Reliquiem - Dennis Vlaminck - E-Book

Reliquiem E-Book

Dennis Vlaminck

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Beschreibung

März 1181: Tausende Pilger strömen in das tief verschneite Köln, um Ostern zu feiern, da versetzt ein Reliquiendieb die Stadt in Aufregung. Im Dom ersticht er einen Priester, in der Kirche der heiligen Jungfrauen erschlägt er eine Kanonisse. Unter Verdacht gerät der französische Mönch Imbert von Grandmont. Um seine Unschuld zu beweisen, macht sich Imbert gemeinsam mit Jaspar, dem jungen Gebeingräber vom Ursula-Acker, auf die Suche nach dem wahren Mörder. Schon bald befinden sich die beiden mitten in der Jagd nach der heiligsten Reliquie der Welt. Doch die Zeit drängt: Der Mörder schlägt wieder und wieder zu.

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Dennis Vlaminck wurde 1970 in Jülich geboren. Er studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften in Köln, arbeitete mehrere Jahre als Nachrichtenredakteur für die Kölnische Rundschau und schreibt nun unter anderem für den Kölner Stadt-Anzeiger. Im Emons Verlag erschienen seine Kriminalromane »Reliquiem« und »Domfeuer«.

Dieses Buch ist ein Roman, und alle darin geschilderten Ereignisse sind frei erfunden. In besonderem Maße gilt das für Handlungen und Äußerungen der auftretenden oder erwähnten Personen, auch wenn einige von ihnen nicht der Phantasie des Autors entsprungen sind. Darüber hinaus sind Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen rein zufällig.

© 2012 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, Leck Erstausgabe 2008ISBN 978-3-86358-170-1 Originalausgabe

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Dienstag, 31.März 1181, in der Karwoche

Der schwarze Hund hatte eine Witterung aufgenommen. Er presste seine Nase auf den schneebedeckten Boden der Grube, atmete gierig die Luft ein und stieß sie schnaubend wieder aus. Mit den Vorderpfoten scharrte er den Schnee beiseite und kratzte die nur leicht gefrorene Erde auf. Zuerst schaufelte der Hund den Dreck mit gleichmäßigen Bewegungen durch die Hinterläufe, dann immer aufgeregter. Der betörende Duft des Todes, den er durch sein Wühlen freisetzte, stachelte ihn an. Tiefer und tiefer stieß er ins Erdreich vor, bis seine Pfoten endlich eine helle, glatte Halbkugel freilegten. Er schnüffelte und leckte an dem Schädel, der bis zum Stirnwulst aus dem Schmutz ragte.

»Naseweis!«

Der schwarze Hund reckte den Kopf aus dem knietiefen Loch und hielt Ausschau nach dem Mann, der ihn gerufen hatte. Jaspar stand nur einen Steinwurf entfernt mit einer Schaufel in der Hand in einer anderen Grube. Der junge Mann hatte sein Tagewerk schon beenden wollen, als er aus dem Nachbarloch im hohen Bogen Dreck fliegen sah. Sein ständiger Begleiter Naseweis war wieder fündig geworden. Und das ausgerechnet in der Grube, in der er eben noch gegraben, sie aber aufgegeben hatte, weil er nicht mehr daran glaubte, hier auf Gebeine zu stoßen.

»Hast du etwas entdeckt?«, fragte Jaspar, ohne eine Antwort zu erwarten.

Jaspar war nicht übermäßig groß, aber doch kräftig gewachsen. Seine Züge waren weich, sein Blick aus braunen Augen freundlich und offen. Durch den knirschenden Schnee stapfte er zu seinem Hund. Naseweis sprang schwanzwedelnd aus der Kuhle, um stolz seinen Fund freizugeben. Jaspar stieg zu dem Schädel hinab, rieb den Schmutz ab und vergewisserte sich, dass sein Hund tatsächlich auf die Überreste eines Menschen gestoßen war. Er verzog den Mund. So recht wollte ihm der Schädel nicht gefallen.

»Gut gemacht, Naseweis«, lobte Jaspar. Aus der Grube heraus streichelte er seinen Hund, dem er nun Auge in Auge gegenüberkniete. »Du hast den Kopf einer Jungfrau gefunden. Pater Egilolf wird sich gewiss freuen. Aber leider ist dieser Schädel viel zu schön.«

Er richtete sich auf und lugte zuerst nach rechts und dann nach links, wo in etwa hundert Schritt Entfernung Pater Egilolf einen weiteren Ausgräber beaufsichtigte. Der hünenhafte Zacharias war damit beschäftigt, dem Boden eine neue Grube abzutrotzen. Weder Egilolf noch Zacharias hatten in ihrem Eifer von Naseweis’ Entdeckung etwas mitbekommen. Keuchend hob Zacharias seine Hacke zu einem weiteren Schlag über den Kopf.

Auch Jaspar hob die Schaufel, wenn auch nicht ganz so hoch. Im gleichen Augenblick, als Zacharias sein Werkzeug in die Erde rammte, schlug Jaspar mit der Kante seiner Schaufel auf den Schädel ein. Ein fingerlanges Stück Knochen brach knackend ab. Jaspar stellte erleichtert fest, dass Egilolf und Zacharias nichts gehört hatten. Flink bückte er sich nach dem Bruchstück und warf es weit von sich in den knöchelhohen Schnee. Während Naseweis dem Knochensplitter hinterher sprang und sich schmatzend daran zu schaffen machte, drückte Jaspar etwas Dreck in die frisch geschlagene Spalte. Dann stieg er wieder aus dem Loch und rieb sich seine kalten Hände. Es konnte beginnen.

»Pater Egilolf, Pater Egilolf! Kommt, bitte! Ich glaube, ich habe wieder etwas gefunden.«

Egilolf, ein feister Mann mit kahlem Schädel, raffte seinen Umhang, den er über die feinen Gewänder geworfen hatte, und bahnte sich einen Weg durch den Schnee. Zacharias, der einen Kopf größer war als Egilolf und neben dem selbst der dicke Kanonikus schwächlich und unscheinbar wirkte, folgte ihm behäbig. Am Rand des Lochs angekommen, starrte Egilolf auf den Schädel, der noch immer in der Erde steckte.

»Beiseite, mein Sohn«, sagte Egilolf und setzte vorsichtig, beinahe ehrfürchtig einen Fuß nach dem anderen in die Grube. Unter seinem Umhang zog er ein Messer mit einem kunstvoll gearbeiteten Silberschaft hervor und grub damit den Fund aus der Erde. Mit beiden Händen hob er den Schädel hoch und entfernte den Dreck aus den Augenhöhlen, was ihm einige Mühe bereitete, weil ihm an der rechten Hand zwei Finger fehlten. Dann küsste er den Knochen auf die blasse Stirn.

»Der Herr sei gepriesen. Wieder ein Haupt einer Jungfrau aus der Schar der heiligen Ursula.« Er blickte auf die Kerbe, die Jaspar eben erst geschlagen hatte. »Sie trägt das Zeichen ihres grausamen Märtyrertodes. Gute Arbeit, mein Sohn. Wirklich gute Arbeit. Ich will dir deinen frommen Fund entgelten, sobald wir zum Stift zurückgekehrt sind.«

Egilolf schlug mit seiner Rechten das Kreuzzeichen und breitete die Arme zu einem stillen Gebet aus. Und Jaspar atmete durch. Es war ihm wieder einmal gelungen, mit einem kleinen Schwindel die Begierde des Kanonikers zufriedenzustellen.

Er kam über die Römerstraße von Westen. Als der Mönch von ferne die Mauern und Türme Kölns sah, hielt er seinen Maulesel zur Eile an. Die noch kalte und kraftlose Frühjahrssonne, die in seinem Rücken stand, warf bereits einen langen Schatten auf die Straße. Je näher er der Stadtmauer kam, desto mehr Menschen begleiteten ihn auf seinem Weg. Doch während diese in die Stadt drängten, um hier das bevorstehende Osterfest zu feiern, kam der Mönch mit einem Auftrag. Dafür hatte er das Einsiedlerkloster Grandmont verlassen und den weiten Weg aus dem Herzen Frankreichs auf sich genommen.

Die Kapuze seines Umhangs gegen die schneidende Kälte tief ins Gesicht gezogen, stieg er kurz vor dem Stadttor von seinem Maulesel. Er führte das Tier von nun an am Zügel über die Straße, auf der Schnee und Schlamm zu einem braunen Brei zertrampelt waren. Bevor er durch das Tor trat, atmete er noch einmal tief durch, denn nach all den Jahren harten und enthaltsamen Lebens hinter Klostermauern, das Spuren in seinem Gesicht hinterlassen hatte, war er das laute und bunte Leben der Stadt nicht mehr gewohnt.

Er strebte dem Dom zu, dessen Türme gelegentlich weithin über den Dächern der Häuser zu sehen waren. Als er die Kirche Sankt Cäcilien hinter sich gelassen hatte und seinen Maulesel in eine enge Gasse führte, hätte seine Reise fast doch noch ein unglückliches Ende genommen. Aus einem offenen Tor rannte unvermittelt eine quiekende Sau auf den Weg. Die Menschen stoben erschrocken auseinander, und der Maulesel des Mönchs scheute. Das schwere Tier glitt auf dem schlammigen Boden aus, fiel auf die Seite und hätte den Franzosen um ein Haar unter sich begraben. Der erschöpfte Maulesel stemmte sich wieder auf die Beine, und dem Mönch gelang es nur mit Mühe, die Zügel nicht aus der Hand zu geben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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