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England 1637: Ein neues Leben, eine alte Familienfehde, ein rätselhafter Frauenmörder und die Passion barocker Reitkunst Mit etwas Minze in der Tasche und einem ehrgeizigen Auftrag wird der junge Lucas Fletcher in den Dienst William Cavendishs, Earl of Newcastle geschickt. Dessen Haushalt ist geprägt von Prunk, Kultur und Wissenschaft. Besonders die von Newcastle ausgeübte Reitkunst fasziniert den Pferdeliebhaber Lucas. Als vielseitiger Gehilfe des Privatsekretärs findet er Freunde - und Feinde. Unter der glanzvollen Oberfläche der Herrenhäuser verbergen sich Missgunst, Ränke und Mord. Lucas sieht sich mit einer Fehde konfrontiert, die älter ist als er selbst. Unerwartet erhält er Unterstützung von der eigensinnigen Waise Aedre, die Hunde für die besseren Menschen hält. 1642 bricht der Bürgerkrieg über England herein. Lucas, Aedre und selbst der mächtige Newcastle müssen sich dem Sturm stellen, der ihrer aller Leben nachhaltig verändern wird. Der Auftakt zu einem mitreissenden historischen Zweiteiler
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Seitenzahl: 1011
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TitelbildPuro Sangue Lusitano Hengst Magusto. Mehr über Magusto gibt es hier:https://www.sonja-weber-reitkunst.de/
Über mich
Ich habe Geschichte und Romanistik an der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster studiert. Seit 2006 bin ich selbstständige Reitlehrerin mit dem Schwerpunkt auf Klassischer Dressur. Ich lebe mit Mitbewohnerin und insgesamt drei Hunden in einem Dörfchen im Taunus. Meine eigenen Lusitanopferde erklären mir täglich die Reitkunst. Die Schriften der alten Reitmeister faszinieren mich seit meiner Studienzeit. 2023 erschien mein Debütroman „Tödliche Reitkunst“, ebenfalls bei BoD.
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Historische Persönlichkeiten kursiv
Fletcher Grange und Umgebung
Lucas Fletcher, geb. 1625
John Fletcher, Yeoman, Lucas‘ Vater
Matthew Fletcher, geb 1623, Lucas‘ Bruder
Marcus Fletcher, geb. 1620, Lucas‘ Bruder
Felicitas, seine Ehefrau
Johnny, sein ältester Sohn
Richard Emberton, Baron of Thorsby
Max Henderson, Anführer der Miliz von Scalway
Der Haushalt der Cavendishs
William Cavendish, 1. Earl of Newcastle, später Marquess
Sir Charles Cavendish, sein Bruder, Mathematiker
Elizabeth Cavendish, Williams 1. Ehefrau
Jane Cavendish, die älteste Tochter
Charles Cavendish, der älteste Sohn, später Viscount of Mansfield
Henry Cavendish, der jüngere Sohn
Sir Michael Comfrey, Sekretär des Earls, Lucas‘ Dienstherr
Moritz, sein Leibdiener
Simon Chaworth, Page
Will Style, Page
Robert of Burghleigh, Page
Stanley Emberton, geb. 1618, Mitglied des Haushalts
Geoffrey Morgan, Page
Richard Chaworth, Page, Simons Bruder
Sir Giles Delaney, Waffenmeister
Henrie Mazin, Master of the Horses
Lady Alvina Grey, adelige Zofe von Lady Elizabeth
Howard Grey, ihr Bruder
Hazel, Zofe von Lady Jane
Cath, ihre Mutter
Andere
Prince Rupert of the Rhine, später Duke of Cumberland
Aedre, das „Hundemädchen“, geb. 1629
Henrietta Maria Stuart, Königin von England
Lady Nanette Bedford, eine ihrer Hofdamen
Harold Blake, ihr Bruder
Margaret Lucas, junge Hofdame der Königin
Marston Moor
Generäle auf Seiten der Royalisten: Prince Rupert, General Goring,
Lord Eything (General King), John Byron, Lord Blakiston
Generäle auf Seiten der Parlamentarier: Oliver Cromwell, Ferdinand Fairfax, Thomas Fairfax, diverse Schotten
Prolog
Teil I
1. Große Sprünge
2. Alte Damen
3. Gentlemen und andere
4. Der Earl und sein Sekretär
5. Neue Freunde
6. Pflicht und Kür
7. Pagen
8. Grau und nass
9. Verdächtigungen
10. Ein Brief
11. Zimtzucker und Bitternis
12. Politik
13. Für eine Lady
14. Bolsover Castle
15. Rechtsfindung und Gericht
16. Principitas Hochzeitsreise
17. Prinz mit Dogge
18. Geister
19. Feuerwerk
20. Der Rauch danach
21. Little Castle
22. Himmel und Elysium
23. Verhör und Aussagen
24. Hexen
25. Verschiedene Abreisen
Teil II
26. Als Sohn
27. Für den Yeoman
28. Die Hunde der Königin
29. Loyalitäten
30. Beloved ones
31. Zwei Außenseiterinnen
32. Freund oder Feind
33. Frauen im Krieg
34. Entführt
35. Churn Oaks
36. Hausherrin
37. Vor einer Schlacht
38. Marston Moor
39. All is lost
40. Wahrheit und Lüge
41. Flucht einer Königin
42. Was bleibt und was geht
Gruß an meine Leserinnen und Leser
Historisches: Fakt und Fiktion
Nottinghamshire, Martinstag 1624
Es roch nach altem Pfeifenrauch, Hund, Leder, Staub und frischer Ölfarbe in dem vollen und unordentlichen Zimmer. Das Licht des großen zweiflügeligen Fensters fiel direkt auf ein neu wirkendes Ölgemälde. Es zeigte eine wunderschöne Frau, die dem sechsjährigen Jungen zuzulächeln schien, der sich hinter den Rücken seines Vaters drückte. Er hätte sich dort trotz der fremden Umgebung sicher fühlen sollen. Aber er wusste: Je lauter sich sein Vater gab, desto nervöser war er – und er war den ganzen Morgen über sehr laut gewesen. Dieses Zimmer mit dem Bild wirkte wie eine Drachenhöhle und der Mann hinter dem mächtigen Schreibtisch war der Drache. Wieder schaute der Junge lieber zu dem neuen Ölbild, das in der flachen, bleichen Sonne des Novembertages glänzte. Sah die Frau auf dem Bild ihn an? Sie allein wirkte freundlich. Der Junge verlagerte sein Gewicht immer wieder von einem Fuß auf den anderen, denn seine Schuhe drückten ganz fürchterlich. Aber der Vater hatte angeordnet, dass er ebendiese Schuhe tragen musste. „Einem Gentleman angemessen!“, wie er betont hatte. Es hatte ihn nicht interessiert, dass sein Sohn gewachsen war und ihm weder die Schuhe noch Wams und Hose länger passten. Alles war zu kurz, zu eng und an der einen oder anderen Stelle diskret geflickt. An Vaters Wams saß ein feiner Pelzkragen und die silbernen Knöpfe waren frisch poliert. Dass unten zwei fehlten, fiel nur auf, wenn jemand ganz genau hinschaute.
„Was soll das sein?“, fragte der große Mann hinter dem Tisch und besah sich stirnrunzelnd die Münzen, die er aus dem kleinen Lederbeutel auf die Tischplatte gegossen hatte. Der Junge wusste, mit wie viel Sorgfalt sein Vater heute früh diese Münzen in den Beutel gezählt und dann sehr tief in der Innentasche seiner Jacke versenkt hatte. Während des Ritts hierher hatte er immer wieder nach seiner linken Brust getastet, wo sich, vor den Blicken verborgen, die Innentasche befand. Der Junge hatte gedacht, dass dies mögliche Diebe doch ganz sicher darauf aufmerksam machen musste, dass sich dort etwas Wertvolles befand. Gesagt hatte er nichts, denn es war dieser Tage nicht ratsam, den Vater anzusprechen.
Der trat nun auch von einem Fuß auf den anderen, obwohl seine Schuhe passen mussten. „Nun, wie verabredet, bringe ich Euch zu Martini das Geld“, sagte der Vater des Jungen in einem Ton, als erwarte er Beifall für diese Tat.
„Ich bin schließlich ein Baron und er nur ein Bauer. Wir gehören zum Adel, hörst du, Junge? Wir sind Gentlemen und damit qua Geburt einem Bauern überlegen. Merk dir das, mein Sohn!“ So hatte der Vater auf dem Ritt hierher getönt. Jetzt wirkte er weniger selbstsicher.
„Das sind nur drei Pfund und neun Shilling. Die ausstehende Summe beträgt jedoch vierzehn Pfund. Wo ist der Rest?“, fragte jetzt eben jener Bauer, ein hochgewachsener Mann mit breiten Schultern, tiefer Stimme und Händen wie Kohlenschaufeln. Der Junge hatte nicht den Eindruck, als fühle sich der Mann irgendwie unterlegen. Ganz im Gegenteil. Er sprach überraschend leise und als er nun ein großes, in schwarzes Leder gebundenes Buch öffnete, das unauffällig vor ihm gelegen hatte, tat er das mit Bewegungen, die von häufiger Wiederholung zeugten. Dieser Mann mochte breit wie ein Ochse sein, aber unkultiviert war er ganz sicher nicht.
„Nun ja, es ist gewissermaßen eine Anzahlung“, sagte der Vater des Jungen. „Ich habe derzeit einen kleinen finanziellen Engpass und warte selbst auf ausstehende Zahlungen. Ihr wisst ja, wie das ist mit säumigen Pächtern, nicht wahr?“ Er lachte zustimmungsheischend und zu laut. Der Bauer lachte nicht, sondern runzelte nur leicht die Stirn.
„Meine Pächter haben alle pünktlich bezahlt, denn es war ein gutes Jahr und sie haben brav und vernünftig gewirtschaftet. Doch ist es nicht meine Sache, ob und wie Eure Pächter ihre Pflicht erfüllen, Emberton. Ihr wart es, der sich vor einem Jahr die Summe von vierzehn Pfund von mir borgte. Wenn ich mich recht erinnere, lauteten Eure Worte auch damals, dass Ihr Euch derzeit in einem finanziellen Engpass befändet. Ich lieh Euch die vierzehn Pfund, und Ihr habt mir dafür ein Stück Land verpfändet, dessen Lage wir in einem Dokument genau festgehalten haben. Hier habe ich dieses Dokument sowie alle Details unseres Vertrags über den Verleih des Geldes und die vereinbarten Rückzahlungsbedingungen. Für den Fall, dass Ihr Euer Exemplar nicht dabeihaben solltet, stelle ich Euch gern das meinige zur Ansicht zur Verfügung. Doch da Ihr heute hier seid, ist Euch der vereinbarte Tag der Rückzahlung nicht entgangen.“ Der Bauer hob in einer angedeuteten Frage die Augenbrauen. Schöne blaue Augen hatte er, wie dem Jungen auffiel. Er sah solche Sachen. Die Frau auf dem Bild hatte auch blaue Augen.
„Aber ja, und darum bringe ich Euch ja auch pünktlich einen Teil des Geldes, um Euch zu zeigen, dass ich durchaus gewillt bin, mich an unseren Vertrag zu halten, Yeoman Fletcher!“, sagte Baron Emberton of Thorsby, der Vater des Jungen, fast überschwänglich.
„Pünktlich wäre, wenn hier vierzehn Pfund lägen. Es sind aber nur drei Pfund, neun Shilling. Das ist nicht einmal ein Drittel der fälligen Summe. Somit erfüllt Ihr unseren Vertrag nicht, Sir“, erwiderte der Bauer unbeeindruckt. Der Junge sah von ihm zu seinem Vater. Der biss die Zähne zusammen und streckte das Kinn vor.
„Es handelt sich doch nur um eine Formalität, Fletcher. Nun habt Euch nicht so. Ihr bekommt Euer Geld früher oder später. Darauf habt Ihr mein Wort als Gentleman!“
„Wann, Emberton?“, fragte der Bauer, noch immer unbewegt.
„Na, zu Ostern – also die nächsten vier Pfund mindestens“, sagte der Baron und gab seiner Stimme einen ärgerlichen Klang, der deutlich zeigte, für wie kleinlich er John Fletcher hielt, dass er auf derartigen Nebensächlichkeiten herumritt, anstatt sich ein wenig zugänglicher zu zeigen. Die Herabsetzung, mit dem Nachnamen angeredet zu werden, überging er indes.
„Heilig Abend, Mittagsläuten, neun Pfund, drei Shilling“, sagte der Bauer kalt und immer noch eher leise. „Ansonsten mache ich von meinem Recht Gebrauch, das Pfand einzulösen. Euer Land wird dann von einem Advokaten auf mich übertragen.“
„So eine Frechheit! Fletcher, was erlaubst du dir? Ich bin ein Peer! Das Land um Thorsby gehört meiner Familie seit mehr als hundert Jahren. Erweise mir gefälligst den gebührenden Respekt!“, brauste der Vater des Jungen auf und machte einen wohl drohend gemeinten Schritt nach vorn.
„Ich erweise Euch den gebührenden Respekt, indem ich Euch weitere sechs Wochen Aufschub gewähre, Emberton. Bringt das Geld zu Weihnachten und Ihr könnt Euer Land behalten. Ansonsten werdet Ihr Euch exakt wie ein Gentleman benehmen und mir das verpfändete Land überschreiben. Und nun, verlasst mein Haus!“
Noch nie zuvor hatte der Junge gesehen, wie sein Vater so schnell die Gesichtsfarbe wechselte. Erst lief er puterrot an, dann wurde er so blass wie Milch.
„Das wird dir leidtun, Fletcher! Das lasse ich mir nicht bieten! Ich wende mich an das Königliche Gericht. Glaubst du wirklich, dass ein Bauer dann gegen einen Peer Recht bekommt, hm? Glaubst du das?“ sagte er mit mühsam gebändigtem Zorn.
„Ich vertraue auf Gott, den König und das englische Recht. Wir werden sehen, wie es geht, wenn Ihr es unbedingt darauf anlegen wollt. Aber bedenkt, dass die Kosten beim Verlierer eines solchen Rechtsstreits bleiben. Vielleicht kauft Ihr Eurem Jungen lieber ein Paar passende Schuhe von dem Geld.“
Mehr als alles zuvor beschämte es den Jungen, dass dieser Bauer das bemerkt hatte. Und es machte ihn wütend auf den Mann. Und auf seinen Vater, der ihn gezwungen hatte, diese Schuhe zu tragen.
„Als wüsste ein Bauer, was es mit Schuhen auf sich hat. Deine Rotzblagen laufen doch sicher barfuß durch den Mist!“, schäumte sein Vater.
„Ihr verlasst jetzt besser mein Haus, Emberton. Andernfalls werfe ich Euch eigenhändig hinaus und diesen Anblick möchtet Ihr Eurem Sohn ja vielleicht ersparen.“
Den gesamten Heimweg über hörte der Vater des Jungen nicht auf zu schimpfen, Drohungen und Flüche auszustoßen. Die Pest war noch eines der geringeren Übel, die er John Fletcher und seiner gesamten Familie an den Hals wünschte.
Bis Weihnachten konnte Richard Emberton nicht mehr als ein Pfund, sechs Shilling auftreiben. An welche Tür er auch klopfte, die meisten fielen direkt vor seiner Nase wieder zu. Er hatte bereits überall Schulden – das war der Grund, warum er im vergangenen Jahr den verzweifelten Schritt unternommen hatte, den reichen Großbauern John Fletcher um ein Darlehen zu bitten. Anders als ein Gentleman, der über derlei Dinge kein Wort verlor, hatte dieser grobe Klotz allerdings auf einem Vertrag mit Sicherheiten bestanden. Sir Richard Emberton borgte sich bereits durch sein halbes Leben und so hatte er der Sache keine große Bedeutung beigemessen. Man lieh sich Geld, zahlte von einem Teil davon seine Schulden bei anderen und so ging das immer fort. Bis jetzt. Anstatt ihm erneut Geld zu leihen, forderten ihn nun auch andere Gläubiger auf, endlich zu bezahlen. Da sie Gentlemen waren, taten sie es höflich. Doch ebenso höflich lehnten sie sein Ansinnen ab, ihm noch mehr Geld zu geben.
„Nein, alter Knabe, ich fürchte, das kann ich nicht machen. Ich bin gerade selbst nicht sehr flüssig“, war eine von vielen abschlägigen Antworten, die er erhielt.
Zu Weihnachten versuchte Sir Richard erst gar nicht, John Fletcher erneut aufzusuchen. Im Januar entschied ein Gericht nach kurzer Beratungszeit, dass das verpfändete Land an den Yeoman fallen sollte. Dies wiederum trat eine Lawine an Rückzahlungsforderungen los.
Am 3. Februar 1629, einen Tag vor dem siebten Geburtstag seines Sohns Stanley, erschoss sich Sir Richard im Waldstück hinter dem Haus, das ihm nicht mehr gehörte. Als sein Sohn ihn fand, hatte sich der feine Pelzkragen seines Wamses unter dem lautlos fallenden Schnee weiß gefärbt wie königliches Hermelin. Stanley ging hin, trennte ihn vom Stoff und schnitt alle verbliebenen silbernen Knöpfe ab.
There are but two things that can make an accomplish’d horse: the hope of reward, or the fear of punishment, which all the world are influenced by; and, as far as we know, God has no other means of exciting his people to virtue, but by the largeness of his infinite rewards, and the terror of the pains that are prepared for their crimes.
William Cavendish, Duke of Newcastle
Nottinghamshire, Anfang April 1637
Mit Knien und Händen klammerte sich Lucas an Hals, Mähne und Widerrist der schwarzen Cobstute fest, während diese im vollen Galopp über den Feldweg donnerte. Der letzte Matsch des Winters spritzte hoch auf und alle Amseln in den Büschen zeterten empört. Fontänen von Dreckklumpen, aufgewühlt von den kräftigen beschlagenen Hufen der Stute, flogen weit durch die Luft. Hinter Lucas schimpfte jemand lauthals, vermutlich, weil er diese Klumpen ständig abbekam.
‚Friss Dreck!‘, dachte Lucas schadenfroh, wagte aber nicht, sich nach seinem Verfolger umzusehen. Sich ohne Sattel bei diesem wilden Galopp auf dem runden Rücken der Stute zu halten, war für ihn mit seinen zwölf Jahren nicht gerade leicht. Aber die anfeuernden Flüche hinter ihm deuteten auf höchstens zehn Yards Abstand hin. Verflixt, Penny war fast genauso schnell wie ihre Halbschwester Maggie. Es würde verdammt knapp werden. Außer…
„Gut machst du das, Maggie, weiter so!“, rief er seiner eigenen Stute zu, auch wenn die keinerlei Aufmunterung brauchte. Ihr gedrungenes Äußeres ließ kaum vermuten, dass sie ein derartiges Tempo vorlegen konnte, wenn sie nur mit einem Fliegengewicht belastet und bar jeder einschränkenden Führung erst einmal in Fahrt war. Normalerweise wurde sie als braves Kutsch- und Zugpferd für die leichteren Arbeiten auf dem Hof des Yeoman Fletcher eingesetzt – aber wenn sie durfte, wurde sie schnell. Lucas bildete sich ein, dass Maggie den wilden Ritt ebenso genoss wie er selbst. In diesem Moment tauchte rechts vor ihm ein heller Fleck auf – die mannshohe Wallhecke, die neben dem Feldweg entlangführte, war dort unterbrochen, um Einlass in eine Schafswiese zu geben. Lucas, der hier jeden Grashalm kannte, traf binnen einer halben Sekunde eine Entscheidung. Gewagt, aber wenn sie aufging, würde er dieses Rennen eindeutig gewinnen.
„Hoh, Maggie, hoh hott! Hott!!“, rief er das Kommando, das alle Gespannpferde des Hofes für ‚langsam‘ und ‚rechts‘ kannten. Gleichzeitig griff er fest in den Strick, der auf der rechten Seite des einfachen Seilhalfters angeknotet war, lehnte sich in dieselbe Richtung und drückte außerdem den linken Schenkel gegen die Schulter der Stute. Aber vor allem konzentrierte er sich mit all seiner Geisteskraft auf das Bild, wie die Stute den scharfen Haken nach rechts in die Weide hineinschlagen würde – und da tat sie es, so geschickt und wendig, dass es Lucas von ihrem Rücken geschleudert hätte, hätte er sich nicht krampfhaft in ihrer langen, rauen Mähne festgehalten. Er rutschte dennoch ein gutes Stück zur Seite, klammerte sich mit dem Fuß am Rumpf der Stute fest, was diese mit einem Anlegen der Ohren, aber freundlicherweise nicht mit einem Bocken beantwortete. Dann zog Lucas sich wieder über den Widerrist der Stute und stieß einen triumphierenden Schrei aus. Auch hinter ihm schrie jemand.
„Das ist gemogelt! Bist du wahnsinnig? Das schaffst du nie!“
Lucas hielt sich nicht mit einer Antwort auf. Maggie, durch die enge Wendung aus dem Tritt gebracht, nahm wieder Schwung auf. Die Schafswiese war leicht abschüssig, stellenweise rutschig und aufblühender Löwenzahn und Hahnenfuß verdeckten mit ihrer gelben Blütenpracht Buckel und Steine. Aber Maggie war in den Bergen von Wales aufgewachsen und trittsicher wie eine Ziege. Es schien nur wenige Herzschläge zu dauern, bis sie die Wiese überquert hatte. Lucas heftete seine Augen fest auf das Gattertor, das zwischen den übermannshohen Wallhecken erst noch niedrig aussah, tatsächlich aber mindestens dreieinhalb Fuß maß, wie er nur zu gut wusste. Ebenso wie er gewusst hatte, dass es geschlossen war. Der Feldweg führte außen herum und somit war die Wiese eine Abkürzung – aber das Gatter zu überspringen, war, wie sein abgehängter Verfolger ganz richtig gerufen hatte, mindestens ein bisschen wahnsinnig. Ha, nein, es war großartig und verwegen! Die Stute spitzte die Ohren, an denen immer noch der Winterplüsch hing. Lucas presste die Beine fester um ihren warmen, leicht verschwitzten Leib.
„Wir schaffen das! Und wir werden zuerst am Hexenstein ankommen!“, rief er Maggie mit wilder Entschlossenheit und pochendem Herzen zu. Er wusste, wie gut die Stute springen konnte – aber dieses Tor war höher als alles, was er je zuvor gewagt hatte. Tod allen Feiglingen, sich selbst eingeschlossen! Dann war das Gatter unmittelbar vor ihnen. Lucas griff erneut in die dichte Mähne, Maggie drückte sich kraftvoll und ohne jedes Zögern ab. Lucas wilder Schrei stieg mit dem Pferd zusammen in die Aprilluft der Midlands. Einen Moment schienen sie zu fliegen. Bei der harten Landung wurde Lucas von dem sattellosen Pferderücken geprellt wie ein Wasserspritzer, der auf eine heiße Pfanne fällt. In hohem Bogen flog er durch die Luft, überschlug sich dabei, der Himmel stürzte auf ihn ein, oben war unten und unten oben und dann schlug er auf dem fruchtbaren Boden von Nottinghamshire auf und alles wurde schwarz.
„Recht wäre dir geschehen, hättest du dir jeden Knochen im Leib und deinen verdammten Schädel dazu gebrochen!“, schimpfte Kate, die Haushaltsvorsteherin, während sie mit einem feuchten Tuch an seinem schmerzenden Kopf herumtupfte. Kate nahm eine Art Mutterstelle bei Lucas ein, seit seine richtige Mutter vor acht Jahren gestorben war. Allerdings war sich der Junge sicher, dass diese ihn zartfühlender behandelt hätte. Lucas verzog das Gesicht, aber selbst das tat weh. Alles tat ihm weh und er war keineswegs überzeugt davon, sich nichts gebrochen zu haben.
„Bitte Kate, sollte man mit Verletzten nicht etwas sanfter umgehen?“, jammerte er.
„Du bist nicht verletzt oder zumindest nicht sehr, soweit ich bisher sehen konnte. Du bist nur ein dummer Bengel, der sich gehörig alle Knochen im Leib durchgeschüttelt hat und viel zu glimpflich davongekommen ist!“, raunzte Kate ihn an und begann nun ohne Gnade, hier und dort an ihm herumzudrücken und seine Glieder zu beugen.
„Auuuaa!“, protestierte Lucas jaulend, aber sie kümmerte sich nicht darum und fuhr so lange fort damit, bis sie davon überzeugt war, dass sich nur bewegte, was sich bewegen sollte. Lucas atmete auf, als sie endlich damit aufhörte. Erleichtert ließ er sich in das Kissen zurücksinken, konzentrierte sich auf seinen entsetzlich dröhnenden Schädel und stöhnte ein bisschen.
„Bei den Aposteln, nach denen du und deine Brüder benannt wurden, stell dich nicht auch noch an. Warte nur, bis dein Vater dich zu sich ruft! Dann wirst du dir wünschen, wieder hier zu liegen und von mir verarztet zu werden“, kündigte Kate mit dramatischer Miene an. Lucas zog das keinen Augenblick in Zweifel. Wenn er tatsächlich irgendwann wieder in der Lage war, sich von diesem Elendslager zu erheben, würde er unweigerlich zu seinem Vater zitiert werden – und dann würde alles, was ihm jetzt weh tat, in den Hintergrund treten, soviel war sicher!
„Weiß er es schon?“, fragte er Kate und schloss dabei die Augen, in der Hoffnung, dass sein Kopf dann weniger schmerzen würde.
„Was glaubst du denn? Der Yeoman hat es sofort erfahren, als Matthew und Godric dich brachten. Die verbringen den Abend jedenfalls nicht im Sitzen, das kannst du mir glauben! Du dürftest einen Aufschub bis morgen früh haben, so bleich und zerschlagen, wie sie dich hereinbrachten. Ich werde dem Yeoman aber gleich sagen, dass du zwar ganz schön durchgerüttelt bist, aber nichts ernsthaft kaputt zu sein scheint. Bei allen Heiligen, du hättest dir den Hals brechen können. Springst über dieses Gatter. Mit einem Kutschpferd! Ohne Sattel! Wenn die Stute sich nun ein Bein gebrochen hätte! Oder du!“
Lucas hatte mit seinem ersten klaren Gedanken gefragt, ob Maggie in Ordnung war. „Und ob. Ist wie der Wind zum Stall gesaust. Der fehlt nichts“, hatte Matthew ihm erklärt, dabei aber dreingeschaut, als wolle er seinen kleinen Bruder am liebsten erschlagen. „Absolut jeder im Hof wird nun wissen, dass wir ein Rennen geritten haben, und der Yeoman wird uns alle an die Scheunenwand nageln.“ Lucas war zu diesem Zeitpunkt zu benommen gewesen, um sich darum zu sorgen, aber mit jeder weiteren Minute, die nun verging, teilte er Matthews Besorgnis mehr. Yeoman John Fletcher hielt rein gar nichts davon, wenn seine Söhne sich vor ihren Pflichten drückten und eitlen Vergnügungen nachgingen. Pferderennen ohne Sattel zum Beispiel.
„Maggie kann großartig springen. Ich bin nur heruntergefallen, weil ich keinen Sattel hatte“, verteidigte sich Lucas, fast ohne nachzudenken. Kate gab einen Laut von sich, der vor allem entnervte Resignation ausdrückte.
„Deine Mutter würde sich im Grab herumdrehen, wenn sie wüsste, was du alles anstellst! Sie muss ja noch im Himmel Tränen der Besorgnis um dich weinen! Wie kommt es nur, dass aus dir solch ein Draufgänger geworden ist? Marcus ist nie so gewesen. Matthew, ja, der hat ohnehin nur Stroh im Kopf. Aber du! Du bist doch klug und liest Bücher und Magister Cornelius sagt, dass du ein heller Kopf bist und sogar studieren könntest! Aber dann machst du immer wieder solche wilden Sachen! Man sollte meinen, da führe gelegentlich ein kleiner Teufel in dich.“ Kate hantierte beim Schimpfen an Lucas‘ verdreckter, aufgerissener Kleidung herum. Die Hose hatte sie ihm wohl schon heruntergezogen, als er noch nicht ganz bei sich gewesen war. Jetzt zupfte sie an dem ruinierten Hemd herum.
„Au!“, machte Lucas, weil auch das weh tat. Gab es irgendwas an ihm, das nicht schmerzte? Gleich darauf konnte er Kate jedoch schon widersprechen
„Studieren! Pah, als käme ich jemals irgendwohin, wo es eine Universität gibt. Außerdem will ich kein Geistlicher werden.“ Was hatte seine Liebe zu Büchern und allem, was man lernen konnte, damit zu tun, dass er auch wilde Ritte liebte und von großen Abenteuern träumte?
„Zum Bauern taugst du jedenfalls nicht“, stellte Kate fest und zog ihm den einen Ärmel überraschend sanft vom Körper. Mit wenigen weiteren Handgriffen schälte sie das gesamte Hemd von der für einen Zwölfjährigen bereits recht kräftigen Brust. Noch hatte der richtige Wachstumsschub nicht eingesetzt, aber in ein paar Jahren würde er genauso groß, breitschultrig und eindrucksvoll sein wie der Yeoman selbst.
„Dann ist es ja gut, dass ich ohnehin nichts erben werde. Marcus wird der Yeoman werden und Matthew und ich können bestenfalls seine Knechte sein“, stellte Lucas nüchtern fest, was von Alters her in den Midlands und auch sonst in England Brauch war: Der Älteste bekam alles, die anderen nichts, damit der Besitz nicht aufgeteilt und geschmälert wurde.
„Was hast du eigentlich mit mir vor?“, fragte Lucas zwischen zusammengebissenen Zähnen und hoffte, dass Kate bald fertig mit ihm war.
„Ich will herausfinden, ob es Verletzungen gibt, die ich nicht bemerkt habe. Eine Rippe, die durch deine Haut sticht, ein großer Bluterguss auf deinem Bauch oder andere Sachen, die darauf hindeuten, dass du doch schwer verletzt bist. Aber wie es aussieht, hat ein ganzes Heer von Schutzengeln heute über dich gewacht. Du solltest morgen in der Kirche eine Kerze entzünden und einige Gebete sprechen!“
„Vermutlich muss ich eine ganze Nacht damit verbringen, wenn es nach Pater Blackwood geht“, murmelte Lucas. Erst seine Mutter, die sich im Himmel um ihn grämte, jetzt die Schutzengel – vermutlich würde Kate auch noch den Herrn Jesus bemühen, der seinetwegen eine schlimme Zeit hatte. Doch Lucas wünschte sich zu diesem Zeitpunkt nur eins: in Ruhe gelassen zu werden, ein paar Tage schlafen zu dürfen und seinem Vater nicht eher gegenübertreten zu müssen, bis diese grauenhaften Kopfschmerzen abgeklungen waren. In seinem jetzigen Zustand wusste er nicht, wie er die Prügel, die ihm ganz sicher bevorstanden, überstehen sollte, ohne in Tränen auszubrechen wie ein Kleinkind. Und das war wirklich das Letzte, was er wollte!
Seine Schutzengel mussten wohl noch immer im Dienst sein, denn auf geradezu wundersame Weise erfüllten sich seine Wünsche. Irgendwann verschwand Kate, himmlische Ruhe breitete sich in dem Zimmer aus, das er normalerweise mit seinem nächstälteren Bruder Matthew teilte, und ehe er es sich versah, war Lucas eingeschlafen. Mit seinem letzten wachen Gedanken fühlte er noch einmal, wie Maggie kraftvoll abgesprungen war und er gemeinsam mit ihr einen endlosen Moment lang zu fliegen schien. Das war so großartig gewesen!
Am nächsten Morgen war es mit der Sonderbehandlung vorbei. Kate erschien so früh, wie der Fletcherhaushalt nun einmal um diese Jahreszeit aufstand – mit Sonnenaufgang und das war im April verdammt früh – und scheuchte Lucas aus seinem gemütlichen Bett.
„Der Yeoman will dich mit dem achten Glockenschlag im Parlour sehen“, sagte sie mit unheilschwangerer Stimme, während sie ihm ein sauberes Hemd, die ausgebürsteten langen Hosen und die gesäuberte Weste gab, Lucas‘ übliche Bekleidung. Im Gegensatz zu den meisten Bauernkindern hatte er zudem Stiefel und für kaltes Wetter verfügte er sogar über ein langes Wams.
„Aber bis zum achten Glockenschlag ist es doch noch eine Ewigkeit!“, maulte Lucas und versuchte, sich wieder in der Decke zu vergraben. Ein Fehler, denn bei der Bewegung wurden all seine Prellungen und Stauchungen schlagartig munter und stimmten einen Chor aus Beschwerden an. „Aaautsch!“, stöhnte er.
„Du hast ja auch bis zum achten Glockenschlag noch einiges zu tun“, verkündete ihm Kate mitleidlos.
„Ich werde vollauf damit beschäftigt sein, aus diesem Bett zu kommen“, gab Lucas sich weinerlicher als ihm eigentlich zumute war. Vielleicht half es ja?
„Du hast die Stute, die du gestern durch den Schlamm gescheucht hast, blitzblank zu putzen und dich hernach in einem präsentablen Zustand vor dem Yeoman einzufinden“, sagte Kate völlig ungerührt. Natürlich, wann hätte sie sich je erweichen lassen? Und schon dreimal nicht, wenn der Yeoman irgendwas angeordnet hatte. Kate sagte nie ‚dein Vater‘, sondern, wie alle auf dem Fletcher Grange, redete sie immer nur vom Yeoman. Es war so geläufig, dass selbst seine drei Söhne ihn in Gesprächen oft so nannten. Nur wenn sie ihn direkt ansprachen, nannten sie ihn Sir oder Vater. Doch auch dann empfand Lucas kaum Nähe zu dem großen, breitschultrigen und immer etwas grimmig dreinblickenden Mann, der zwar sein Erzeuger, aber kaum je ein liebevoller Vater gewesen war. Die Gebote sagten, er solle Vater und Mutter ehren. Nun, bei seiner Mutter war das schwierig, weil sie eben tot war. Gestorben vor acht Jahren an einem jähen Fieber, das auch Lucas‘ kleine Schwester Joanna verzehrt hatte. Vielleicht war der Yeoman vorher aufgeschlossener und liebevoller gewesen. Marcus zumindest behauptete, dass er sich an Zeiten seiner Kindheit erinnern könne, in denen der Vater mit ihm gelacht und spielerisch gefochten, ihm Holzpferde geschnitzt und ihn auf die starken Nacken der mächtigen Big Blacks gesetzt hatte – Kaltblutpferde, die auf Fletcher Grange gezüchtet wurden. Aber schon Matthew war sich nicht sicher und Lucas wusste überhaupt nichts davon. Wenn es in seinen frühen Kindertagen so gewesen sein sollte, konnte er sich nicht mehr daran erinnern. In seinen Augen war John Fletcher der unnahbare, ehrfurchtgebietende Mann, der durch seine eigene Tatkraft zum reichsten Freibauern der Gegend aufgestiegen war. Es hieß, er hielte dieser Tage mehr Land als viele Angehörige der niederen Gentry und wäre so reich, dass sogar Gentlemen in finanziellen Engpässen zu ihm kämen, um Geld zu borgen. Die anderen Bauern, Pächter, Tagelöhner und Handwerker achteten den Yeoman, wählten ihn immer wieder zum Sprecher ihres Districts und zuletzt war sogar die Rede davon gewesen, ihn als Vertreter ins Unterhaus nach London zu senden. Das hatte John Fletcher jedoch abgelehnt. „So lange kann ich nicht vom Hof weg. In zwei, drei Jahren ist Marcus alt genug, hier die Stellung zu halten. Dann bin ich dem County gern zu Diensten“, hatte er gesagt.
Auf Fletcher Grange würde es nie jemand wagen, sich seinen Anordnungen zu widersetzen. Kate nicht und auch sonst niemand. Lucas wusste also, dass jeder weitere Versuch, sich zu drücken, sinnlos war.
„An deiner Stelle würde ich mich beeilen und gute Arbeit machen – du kannst jedes bisschen Wohlwollen gebrauchen, wenn du vor den Yeoman trittst. Wenn du mich fragst, sitzt du sehr tief in der Patsche!“ Mit diesen Worten rauschte Kate schon wieder aus dem Zimmer, sodass nur ein Hauch des Geruchs nach Brot und Wäschestärke zurückblieb, der ihr immer anhaftete. Lucas erinnerte sich nicht an viel von seiner Mutter – doch dass sie nach Minze gerochen hatte, das wusste er noch allzu gut. Im Sommer pflückte er deshalb immer die üppig wuchernden Blätter, trocknete sie und füllte kleine Beutelchen damit. Die steckte er sich in die Tasche und trug sie so immer bei sich, sodass er diesen Geruch selbst längst angenommen hatte. Einer der wenigen liebevollen Züge von Kate war, dass sie ihm diese Beutelchen immer umsteckte, wenn sie ihm verschmutzte Kleidung fortnahm und gegen saubere ersetzte. Als Lucas jetzt in die linke Tasche der Hose fühlte, berührten seine Finger ganz richtig das winzige Leinensäckchen. Er knautschte es, dann zog er die Finger aus der Tasche und schnupperte kurz daran. Der frischkalte Minzgeruch befeuerte seine Lebensgeister genug, um seine schmerzenden Körperteile in Gang zu bringen. Immerhin war der Kopfschmerz verflogen. Lucas ergatterte in der Küche eine Schale Porridge, die er im Stehen hinunterschlang, dann begab er sich in den Stall, um Maggie die Pflege angedeihen zu lassen, die er ihr gestern nicht mehr hatte geben können. Pferde zu striegeln gehörte zu den Aufgaben, die er am liebsten verrichtete, und so war der Auftrag des Yeoman zumindest in diesem Belang keine Strafe für Lucas. In Gesellschaft der Pferde fühlte Lucas sich wohl. Für Maggie hatte er in einem unbeachteten Moment einen verschrumpelten Winterapfel aus der Küche stibitzt. Er schuldete ihr noch was, für ihren großartigen Sprung. Sie konnte ja nichts dafür, dass er heruntergefallen war. Summend betrat er den Stall.
Er summte nicht mehr, als er sich eine gute Stunde später rasch Strohhalme aus den Haaren zupfte, Staub von der Hose klopfte, die abgelegte Weste wieder überzog, den Hosenbund geraderückte und dann tief einatmete. In der Halle, die noch wenige Jahre zuvor Tenne und Stall gewesen war, ehe der Yeoman alles zu einem beeindruckenden Herrenhaus hatte umbauen lassen, begann die Standuhr zu schlagen. Eins. Lucas sah an sich hinunter, ob er auch keinen Schmutz übersehen hatte. Oh, seine Stiefel! Zwei. Er lief zurück zur Tür, benutzte den Fußabtreter ausgiebig. Drei. So musste es gehen. Er betrat erneut die Halle. Vier. War seine Weste schief geknöpft? Nein, sie war wohl in Ordnung. Fünf. Lukas fuhr mit der Hand in die Hosentasche und knautschte erneut das Pfefferminzsäckchen. Sechs. Er roch an seinen Fingern. Aber ausnahmsweise beruhigte ihn das nicht. Er ging zu der gewichtigen Holztür, hinter der das lag, was sie das Parlour nannten. Sieben. Er hob die Hand und klopfte an. Acht.
„Komm rein!“ Es war keine höfliche Einladung, sondern ein Befehl. Nichts anderes hatte Lucas erwartet. Er holte tief Luft, dann folgte er ihm. Öffnete die Tür, ging hindurch, schloss sie und marschierte dann so festen Schrittes, wie es ihm nur zu Gebote stand, bis zu jenem unsichtbaren Punkt auf den Holzdielen, die wie dunkler Honig glänzten. Der befand sich gut zwei Yards vor dem monumentalen Schreibtisch seines Vaters, den man im Falle eines Angriffs wohl auch getrost zum Verrammeln eines Burgtores hätte gebrauchen können. Das Möbel stand über Eck, damit das Licht des großen zweiflügeligen Fensters so viel wie möglich Licht darauf werfen und somit Kerzen sparen konnte. Der Yeoman schrieb mit einer Feder in eines seiner vielen, immer gleich aussehenden Rechnungsbücher, in denen er penibel jeden Penny notierte, den Fletcher Grange einnahm oder ausgab. In einem hohen Regal standen, Lederrücken an Lederrücken, ähnliche Bücher, die Zeugnis davon ablegten, dass es viel zu notieren gab. An der dritten Wand, so dass der Yeoman freien Blick darauf hatte, hing ein Gemälde, welches eine Frau zeigte. Keine züchtige Haube bedeckte ihr langes, kastanienbraunes Haar und in ihren Händen hielt sie ein Buch. Keine Bibel, wie Lucas wusste, sondern „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare, das Lieblingsbuch von Marianne Fletcher, Lucas‘ Mutter. Jetzt stand es im angrenzenden Zimmer im Bücherregal. Der Hintergrund des Bildes zeigte einen Blick in den kleinen Ziergarten, den sie zu ihren Lebzeiten gleich hier hinter dem Haus angelegt hatte. Jetzt im April streckten lediglich die ersten Narzissen ihre Köpfe aus den Beeten. Im Bild jedoch blühten die Ramblerrosen, die sich üppig über den Rankbogen zogen, unter dem ihre Lesebank noch immer stand. Verwaist seit Jahren, es sei denn, Lucas konnte sich eine Stunde stehlen und mit einem Buch aus ihrer Bibliothek dorthin zurückziehen. Aber solche Momente waren rar auf Fletcher Grange. Lucas warf seiner Mutter einen raschen Blick zu, wie immer, wenn er in dieses Zimmer zitiert wurde. Sie schien ihn anzusehen und das schelmische Lächeln, das der Künstler ihr in Augen und Mundwinkel gelegt hatte, schien immer nur ihm zu gelten. „Ich fürchte, du wirst mein Puck“, hatte sie einmal zu ihm gesagt. Seltsam, dass er sich das gemerkt hatte zu einer Zeit, wo er keine Ahnung von den Streichen gehabt hatte, die Shakespeares Kobold im Sommernachtstraum spielte. Aber im vergangenen Herbst hatte er das Stück gelesen, auch wenn Magister Cornelius entschieden der Meinung war, dass ein Knabe seines Alters sich auf die von ihm ausgewählte Lektüre beschränken sollte, vornehmlich geistlicher Natur und in Lucas‘ Augen kreuzlangweilig. Im Bücherschrank seiner Mutter fand sich so viel interessanterer Lesestoff! Lucas war offensichtlich der Einzige, der sich daran bediente, denn die Bände standen stets unverrückt und still an ihrem Platz, wenn es ihm wieder einmal gelang, sich zu ihnen zu schleichen. Auch schien nie jemand zu bemerken, wenn er sich ein Buch auslieh, um es zu lesen. Lucas ging immer sorgsam mit diesen Büchern um. Er stellte sie unversehrt und oft mit einem Streicheln über den Einband wieder zurück, so wie er auch Maggie nach einem schönen Ritt liebkoste.
John Fletcher schrieb in Ruhe fertig, begutachtete die Seite, legte dann die Feder weg und bestreute die frische Tinte mit Sand, damit sie nicht verwischte. Sodann wartete er noch einen Moment, ehe er das aktuelle Hauptbuch zuschlug und seine Aufmerksamkeit endlich seinem jüngsten Sohn widmete. Lucas wandte ihm seinen Blick zu und gab vor, völlig ruhig zu sein. Nur in seinem Magen rumorte es heftig und er war froh, seiner Eingebung nachgegeben und noch einmal den Abort aufgesucht zu haben. Lucas hatte keine Ahnung, was ihn jetzt erwartete, aber dass es nichts Gutes war, schien ihm wahrscheinlich. Doch um keinen Preis würde er das zeigen!
„Du drückst dich vor deiner Arbeit, stiehlst ein Pferd, riskierst dessen Gesundheit, ruinierst eine Weide und bringst dich selbst ohne jede Not in höchste Gefahr. Aber am schwersten wiegt, dass du auch noch zwei andere dazu angestiftet hast, dasselbe zu tun. Hast du zu einem dieser Punkte etwas vorzubringen, was dich entlasten könnte, Lucas Fletcher?“, begann der Yeoman ohne jede überflüssige Floskel sein Gericht. Kein ‚Guten Morgen‘. Kein ‚Tut dir noch was weh, Sohn‘. Nein, John Fletcher hatte heute noch anderes zu tun und verschwendete weder Zeit noch Worte. Lucas zwang sich, hochzusehen.
„Ja, Sir“, sagte er knapp und in angemessener Lautstärke. Yeoman Fletcher konnte Duckmäuser nicht leiden.
„Das dachte ich mir. Sprich.“
„Meine Arbeit, das Hühnergehege zu reparieren, war erledigt. Und bis zur Abendfütterung war noch eine Stunde Zeit. Ich wäre rechtzeitig zurück gewesen.“ Lucas hob den Zeigefinger, um den ersten Punkt damit anzuzeigen. Sein Vater verzog keine Miene, rührte sich nicht, also fuhr Lucas fort.
„Ich habe Maggie nicht gestohlen, bloß ausgeborgt. Niemand hat sie gestern Nachmittag gebraucht. Sie stand schon zwei Tage im Stall und wollte sich so gern bewegen.“ Hier zog Yeoman Fletcher eine Augenbraue hoch, sagte aber weiterhin nichts. Lucas hob den Mittelfinger für Punkt Zwei der Anklage.
„Ohne Zaumzeug, Sattel und Peitsche kann ich Maggie zu nichts zwingen, was sie selbst nicht will. Sie wollte rennen und sie wollte über das Gatter springen. Und ich weiß, dass sie es kann. Also habe ich sie nicht in Gefahr gebracht.“ Lucas hob rasch den Ringfinger, weil er wusste, dass er sich nun auf dünnem Eis bewegte.
„Die Schafweide mag ein bisschen aufgewühlt worden sein, aber das wird dem Graswuchs keinerlei Abbruch tun, bis die Schafe darauf kommen. Ruiniert habe ich die Wiese nicht.“ Ringfinger, und er sprach noch schneller.
„Ihr haltet uns stets dazu an, uns vor Schwierigkeiten nicht zu drücken, sondern sie geradeheraus anzugehen. Genau das habe ich mit dem Gatter getan. Es ist, hm, noch nicht ganz geglückt, aber beim nächsten Mal schaffe ich es bestimmt.“ Hier traf ihn ein stechender Blick seines Vaters und er hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. ‚Beim nächsten Mal‘ war wohl keine gute Wortwahl gewesen.
„Was den letzten Punkt angeht, Sir, so musste ich Matthew und Godric nicht anstiften. Sie waren genauso für dieses Rennen wie ich auch. Matthew war nämlich überzeugt, dass er gewinnen würde, wo ich doch beim letzten Mal mit Penny gewonnen habe und er dieses Mal sie gezogen hat. Aber es liegt nicht nur an der Schnelligkeit des Pferdes, sondern auch daran, wie man es reitet.“ Jetzt war mit Lucas die Begeisterung durchgegangen und viel zu spät merkte er, dass er sich heillos verplappert hatte.
„Beim letzten Mal!“, wiederholte der Yeoman mit gefährlicher Ruhe. Verdammter, verdammter, verdammter Mist! Aber Lucas versuchte einfach, noch ein bisschen gerader zu stehen. Warum nur war er immer noch so klein? Mit nunmehr zwölf Jahren müsste er doch schon größer sein. Fünf Fuß, ein Zoll waren einfach nicht genug, um vor einem Mann wie John Fletcher zu bestehen. Der jetzt auch noch aufstand und um den Tisch herumkam, sich vor seinem Jüngsten aufbaute und auf ihn herabschaute wie eine englische Eiche auf ein Gänseblümchen.
„Da hast du dich jetzt aber so richtig in die Scheiße geritten“, stellte John Fletcher überraschend sanft fest. Lucas biss die Lippen aufeinander.
„Ja, Sir“, war alles, was er dazu sagen konnte.
„Vielleicht bist du doch nicht so klug, wie ich dachte. Nun, vielleicht lernst du daraus, dass es manchmal besser ist, einfach den Mund zu halten. Vor allem, wenn du schon so tief in der Patsche sitzt. Tja, wir werden sehen. Natürlich muss ich dich bestrafen, denn ich sehe den Sachverhalt ganz anders als du. Hm.“ Unerwartet für Lucas hielt sein Vater hier inne und sah zu dem Bild seiner verstorbenen Frau hinüber, als suche er einen Rat bei ihr. Yeoman Fletcher, der einen Rat suchte? Niemals! Fast ungeduldig dachte Lucas, dass sein Vater besser bald zur Sache käme. Sollte er schon einmal seinen Gürtel lockern? Der Yeoman wandte seine Aufmerksamkeit erneut Lucas zu und der hätte für einen Moment gern gewusst, was genau der große strenge Mann in ihm sah. Nur ein Ärgernis mit dunkelblonden Haaren, einigen Sommersprossen und der leicht knubbeligen Fletchernase, die er wie seine Brüder geerbt hatte? Oder sah er etwas von seiner verstorbenen Frau in ihm? Nein, bestimmt nicht, denn Marianne Fletcher war wunderschön gewesen und nicht einmal ihre Locken hatte er geerbt.
„Matthew und Godric werden einige Tage lang nicht sitzen können und zudem einige Sonderarbeiten zu verrichten haben, um für ihre Sünden zu büßen. Und natürlich hast du dasselbe und noch einiges mehr verdient.“
„Ja, Sir“, sagte Lucas, weil er wusste, dass dies erwartet wurde und er versuchte sorgsam, jedweden Trotz aus seiner Stimme herauszuhalten, obwohl er es immer absurd fand, seiner eigenen Strafe freudig zuzustimmen.
„Ja“, wiederholte der Yeoman, sah aber erneut zu dem Gemälde hinüber und irgendwie lag keine rechte Spannkraft mehr in seinem Körper. Was war nur los? Lucas wurde es mulmig und einen Herzschlag, ehe sein Vater weitersprach, wusste er, was kommen würde. Es fuhr ihm wie ein Faustschlag in den Magen.
„Aber ich will nicht, dass Prügel das Letzte ist, was du mitnimmst, wenn du uns heute verlässt. Es ist alles arrangiert. Du wirst noch heute nach Welbeck Abbey aufbrechen und deine Ausbildung bei Sir Michael, dem persönlichen Sekretär des Earl of Newcastle upon Tyne, beginnen. Wir werden uns lange nicht wiedersehen, es sei denn, deine Pflichten führen dich in diese Gegend.“ Jetzt sah der Yeoman wieder aufrecht und streng aus wie eh und je. Sein Blick lag auf Lucas und sein Mund war grimmig verzogen. Lucas öffnete den seinen, um zu protestieren, vielleicht sogar, um zu betteln. Aber er bekam kein Wort heraus. Er kannte alle Antworten bereits im Voraus. Alle englischen Kinder wurden irgendwann zur Ausbildung irgendwohin geschickt. Das zog sich durch alle Schichten. Sie wurden Knechte oder Mägde, Lehrlinge, sofern die Familie sich das leisten konnte. Ob Bauern, Händler, Handwerker, Gentry oder Peerage – es galt allgemein als nicht förderlich, Kinder im eigenen Haushalt zu erziehen, ausgenommen vielleicht den ältesten Sohn und Erben, wie es auch bei Marcus der Fall war.
„Matthew musste auch nicht fort“, artikulierte Lucas den Gedanken, der ihm an dieser Stelle durch den Kopf schoss. John Fletcher nickte ernst.
„Ich habe Fletcher Grange von einem kleinen Freibauernhof zu einem großen Gutsbetrieb aufgewertet. Wir halten mehr Land als mancher Baronet. Von Fletcher Grange und auf unserem Land leben inzwischen 26 Familien von Unterpächtern, Taglöhnern, Knechten und Mägden. Die Handwerker der gesamten Umgebung müssen kaum noch nach Kundschaft von außerhalb suchen und es siedeln sich jährlich neue Menschen hier an, weil Fletcher Grange der Gegend Wohlstand und Sicherheit gebracht hat. Wusstest du das, Lucas?“ Es war selten, dass sein Vater ihn so direkt ansprach und es verblüffte Lucas fast ebenso so sehr, wie die bloßen Fakten.
„Nein, nicht so richtig“, gab er zu. Sicher, Yeoman Fletcher war der reichste Großbauer weit und breit, das wusste jeder – aber in seiner ganzen Tragweite hatte sich das Lucas nie klargemacht. Warum auch?
„Und weil das so ist, braucht Marcus irgendwann zuverlässige Unterstützung. Matthew ist nicht der hellste Kopf, aber wird seinem Bruder ein loyaler Helfer sein, da bin ich sicher. Dafür hat Matthew die richtigen Eigenschaften. Boden, Menschen, Wetter, Vieh – dafür hat unser Matthew das richtige Händchen. Er wird der ideale Obmann für Marcus sein. Aber du!“ Hier hielt John Fletcher wieder inne und bohrte erneut seinen Blick in Lucas, als suche er etwas in seinem Jüngsten, von dem er überzeugt war, dass es da sein müsse.
„Du liest Bücher, wenn du glaubst, niemand bemerkt es. Du diskutierst mit jedem über alles und statt einfach zu gehorchen, willst du immer verstehen, warum du etwas tun sollst. Du stellst Fragen, wo andere hinnehmen, du willst immer wissen, was hinter der nächsten Biegung liegt, und du bringst Magister Cornelius und Pater Blackwood zur Verzweiflung, weil du immer noch ein weiteres ‚Warum‘ hast. Man kann dich schlagen oder dich hungern lassen, und beim nächsten Mal tust du doch wieder, was dir gerade in den Sinn kommt. Ein solcher Junge taugt nicht als Knecht seines großen Bruders. Ein solcher Junge muss in die Welt hinaus.“ Sein Vater hielt kurz inne und Lucas wagte kaum zu atmen. Das hatte verwirrenderweise gar nicht wie Tadel geklungen, obwohl es doch ganz sicher welche waren. Jedenfalls bekam er für all diese Vergehen regelmäßig Ärger, gleichmäßig ausgeteilt von seinem Vater, dem Magister und dem Pater. Und dennoch hatte sein Vater eben nicht ärgerlich geklungen. Was kam jetzt? John Fletcher sah schon wieder auf das Bildnis seiner verstorbenen Frau und unwillkürlich warf auch Lucas einen Blick zu der stillen und doch so ausdrucksstarken Leinwand. Ganz kurz nur, bis sein Vater weitersprach.
„Und darum wirst du auf Welbeck Abbey im Haus eines Earls dienen, bei dem die wichtigsten Leute Englands ein und aus gehen. Er hat zweimal ein Maskenspiel für den König ausgerichtet, er unterhält einen gelehrten Zirkel der klügsten Köpfe unserer Zeit und bei ihm wirst du lernen, was du hier niemals lernen kannst. Vor allem aber hast du dort die Möglichkeit, mehr für den Namen Fletcher erreichen zu können, als ich es je konnte: Du kannst dafür sorgen, dass dein Bruder irgendwann ein Baronet wird!“ Das verschlug Lucas die Sprache.
„Ein Baronet?“, stammelte er, viel zu verdattert, um irgendeinen eigenen Gedanken zu fassen.
„Ja, Sohn! Die Zeiten, in denen ein Bauer immer ein Bauer bleiben muss, sind vorbei. Heutzutage kann ein Mann in die Gentry aufsteigen, sofern er über genügend Tatkraft verfügt, seinen Reichtum und vor allem seinen Landbesitz zu mehren! Aber er braucht die nötigen Kontakte zu Leuten mit Macht und Einfluss bei Hofe. Der Earl of Newcastle ist genau solch ein Mann. Meine Kontakte reichen, dich dort unterzubringen, wenn auch zunächst nur bei seinem Privatsekretär – was eine Menge ist! Es hat mich viele Gefallen und eine schöne Stange Geld gekostet, um dich ihm anzudienen. Aber er ist ein alter Mann und wenn du dort bist und dich bewährst, kannst du irgendwann der Privatsekretär Seiner Lordschaft werden. Dann wird eines Tages die Gelegenheit kommen, die dir den Einfluss gewährt, damit dein Bruder Baronet wird! Du wirst dich bewähren und der Tag wird kommen!“ John Fletcher war nun immer dichter an seinen Sohn herangetreten. Er vibrierte förmlich vor Eifer und mühsam unterdrückter Begeisterung für seine Idee. Er streckte seine breiten, von der Arbeit rissigen Hände aus und packte Lucas bei den Schultern, bückte sich so weit hinunter, dass er seinem Jüngsten in die Augen blicken konnte und wiederholte: „Du wirst dich bewähren und der Tag wird kommen, hörst du? Versprich es mir! Versprich mir, dass du alles in deiner Macht Stehende tun und nicht ruhen wirst, bis dein Bruder die Würde eines Baronets verliehen bekommt und aus Fletcher Grange Fletcher Manor geworden ist! Versprich es!“ So dicht war nun sein Gesicht vor dem von Lucas, dass der vermeinte, ein Feuer hinter den blauen Augen seines Vaters brennen zu sehen. Am liebsten hätte Lucas sich unter den Händen, die seine Schultern hielten, weggeduckt und wäre fortgelaufen, so erschreckte ihn diese unvermutete Forderung.
‚Aber Vater, ich bin doch erst zwölf!‘, hätte er am liebsten gerufen. ‚Das kann ich niemals bewerkstelligen!‘ Er biss die Zähne zusammen und hielt still, und dann geschah etwas, das ihn mehr als jedes Gebrüll, Drohungen oder Hiebe dazu brachte, sein Versprechen zu geben: Die mächtigen Hände seines Vaters zitterten auf seinen Schultern! „Versprich es“, wiederholte John Fletcher jetzt ganz leise, fast flüsternd. „Um deiner Mutter Willen.“ Das brach jeden Widerstand.
„Ich verspreche es“, sagte Lucas mit leiser, jedoch fester Stimme und für einen kleinen Moment verspürte er jene Zuneigung zu diesem großen Mann, die ein Sohn wohl zu seinem Vater verspüren sollte. Beinah hätte er nach oben gegriffen und diese zitternden Hände umfasst. Indes kam er nicht mehr dazu, denn John Fletcher ließ ihn im selben Augenblick los.
„Gut. Dann ist das ausgemacht. Da du ein Fletcher bist, wirst du dein Wort nicht brechen!“ Da war er wieder: der unbeugsame und unnahbare Yeoman. Noch einmal warf er seinem Jüngsten einen langen, strengen Blick zu, nickte ganz leicht und drehte sich dann zur Tür. „Das ist alles. Du kannst jetzt einige Habseligkeiten zusammensuchen und dich verabschieden. Beeil dich ein bisschen damit.“
„Bringst du mich nach Welbeck?“, fragte Lucas, einfach, weil er etwas sagen wollte.
„Und der Hafer säht sich von allein in die Furche? Ich habe wahrlich keine Zeit, einen ganzen Tag eitel durch die Gegend zu kutschieren, um dich nach Welbeck zu bringen!“ Der Yeoman machte ein abfälliges Geräusch, das die Absurdität dieses Gedankens unterstrich und Lucas wünschen ließ, nicht gefragt zu haben.
„Die Schwestern Godfrey, Witwe und Schwägerin des jüngst verstorbenen Gentleman Nelson Godfrey, haben Schulden bei uns. Für eine längere Stundung bringen sie dich mit ihrem Einspänner nach Welbeck. Sie kutschieren ohnehin ständig in der Gegend herum. Sie werden bald hier sein. Ah, und diesen Brief übergibst du Sir Michael, dem Sekretär.“ Ein Griff hinter sich auf die Schreibtischplatte förderte einen gesiegelten Umschlag nach vorn, auf dem „Sir Michael“ stand. „Geh nun!“ Der Yeoman wirkte mit einem Mal ungeduldig und fast schien es, als wolle er Lucas an den Schultern packen und aus dem Zimmer schieben, damit er endlich mit seiner Arbeit fortfahren konnte. Verabschieden, hatte er gesagt.
„Auf Wiedersehen, Vater“, sagte Lucas mit dünner Stimme. Das ließ den Großbauern immerhin innehalten.
„Auf Wiedersehen, Sohn. Und Gottes Segen mit dir!“, sagte er knapp und kühl. Er hielt die Tür auf und Lucas blieb nichts anderes übrig, als hindurchzugehen.
Von den Schwestern Godfrey hatte Lucas zwar schon gehört, aber sie bislang nicht selbst kennengelernt. Zwischen ihnen auf der gepolsterten Sitzbank ihres Einachsers eingeklemmt, wünschte er nach einer Stunde, es wäre dabei geblieben. Mindestens eine der beiden Schwestern, Bethany und Abigail, redete immer. Dabei stellten sie Lucas Fragen, aber sie warteten nie seine Antwort ab.
„Erinnerst du dich denn überhaupt an deine Mutter, Junge?“
„Wie soll er sich an sie erinnern, Bethany? Er war doch noch so klein, als sie starb. Wie alt warst du noch?“
„Er kann nicht älter als vier gewesen sein, Abigail. Nun, mit vier kann man sich schon erinnern. Du weißt schon noch, dass sie die schönste Frau im ganzen County war, nicht wahr, Junge?“
„Nun ja, wenn einem eine Frau gefällt, die ihre Nase mehr in Bücher als in die Backschüssel steckt, dann natürlich. Aber man sollte doch meinen, dass der Yeoman sich eine etwas handfestere Frau hier aus der Gegend aussucht. Ist nicht gleichzeitig auch deine kleine Schwester gestorben? Das arme Ding! Wie hieß sie noch gleich?“
„Sie hieß Joanna, nach dem Yeoman, Abigail. Erinnerst du dich denn an dein Schwesterchen? War sie so hübsch wie ihre Mutter?“
In diesem Stil ging es unablässig, während ein knochiger brauner Cleveland Bay Wallach, der mindestens fünfzehn Jahre alt sein musste, den quietschenden, schlecht gefederten Wagen mal im Trab, mal im Schritt über die schlammigen Wege ruckelte. Eins musste man Abigail Godfrey lassen: vom Kutschieren verstand sie etwas, und trotz ihrer Redeflut schaffte sie es, stets den besten Teil der Straße auszumachen, die ärgsten Schlaglöcher zu umfahren und den Wallach sauber auf Spur zu halten.
Nach zwei Stunden war Lucas kurz davor, schreiend vom Bock zu springen und lieber zu Fuß hinterher zu laufen, als auch nur eine Sekunde länger dieses Sperrfeuer an Worten über sich ergehen zu lassen. Aber er wäre gar nicht heruntergekommen, denn beide Schwestern waren stämmig, der Sitz recht schmal, und Lucas war hoffnungslos eingequetscht zwischen den Damen.
„Ich muss austreten!“, sagte er schließlich in seiner Verzweiflung.
„Und da habe ich zu Lady Wentworth gesagt, dass sie in diesem Kleid aussieht wie ein Teewärmer“, kicherte Bethany gerade.
„Das hast du nicht, meine Liebe. Ich war nämlich dabei. Du hast nur gesagt…“
„Ich muss austreten!“, wiederholte Lucas lauter.
„Du hättest natürlich Recht damit gehabt. Aber natürlich muss unsereins Haltung bewahren. Doch es wäre zu komisch gewesen, hättest du …“
„Ich muss pinkeln!“, schrie Lucas.
„Na, na, na, du musst nicht gleich so schreien. So klein, dass du nicht ein bisschen einhalten könntest, bist du doch nicht mehr. Aber tatsächlich würde uns allen eine kleine Rast ganz guttun, was meinst du, Bethany?“ Abigail blinzelte über Lucas hinweg zu ihrer Schwester hinüber.
„Oh, in der Tat. Wir könnten am Stags Inn anhalten und uns dort ein schönes Mittagessen und ein Pint gönnen. Es wird recht warm heute, findest du nicht, Abigail?“
„Das ist eine gute Idee! Und du, junger Mann, bewahrst bis dahin die Fassung, hörst du!“
Hätte Lucas wirklich dringend Wasser lassen müssen, wäre das eine harte Bewährungsprobe für ihn geworden, denn sie brauchten noch fast eine Stunde, um das besagte Inn zu erreichen. Bis er dort endlich aus der Umklammerung der Ladies entlassen wurde und hinter einem Schuppen verschwinden konnte, musste er tatsächlich seine Blase entleeren. Aufseufzend lehnte er seinen Kopf für einen Moment an die kühle Schuppenwand.
„Bis wir auf Welbeck ankommen, werden meine Ohren bluten“, murmelte er zu sich selbst, während er seine Hose wieder verschloss. Am liebsten wäre er hier draußen geblieben, wo zwar der Lärm des Gasthofs zu hören war, aber endlich niemand mehr auf ihn einredete. Beim süßen Jesus! Wie konnten zwei Menschen so viel reden? Leider knurrte Lucas der Magen und hier draußen hinter dem Schuppen würde er nichts zu essen bekommen. Also musste er hinein und ein weiteres Fuder Geschwätz über sich ergehen lassen. Gott stehe ihm bei!
„Dein Vater hat dir doch sicher Geld mit auf den Weg in dein neues, vornehmes Leben gegeben, my dear?“, fragte Bethany, als er wieder auf die Ladies stieß. Die Gaststube war nach der Helligkeit des Aprilmittags ausgesprochen düster, aber Lucas meinte doch, einen geradezu gierigen Ausdruck auf den apfelwangigen Gesichtern erkennen zu können.
„Nein, das hat er nicht“, sagte Lucas abwehrend.
„Ach nun komm schon! Der reiche Yeoman lässt seinen Sohn doch nicht ohne einen Penny in die Fremde fahren. Missgönnst du zwei alten Ladies denn wirklich ein Pint?“, fragte Abigail mit schmeichelndem Unterton und beugte sich unangenehm nah zu Lucas hinüber.
„Ich habe wirklich kein Geld!“, sagte Lucas nachdrücklich und versuchte, ein wenig zur Seite zu rücken, um Abigail zu entkommen. Leider brachte ihn das nur näher an Bethany, die unerklärlicherweise plötzlich auf seiner anderen Seite saß.
„Kleiner, Geiz ist kein schöner Zug, weißt du? Es ist ein warmer Tag und wir verbringen ihn ungeschützt unter der Sonne, was gar nicht gut für unseren Teint ist. Eine Lady sollte sich der Sonne eigentlich gar nicht aussetzen, weißt du? Und wir sind zwar arme Ladies, aber immerhin Ladies. Da wirst du uns doch wenigstens einen guten Schluck gönnen. Sei ein guter Junge, ja?“ Bethany sprach ebenfalls freundlich, aber ihre blassblauen Augen blickten Lucas kalt an.
„Mein Vater hat gesagt, dass von nun an der Earl für alles sorgen wird, was ich brauche. Ich habe kein Geld!“, sagte Lucas verzweifelt, denn genau so hatte Kate es ihm übermittelt, als sie ihm die Tasche mit seinen Habseligkeiten übergeben hatte. „Deine zweite Hose, ein zweites Hemd, ein Paar Strümpfe, mehr brauchst du nicht. Dein Vater sagt, der Earl versorgt dich von nun an. Du darfst aber drei Bücher aus der Bibliothek deiner Mutter mitnehmen, hat er gesagt.“
Dieser Schatz ruhte nun ganz unten in seiner Tasche und er würde den beiden Schwestern ganz sicher nichts davon sagen. Die brachten es fertig, Shakespeares Sommernachtstraum gegen ein Pint Ale einzutauschen! Auch die kleine Börse mit Farthings und Pennys, die Lucas‘ ganze Ersparnisse darstellten, würde er in keinem Fall erwähnen.
„Hat er das gesagt? Das sieht ihm ähnlich!“ Enttäuscht wichen beide Schwestern ein Stück von Lucas zurück. Der atmete auf.
„Tja, dann fürchte ich allerdings, dass es hier auch kein Essen für dich geben wird. Das kostet schließlich Geld und der Yeoman kann nicht verlangen, dass wir dich auch noch auf unsere Kosten durchfüttern. Am besten wartest du am Wagen. Wasser darfst du sicher von der Pumpe im Hof nehmen!“
Lucas, dem bei dem Duft nach Pasteten und Eintopf bereits das Wasser im Mund zusammengelaufen war, schluckte. Wenn er zugab, doch Geld zu besitzen, indem er sich selbst etwas zu essen kaufte, würden ihm diese gierigen Weiber auch den Rest abnehmen. Aber die Köchin daheim hatte ihm eine Wegzehrung mitgeben, wie er sich jetzt erinnerte.
„Ist ein langer Weg nach Welbeck und du musst noch wachsen!“, hatte sie auf ihre brummelige Art gesagt und ihm dabei ein Leinentuch in die Hand gedrückt, das zu einem bauchigen Beutel gebunden war. Es duftete nach dem frischen Brot, das sie jeden Morgen in großen Laiben backte, um einen Haushalt voll schwer arbeitender Menschen satt zu bekommen.
„Fein“, sagte Lucas also so würdevoll wie möglich. „Ich warte draußen. Da ist die Luft sowieso besser.“
„Jetzt noch frech werden! Du kannst auch nach Welbeck laufen, Bürschchen!“, ereiferte sich Bethany und ihre geschwätzige Freundlichkeit vom Morgen war wie weggeblasen.
„Dann wird der Yeoman Euch wohl kaum die Stundung und den Nachlass gewähren, mit dem er für diese Fahrt bezahlt“, versetzte Lucas kühl und war sehr dankbar, dass sein Vater ihm diese Information mitgegeben hatte. Und ausnahmsweise fiel Bethany und Abigail dazu nichts ein. Lucas sah zu, dass er nach draußen kam.
Die Weiterfahrt verlief schweigsam und dafür war Lucas dankbar. Statt ihn zwischen sich einzuquetschen, hatten die Ladies ihn nach hinten verbannt, wo normalerweise die Jagdhunde untergebracht wurden. Lucas war das nur recht, denn die Damen rochen seit dem Mittagsimbiss intensiv nach Ale. Sie hatten sich ihre Pints offenbar nicht entgehen lassen und Lucas überlegte, dass sie den Schuldennachlass vermutlich direkt in flüssigem Gold angelegt hatten. Nun, das war nicht seine Sache. Mit baumelnden Beinen und Ausblick auf langsam vorüberfließende Landschaft, hatte Lucas endlich Zeit zum Nachdenken. Seit er sich gestern auf Maggies breiten Rücken geschwungen hatte, schien ein Erdrutsch über ihn hereingebrochen zu sein, der alles mitgenommen hatte, was bislang sein Leben ausgemacht hatte. Nur immer noch schmerzende Blutergüsse waren ihm geblieben. Lucas war klar, dass sein Vater seine Unterbringung auf Welbeck schon lange geplant haben musste, und diese Reise nichts mit seinem verbotenen Ritt zu tun hatte, aber dennoch blieb ein nagendes Gefühl von – ja, was? Hilflosigkeit, das mal in jedem Fall. Niemand hatte ihn gefragt, ob er nach Welbeck wollte, um für irgendeinen fremden Sekretär zu arbeiten. Bei einem Earl! Himmel, sein Vater schimpfte immer auf diese Leute, die ohne zu arbeiten, Macht, Geld und Land besaßen. Und trotzdem wollte er, dass Marcus irgendwann so einer wurde. Ein Baronet –weit von einem Earl entfernt, aber nichtsdestoweniger ein Adeliger mit Titel und Wappen und all dem Kram. Und ausgerechnet er, Lucas, sollte diesen Aufstieg in die Wege leiten! Das war alles so unwirklich! Doch außer von diesem Wagen zu springen und fortan wie ein Geächteter im Sherwood Forest zu hausen, gab es nichts, was Lucas daran hätte ändern können. Und so rollten die Meilen gemächlich unter seinen baumelnden Füßen vorüber und sie kamen Welbeck Abbey immer näher.
Lucas musste ein bisschen eingenickt sein. Er merkte es nur, weil er hochschrak, als das Ruckeln des Wagens mit einem Mal aufhörte und ihm eine der Schwestern – ob es Abigail oder Bethany war, konnte Lucas in dem Moment nicht ausmachen – zurief: „Steig ab!“
„Was? Sind wir da?“, fragte Lucas verwirrt und versuchte, sich zu orientieren. Sie standen mitten in der leicht gewellten Landschaft der Midlands, in denen immer wieder Bäume mit ausladenden Kronen das Weideland tupften, während Wallhecken die einzelnen Felder unterteilten. Der Einachser hielt auf einem Hügel, an einer Wegkreuzung, die von einem verwitterten Steinkreuz bewacht wurde.
„Nein, aber von hier aus kannst du dich nicht mehr verlaufen. Du gehst den Weg da hinunter, dann kommst du direkt nach Welbeck Abbey. Das Schloss ist so groß, das kannst du nicht übersehen“, sagte Abigail, die sich nach ihm herumgedreht hatte. Sie fuchtelte mit der Fahrpeitsche diffus in eine Richtung irgendwo links des Gespanns.
„Ihr solltet mich bis Welbeck bringen“, wagte Lucas einzuwenden.
„Aber das haben wir doch. Hier beginnt das Land von Welbeck Abbey. Du betrittst es, sobald du diesen Weg dort einschlägst“, sagte Bethany mit einem hintergründigen Lächeln. „Wir müssen weiter nach Worksop und es ist schon recht spät. Zum Schloss geht es von hier aus nur bergab. Bedeutet, dass unser armer Ben hier“, sie wies auf den Wallach, „sich hernach den ganzen Hügel wieder hinaufmühen müsste. Nein, nein, du kannst mit deinen jungen Beinen laufen und wir sind noch rechtzeitig in Worksop. Nun steig endlich vom Wagen!“ Der letzte Satz klang harsch und ungeduldig. Lucas fragte sich, wofür die Schwestern „rechtzeitig“ in der Marktstadt Worksop ankommen mussten, schenkte sich die Frage dann aber. Im Grunde machte es ihm nichts aus, ein Stück zu laufen. Nach den Stunden auf dem Karren fühlte er sich steif und durchgerüttelt. Aber bei dem Gedanken, ganz allein in Welbeck Abbey aufzutauchen, wurde ihm schon ein bisschen mulmig.
„Hättet Ihr mich denn nicht direkt an Sir Michael in Welbeck übergeben sollen?“, fragte er, wobei er vom Wagen sprang und seine Tasche zu sich hinunterzog. Fast im selben Moment ließ Abigail die Peitsche schnalzen und der Wallach Ben zog gehorsam prompt an.