließlich in München auch mal ein Transrapid den Flughafen mit dem Zentrum verbinden. War aber zu teuer und wurde erst auf Eis gelegt und schließlich ganz aufgegeben.

Während uns die Reiseleiterin noch darüber aufklärt, dass die Strecke ursprünglich 45 km lang sein und die beiden Flughäfen östlich und westlich Shanghais miteinander verbinden sollte, dies aber zu teuer wurde und es auch Proteste der Anlieger gegeben hatte, schauen wir aus dem Fenster und versuchen, aus den in Windeseile in endloser Folge vorbei jagenden Hochhäusern, Straßenschluchten, Grünflächen, Autokolonnen und wieder Hochhäusern in allen möglichen Größen, Formen und Farben einen ersten Eindruck der Megametropole Shanghai zu gewinnen. Die Sicht ist noch immer getrübt durch einen milchig weißen Dunst, der aus den niedrig hängenden Wolkenschleiern und dem aufsteigenden, feuchten Nebel des wasserreichen Umlands gespeist wird.

„Teuer“ und „Proteste“ vernehmen wir so nebenbei und hören noch einmal genauer hin.

„Die Magnetschwebebahn hat bis jetzt 1,2 Milliarden Euro gekostet. Das sind 30 Millionen Yuan pro Kilometer. Die Strecke wurde von einheimischen Betrieben unter Federführung deutscher Ingenieure gebaut. Die Bahn selbst jedoch kommt aus Deutschland und hat noch einmal 30 Millionen Yuan gekostet. Die Proteste der Anwohner richteten sich aber weniger gegen die hohen Kosten sondern mehr gegen die Wertminderung ihrer Grundstücke und Wohnungen. Der Zug verursacht zudem einen Lärm in Form von Windgeräuschen, die je nach Entfernung bis zu 80 Dezibel betragen können.“

Das ist für uns schwer nachvollziehbar, aber mir reicht schon der Lärm, den der Wind bei Sturm in unserem Kamin verursacht. Dann heult und pfeift es, als ob ein Geist darin spukt.

Der Transrapid ist jetzt merklich langsamer geworden und die Anzeige an der Stirnseite des Abteils zeigt „nur“ noch 120 km/h. Wir nähern uns der Endstation – Longyangstraße oder auch „Straße des Drachens“, wie es übersetzt heißt. Von hier aus sind es nur noch acht km bis zum Finanz- und Handelszentrum auf der Halbinsel Pudong, deren beeindruckendes Panorama uns schon aus dem Reiseprospekt bekannt ist.

„Wir werden jetzt mit dem Bus weiter bis zum Hotel fahren. Da die Rushhour schon begonnen hat, kann das 40 bis 50 Minuten dauern. Wenn Sie sich etwas ausgeruht haben, treffen wir uns um 18.00 Uhr zur Abendlichterfahrt. Nach einem kurzen Bummel auf dem Bund, der Promenade an der Schleife des Huangpo, werden wir in einem kleinen Restaurant zu Abend essen und dann noch einen Abstecher in das historische Altstadtviertel machen.“

Mein Gott! Hinter uns liegt eine sechsstündige Anreise zum Flughafen Frankfurt, ein elf-stündiger Flug, bei dem man kaum die Augen zugemacht hat, eine Hatz durch ein riesiges Flughafenterminal, ein, zugegeben, einmaliges „Schweben“ auf Stelzen durch die halbe Stadt und nun noch ein Abendbummel, dachte ich im Stillen.

Andere Mitreisende dachten nicht nur. Sie sagten es auch.

„Schlafen können Sie zu Hause“, meinte Yu Yang in jugendlichem Elan und ich dachte: Recht hat sie, wir sind hier nicht zum Vergnügen. Wir wollen etwas sehen und erleben.

Und das war erst der Auftakt.

SHANGHAI traditionell und modern

Das Hotel „New Century Puxi“ erreichen wir dank der zügigen Fahrweise Chang Lis im dichtesten Verkehrsgewimmel gegen 16.00 Uhr. Wir beziehen unser Zimmer im 13. Stock und atmen erst einmal tief durch. Die Koffer stehen schon vor der Tür. Die Kofferschlüssel sind griffbereit. Und nun schnell unter die Dusche. Erst warm, dann kalt. Jetzt fühle ich mich schon viel besser. Doch die breiten französischen Betten sind zu einladend, als dass man sie unbenutzt ließe. Es ist eine Wohltat, die Beine auszustrecken, den Rücken gerade zu machen und die Augen zu schließen. „Stell mal bitte den Wecker“, kann ich gerade noch meinem Mann zurufen. Dann bin ich auch schon eingeschlafen.

Ich kann nicht sagen, dass ich nach dem Läuten des Weckers putzmunter bin. Ich fühle mich aber doch etwas erholt und bin bereit für das abendliche Shanghai.

Mein Mann ist schon gerüstet mit Fotoapparat und ein paar Yuan, die wir bei der Bank zu Hause eingetauscht haben. Pünktlich finden wir uns in der Lobby ein. Alle Anderen scheinen auch schon da zu sein. Aber Yu Yang zählt ihre kleine Schar zur Sicherheit noch einmal und siehe da, es fehlen zwei Personen. Wer fehlt? Es ist wieder das Ehepaar, das den Anschluss schon am Flughafen verloren hatte. Aber das ist kein Problem. Yu Yang hat eine Zimmerliste und ruft sogleich dort an.

„Sie sind schon auf dem Weg, haben sie gesagt“, bringt sie uns die frohe Botschaft und da öffnet sich auch schon die Fahrstuhltür und die beiden Vermissten eilen auf uns zu.

Wir steigen in den Bus und es beginnt die Lichterfahrt.

„Wir fahren jetzt zum Bund“, unterrichtet uns die Reiseleiterin. „Das ist die Uferpromenade am Huangpu, dem Fluss, der auf einzigartige Weise das alte und neue Shanghai miteinander verbindet. Auf der einen Seite wird die Promenade von Kolonialbauten gesäumt. Auf der anderen Flussseite befindet sich das Handels- und Finanzzentrum. Hier stehen die größten Hochhäuser Chinas. Sie sind alle erst in den letzten zwanzig Jahren entstanden.“

Je näher wir unserem Ziel kommen, umso interessanter werden die Silhouetten der Wolkenkratzer. In Blau und Rot erstrahlen zwei futuristisch anmutende Kugeln, die, wie aufgespießt, einen schlanken Turm zieren.

Dicht daneben, von einem azurblauen Leuchtband gerahmt, ein steil aufragendes, nach oben spitz zulaufendes Gebäude mit einer rechteckigen Öffnung im obersten Bereich. Davor ein dunkler, quadratischer Bau mit tausend hell erleuchteten Fenstern und einem golden erstrahlenden Kuppeldach. Unser Bus hält auf dem Platz vor dem Ehrenmal für die Kämpfer der Befreiungskriege, einer von starken Scheinwerfern angestrahlten 50 m hohen, schlichten Stele. Gleich dahinter beginnt der Bund. Wir sind überwältigt von dem Farbenspiel der Skyline der Halbinsel Pudong, die sich auf dem Huangpu in eindrucksvoller Weise spiegelt. Dazu kommen ebenso farbenfreudig illuminierte Ausflugsschiffe mit dem goldenen Drachen an Bug und Heck.

„Pudong werden wir morgen noch besuchen. Dann stelle ich Ihnen auch die einzelnen Hochhäuser vor. Heute sollen Sie nur einen optischen Eindruck bekommen“, informiert uns Yu Yang.

Auf der Promenade wimmelt es von Menschen. Wir haben zwanzig Minuten Zeit zum Spazieren und Fotografieren. Hinter einer den Boulevard säumenden Grünanlage ragen die Fassaden der Kolonialbauten hervor. Wir können nicht sagen, was uns mehr beeindruckt, die jadegrün leuchtende Kuppel der im neoklassizistischen Stil erbauten ehemaligen Hongkong- und Shanghai- Bank oder die Silhouette des Peace-Hotels mit der Pyramide auf dem Dach. Eine goldene Krone als Abschluss eines Wolkenkratzers fesselt unseren Blick. Sicher ist das auch eines der Luxushotels, die im inneren Zirkel der Stadt zahlreich vertreten sind. Wir fotografieren wie die Weltmeister. Dabei wollten wir doch diesmal nicht so viele Fotos machen.

Schon steht Yu Yang wieder Fähnchen schwingend am steinernen Geländer der Uferpromenade.

„Jetzt gehen wir in ein chinesisches Restaurant gleich in der Nähe und dann fahren wir noch ein kleines Stück in die historische Altstadt“, lockt sie uns.

Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir seit dem zeitigen Mittagessen im Flieger nichts mehr gegessen haben. Im Restaurant sind drei Tische für uns reserviert für jeweils acht Personen. Runde Tische mit einer drehbaren Glasplatte in der Mitte, auf der verschiedene chinesische Gerichte in flachen Schalen die Runde machen. Dazu eine große Schüssel Reis und eine Suppe in der Terrine. Wir sind erleichtert, als wir neben den obligatorischen Stäbchen auch noch eine Gabel neben dem Teller entdecken und einen Löffel. Die Ersten langen schon eifrig zu, wenngleich auch in vorsichtigen, kleinen Kostpröbchen. Viel mehr passt auf die Dessertteller, die an jedem Platz stehen, auch nicht drauf. Aber nach dem Probieren acht verschiedener Gerichte, die allesamt sehr schmackhaft sind, ist der Heißhunger auch vorüber. Dazu noch ein chinesisches Bier und ein Schälchen grüner Tee und wir sind satt und zufrieden.

Neben mir sitzt das ältere Ehepaar, auf das wir schon mehrfach warten mussten. Sie sprechen in einer mir nicht unbekannten Sprache miteinander, aber ich kann sie nicht verstehen. Also nicht Russisch. Vielleicht Bulgarisch? Die Frau spricht auch gut Deutsch, wie ich schon bemerkte.

„Woher kommen Sie?“, frage ich.

„Ich komme aus Nieberg“, antwortet sie „und mein Mann aus der Nähe von Varna..“

Bulgarien, da lag ich doch gar nicht so falsch. Meine Neugier ist geweckt, aber bevor ich sie weiter befragen kann, drängt Yu Yang zum Aufbruch.

„Der Bus ist schon da. Bitte kommen Sie. Er kann hier nicht lange stehen bleiben. Wir müssen uns beeilen.“