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Gestrandet auf einer Insel in einer Bucht im Persischen Golf. Gestrandet während einer Geschäftsreise, pendelnd zwischen Ländern und Kontinenten. In Bahrain, weil es das einzige Land der Region ist, das unkompliziert Visa ausstellt. Eine moderne Robinson Crusoe Geschichte.
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Seitenzahl: 18
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Nora Bossong
Robinson Bahrain
Eine Erzählung
In Bahrain konnte ich nicht atmen. Die Luft war künstlich, das Licht wirkte gefälscht, ich hätte nicht sagen können, wie die genauen Koordinaten dieses Ortes lauteten, wie weit die Arabische Halbinsel entfernt lag, wie weit Düsseldorf. Weit jedenfalls, ich war weit weg von zu Hause, im Robinson Resort Bahrain.
Die kaum erträgliche Hitze wurde von den Flammen der Bunsenbrenner noch verstärkt. Auf mehreren meterlangen Buffets köchelte all das Essen vor sich hin: halbierte Hummer, Pot au Feu, Beef Wellington. Eine Kellnerin im Cowboykostüm brachte mir ein Omelett. Sie sprach kein Englisch und lächelte freundlich, als ich versuchte, zu erklären, dass ich kein Omelett bestellt hatte. Über die Tanzfläche flitterte Dancing Queen.
Wir waren eine multinationale Gruppe, zufällig zusammengewürfelt oder vielmehr gestrandet. Amerikanerinnen standen schwankend am Pool, tranken schlechten Champagner und reckten ihre grazilen Schatten über das leicht gewellte Chlorwasser. Mexikaner mit Luftballonhüten auf dem Kopf bevölkerten die Terrasse des Restaurants und wurden immer lauter, je stechender die Sonne schien. Philippiner in Cowboykostümen verteilten T-Bone-Steaks, und auf der Bühne sang ein Mädchen ein Play-back der Village People. Figuren, die keine Herkunft mehr besaßen, verwandelten sich auf der Tanzfläche in Y, M, C und A und verschmierten beim nächsten Lied wieder zu einer wabernden, schlecht gekleideten Menge.
Ein Mann löste sich aus der Kohorte der Tanzenden heraus und kam auf mich zu. Erst als er meinen Tisch beinah erreicht hatte, erkannte ich, dass es Gustav war, einer meiner Kollegen. Bis zu dem Moment hätte ich ihm nicht zugetraut, sich in dieses Treiben hineinziehen zu lassen, nicht jetzt, nicht heute, wir waren erst vier Tage hier.
Neuigkeiten?, fragte ich betont nüchtern, um seiner Ausgelassenheit etwas entgegenzusetzen.
Keine Neuigkeiten. Behrmann und Wittler sind in der Stadt und suchen ein Reisebüro. Um vier wollen sie zurück sein.
Und bis dahin?
Gustav zuckte die Achseln. Eine Kellnerin kam vorbei und stellte uns eine Flasche Champagner auf den Tisch, die ich ebenfalls nicht bestellt hatte.
Bis dahin kann es nur schlimmer werden, bemerkte ich.
Gustav schenkte sich ein Glas Champagner ein und lehnte sich auf dem Plastikstuhl zurück.