Richard Dawkins, C. S. Lewis und die großen Fragen des Lebens - Alister McGrath - E-Book

Richard Dawkins, C. S. Lewis und die großen Fragen des Lebens E-Book

Alister Mcgrath

0,0

Beschreibung

Der bekannte Biologe und Gotteszweifler Richard Dawkins (schrieb den Bestseller "Der Gotteswahn") auf der einen Seite - der Literaturprofessor, Philosoph und Apologet C. S. Lewis auf der anderen. In einer fiktiven Auseinandersetzung lässt der renommierte Biophysiker und Theologe Alister McGrath von der Universität Oxford beide zu verschiedenen Themenstellungen antreten und ihre Überzeugung erläutern. Es geht um Glaube, Beweise und Indizien, um die scheinbare Überlegenheit eines naturalistischen Weltbildes, um die Natur des Menschen und um die unbändige Suche nach Sinn. Wer die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Glaube nicht scheut, wird von diesem Buch fasziniert sein!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 104

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alister McGrath ist Professor für Wissenschaft und Religion an der Oxford University und Leiter des Ian Ramsey Centre for Science and Religion. In Oxford hat er auch seine Doktortitel in Naturwissenschaften und christlicher Theologie erworben. McGrath hat umfangreich über das Zusammenwirken von Wissenschaft und christlicher Theologie geschrieben und diverse Bücher verfasst, darunter den internationalen Bestseller Der Atheismus-Wahn: Eine Antwort auf Richard Dawkins und den atheistischen Fundamentalismus (Gerth Medien, 2007) und das theologische Standardwerk Der Weg der christlichen Theologie: Eine Einführung (Brunnen, 2013). McGrath hat außerdem eine öffentliche Professur in der Stadt London inne, die bereits 1597 zur Förderung der öffentlichen Auseinandersetzung der Theologie mit aktuellen Themen geschaffen wurde.

Inhalt

Einleitung

Das große Ganze: Warum Sinn wichtig ist

Dawkins’ Gedankenrahmen: Universeller Darwinismus

Lewis’ Gedankenrahmen: Eigentliches Christentum

Dawkins und Lewis im Vergleich

Glaube und Beweis

C. S. Lewis: Es muss passen

Richard Dawkins: Wissenschaft und Beweise

Dawkins und Lewis im Vergleich

Gibt es einen Gott?

Richard Dawkins: Gott als ein Wahn fernab der Wirklichkeit

C. S. Lewis: Gott als Herzensdrang

Dawkins und Lewis im Vergleich

Die menschliche Natur: Wer sind wir?

Richard Dawkins: Zur Musik der DNA tanzen

C. S. Lewis: Sehnsucht nach einer wahren Heimat

Dawkins und Lewis im Vergleich

Schlussfolgerung: Die Sinnsuche

Literatur

Anmerkungen

Einleitung

Warum finden wir Diskussionen anderer gewöhnlich ansprechender als eigene Streitgespräche? Vielleicht liegt es daran, dass wir das Gefühl haben, unserem eigenen Denken wird weitergeholfen, indem wir verschiedene Perspektiven hören und erforschen – besonders wenn es um die ganz großen Fragen des menschlichen Daseins geht, wie etwa den Sinn des Lebens, die Rolle der Wissenschaft oder die Existenz Gottes. Ich lausche solchen Gesprächen liebend gerne. Und da bin ich nicht der Einzige.

Dieses Buch stellt einen Gedankenaustausch vor, der leider nie stattgefunden hat. Ich habe mich oft gefragt, wie es wäre, zwei Kultfiguren aus Oxford zusammenzubringen: auf der einen Seite den populären Naturwissenschaftler und prominenten Atheisten Richard Dawkins und auf der anderen Seite den Literaturwissenschaftler und christlichen Apologeten C. S. Lewis. Was können wir lernen, indem wir ihre Gedanken vergleichen und einander gegenüberstellen? Inwieweit können sie uns helfen, einige der großen Fragen des Lebens zu durchdenken; beispielsweise die Frage, worum es im Leben überhaupt geht?

Dawkins ist ein Evolutionsbiologe, der sich von einem eher nominellen Anglikanismus zu einem überzeugten Atheismus bekehrt hat; Lewis ist ein Literaturwissenschaftler, der sich vom Atheismus zum, wie er es betitelte, „eigentlichen Christentum“ bekehrt hat – einem Christentum, in dem die konfessionellen Aspekte nur eine untergeordnete Rolle spielen. Beide sind begabte Schriftsteller mit einer beneidenswerten Kommunikationsgabe, besonders wenn es darum geht, schwierige Konzepte begreiflich zu machen. Und beide waren in ihrer Laufbahn führende Akademiker in Oxford, weshalb es für mich – einem weiteren Oxford-Akademiker! – vielleicht angebracht ist, über ihr Gedankengut nachzudenken. Ich habe beide Autoren im Laufe der Jahre gründlich gelesen und viel durch die Auseinandersetzung mit ihnen gelernt.1

Dawkins’ Ruf hat in letzter Zeit möglicherweise etwas Schaden erlitten, und zwar durch seine Angewohnheit, in den sozialen Medien unverblümte und unweise Kommentare über Frauen und den Islam abzugeben. In einem Beitrag mit dem aufschlussreichen Titel Der traurige Zusammenbruch von Richard Dawkins stellte die Website Salon.com ihn als einen einst gerühmten Wissenschaftler und Atheisten dar, der zeigt, warum alternde Intellektuelle die Finger von sozialen Medien lassen sollten.2 Trotzdem bleiben die großen Fragen über das Leben auf dem Tisch, und Dawkins’ große Bekanntheit macht ihn zu einem naheliegenden Gesprächspartner für unsere Zwecke.

Dieses Büchlein kann nur einige der Fragen anschneiden, die Dawkins und Lewis über die großen Fragen aufgeworfen haben, die unsere Stellung und Bestimmung in der Welt betreffen. Mir ist schmerzhaft bewusst, dass ich lediglich an der Oberfläche einiger weitreichender Diskussionen und Debatten kratze. Meine Hoffnung ist, dass die kurze Behandlung dieser Themen die Leser zu weiteren Nachforschungen anregt.

Was können wir davon lernen, dass wir mit Dawkins und Lewis ins Gespräch über einige der großen Fragen des Lebens kommen? Über Sinn und Glauben? Über die Beziehung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften? Über die beste Lebensweise in dieser komplexen Welt? Ich habe meine eigenen Ansichten zu diesen Themen. Doch meine Rolle in diesem Buch besteht darin, sowohl Dawkins als auch Lewis Gehör zu verschaffen und Gedanken und Diskussionen anzuregen. Beide sind lesenswerte und einnehmende Schriftsteller. Deshalb werde ich mich zurückhalten und sie für sich selbst sprechen lassen. Mein Beitrag beschränkt sich auf einige Kommentare und Überlegungen aus meiner eigenen Perspektive oder im Licht meines Fachbereiches „Wissenschaft und Religion“ – ein inzwischen fest etabliertes akademisches Lehrfach an der Universität Oxford und anderswo. Ich habe sehr von beiden Autoren profitiert, und ich hoffe, Sie werden es auch tun.

Das große Ganze: Warum Sinn wichtig ist

Man spricht von „großen Fragen“, wenn es um Denkweisen geht, mit deren Hilfe wir uns einen Reim auf uns selbst und die Welt machen können. Psychologen zufolge sind solche Gedanken eine natürliche Reaktion darauf, mit dem Druck und den Rätseln des Lebens fertig zu werden.1 Viele sprechen auch vom „großen Ganzen“ – dem bigpicture –, wenn es darum geht, die Welt als Ganzes zu betrachten und sich auf die großen Fragen einzulassen. Diese bestimmte Sichtweise nimmt Dinge in den Blick und ermöglicht Antworten auf unsere tiefsten Fragen und Anliegen. Einige dieser großen Linien sind religiöser Art, andere nicht. Das Christentum ist ein gutes Beispiel für einen Glauben, der sich nicht nur einen Reim auf unser Leben machen will, sondern auch aufzeigt, wie es verwandelt und erneuert werden kann. Der Marxismus ist ein gutes Beispiel für eine nichtreligiöse – viele würden sagen: antireligiöse – Weltanschauung, die unsere Welt erklären und verändern will.

Was haben wir Menschen also an uns, dass wir uns so für diese großen Fragen interessieren? Obwohl darauf schon viele Antworten gegeben wurden, weiß es niemand wirklich. Es scheint einfach in unserer Natur zu liegen. Die Romanschriftstellerin Jeanette Winterson merkte einmal an: „Wir können nicht bloß essen, schlafen, jagen und uns vermehren – wir sind sinnsuchende Geschöpfe.“2 Einige meinen, dass die Antwort in unserer Evolutionsgeschichte zu finden ist. Andere vermuten, dass wir so etwas wie einen „Heimfinde-Instinkt“ in Bezug auf Gott als unseren Schöpfer haben und deshalb nach Zeichen von Transzendenz oder Sinn suchen. Welche Erklärung wir auch bevorzugen, es bestehen kaum Zweifel, wie wichtig dieses Sinngefühl sein kann. Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche hat die geistreiche Bemerkung gemacht, dass ein Warum zum Leben uns fast jedes Wie ertragen lässt.3

Sinn ist oft mit einer Weltanschauung verbunden, einem großen Bild der Wirklichkeit, durch das die individuellen Lebensaspekte in einem zusammenhängenden Bild verbunden werden. Es ist weithin anerkannt, dass Religion die Welt als etwas Zusammenhängendes sieht, etwas, das einen Sinn ergibt. Der Philosoph Keith Yandell definiert Religion als ein „Gedankensystem, das die Welt und den Platz des Menschen in der Welt interpretiert“.4 Solche Weltanschauungen fungieren als Brillengläser, die den Blick auf unsere Welt und uns selbst schärfen. Allerdings sind einige dieser Weltanschauungen nichtreligiös oder sogar antireligiös, wie im Fall der beiden säkularen Hauptrichtungen unserer Zeit, dem Marxismus und dem Darwinismus.

Einige Menschen äußern ihre Bedenken zu solchen Weltanschauungen. Das große Ganze verstehen zu wollen, sei intellektuell zu ehrgeizig und wir sollten uns mit Teileinsichten ins Leben begnügen. Andere gehen noch einen Schritt weiter und legen nahe, dass es sowieso keinen Sinn zu entdecken gibt. Wenn wir ein naturalistisches Weltbild akzeptieren, scheint daraus zu folgen, dass wir aus der Natur der Welt keine Rechtfertigung für unsere grundlegenden Überzeugungen über Sinn und Werte ziehen können.5 Und das bedeutet, dass wir einen Sinn schaffen oder erfinden müssen, der in dieser Welt nicht inbegriffen ist. Wir wollen auf diese Bedenken später noch eingehen, aber zunächst einmal wollen wir uns unseren beiden Gesprächspartnern zuwenden. Welche großen Bilder liegen ihren jeweils sehr unterschiedlichen Weltbildern zugrunde?

Dawkins’ Gedankenrahmen: Universeller Darwinismus

Dawkins gebraucht den Begriff Darwinismus sowohl im Sinne von Darwins Theorie über den Ursprung biologischer Vielfalt (die, wie jede wissenschaftliche Theorie, vorläufig ist und für fortwährende Überarbeitung und Umlenkung offen bleibt) als auch im Sinne einer umfassenden Weltanschauung, die auf dieser Theorie basiert. Im Jahr 1983 führte er die Bezeichnung universeller Darwinismus ein, womit er eine erweiterte Vision des Darwinismus benannte. Diesen entwickelte er später über den Bereich der Biologie hinaus, um auch Erklärungen für Kulturphänomene mit einzuschließen und ebenso den religiösen Glauben und die Frage nach dem Lebenssinn.6 Dawkins’ Der Gotteswahn (2006) erörtert die Vorstellung, dass Religion bloß ein zufälliges Nebenprodukt des Evolutionsprozesses sei, eine Art Fehlzündung von etwas Nützlichem.7 Er benutzt den metaphysischen Rahmen dieses universellen Darwinismus auch, um jede Vorstellung von Sinn zurückzuweisen – eine Sicht, die in seiner bekannten Erklärung zusammengefasst ist, dass das Universum „kein Design, keinen Zweck, kein Gut und kein Böse, nichts als blinde, mitleidlose Gleichgültigkeit“ habe.8

Dawkins sieht im Darwinismus einen Gedankenrahmen, der eine bessere Erklärung für unser Universum bietet als seine Rivalen – wie etwa jede Form religiösen Glaubens. Er erinnert sich, dass er von 1954 bis 1959, während seiner Zeit an der Schule in Oundle in der Nähe von Peterborough in England, „den festen Glauben an eine Art nicht genau benannten Schöpfer“ behielt, weil er „von der Schönheit und scheinbaren Gestaltung der Welt des Lebendigen beeindruckt“ war.9

Dawkins führt seinen Verlust jeglichen religiösen Glaubens auf zwei Faktoren zurück. Zunächst war da seine wachsende Überzeugung, dass „Darwin natürlich die großartige, ungeheuer überzeugende Alternative zur biologischen Gestaltung“ lieferte, „eine Alternative, von der wir heute wissen, dass sie wahr ist“.10 Das ist ein sich wiederholendes Thema in Dawkins’ späteren Schriften: Darwin biete eine Erklärung für das, was wir in der biologischen Welt beobachten; eine Erklärung, die dem Glauben an einen Schöpfergott überlegen sei. Der zweite Faktor ist sein Glaube, dass der Annahme, Gestaltung erfordere auch einen Gestalter, ein „fundamentaler Trugschluss“ zugrunde liege. Denn: „Jeder Gott, der das Universum gestalten kann, müsste auch selbst in erheblichem Umfang gestaltet worden sein.“11 Darwins Ausgangspunkt einer „ursprünglichen Einfachheit“, die sich in kleinen Schritten zu atemberaubender Komplexität entwickelt hat, leuchtete ihm mehr ein.

Hier haben wir einen wichtigen Gedanken, dass wir nämlich eine wissenschaftliche Theorie oder Weltanschauung danach beurteilen, ob sie uns eine einleuchtende Erklärung für die Realität liefert. Doch der Darwinismus erklärt nicht alles. Kann er auch gar nicht. Er beschäftigt sich nur damit, wie sich das Leben entwickelt hat. Einige der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte des Universums – beispielsweise der Urknall und der Ursprung des Lebens – übersteigen seine Reichweite. Trotzdem sieht Dawkins im Darwinismus einen Gedankenrahmen für die menschliche Sinnsuche allgemein, nicht bloß für die biologische Entwicklung. Er legte seine Vorstellungen dazu 2003 kurz und klar in einem Radioauftritt dar:

[Wir sollten] uns über unser unglaubliches Privileg freuen. Wir wurden geboren und wir werden sterben. Aber bevor wir sterben, haben wir Zeit zu verstehen, was überhaupt zu unserer Geburt geführt hat – Zeit, das Universum zu verstehen, in das wir hineingeboren worden sind. Mit diesem Verständnis gewappnet können wir endlich erwachsen werden und erkennen, dass es außerhalb unserer eigenen Bemühungen keine Hilfe gibt.12

Dawkins’ universeller Darwinismus ist Teil seiner generellen Einstellung, die die Naturwissenschaft als einzig verlässliche Wissensquelle behandelt. Diese Herangehensweise, die in der Bewegung der Neuen Atheisten weithin übernommen worden ist, wird häufig als Szientismus bezeichnet (eine Kurzform von scientific imperialism, „wissenschaftlicher Imperialismus“). Obwohl es keine exakte Übereinstimmung darüber gibt, was Szientismus ist, betrachten seine meisten Kritiker ihn als eine zusammenfassende Erhebung der Wissenschaft zum höchsten Richter in allen wissenswerten und wichtigen Fragen.13 Dawkins gibt den Naturwissenschaften einen kulturellen und intellektuellen Ehrenplatz und betrachtet die Ansprüche anderer Disziplinen, die großen Fragen des Lebens beantworten zu können, als minderwertig.

The Moral Landscape („Die Morallandschaft“), ein Buch des neuatheistischen Autors Sam Harris, ist ein hervorragendes Manifest für den Szientismus. Darin vertritt er den Standpunkt, dass die Wissenschaft menschliche Wertvorstellungen bestimmen kann, wodurch die Moralphilosophie im Grunde aus dem Markt gedrängt wird. Allerdings haben Moralphilosophen Harris’ Überspitzungen zurückgewiesen. Es ist nicht allzu schwer zu erkennen, dass er bloß einen Standpunkt innerhalb der Moralphilosophie für sich vereinnahmt hat, nämlich eine Form des Utilitarismus, der das Gute mit „dem größten Glück für die größte Zahl“ gleichsetzt. Sprich: Je mehr Menschen etwas glücklich mache, desto besser sei es.14

Das ist ein Grund, warum die Auseinandersetzung mit Dawkins so interessant ist. Sie zwingt uns dazu, über die Rolle nachzudenken, die die Wissenschaft beim Formen unseres Gesamtbildes vom Leben spielt. Kann Wissenschaft all unsere großen Fragen über den Sinn des Lebens beantworten? Oder beschäftigt sie sich vielmehr mit der ganz anderen Frage, wie das Universum und der Mensch funktionieren? Für Dawkins sagt uns die Wissenschaft alles, was wir hoffen können zu wissen; für andere hat sie Grenzen, die es zu respektieren gilt, damit wir bei anderen intellektuellen Disziplinen oder Bereichen nach Antworten suchen können – auch in Bezug auf Sinnfragen.