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Die kurdische Muslimin Elif aus Köln ist zerrissen zwischen der freien westlichen Lebensart und der islamischen traditionellen Lebensart ihres großen Familienclans. Elif geht mit ihrer Freundin der französischen Waisen Claire ihren eigenen Weg, der sie ins Paris der neunziger Jahre und dort in das sündhafte Etablissement "Rising Sun" führt. Hier erfüllt sich das Schicksal der Freundinnen Elif und Claire.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Inhaltsverzeichnis
Dank
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Über den Autor
Dank
Danken möchte ich vor allem David Hollmer und Daniela Kriegler vom Lektorat „derlezterschliff.de“, ohne sie würde meine Geschichte immer noch nur in der Schublade liegen. Vielen Dank auch an meine Kinder Mina Rojin und Ilyas, die in jungen Jahren schon viele Schicksalsschläge hinnehmen mussten, diese aber tapfer durchstehen. Im Weiteren möchte ich Frau Kossen und Herrn Dering von der Jugendhilfe kjfo.de danken, die meine Kinder und mich schon jahrelang begleiten und ohne die mir eine Erziehung meiner Kinder unmöglich wäre.
Kapitel 1
Der Regen prasselte leise gegen das Fenster. Das Holz im gusseisernen, grün-weiß lackierten Ofen verbrannte mit einem leisen Knacken, als Rojdas Großmutter Bahar flüsternd, aber doch für jeden deutlich hörbar, sagte: „Elif ist meine Tochter, auch wenn sie nicht mehr bei uns weilt.“
Um das Bett von Bahar hatten sich ihre Töchter, ihre Söhne und Rojdas Jugendpsychiaterin Frau Marie Luise versammelt.
Ihr Ehemann Arif warf kurz einen sorgenvollen Blick auf seine Frau Bahar und ging dann, sichtlich erleichtert, ins Wohnzimmer, um sich weiter die Nachrichten anzusehen.
Frau Bahar Kaya hatte sich vor sieben Tagen, Anfang Dezember 2014, im Dachgeschoss ihres Hauses in Köln-Mülheim ins Bett gelegt und war seitdem nicht mehr aufgestanden.
Da sie die letzten Tage fast ausschließlich geschlafen und nicht gesprochen hatte, freute sich die ganze Familie, als sich Frau Kaya noch etwas schwach an ihre Tochter Mehtap wandte: „Setz doch bitte Teewasser auf und bringe mir einen Teller Sarma.“
Als sie zurück ins Zimmer kam, saß die Familie ganz nah um Bahar zusammen. Es schien fast so, als ob Rojdas Großmutter ein Lagerfeuer sei, um das sich alle ängstlich zusammengerückt versammelt hatten, um andächtig die vielleicht letzten Worte dieser Frau zu vernehmen.
Frau Kaya aß ein wenig von dem Sarma und trank dazu schwarzen Tee, während Kerzen den Raum schwach erleuchteten und der Regen immer lauter an das große Fenster prasselte.
„Elif ist meine Erstgeborene.“
Marie Luise horchte auf. Sie war als Einzige aus beruflichen Gründen anwesend und notierte nun Bahars Erzählung sorgfältig, denn die Geschichte von Elif Kaya war der Grund, weshalb sie in dieser Nacht anwesend war.
Kapitel 2
Rojda gegenüber saß ihre Jugendpsychiaterin Marie Luise.
Die Auszeichnungen an ihrer Wand zählten sie zu einer der besten Jugendpsychiaterinnen Deutschlands, doch Rojda war davon nicht sonderlich überzeugt.
Seit inzwischen zwei Jahren schickte ihre Familie sie wegen ihrem Marihuana-Konsum wöchentlich hierher.
Gelangweilt betrachtete sie die Psychiaterin.
„Die Geschichte von Elif Kaya betrifft dich ganz persönlich, Rojda, denn Elif ist deine Mutter und Bahar ist deine Großmutter, nicht deine Mutter. Verstehst du?“, fragte Frau Luise, „Deine Familie wünscht sich, dass ich dir die ganze Geschichte über deine Mutter erzähle, weil sie denken, es könnte dir helfen. Das denke ich auch, daher habe ich die Aufgabe gerne übernommen. Es war bereits damals der ausdrückliche Wunsch deiner Mutter, dass du, wenn du alt genug bist, alles erfährst.“
Bevor sie mit ihrer Erzählung fortfuhr, blickte sie zu Rojda, während diese keine Miene verzog. „Ich habe es immer schon geahnt, Arif und Bahar können nicht meine Eltern sein, die sind doch viel zu alt dafür.“
„Deine Familie hat mir für dieses Vorhaben, neben der Erzählung deiner Großmutter, auch die Tagebücher deiner Mutter, die sie seit dem sechszehnten Lebensjahr geführt hat, zugänglich gemacht. Teilweise lesen sie sich etwas sonderbar, doch so sind sie von deiner Mutter geschrieben und so werde ich dir die Geschichte erzählen.“
Seufzend rückte sich Rojda auf dem Stuhl zurecht.
„Eure Familie lebt jetzt inzwischen schon in der dritten Generation hier in Köln-Mülheim. Die Familie Kaya zählt mittlerweile an die hundert Familienmitglieder. Arif und seine Frau Bahar, Elifs Eltern und deine Großeltern, Rojda, sind 1973 nach Köln emigriert. Nach und nach sind auch die Brüder und Schwestern deiner Großeltern nach Köln ausgewandert. Die Kinder und mittlerweile sogar Enkelkinder der Familie Kaya sind alle hier in Köln geboren. Die Heimat eurer Familie war bis dahin eine bergige Region im Osten der Türkei. Sie waren dort kurdische Bauern, fleißige und ehrliche Leute, sie hatten Land und beackerten es. Eure Familie hat ihre Kultur, Tradition und islamische Religion mitgenommen, sie halten bis heute daran fest.“
„Ja, das stimmt. Manchmal geht das einem ziemlich auf die Nerven“, erwiderte Rojda.
„Jetzt hör genau zu.“ Die Psychiaterin sah Rojda fest in die Augen. „Ich möchte meine Erzählung mit einer Anekdote aus der Kindheit deiner Mutter beginnen.“
„Ja, bitte“, flüsterte Rojda. Man konnte ihre innerliche Anspannung jetzt deutlich spüren, obwohl sie sonst immer darauf bedacht war, lässig und cool zu wirken.
Kapitel 3
1980 besuchte deine Mutter den Kindergarten gleich hier in der Nähe.
Elif wuchs zwar in einer muslimischen Familie auf, durch den Kindergarten und ihre Freundin Claire kam sie jedoch schon früh in Kontakt mit dem westlichen Lebensstil.
Sie und Claire verbrachten schon als Kinder viel Zeit zusammen.
Eines Tages kam Elif früh am Abend vom Spielen nach Hause. Die Küche duftete nach Reis und gebratenen Auberginen.
Elif lief das Wasser im Mund zusammen. Sie setzte sich zu ihrer Schwester Fidan an den Tisch. Ihr gegenüber saß ihr Vater Arif.
Obwohl sie bereits sehr hungrig war, griff sie nicht sofort nach dem Essen, sondern machte ein ernstes Gesicht und faltete die Hände zusammen, wie man es ihr im Kindergarten gezeigt hatte. „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name ...“
Da erhielt sie von ihrem Vater eine Ohrfeige, dass sie von ihrem Stuhl fiel. Sie weinte keine einzige Träne, aber das Blut floss ihr aus der Nase. Verdutzt sah sie ihn an. Was hatte sie denn falsch gemacht?
Ihre Mutter griff nach Elif und zerrte sie schnell aus der Küche ins Badezimmer. Sie wischte ihr das Blut mit Watte aus dem Gesicht und sah ihr fest in die Augen. Ihre Hände hielten nun fest ihre Schultern umschlungen. „Wir sind keine Christen, wir sind keine Christen, Elif!“
Elifs Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Der Schreck wich ihr aus dem Gesicht und machte nun ihren großen, traurigen Augen Platz.
Sie hatte ihren Vater böse gemacht.
Elif riss sich von ihrer Mutter los und lief zu ihrem Vater, immer und immer wieder küsste sie seine Hand.
Da fing er, plötzlich an zu weinen. Elif strich ihm sanft über das Gesicht, um ihn zu trösten.