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2306. Neu-Babel, die legendäre Stadt des Reichtums: Alte Hochtechnologie und skrupelloser Handel bescheren den Stadtbewohnern, die sich in luftiger Höhe gegen den Rest der Menschen abschotten, Unabhängigkeit und Reichtum. Aber selbst hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Und nicht jeder, der es sich wünscht, darf am großen Wohlstand teilhaben. So ergeht es auch Nele. In der Hoffnung auf ein besseres Leben zieht sie mit ihrem Gefährten Gazael nach Neu-Babel, wo sich der Traum vom Glück in einen Albtraum verwandelt. Als sie auch noch an "Verfall" erkrankt, scheint ihr Schicksal besiegelt. Doch sie nimmt den Kampf auf und begibt sich auf die schier aussichtslose Suche nach einem Heilmittel. Für den ultrareichen Lukures ist das Leben ein einziger Rausch aus Drogen, Dirnen und anderen Belustigungen. Er genießt sein Leben in vollen Zügen – bis die Reize plötzlich fad schmecken und die Welt an Farbe verliert. Mit allen Mitteln versucht er, der wachsenden Leere zu entkommen, aber erst ein dunkler Kult bringt ihn seinem Heilmittel schließlich einen Schritt näher. "Remedium" ist der packende zweite Teil der Reihe "Die Erben Abaddons", in der sich Postapokalypse, Science-Fiction und Adventure zu einer neuen, faszinierenden Wirklichkeit vereinen.
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Seitenzahl: 242
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Die Erben Abaddons
Band 2: Remedium
von
Thomas Lohwasser
Vanessa Kaiser
Thomas Karg
Die Erben Abaddons
Band 1: Nimmerland
Band 2: Remedium
Band 3: Skotophobia (in Vorbereitung)
© 2019 by Verlag Torsten Low,
Rössle-Ring 22, 86405 Meitingen/Erlingen
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Karte, Cover:
Christian Günther
Lektorat und Korrektorat:
T. Low
eBook-Produktion:
M. Berchtold, T. Low
ISBN (Buch): 978-3-96629-001-2
ISBN (mobi): 978-3-96629-302-0
ISBN (ePub): 978-3-96629-303-7
Inhalt
1: Lumpenbabel2: Prachtbabel3: Verfall4: Venomida5: Grenzen6: Erfüllung7: Neue RegelnDanksagungDie Autoren
Die Erben Abaddons – Remedium
»Remedium«, lat. »Heilmittel«
»Abaddon«, von hebr. abad »Untergang, Vertilgung, Abgrund«
Nur wenige überlebten die Ressourcenkriege.
Noch weniger überstanden die Globale Pandemie.
Das Leben war ein anderes für die Generationen,
die nach der Alten Zivilisation kamen.
Doch sie existieren noch heute – hundertfünfzig Jahre,
nachdem die Welt auseinanderbrach.
Sie sind die Erben des Untergangs.
»Nach drüben kommst du nur in Ketten.«
Geflügeltes Wort in Braunbabel
1
Lumpenbabel
Am Fuße Neu-Babels, vor zwei Jahren, 2304.
Zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch sahen Gazael und Nele wieder andere Menschen, falls man bei ihnen von »Menschen« sprechen konnte. Sie befanden sich hinter grobmaschigen Zäunen – abgemagerte und bleiche Kreaturen in schmutzstarrenden Lumpen. Die meisten von ihnen hockten nur da, mitten in ihrem eigenen Unrat, und starrten stumpf ins Nichts oder wiegten sich vor und zurück.
Die zwei gigantischen Plattformen, die jeweils von einer riesigen Säule getragen wurden, hüllten dieses Elend in gnädige Schatten und brachten angenehme Kühle. Der Gestank jedoch, der von den abgetrennten Bereichen herüberdrang, raubte Nele fast den Atem.
Sie setzte zum Sprechen an, als in der Nähe ein dumpfer Schlag ertönte. Eine Staubwolke verriet, dass etwas aus großer Höhe auf den harten Sandboden gefallen war. Augenblicklich gerieten die Bleichen hinter den Zäunen in Aufruhr, hetzten wie hungrige Warane auf die Absturzstelle zu. Einer von ihnen packte das, was auch immer dort lag, und biss hinein. Ein zweiter krallte sich ebenfalls in dem Ding fest. Heisere Rufe, sogar einzelne Schreie drangen aus mehreren Kehlen, als der ganze Pulk versuchte, sich dieses rot triefende Etwas gegenseitig aus den Händen zu reißen. Erst jetzt erkannte Nele, dass es sich um eine fette Nacktratte handelte.
Erschüttert wandte sie sich ab und presste sich an Gazaels Schulter. »Wie grausam!«
»Hab keine Sorge. Wir werden den Boden verlassen und dort oben leben.« Gazael deutete auf die riesige, runde Plattform, unter der sie durchgingen. »Du verdienst Neu-Babels Sicherheit.«
Er schwieg einen Moment, bevor er sagte: »Ich habe diese Menschen schon einmal gesehen.«
»Tatsächlich?« Nele bedachte ihn mit einem überraschten Blick.
»Vor Jahren. Ich bin damals noch hergewandert, um den Neu-Babelern Waranfleisch zu verkaufen, sie zahlten reichlich. Zu der Zeit gab es keine Zäune. Der Wärter an der Säule prahlte aber schon damit, dass man die Müllfresser aussperren will, um den Weg für die Händler und Edelsteingräber sicherer zu machen.«
»Schrecklich …«, murmelte Nele. »Wieso warst du nie wieder hier?«
»Ich gehe nicht mehr mit, seit du dich uns angeschlossen hast. Der Weg ist weit. Ich habe es dir nie gesagt, aber ich wollte nicht mehr so lange von dir fort sein. Ich weiß, wie schwer es für dich war, allein mit dem Clan zu sein.«
Er beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Meine Tapfere.«
Nele lächelte ihn an, dann wurde ihr Blick wieder von den Unseligen hinter den Zäunen angezogen.
»Du fühlst mit ihnen«, bemerkte Gazael.
»Sieh sie dir doch an, so ausgesperrt und abgeschnitten von allem! Man lässt ihnen ja gar keine Wahl.«
Gazael blieb stehen und drehte Nele sanft zu sich. »Lähme deinen Geist nicht mit solchen Gedanken. Man hat immer eine Wahl.«
Sie senkte den Blick. »Das klingt gefühllos, selbst für einen Waranjäger wie dich.«
Gazael streichelte ihr über die langen, braunen Haare. »Ich fühle mit denen, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen. So wie du es immer getan hast. Wäre deine Hartnäckigkeit nicht gewesen, wären wir jetzt nicht hier.« Er bedachte sie mit zärtlichem Blick, dann zog er sie an sich. »Ich bin stolz, dass du unseren Sohn austrägst«, murmelte er in ihr Haar.
Dann nahm er ihre Hand, und gemeinsam gingen sie im Schatten der gigantischen Plattform auf die schwarze Säule zu, die breiter und höher und verheißungsvoller war als alles, was Nele je gesehen hatte.
Neu-Babel, Westplattform, heute, 2306.
Nele erwachte am Abend aus unruhigem Schlaf. Geradezu ohrenbetäubend klapperte die Rückwand ihrer zwei mal drei Schritt kleinen Blechhütte. Sie ertrug es fast nicht mehr. Zu dieser Jahreszeit stürmte es jeden Tag wenigstens einmal in solcher Stärke. An eine Reparatur war allerdings nicht zu denken, sie hatte größere Sorgen.
Wenn es nicht der Wind war, der sie weckte, dann waren es wahlweise Durst, Hunger oder einfach die brachiale Hitze. Die Blechhütte mit den Luftlöchern an der Decke hatte Ähnlichkeiten mit dem Ofen in Toras Garküche, doch auf der Straße zu schlafen, war in dieser Gegend keine gute Idee, wenn man nicht ausgeraubt, vergewaltigt oder getötet werden wollte.
Schwerfällig tastete sie nach ihrem Solar-Minilenser, klemmte ihn ans Ohr und knipste das kleine Licht daran an. Dann zog sie ihr Hemd und die Hose aus braunem Synthoplast über – einem Stoff, der gerüchtehalber noch von Materialrollen aus der Alten Zeit stammte, die in den Kellern unterhalb Neu-Babels lagerten. Steif und unbequem wie er war, stellte er doch für die Menschen auf der Plattform der Armen, »Braunbabel« oder »Lumpenbabel« genannt, die einzige bezahlbare Möglichkeit dar, sich Kleidung anzufertigen.
Sie kratzte über ihre Haut, die vom ewigen Sand, den der Wind durch jede Ritze trug, wundgeschmirgelt war. Ihr ganzer Mund fühlte sich pelzig an und ihre Zunge klebte dick und taub am Gaumen. Sie schloss die Augen. Nele hatte die Berge im Westen bisher nur von Weitem gesehen, graubraun und massig, doch mittels der Kraft ihrer Vorstellung sah sie sich selbst im grünen Gras stehen und von dem Wasser der Bäche trinken, die es dort geben sollte.
Mit Mühe sammelte sie ein wenig Speichel und schluckte. In ihrer Fantasie rann herrlich kaltes Wasser ihre Kehle hinunter. Manchmal half das über den gröbsten Durst hinweg, doch als sie die Augen wieder öffnete, wurde ihr bewusst, dass Vorstellungskraft allein sie nicht mehr lange am Leben halten würde. Sie fühlte sich wie eine Greisin, nicht wie sechsundzwanzig.
»Komodon, Lizardon, Gatordon … helft mir, einen weiteren Tag zu überstehen.«
Früher war sie auf die Knie gegangen, um zu beten. Inzwischen nuschelte sie die Worte nur noch, während sie nach draußen in die hereinbrechende Dunkelheit schlüpfte, um ihren Lebensunterhalt zu erarbeiten. Es fiel ihr Nacht um Nacht schwerer.
Wofür das Ganze?, fragte sie sich, als sie auf ihren durchgelaufenen Sandalen durch die engen, schmutzigen Gassen schlich. Es gab nichts, für das sich der Kampf noch lohnte. Längst hatte sie verlernt zu leben. Sie atmete weiter ein und aus. Mehr nicht.
Der Hunger zerriss ihr Inneres, aber sie rührte die Spinnen in ihrer Hand nicht an.
Du darfst sie nicht essen. Du brauchst das Geld für die Steuer, ermahnte sie sich.
Schweren Herzens packte sie die haarigen, orangefarbenen Spinnen, die sie mithilfe ihres Blechhakens aus einer Nische gekratzt hatte, in ihren Beutel. Die Nacht war wenig erfolgreich gewesen. Stundenlang war Nele umhergestreift, doch war sie meist zu langsam gewesen, wenn der Lichtkegel des Minilensers ein Beutetier zwischen den Schatten aufgescheucht hatte. Sie war einfach zu erschöpft. Die Morgendämmerung nahte und es befanden sich bloß eine Handvoll Spinnen und drei kleine Skorpione in ihrem Beutel.
Frustriert deaktivierte sie die »AkustikSchock2100«, die alte Köderfalle, mit der es ihr ab und an gelang, eine der flinken Nacktratten zu fangen. Sie waren katzengroß, wehrhaft und schrecklich klug. Mit ihren dolchartigen Klauen konnten sie Nele ernsthaft verletzen, wenn sie nicht vom Knall im Inneren der dickwandigen Köderbox verwirrt oder betäubt waren.
Sie schlug den Weg zu Toras Garküche ein, wo sie die Beute für einen Lohn verkaufen würde, für den sie gerade einmal Wasser bekommen konnte. Den jämmerlichen Rest musste sie für die Steuer sparen. Wieder würde sie sich hungrig nach Hause schleppen, wo sie bis zur Abenddämmerung schlief, um das armselige Spiel von vorn zu beginnen.
Der Stadtteil, in dem sich die Garküche befand, wurde von Hütten und Häuschen aus Verbundplastik geprägt, dem rauen Baustoff, der auf der anderen Plattform in sogenannten 3D-Druckern hergestellt wurde und gegen einen Wucherzins an jene, die wenigstens über ein bisschen Geld verfügten, verliehen oder verkauft wurde. Trotz der maroden Häuserwände und Dächer – das Verbundzeug hielt bestenfalls wenige Jahre dicht – war es eine annehmbare Gegend im Vergleich zu Neles Viertel, das sich wie ein Hungergürtel aus Blech über eine Breite von zwanzig Schritt an der Plateaukante entlangzog. Einen richtigen Weg gab es in Braunbabel nicht. Stattdessen huschte Nele zwischen den löchrigen Häusern und den Hütten hindurch, die dicht an dicht standen.
»Wir werden nicht lange hier sein«, hatte Gazael gesagt, als Nele und er sich das erste Mal zwischen den Hütten zurechtfinden mussten. »Noch bevor unser Sohn zu sprechen lernt, werden wir auf der sicheren Plattform sein.«
Nele schüttelte die Erinnerungen ab. In letzter Zeit taten sie nicht einmal mehr wirklich weh, zu taub fühlte ihr Inneres sich an. Vorbei die Zeit, in der ihr der Schmerz das Gefühl gab, überhaupt noch am Leben zu sein. Eine Unendlichkeit musste zwischen diesem Tag, an dem noch alles möglich schien, und heute liegen.
»Stopp, Schlampe!« Die Stimme klang rau und drohend.
Nele gefror in der Bewegung. Sie wusste genau, was jetzt kam, dazu brauchte sie den sauren Atem der Frau hinter sich weder zu spüren noch zu riechen.
»Umdrehen, langsam!«
Nele drehte sich resigniert um. Die Augen, die sie anstarrten, glühten vor geplatzten Äderchen. Ein Fauchen erklang, als die Frau den Schneidbrenner einschaltete. Mit zittriger Hand hielt sie ihn vor Neles Gesicht. Mit der anderen deutete sie auf den Beutel und machte eine »Gib her«-Geste.
»Los, oder ich brenn dir die Fresse weg!«
Nele kniff die Augen zusammen, der grelle Lichtkegel blendete sie, die Hitze war unerträglich. Sie wandte das Gesicht leicht ab und benetzte ihre Lippen mit der Zunge.
»Ich hab keine Silberlinge, hab nur Nahrung«, sagte sie. Aber die brauche ich für Wasser!, wollte sie anfügen, doch diesen Fehler machte sie nicht noch einmal. Sie wusste, dass die Überfälle fast immer von Verzweifelten begangen wurden, deren Not innerhalb eines Wimpernschlages in Hass und Gewalt umschlagen konnte. Das hatte sie bereits schmerzvoll lernen müssen.
»Den ganzen Beutel, mach schon!« Die Augen der Grauhaarigen blinzelten nicht, sie zuckten nur merkwürdig, und Nele erkannte, dass bei der hier die Verzweiflung schon weit fortgeschritten war, wie eine böse Krankheit. Sie war bereits wahnsinnig geworden.
»Gut, gut«, beschwichtigte Nele und fasste mit einer Hand nach dem Beutel.
Als sie ihn ihr hinhielt, grapschte die Frau mit einer Schnelligkeit danach, die Nele ihr nicht mehr zugetraut hätte, und verschwand hinter dem nächsten Verschlag. Vermutlich war sie lange nicht so alt, wie sie aussah.
Nele sackte zusammen. Weg, alles weg. Nicht nur die wenige Nahrung, auch ihre Knallschockfalle. Nun war überhaupt nichts mehr übrig. Nichts bis auf den Minilenser und … Sie fasste in ihre Hosentasche. Ja, da war es. Jetzt nach dem Messer zu greifen, war kein Problem, aber beim Überfall hatte sie sich wie immer nicht getraut. Ein Hohn. Wozu hatte sie das Ding überhaupt?
Nele kannte die Antwort zu gut: Sie sehnte sich danach, endlich Frieden zu finden. Aber »über die Kante zu gehen«, wie man den Freitodsprung vom Plattformrand in Braunbabel nannte, würde sie auf keinen Fall über sich bringen. Nicht nach dem, was geschehen war, was sie gesehen hatte, als … Sie wischte sich über die Augen, das Gesicht, verbot sich, die alten Bilder zuzulassen.
Sie befühlte das Springmesser in ihrer Hosentasche, glitt mit dem Daumen über den Schieber am Griff, mit dem man die Klinge herausschnappen lassen konnte, und dachte: Worauf wartest du noch? Es geht gewiss ganz schnell …
Sie konnte nicht. Oh Gazael, wie falsch hast du mich mit deinem verliebten Blick gesehen! So oft hast du mich eine Heldin genannt. Dabei bin ich sogar zu feige, um diesem unwürdigen Leben ein Ende zu setzen.
Gewiss eine Stunde saß sie einfach nur da, beobachtete, wie sich die Sonne im Osten hinter »Buntbabel« erhob. Die Armen nannten die gegenüberliegende Plattform so, weil die Menschen dort reich genug waren, um sich fröhlich bunt zu kleiden und ebenso zu bauen. Die Sonne tauchte die gewundenen, kugeligen, spitzen oder flachen Dächer der Prachtbauten in goldenes Licht. Über allen anderen Gebäuden glitzerte das höchste und gewaltigste von ihnen wie ein einziger, gigantischer Edelstein, weil dort beim Bau unzählige Splitter der kostbaren »Himmelssteine« eingelassen worden waren. Es hieß, dort oben, im sogenannten »Turm des Olgarko«, lebten die Superreichen.
Für Nele symbolisierte er ihre verlorene Hoffnung. Eines Tages werden wir da wohnen, hatte sie sich immer gesagt und fest daran geglaubt – bis zuletzt. Doch war sie in all der Zeit nicht einmal in die Nähe der Ostplattform gekommen, dabei war es angeblich nur eine Stunde Fußmarsch bis dorthin, sofern man ungeschoren durchkam.
Sie wandte sich ab. Wäre es nicht so bitter gewesen, hätte sie über ihre Dämlichkeit lachen können. Die glorreichen Geschichten, die sie über die Stadt gehört hatte, handelten in Wahrheit alle von der Seite jenseits der Grenze, doch das hatte sie nicht gewusst. Erst hier in Braunbabel hatte sie es erfahren: »Nach drüben kommst du nur in Ketten, Süße.«
Die Sonnenstrahlen tasteten über ihre Haut. Es würde ein heißer Tag werden. Nele erhob sich und schlurfte in die andere Richtung, zu ihrem Blechverschlag, der es nicht wert war, »Zuhause« genannt zu werden.
»Komodon, Lizardon, Gatordon … macht, dass es endet.«
Da bemerkte sie ein Huschen. Ein Gecko flitzte ein paar Schritte, hielt still, drehte seinen flachen Kopf in die Sonne. Nele verharrte ebenfalls. Sie hatte noch nie einen solchen Gecko gesehen. Zwischen den zwei schwarzen Streifen am Rücken glänzte er blau wie ein Himmelsstein. Bestimmt war er wertvoll! Echsen brachten mehr Silberlinge als Nacktratten, zudem hatte diese hier keine der üblichen bräunlichen oder gelblichen Musterungen. Nele pirschte sich an. Mit einem Mal war sie wach. Der Gecko ruckte mit dem Kopf, schaute zu ihr – und ergriff die Flucht.
Vergeblich. Seine Glieder waren noch träge von der Kühle der Nacht. Nele fing ihn mit bloßen Händen.
Schweiß rann ihr über Gesicht und Nacken, als sie die Garküche erreichte. Aus der offenen Tür schlugen ihr die Hitze des Garofens und der Gestank der Tiere entgegen, vermischt mit dem verlockenden Duft von Essbarem. Wie immer war das Räumchen erfüllt vom Zirpen der Grillen, Fauchen der Nacktratten, Scharren der Käfer und sonstigen Kleintiere, die in engen Käfigen hinter der Theke darauf warteten, in Toras Kochstelle zu billigen Pasteten und Bratspießen verarbeitet zu werden.
»Hallo Tora!«, rief Nele.
Die ältere Frau drehte sich vom Ofen um und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können.
»Das kannst nicht du sein, Nele«, sagte sie und zog die Augenbrauen hoch. »Nicht um diese Zeit und vor allem nicht mit diesem Funkeln in den Augen.«
Nele legte das Säckchen, das sie aus ihrem Unterhemd improvisiert hatte, auf den Tresen und tippte mit dem Finger darauf. Durch den Stoff konnte man die Bewegungen des Tieres ausmachen.
»Schau nach«, sagte sie ungeduldig. »Na los, Tora!«
Die Ältere sah sie gespannt an. »Was Feines?«
»Sag du’s mir, los!« Neles Magen knurrte laut, doch sie wagte nicht, auf Linderung zu hoffen.
Vorsichtig zog Tora den Stoff auf, um hineinzulinsen. Dann schlug sie ihn hastig wieder zu.
»Eine Abendhimmelechse, gute Güte! Weißt du, was die wert sind? Ihr Schwanz gilt drüben als Spezialität!«
Tora drückte sich oft so überschwänglich aus, um sie aufzuheitern. Doch Nele reagierte nicht mehr darauf. Silberlinge waren alles, was zählte.
Tora nahm den Hemdsbeutel mit hinter die Theke, wo sie ihre Zutaten und Gewürze in Tonkästen verstaute. Eine Käfigtür quietschte und schlug wieder zu, dann verschwand sie im Hinterzimmer und kehrte kurz darauf mit dem Säckchen zurück, in dem nun Münzen klimperten.
»Hier, meine Kleine. Hast es verdient.«
Aufgeregt zählte Nele nach.
»Wow«, hauchte sie. Satte vierzehn Silberlinge. Das waren fast dreimal so viele wie nach einer ihrer guten Nächte!
Sie blickte auf und grinste, und auch Tora zeigte ihre Lachfältchen.
»Kindchen, ich hab dich lange nicht mehr lächeln sehen. Hatte fast vergessen, wie hübsch das an dir aussieht.«
Nele sah noch mal in das Säckchen. Sie musste sich verzählt haben.
Tatsächlich. Vierzehn Münzen.
»Pass gut darauf auf und kauf dir was Schönes«, sagte Tora. »Erst mal Pastetchen?«, fügte sie an, denn Nele gönnte sich immer eines, wenn sie genügend verdient hatte.
Nele nickte und überlegte. Eine heiße Ratten-Pastete, eine Amphore gefilterten Wassers, von dem ihr nicht gleich flau im Magen wurde, und die Sicherung der nächsten Steuer waren schön genug. Etwas anderes zu kaufen konnte sie sich nicht vorstellen.
In diesem Moment polterte es an der Tür.
»Geld her!«, schrie ein Mann und fuchtelte mit einem rostigen Metallrohr herum. Seine Augen starrten gehetzt aus tiefen Höhlen, Schweiß lief ihm über das schmutzige Gesicht.
Nele wich zurück, stieß gegen den Tresen. Vor ihrem geistigen Auge zerschellte die Wasseramphore am Boden, verschwand die Pastete im Mund des Mannes und ihre Silberlinge in seinen Taschen. Am liebsten wäre sie auf der Stelle tot umgefallen. Sie konnte keine weitere Katastrophe überstehen.
Tora knurrte: »Das würde ich mir zweimal überlegen, Bastard.«
Der Kerl erbleichte hinter seinem filzigen Bart und stolperte ebenso laut, wie er gekommen war, wieder aus der Tür. Nele wandte sich um.
»Wie …« Sie brach ab. In Toras Händen lag eine langläufige Schusswaffe. Sie sah monströs aus.
»Glaub mir, seitdem sich herumgesprochen hat, dass ich nicht einfach nur eine alte Frau bin, gehört Mist wie dieser gerade zur Ausnahme.« Sie schob die Waffe zurück unter den Tresen und lachte finster, aber zufrieden. Nele dachte voller Scham an das Messer in ihrer Tasche. Sie hatte nicht einmal daran gedacht, es rauszuholen.
»Ich bewundere deinen Mut«, sagte sie, während Tora an der Kochstelle eine Pastete befüllte.
»Ach Liebes«, kam es zurück. »Ich will bloß nichts mehr weggenommen kriegen. Ich nenne das Entschlossenheit, nicht Mut. Und wenn du so alt werden willst wie ich, dann schaffst du dir besser auch was davon an.«
Sie reichte Nele die dampfende Pastete über den Tresen. Nele schob ihr eine Münze zu und griff nach dem Essen. Schon bei dem Geruch lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Sie setzte sich an eines der zwei kleinen Tischchen neben der Tür und biss in den heißen Teig. Der strenge Geschmack des Rattenfleisches zwang sie wie immer beim ersten Happen, das Gesicht zu verziehen. Dann siegte der Appetit und sie begann zu schlingen.
»Ist Himos in der Stadt?«, fragte sie kauend.
»Seit drei Tagen zurück, soviel ich weiß. Du willst freiwillig zu ihm?«
»Wenn er gefiltertes Wasser hat.«
»Hat er.« Tora nickte. Sie schwieg einen Moment, bevor sie sagte: »Jaspar hat wieder nach dir gefragt.«
Nele verharrte kurz im Kauen, aber Tora lächelte. »Bist nun mal ein hübsches Ding. Kannst es den Männern nicht verdenken.«
»Für mich gibt’s keine Männer mehr«, erwiderte Nele.
Tora ging zu einem der Käfige, packte mit ihrem dicken Handschuh eine der Nacktratten, trug das strampelnde und quiekende Tier zur Schlachtnische und ließ ein Hackbeil auf dessen Nacken niedersausen. Es knallte dumpf, das Quieken erstarb.
»Nele … eine Frau sollte sich gelegentlich wie eine Frau fühlen dürfen. Sogar ich gönne mir ab und zu …«
»Nein«, unterbrach Nele.
Tora seufzte. »Vergeude deine Jugend nicht. Warum gibst du ihm keine Chance? Ist ein netter Kerl.«
»Du weißt warum.«
Tora hängte die Nacktratte zum Ausbluten über den Bottich. Dann wandte sie sich zu Nele um.
»Kleines, Gazael ist …«
»… mein Blutsgefährte, mein Mann, wie du es nennen würdest. Und er wird der Einzige bleiben. Eines Tages werden wir miteinander zwischen den Bäumen in den Urwäldern der Warangötter spazieren. Gib’s auf, ich bin durch damit.« Sie leckte das Pastetenfett von den Fingern und stand auf. »Hab vielen Dank für die Silberlinge. Ich muss los.«
»Lass dir von Himos nichts gefallen, hörst du«, sagte Tora.
Nele nickte ihr zu und verließ die Garküche. Sie mochte die Ältere gern, und sie war sich bewusst, dass sie in anderen Garküchen gewiss nur halb so viele Silberlinge für ihre Fänge erhalten würde wie hier. Bei üblicher Entlohnung hätte sie längst keine Steuern mehr zahlen können. Anfangs musste es lediglich Toras Mitgefühl nach der Katastrophe in Neles Leben gewesen sein, weshalb ein paar Silberlinge mehr in ihrem Beutel landeten – in den vergangenen Monaten aber hatte sich echte Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. So etwas war von unschätzbarem Wert in einer Welt, in der man selbst vom engsten Nachbarn nur das Schlimmste zu erwarten hatte.
Himos trug Gelb, kaum einer in Braunbabel tat das. Genau genommen konnte niemand sich farbige Stoffe leisten, abgesehen von einigen halsabschneiderischen Händlern, die in Buntbabel Schrott kauften, um ihn überteuert an die Braunen weiterzugeben.
»Welch seltener, erfreulicher Besuch!«, posaunte Himos und stieg von einer Trittleiter an einem vollgestopften Wandregal herunter. Seine schmalen Lippen präsentierten hinter dem anzüglichen Grinsen eine breite Lücke, wo die Schneidezähne hätten sitzen sollen, weshalb seine Aussprache immer etwas zischelte.
Neles Magen zog sich zusammen. Sie verabscheute diesen Mann mit seiner Schmierigkeit, den gierigen Händen, die bei jeder Gelegenheit nach ihr grapschten, sie hasste seine kleinen, berechnenden Augen und seinen unangenehmen Geruch. Aber er war nun mal der Einzige, der ihr gefiltertes Wasser zu einem erträglichen Preis verkaufte. Über den Grund dafür mochte sie nicht nachdenken.
»Hallo Himos.«
»Was führt dich zu mir, meine Süße?« Er kam auf sie zu und breitete die Arme aus, um sie zu umarmen.
Nele wich ihm aus. »Sicher nicht das.«
Selbstgefällig lehnte sich Himos gegen seinen Tresen. »Lass mich raten, du brauchst eine Waffe, um dich gegen all die bösen Kerle zu wehren«, sagte er spöttisch. Er pulte mit dem Fingernagel etwas zwischen seinen Zähnen hervor, das er anschließend genüsslich ablutschte. »Du bist egoistisch, Nele, gönn uns Männern doch mal was. Das Leben ist hart genug. Nebenbei – wer sagt, dass es dir nicht auch Spaß machen kann, hm? Glaub mir, ich weiß, wie so was geht.«
Nele rann ein Schauder über den Rücken, als er ihr zuzwinkerte.
»Du verkaufst wieder Waffen?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln. Außerdem interessierte es sie, denn für gewöhnlich konnte sich in diesen Vierteln kaum einer eine richtige Waffe leisten. Bedroht, verletzt und getötet wurde mit Schrott und Selbstgebautem.
»Aber ja! Seitdem die drüben auf die Idee gekommen sind, die beschissene Steuer zu erhöhen, will jeder eine. Nicht, dass ich jedem eine geben würde, bin ja kein Schenk-mir-was-Laden. Aber wer die entsprechenden Penunzen zusammenkratzt, für den findet sich auch was. Sind echte Investitionen, solche Waffen. Du weißt ja, die mit der besten Ausrüstung kriegen ihre Steuern immer am schnellsten zusammen.«
Er lachte kurz und heiser. »Hab Schusswaffen ab zwanzig Silberlingen aufwärts, Süße, nicht sehr präzise, aber effektiv. Keramik- und Blechdolche mit scharfen Langschneiden gibt’s schon ab sieben Silbernen. Und für dich hab ich sogar ein ganz besonderes Angebot: Gleich zwei Waffen auf einmal. Die eine gibt’s zum Sonderpreis, wenn du die andere auch nimmst. Du weißt schon.« Er ließ seine Augenbrauen tanzen und machte mit der Hand eine eindeutige Geste vor seinem Schritt. Dabei grinste er unverhohlen. »Diese da ist kostenfrei, aber dafür effektiv und präzise. Na, was meinst du?«
»Ich will bloß Wasser«, sagte Nele. Als er die Hand sinken ließ und Anstalten machte, hinter den Tresen zu gehen, um das schmuddelige Rohwasser zu holen, fügte sie schnell hinzu: »Ich will das gute. Das filtrierte.«
»Oho, heute mal was Besonderes? Tja, das Zeug wurde mir schon nach meiner Ankunft aus den Händen gerissen.« Er zuckte mit den Schultern und blinzelte ihr erneut zu.
»Was kostet eine Amphore?«, fragte sie und schlang automatisch die Arme um den Oberkörper. Bloß keine Spielchen, bloß schnell wieder raus hier.
Er tat, als dächte er nach. »Wer weiß, vielleicht hast du Glück. Ich glaube, ich hab noch eine oder zwei … Lass mich nachsehen, ob ich recht hab, dann machen wir das mit dem Preis.«
Der grobschlächtige Mann verschwand in seinem Lagerraum. Nele ließ den Blick über die unzähligen Waren in den Kisten und Regalen schweifen. Es hieß, in dieser Händlerbude konnte man fast alles bekommen, auch Dinge, die nicht im Verkaufsraum zu sehen waren. Man musste bloß genügend Silberlinge in der Tasche haben. Es war nicht verwunderlich, dass bei Himos sogar die Leute aus der Nähe der Grenze zu Buntbabel kauften. Dort lebten die Braunen mit den meisten Penunzen, wie der Händler es nannte.
»Eine ist noch da!«, kam es dumpf aus dem Lager.
»Wie viel verlangst du, Himos?«, rief sie.
Er tauchte wieder auf. »Mmmh, es macht mich an, wenn du mich fragst, wie viel ich verlange. Vier Silberlinge, meine Süße.«
Ich gebe dir zehn, wenn du mich nie wieder Süße nennst, lag es ihr auf der Zunge, doch sagte sie nur: »Zwei.«
Himos kam um den Tresen herum und schwenkte die unterarmlange, versiegelte Amphore vor ihrem Gesicht. Dann stellte er das Gefäß neben seinen Füßen ab und kam noch näher. Sein Atem stank nach faulen Zähnen.
»Das ist die Letzte. Drei Silberne, Süße, und eine Umarmung zum Abschied für den großzügigen Himos, der es doch immer gut mit dir meint, hm? Einen besseren Preis kriegst du nirgends.«
Wortlos drückte sie ihm das Geld in die ausgestreckte Hand, der der Daumen fehlte. Diesen hatte ihm angeblich eine Frau abgebissen, weshalb er seither vorsichtiger war.
Himos steckte die Münzen weg und zog Nele an sich. Ihre verschwitzten Nackenhärchen unter dem langen Zopf stellten sich auf, als sein aufdringlich herber Körpergeruch sie einhüllte. Seine Arme umschlangen sie, heiße Feuchtigkeit drang unter seinen Achseln hervor und tränkte ihre Schultern. Nele versteifte sich, während seine Hände gierig über ihren Rücken und den Hintern glitten. Er strich ihre Haare aus dem Nacken, doch nach zwei heißen Atemstößen an ihrem Hals entwand sie sich seinem Griff.
Er trat zurück und grinste zufrieden. Seine daumenlose Hand wanderte zu der Beule in seinem Schritt. »Du solltest dein Potenzial nutzen, meine Süße«, sagte er heiser. »Es könnte dir so viel besser gehen …«
Nele schnappte die Amphore, entkorkte sie und warf einen Blick hinein. Kein Schmutz, keine Brösel, nichts als reines Wasser. Ihr trockener Mund begann zu pochen, doch sie verschloss das Gefäß wieder. Trinken würde sie später, nicht hier, nicht vor Himos.
Sie hatte sich schon umgedreht und die Tür zu seiner Händlerbude aufgestoßen, als Himos sagte: »Ach ja, die Steuer steht an.«
Nele machte auf dem Absatz kehrt. Der Händler sah sie plötzlich ernst an. »Ich sag dir das aus reiner Freundschaft, Süße, und das bleibt unter uns, klar? Aus Buntbabel habe ich Stimmen gehört, dass morgen um die Mittagszeit auch die Passkontrollen durchgeführt werden.«
Neles Herz begann zu trommeln. »Aber die letzten sind doch gar nicht lange her?«
Himos hob die Schultern und die Hände. »Anscheinend lange genug.«
»Wurde die Steuer erhöht?«
Himos schürzte die Lippen. »Davon habe ich leider nichts mitbekommen. Aber so übel wie die momentan drauf sind, ganz bestimmt. Selbst in Buntbabel wird immer mehr verlangt. Jedenfalls wird wieder eine Leibesvisitation stattfinden, du solltest also deine Abschürfung bedecken, sonst hält die Inquisition das noch für Verfall.«
»Danke, aber ich habe keine Abschürfung.«
»Sicher? Ich könnte schwören, ich hab da im Nacken was gesehen. Ich könnte dich genauer absuchen, was meinst du?«
Nele verzog den Mund und verließ wortlos den Laden.
»Du solltest mir dankbar sein!«, rief Himos, doch sie sah nicht zurück.
Ihr war speiübel vor Angst.
Erschöpft kam sie an ihrer Hütte an. Die Mittagshitze drückte wie ein Bleigewicht auf ihre Schultern. Nele schlug die Blechtür hinter sich zu, verriegelte sie und holte die Amphore unter ihrem Hemd hervor. Das Wasser rann frisch und klar ihre Kehle hinab. Köstlich! Einen Augenblick lang vergaß sie alles um sich herum.
Dann kehrte die Angst zurück.
Himos hatte etwas in ihrem Nacken gesehen. Vermutlich ein Bluff, um sie absuchen zu dürfen. Sie fasste unter ihren Zopf, ertastete etwas Raues auf der Haut. Es brannte!
Nein, das kann nicht sein. Mach dich nicht verrückt, das ist nicht der Verfall. Der Sand ist immer überall. Bestimmt hast du dir nur eine juckende Stelle aufgekratzt.
Der Verfall begann schließlich mit blutergussähnlichen Flecken. Diese wurden dunkler, dicker und härter und rauten nach einer Weile auf. Bis sich dann die weißen Eiterpusteln in den schwärzlichen Abschürfungen bildeten, konnten Wochen vergehen.
Wann hab ich mich zuletzt abgesucht? Vor der letzten Kontrolle, richtig? Die ist noch nicht lange her. Da waren keine Flecken!
Sie schluckte schwer und nahm ihre Spiegelscherbe zur Hand. Sie wollte nicht nachsehen, denn jedes Kind wusste, dass sich diese Krankheitsmale schmerzlos auf die Haut schlichen, ähnlich wie Wüstenzecken vor dem Stich. Erst kurz bevor sie sich schwarz färbten, spürte man sie.
Na los, sieh nach. Das im Nacken ist nur eine aufgekratzte Stelle. Ganz sicher.
Im Grunde überprüfte sie sich vor jeder Passkontrolle doch sowieso bloß aus Gewohnheit, damit ihr nichts entging, was die Inquisitoren verdächtig finden konnten. Nele hob die Spiegelscherbe und …
Nein! Das ist unmöglich!