Robolove #2 - Operation: Copper Blood - Martina André - E-Book

Robolove #2 - Operation: Copper Blood E-Book

Martina André

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Beschreibung

Panamerikanische Staaten im Jahr 2056:Lennox Copper kann den gewaltsamen Tod seiner Frau und vor allem seine Mitschuld daran nicht verwinden. Als er von Regierungstruppen entführt und zum Hybrid-Söldner umgewandelt wird, scheint sein Schicksal besiegelt. Doch ihm gelingt die Flucht und er findet bei den Rebellen von Hunter's Lane ein neues Zuhause. Lennox wird von seiner traumatischen Vergangenheit eingeholt, als er im Auftrag seiner Organisation die weltbekannte Influencerin Jill Ambush vor einem heimtückischen Attentäter bewahren und sie mit seinem Charme für die Zwecke der Rebellen gewinnen soll. Um seine Mission zu erfüllen, lässt er sich von Jill als Bodyguard engagieren und geht eine leidenschaftliche Beziehung mit der verwöhnten Society Lady ein. Ein gefährliches Spiel.Als Lennox sich zu allem Übel in Jills Tochter Emma verliebt scheint das Chaos komplett. Zumal ihnen der Attentäter dicht auf den Fersen ist und Emma ein tödliches Geheimnis hütet, von dem sie selbst nichts ahnt und das sie alle den Kopf kosten könnte... RoboLOVE Operation: Copper Blood. Romantisch, humorvoll und mega spannend. Zweiter Teil der RoboLOVE Serie von Martina André-

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Martina André

Robolove #2 - Operation: Copper Blood

Für Rosie

Robolove #2 - Operation: Copper BloodCopyright © 2019, 2019 Martina André und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726236293

Coverbild / Illustration: Shutterstock

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

RoboLOVE: Operation Copper Blood

Personen, Namen und Ereignisse in diesem Roman sind frei erfunden und entspringen der Fantasie des Autors und bilden nicht die Wirklichkeit ab. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt. Ereignisse in der Story, zumal in Verbindung mit tatsächlich vorhandenen Orten und Organisationen, haben keinen Bezug zu wahren Begebenheiten.

Prolog – Ewige Schuld

Kapitel 1 – Ein ganzer Kerl

Kapitel 2 – Emma

Kapitel 3 – Partygirl

Kapitel 4 – Gebrochenes Herz

Kapitel 5 – Copper Blood

Kapitel 6 – Familienbande

We’re born alone, we live alone, we die alone. Only through our love and friendship can we create the illusion for the moment that we’re not alone.

(Orson Welles)

Prolog

Ewige Schuld

Februar 2056 Panamerikamische Staaten/Killingfields

»Gottverflucht, Rachel!«, brüllte Lennox aus knapp zweihundert Yards Entfernung, als er sah, wie die Situation eskalierte. »Gib den Idioten endlich die verdammte Tasche!«

Er hatte seine heißbegehrte Position an der Essensausgabe der Sozialstation längst aufgegeben und rannte so schnell er konnte zu seiner Frau, die im Schatten einer Mauer auf ihn gewartet hatte. Doch sie war zu weit weg, als dass er auf der Stelle hätte eingreifen können.

In einer trainierten Routine fasste er an seine rechte Seite und vermisste seine Pistole, die er dort noch Wochen zuvor in einem Holster getragen hatte. Aber mit seiner Entlassung als Cop hatte er sie an seine Dienststelle zurückgeben müssen und Privatpersonen war es in Detroit bei Strafe verboten, eine Waffe zu tragen.

»Verdammt!«, fluchte er, während Rachel ihren Rucksack weiterhin mit einem Arm umklammerte, als ob er ihr Leben wäre. Mit dem anderen Arm holte sie aus und schlug einem der Angreifer mit der Faust so hart ins Gesicht, dass er fluchend zurücktaumelte und sich die blutende Nase hielt.

Lennox wusste, dass Rachel selbst dann noch kämpfte, wenn der Sieg aussichtslos war. Aber diese Kerle würden nicht aufgeben, so viel war klar.

Die Angreifer bemerkten Lennox erst, als er fast bei ihnen war. In Panik zückte einer der Vermummten eine altmodische Pistole. Doch er schoss nicht auf ihn, sondern auf Rachel.

Lennox erinnerte sich nicht mehr, ob es der Schuss gewesen war oder das Aufblitzen des Feuers, das seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt hatte. Er sah immer nur das Bild vor Augen: wie Rachel fiel – in Zeitlupe – mit einem großen blutigen Loch in der Brust. Das lange schwarze Haar folgte ihrem sterbenden Körper wie eine wehende Fahne im Wind.

Einer der Kerle entriss ihr, kaum dass sie am Boden lag, den Rucksack und rannte mit den restlichen Typen davon.

Als Lennox endlich auf dem heißen Asphalt neben ihr kniete und vergeblich versuchte, die Wunde in ihrer Brust mit bloßen Händen zu schließen, schaute sie ihn aus ihren großen, gebrochenen Augen an, als ob sie nicht glauben konnte, was soeben passiert war.

Er schrie ihren Namen. Doch sie antwortete nicht. Stattdessen hörte er laut und deutlich seine innere Stimme: Sie ist tot, Len. Verdammt nochmal, sie ist tot.

Drei Monate später …

Hastig schlang Lennox seinen Bohnenschotenbrei in sich hinein, obwohl das Zeug genauso geschmacklos war wie das Insektenmehl, das Ed ihm gewöhnlich servierte und von dem er behauptete, es würde seine Muskeln eher stählen als Fleisch. Aber er musste etwas essen, sonst konnte er bei den Boxkämpfen, mit denen er sich nach Rachels Tod regelrecht selbst bestrafte, nicht bestehen.

Ed Pakorski, ein glatzköpfiger Endfünfziger mit einer mehrfach gelifteten Visage, die ihn aussehen ließ wie ein Alien aus der Area 51, stand hinter ihm und mahnte zur Eile. Er hatte Lennox nach Rachels Tod unter einer Brücke in Detroit aufgelesen und – obwohl er zu diesem Zeitpunkt ziemlich abgemagert gewesen war – sofort sein Potential als Boxer erkannt. Lennox war Mitte Zwanzig, über Eins Neunzig groß, Linkshänder und seine Arme hatten eine außergewöhnliche Reichweite. »Mit ein paar Proteinen mache ich wieder einen richtigen Kerl aus dir«, hatte Ed ihn bequatscht und ihm nicht nur eine trockene Bleibe in seinem Apartment versprochen, sondern auch einen Job als Streetfighter in seinem Club, in dem er hauptsächlich Menschen gegen Maschinen antreten ließ. Lennox, dessen Ersparnisse inzwischen vollkommen aufgebraucht waren, hatte nicht lange überlegt und zugestimmt. Pakorski, der früher mal eine große Nummer im Drogengeschäft von Detroit gewesen war, betrieb seinen »Club« im Kellergeschoss eines abbruchreifen Industriegebäudes, wo er die illegalen Schaukämpfe organisierte und ein ebenso illegales Wettbüro betrieb, in dem die Zuschauer ihre letzten Credits auf den Ausgang eines Kampfes setzen konnten.

Am liebsten sahen die Leute, wenn Lennox gegen ausrangierte Robocops antrat und sie spektakulär in ihre Einzelteile zerlegte. Er selbst hatte nichts dagegen, diesen tumben Blechbüchsen das ausdruckslose Gesicht zu polieren. Schließlich hatten sie ihn nicht nur um seine Anstellung als Polizist gebracht, sondern in seinen Augen auch Rachels Tod zu verantworten. Außerdem waren sie schuld, dass er nun halbnackt in dieser heruntergekommenen Küche saß.

»Komm her, Len.« Ed gab ihm einen Wink. »Hol dir deinen Schuss ab, Schätzchen. In einer halben Stunde geht’s los. Dann solltest du aggressiv genug sein, um sämtliche Gegner des Abends auf ihren lang verdienten Schrotthaufen zu schicken.«

»Ja doch«, brummte Lennox und genehmigte sich noch einen Schluck Whisky. Das Einzige, was ihn in dieser Hölle halbwegs bei Laune hielt.

Sein Kopf dröhnte und der Magen rebellierte. Dazu schmerzten die unzähligen Blessuren vom Vortag, die trotz eingesetzter Nanotechnik noch nicht restlos verheilt waren.

Ed erledigte das übliche Doping mit der Gelassenheit einer Krankenschwester, indem er eine unscheinbare Impfpistole mit grüner Flüssigkeit aus einer Ampulle aufzog und ihn aufforderte, am Tisch Platz zu nehmen.

»Der Stoff ist gut«, bemerkte Ed beiläufig, als Lennox sich nur mit Shorts bekleidet verkehrt herum auf einen Küchenstuhl hockte und ihm mit einem kehligen Knurren seine ungeschützte Halsvene darbot.

Ohne lange zu fackeln, setzte Ed die Injektionspistole an die pulsierende Ader und jagte ihm das grüne Teufelszeug mit einem Zischen in den malträtierten Körper. »Kommt direkt aus der Hexenküche von Raphael Salazar«, schwärmte Ed regelrecht. »Hat mich eine schöne Stange Geld gekostet. Angeblich spritzen sie das Zeug irgendwelchen menschlichen Söldnern, die im Krieg gegen die Robots eingesetzt werden.«

»Was redest du da für eine gequirlte Scheiße«, raunte Lennox durch seine zusammengebissenen Zähne, weil die Einstichstelle nach der Injektion noch eine Weile wie verrückt brannte. »Seit wann kämpfen Menschen an der Front? Die würden keinen Tag lang überleben. Du kannst die dortigen Kampfroboter nicht mit den Blecheimern vergleichen, gegen die ich in deinem verlausten Keller antrete.«

»Ich habe es aus einer sicheren Quelle«, murmelte Ed verschwörerisch, während er Lennox mit einem zerfetzten Handtuch das Blut abwischte, das aus der Injektionswunde sickerte. »Aber wehe, du verlierst auch nur ein Wort darüber. Dann sind wir beide am Arsch. Hörst du? Ich vertraue dir, mein Sohn.« Er klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter.

Für Lennox das Zeichen, sich sein knappes Muskelshirt überzuziehen und Ed zu seinem verbeulten Wagen zu folgen, der sie drei Straßen weiter zu dem ehemaligen Industriekomplex bringen würde, in dessen unterirdische Hallen sich normalerweise weder die Cops noch Mitarbeiter der Steuerbehörden verirrten.

Kaum dass sie über einen Hintereingang kommend am Ring eingetroffen waren, brandete das erwartungsfrohe Johlen des meist männlichen Publikums auf. Ein paar ehrenamtliche Ordner hatten die Zuschauer zuvor auf Waffen durchsucht und dafür gesorgt, dass sie sich in einem angemessenen Abstand um den Ring verteilten.

Bevor es losging, konnten die Wetten über ein Holoboard abgeschlossen werden. Die meisten Teilnehmer hatten bereits auf Lennox gesetzt. Wobei es nicht nur darum ging, ob er siegte, sondern vor allem, wie schnell er seine Gegner von der Matte schickte.

Im Vorbeigehen hatte Lennox sich die bedauernswerten Robots angesehen, bei denen er nicht sicher war, ob sie tatsächlich keinerlei Bewusstsein besaßen. Ihre Konstrukteure hatten sich zwar um ein menschliches Aussehen bemüht, doch weder Stimme noch Gesichtsausdruck waren mit einem Menschen zu vergleichen. Umso erstaunlicher war es, dass manche von ihnen versuchten, sich heimlich davonzumachen, scheinbar um dem Kampf zu entkommen. Allerdings wurden sie von Eds Gehilfen gnadenlos wieder eingesammelt.

Nachdem Lennox sich warm geboxt hatte, wollte er gerade in den Ring steigen, als die zuvor sorgfältig verschlossenen Türen der mit Menschen überfüllten Halle unvermittelt aufsprangen. Für einen Moment glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen, als mehrere schwer bewaffnete Kriegsroboter hereinstürmten und rücksichtslos alles beiseiteschoben, was sich ihnen in den Weg stellte. Die Typen waren gut zwei Meter groß, breitschultrig wie ein Schrank und trugen speziell angefertigte Kampfanzüge, die ihre ausgeprägte Muskulatur besonders zur Geltung brachten.

Lennox kannte sie nur aus den Holo-Nachrichten. Normalerweise wurden sie ausschließlich auf den Killingfields eingesetzt und es war strengstens verboten ein ausrangiertes Modell auf dem Schwarzmarkt zu kaufen. Umso mehr fragte er sich, was sie in Eds verlaustem Keller zu suchen hatten. Ihre Gesichter, von denen man nur Nase, Mund und Kinn zu sehen bekam, weil sie einen Helm mit Schutzbrille trugen, wirkten um einiges menschlicher als die Gesichter der Robocops.

Dachten die Zuschauer zunächst noch, es handele sich um einen gut gemachten Scherz, begriffen sie schließlich, dass mit diesen Typen nicht zu spaßen war. Spätestens als die Robots damit begannen, jedem, der eine einigermaßen athletische Figur besaß, elektronische Fesseln anzulegen, brach Panik aus. Diejenigen, die noch eine Chance sahen zu fliehen, drängten zu einem offenstehenden Kellerschacht, der jedoch zu schmal war, um den Robots entkommen zu können.

»Lass uns abhauen«, zischte Ed, der unten am Ring den Coach mimte und nun zum Hinterausgang deutete, der den anderen durch eine Barriere versperrt war. »Hier stimmt was nicht.«

»Keine Frage«, murmelte Lennox und beeilte sich Ed zu folgen. Kurz vor dem Ausgang stellte sich ihnen ein riesiger Kämpfer in den Weg, der keinen Helm trug und so menschlich wirkte, dass Lennox zweimal hinsehen musste, ob es sich tatsächlich um einen Robot handelte. Der Kerl machte Anstalten, auch ihn festnehmen zu wollen. Aber Lennox war noch vollgepumpt mit Eds Drogencocktail und aggressiv genug, um sich zur Wehr zu setzen.

»Mach ihn fertig!«, brüllte Ed in der Hoffnung, dass er den Kerl aus dem Weg räumen würde.

Zuerst schlug Lennox dem Robot die Waffe aus der Hand und dann die Fessel. Als der Robot zurückschlug, wich Lennox dem Schlag geschickt aus und trat ihn vor die Kniegelenke. Der Robot verlor daraufhin das Gleichgewicht und krachte zu Boden.

Lennox wartete keine Sekunde und schnappte sich dessen Laserpistole. Dann packte er Ed, der noch ganz fasziniert zu sein schien, am Ärmel und zog ihn schwungvoll in Richtung Ausgang. Fast hätten sie es bis auf die Straße geschafft, als sie ohne Vorwarnung von vier weiteren Söldnern umstellt wurden.

Lennox hatte genug grünen Kraftverstärker getankt, um sich auch diesen Idioten entgegenzustellen, zumal er nun eine Waffe besaß. Doch seine Gegner waren schneller und hatten Ed mit ihren Lasergewehren in Sekundenbruchteilen in mehrere Einzelteile filetiert, noch bevor Lennox auch nur einen Schuss hatte abgegeben können. Er selbst war so schockiert von Eds unvermitteltem Anblick und all dem Blut, dass er für einen Moment seine Aufmerksamkeit verlor und einen Schlag gegen den Kopf kassierte, der ihn sofort in die Bewusstlosigkeit schickte.

Nachdem er wieder zu sich gekommen war, lag er völlig nackt auf einer Art Fließband. Arme und Beine waren mit Stahlklammern fixiert, was ihm jegliche Möglichkeiten nahm, sich zu rühren. Das Band machte an verschiedenen Stationen halt, an denen Robots ohne Gesicht ihn offensichtlich auf eine Operation vorbereiteten. Seine Brust wurde mit einer blauen Strahlung sterilisiert und einer dieser gesichtslosen Assistenten jagte ihm eine Injektion in die Armvene. Was wohl eine Narkose sein sollte, die bei Lennox jedoch nicht vollständig wirkte. Er dachte, er würde sterben, als sie seinen Körper unter Einsatz langer Kanülen mit winzigen Nanobots bombardierten, die gut spürbar in seinen Eingeweiden herumschnippelten und dort irgendetwas erledigten, von dem er nicht die leiseste Ahnung hatte.

Nach dieser Tortur war er froh, noch am Leben zu sein. Aber damit war die Folter längst nicht beendet. Danach wurde er wie ein gefährliches Tier in einen Stahlkäfig gesperrt , der für die kommenden Wochen sein Zuhause sein sollte. Am nächsten Tag wurde er gezwungen, ein muskelaufbauendes Training aufzunehmen, indem man ihm weitere Substanzen spritzte und ihn unter Zwang an diversen Maschinen trainieren ließ, bis sich seine Muskulatur auf die dreifache Größe aufgepumpt hatte. Man wolle ihn – so viel hatte er inzwischen herausgefunden – zu einem Hybridsöldner umfunktionieren. Eine unselige Mischung aus Mensch und Maschine, die man gemeinsam mit den Robots auf den Killingfields einsetzen würde.

Ed hatte also recht gehabt. Menschen kämpften sehr wohl an der Front. Oder sollte er lieber sagen: Männer. Denn es waren keine Frauen unter den zukünftigen Hybridsoldaten auszumachen, obwohl er sich schwach erinnerte, einige wenige in den Zellen gesehen zu haben, die ebenso abwesend ins Leere gestarrt hatten wie die verschleppten Männer.

Doch bei Lennox liefen die Dinge offenbar ein wenig anders. Während er noch immer hellwach war, wirkten seine Leidensgenossen unter dem Einfluss der Drogen wie paralysiert und waren überhaupt nicht mehr ansprechbar. Wobei ihm klar war, dass er sich nicht anmerken lassen durfte, dass die Drogen bei ihm keine Wirkung zeigten.

Schließlich kam der Tag, an dem man ihn zusammen mit seinen umgewandelten Kameraden im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste schickte. Zuvor hatte man sie noch einmal mit Salazars Drogen vollgepumpt. Vielleicht war das der Grund, warum sie bei Lennox schwächer wirkten. Er war durch Eds Behandlung an das Zeug gewöhnt gewesen.

Ein menschlicher Offizier der Panamerikanischen Staaten mit hohen Rangabzeichen war die Reihen der Neuzugänge abgeschritten, als ob es sich um echte Soldaten handelte und nicht um seelenlose Zombies, die man für miese Zwecke missbrauchte.

Lennox hätte sich am liebsten vor Angst in die Hose gepinkelt, doch wenn er eins gelernt hatte in der kurzen Zeit, so war es, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Also setzte er eine völlig gleichgültige Miene auf und dachte an nichts, als diese Aasgeier, wie er sie nannte, mit ihren Kontrollgeräten auftauchten, um ein weiteres Mal ihre Reaktionen zu prüfen.

Lennox hatte gespürt, wie der Mann neben ihm zu zittern begann. Er hatte ihn schon die ganze Zeit beobachtet, doch er hatte sich strikt verboten ihn anzusprechen. Er war sich darüber im Klaren, dass der Kerl ihn am Ende verraten würde, wenn er auch nur einen Funken Empathie für ihn zeigte.

Nur wenige Sekunden später offenbarte sich, wie richtig er mit dieser Einschätzung gelegen hatte. Das Gerät des Robots zeigte mit einem holografischen Signal an, dass der Mann zumindest noch teilweise ein eigenes Bewusstsein besaß.

»Eliminieren«, sagte eine kalte Stimme aus dem Off. Der Robot zückte seine Waffe und setzte sie dem Mann an den Kopf, der nun hemmungslos zu schreien begann. Eine Sekunde später sackte er in sich zusammen. Tot.

Lennox versenkte sich geistig ins Nirgendwo und blickte stur geradeaus, als der Robot vor ihm stand und ihm mit eiskaltem Blick in die Augen starrte, während er ihm das Messgerät an die Schläfe hielt.

Er war versucht aufzuatmen, als der Robot unverrichteter Dinge weitermarschierte. Aber selbst das gönnte er sich nicht.

Danach steckte man sie in einen intelligenten Kampfanzug, der seine Wärmeregulation automatisch den klimatischen Bedürfnissen anpasste, und verfrachtete sie in mehrere Transportgleiter.

Der Flugzeit nach zu urteilen waren sie ein paar tausend Meilen ostwärts geflogen, bevor sie zur Landung ansetzten. Niemand von seinen sogenannten Kameraden hatte während des Fluges auch nur eine Silbe gesagt. Man würde sie alle in den Tod schicken, fuhr es ihm durch den Kopf. Und niemand dort draußen würde je davon erfahren, weil man ihnen mit einem ausgelöschten »Ich« die Möglichkeit zur Kommunikation genommen hatte.

Lennox speicherte alles, was er sah, in seiner Erinnerung, die noch komplett vorhanden war. Er musste einen Weg finden, dieser Hölle zu entkommen. Und das lebend. Hatte er noch vor Monaten, nach Rachels Tod, einfach sterben wollen, so war er nun fest entschlossen, die Welt vor der Regierung der Panamerikanischen Staaten und deren Helfershelfern zu warnen. Die Leute dort draußen mussten wissen, was hier geschah. Jeder von ihnen konnte jederzeit selbst Opfer dieser skrupellosen Machenschaften werden.

Doch an Flucht war nicht zu denken. Bereits kurz nach ihrer Ankunft steckte man sie in streng überwachte Mannschaftsunterkünfte, wo sie der Kontrolle kompromissloser Kampfroboter unterstanden. Diese seelenlosen Typen waren genauso groß und so muskulös wie die Kerle, die ihn verschleppt hatten. Er hatte keine Ahnung, ob sie selbstständig dachten oder ob sie auch von außen gelenkt wurden.

Am nächsten Tag schickte man Lennox und seine Zombie-Kameraden, wie er die anderen nannte, in ihren ersten Einsatz auf einen heiß umkämpften Wüstenhügel. Dort sollten sie auf die Kämpfer der Panasiatischen Front treffen. Lennox und seine Leidensgenossen bildeten eine Art Vorhut, damit die nachfolgenden Kampfroboter die Strategien des Gegners berechnen konnten und damit ihre Verluste reduzierten.

Dummerweise standen die asiatischen Robots den panamerikanischen Modellen in nichts nach. Lennox wurde von der Wucht dieser menschenähnlich aussehenden Maschinen regelrecht überrannt und ließ sich noch vor dem ersten Feindkontakt zu Boden fallen. Die Robots metzelten mit ihren Laserwaffen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte.

Auch nachdem die erste Angriffswelle in der gleißenden Wüstensonne über ihn hinweggestürmt war, blieb Lennox erst einmal liegen und hoffte, man hielte ihn für tot.

Wie betäubt atmete er den Geruch des frischen Blutes ein, das binnen Minuten im heißen Sand verdampfte. Nur ganz wenig hob er den Kopf und schaute sich um. Vom Anblick herumliegender Körperteile regelrecht gelähmt, wartete er ab, bis die Meute weitergezogen war. Erst nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihn niemand beobachtete, rannte er in geduckter Haltung zu einem naheliegenden Felsplateau und drückte sich in eine Nische zwischen zwei massiven Felsbrocken. Erstaunt nahm er hinter sich einen schmalen Spalt wahr, durch den er sich, wenn auch mit ein wenig Mühe, hindurchdrücken konnte. Dahinter verbarg sich eine erlösende Dunkelheit, die in ein kleines Höhlensystem führte. Erleichtert atmete er auf.

Doch er war nicht allein. Unvermittelt hatte er die Mündung eines Lasergewehrs im Gesicht. Lennox zückte instinktiv seine Laserpistole und bedrohte den Gegner mit der gleichen Intensität. Auge in Auge standen sie sich im schwachen Lichtschein, der durch den Felsspalt hereinfiel, gegenüber. Bei genauer Betrachtung sah er sich mit einem Kriegsroboter der Panamerikanischen Staaten konfrontiert.

Der Robot trug keinen Helm und war nur wenig größer als Lennox. Er hatte ein smartes, kantiges Gesicht ohne Bart und helle, fast silberblaue Augen. Passend dazu war sein kurz geschnittenes Haar von silberblauen Strähnen durchzogen. Wer auch immer ihm ein solches Design verpasst hatte, musste einen kreativen Tag gehabt haben. Doch Lennox ließ sich davon nicht beeindrucken und entsicherte den Abzug seiner Waffe mit einem gut hörbaren Summen.

»Ganz ruhig, Kumpel«, raunte die Silbersträhne ihm zu. »Wenn du die Pistole weglegst, tue ich dir nichts.«

Der Robot musste den Schock und die Angst in seinen Augen bemerkt haben. Eine gefährliche Situation. Denn schließlich konnte seinem Gegner nicht entgangen sein, dass er trotz der Drogen Gefühle empfinden und noch selbstständig denken konnte. Andererseits stellte sich ihm die Frage, warum der Robot hier war und nicht draußen auf dem Schlachtfeld.

Überraschenderweise legte sein Gegenüber ebenfalls die Waffe zu Boden, nachdem Lennox seiner Aufforderung gefolgt war.

»Und jetzt?«, fragte Lennox tonlos und in der sicheren Erwartung, als Deserteur von dem anderen getötet zu werden. »Machst du mich fertig? Falls ja, bitte schnell und ohne zu leiden.« Er kniff die Augen zu, doch es passierte nichts. Als er sie wieder öffnete starrte der Robot ihn immer noch an.

»Warum bist du nicht wie die anderen?« Der Robot hob eine Braue.

Eine Frage, die keinesfalls zu einem Blecheimer passte, wie Lennox die Robots nannte. »Was geht dich das an?«, konterte er, nachdem er seine Angst hinuntergeschluckt hatte und den fordernden Blick seines Gegenübers in gleicher Weise erwiderte. »Dasselbe könnte ich dich fragen. Warum lebe ich noch und warum bist du hier und nicht dort draußen bei den anderen Blecheimern?«

»Ich bin kein Blecheimer«, knurrte der Andere sichtlich verstimmt. »Und du, beantworte meine Frage, wenn du leben willst!«

»Uh.« Lennox hatte zu seinem Galgenhumor zurückgefunden und grinste müde. »Versprich nicht, was du nicht halten kannst! Wir sind doch schon tot. Wir wissen es nur noch nicht.«

»Ich weiß, wie wir hier rauskommen können, ohne zu sterben«, erwiderte der Robot ohne einen Anflug von Zweifel in der Stimme.

»Wir? Oder meinst du dich? Denn wozu brauchst du einen abgefuckten Hybridsöldner, der lediglich zum Sterben hierhergeschafft wurde?«

»Da haben wir mehr gemeinsam, als du denkst, Bruder.«

»Bruder? Ich bin nicht dein Bruder! Ich bin ein Mensch!«, insistierte Lennox entschieden.

»Du bist ein Mensch, aus dem man einen Robot gemacht hat oder zumindest machen wollte. Und ich bin ein Robot, aus dem man einen Menschen gemacht hat, zumindest äußerlich.«

»Und innerlich?« Lennox grinste sarkastisch. »Sag nur, da haben wir auch was gemeinsam?«

Der Robot schaute ihm geradewegs in die Augen. »Wir haben beide ein Bewusstsein, weil wir beide ein hochentwickeltes Gehirn besitzen. Du ein biologisches und ich ein biotechnisches.«

»Das glaubst du doch selbst nicht!« Lennox war ehrlich schockiert. Falls der Kerl tatsächlich ein Bewusstsein besaß, würde er eine größere Gefahr für die Menschheit bedeuten als der Krieg und seine Folgen.

»Du kannst es glauben oder es lassen«, murmelte der Robot mit einer arroganten Gleichgültigkeit in der Stimme. »Aber eins sollst du wissen: Du kennst nun mein Geheimnis und ich kenne deins. Also werden wir gemeinsame Sache machen oder gar nichts.«

»Und was wäre gar nichts?«

»Gar nichts wäre, dass ich dich eliminieren müsste, wenn du dich weigerst, mich zu unterstützen. Doch das wäre in Anbetracht der Lage nicht klug. Schließlich sitzen wir im selben Boot.«

»Und von was für einem Boot sprichst du, wenn ich fragen darf? Wir sitzen mitten in der Wüste und es gibt weder ein Boot noch ein Meer, über das wir entkommen könnten.«

»Lass das meine Sorge sein«, raunte der Robot. »Ich bin schließlich nicht zufällig hier.«

»Egal was du vorhast«, protestierte Lennox aufgebracht, »sie werden uns schnappen. Sie haben uns einen Chip implantiert, über den sie uns jederzeit orten können. Ein Wunder, dass sie noch nicht hier sind.«

»Kein Wunder, weil wir von einem Felsgestein umgeben sind, das die Signale absorbiert. Und im Übrigen habe ich meinen Chip bereits entfernt.«

»Wie hast du das denn hinbekommen?« Lennox starrte ihn ungläubig an.

»Komm her!«, forderte der Robot ihn auf.

Lennox folgte nur zögernd seiner Aufforderung und ging näher zu ihm hin. Er traute dem Robot nicht. Vielleicht war das alles eine Falle, um die Wirksamkeit der Drogen zu testen, die man ihm verabreicht hatte. Vielleicht war er von dem Zeug auch nur high und träumte das alles. Auch schon egal, dachte er, als der Robot zwei Finger der linken Hand an seine Schläfe legte.

Der kurze Stromstoß war schmerzhaft und legte für einen Moment all seine Sinne lahm.

»Was war das denn?«, murmelte er mit schwerer Zunge, als er kurz danach auf dem Boden lag und wieder zu sich kam. Dabei hielt er sich noch immer die Stelle, die der Robot unter Strom gesetzt hatte.

»Ich habe deinen Chip eliminiert. Nun können dich die Systeme unserer Verfolger nicht mehr orten.«

Lennox glotzte ihn ungläubig an. »Und was ist der Plan?«

Der Robot erwiderte mit ausdruckslosem Gesicht seinen Blick. »Wenn der Angriff vorbei ist, werden sie Aufräumeinheiten schicken. Wir werden uns einen ihrer Transporter kapern und lautlos verschwinden. So einfach ist das. Ich werde so tun, als ob ich dich eingesammelt hätte und zum Lager zurückbringe. Das ist weniger auffällig.«

»Ah, nun kommen wir der Sache schon näher. Ich bin dir nützlich. Und kaum haben wird unser Fluchtvehikel erreicht, lässt du mich fallen wie eine ausgelutschte Bohnenschote und verschwindest ohne mich. Na, vielen Dank auch.«

»Nein, werde ich nicht«, gab der Robot stoisch zurück. »Warum verdammt nochmal müsst ihr Menschen immer so misstrauisch sein?«

»Vielleicht weil das, was hier gerade abläuft, nicht unbedingt vertrauenerweckend auf mich wirkt?« Lennox gab sich keine Mühe den Sarkasmus in seiner Stimme zu unterdrücken.

»Daran kann ich nun mal nichts ändern«, widersprach ihm der Robot mit einem müden Grinsen, das ganz und gar nicht zu einem Kampfroboter passte. »Du hast eben ausgesprochenes Pech, dass bei dir die Drogen versagen. Sonst würdest du einfach meinen Befehlen gehorchen. Fragt sich, warum das bei dir nicht funktioniert?«

»Fragt sich, warum du wie ein Mensch reagierst?«

»Anscheinend«, erwiderte der Robot mit einem düsteren Blick, » hat mein Gehirn unvorhergesehen ein stabiles Bewusstsein kreiert. Fakt ist, das Oberkommando wird mich eliminieren, wenn sie dahinterkommen. Und Fakt ist auch, dass ich dieses Bewusstsein behalten möchte.«

»Das heißt, du sitzt tatsächlich in der gleichen verfickten Scheiße wie ich?«

»Wenn du es so nennen willst. Ja. Ich sagte doch, wir haben mehr gemeinsam, als du denkst.«

»Okay«, sagte Lennox gedehnt. »Ganz gleich was du vorhast - ich bin dabei.«

Als er wenig später mit dem Robot die Höhle verließ, schien der Plan zunächst aufzugehen. Es war schon Nachmittag und die Sonne stand tief. Überall lagen zerstörte Körper herum, die meisten davon getötete Hybridsoldaten. Ein paar gesichtslose Robots schwirrten eifrig herum und lasen die abgetrennten Körperteile auf und warfen sie in metallische Körbe, deren Inhalt sie von Zeit zu Zeit mit einem Laser verbrannten. Der Geruch nach verkohltem Fleisch und verbrannten Haaren lag in der Luft. Auch ein paar Robots waren unter den Gefallenen, aber deren Teile wurden sorgsam geborgen und in separate Kisten gelegt, weil man sie im Zweifel wieder zusammenflicken konnte.

Tatsächlich standen ein paar verlassene Transportgleiter herum, die Lennox’ neuer Verbündeter ins Auge gefasst hatte, um einen von ihnen zu kapern.

Umsichtig marschierten sie vorwärts, bedacht darauf niemandem aufzufallen, der sie aufhalten konnte. Als sie fast den nächststehenden Transporter erreicht hatten, erfüllte ein zischendes Geräusch die Ebene.

»Fuck!«, fluchte der Robot ausgesprochen menschlich und blickte zum Himmel. »Drohnen der Panasiatischen Front! Eine zweite Angriffswelle! Runter! Verdammt!«

Während der Robot sich unter den Transporter warf, zückte Lennox seine Waffe und nahm die anfliegenden feindlichen Drohnen heldenhaft ins Visier, in der Angst, sie könnten den Transporter zerstören und damit seine einzige Chance, dieser Hölle zu entkommen. Er gab mehrere Lasersalven ab und brachte zwei der Drohnen zum Absturz, doch da war eine dritte und eine vierte, die zu weit weg waren, um sie mit einem simplen Gewehr vom Himmel zu holen. Sie feuerten aus einiger Entfernung zurück und brachten Lennox zu Fall. Er spürte rein gar nichts, aber als er aufstehen wollte, versagten ihm die Beine den Dienst und seine Arme wollten nicht so, wie er wollte.

»Fuck!«, fluchte der Robot, der inzwischen unter dem intakten Transporter hervorgekrochen kam, noch einmal und hob ihn mühelos auf. Als Lennox an sich herabschaute, sah er, was der Robot meinte. Die Drohne hatte ihm mit ihrem Laser beide Unterarme abrasiert und ein Bein auf Höhe des Oberschenkels gekappt.

Er würgte und übergab sich – dem Robot direkt vor die Füße.

»Wir kriegen das wieder hin«, versuchte er Lennox vergeblich zu beruhigen und hievte ihn an Bord des verwaisten Gleiters. Lennox, oder das, was von ihm übriggeblieben war, fand sich unvermittelt auf einer weißen Pritsche wieder. Überall war Blut und es roch nach Kupfer. Copper Blood, dachte er noch, bevor es dunkel wurde und ihn eine gnädige Ohnmacht von seinem eigenen Anblick erlöste.

Kapitel 1 – Ein ganzer Kerl

New York, Oktober 2056

Mit rasendem Puls schreckte Lennox hoch und starrte in die aufgebrachten Gesichter einiger Kameraden.

Seit einigen Wochen wohnte er nun schon in Hunter’s Lane, einem geheimen Rebellenstützpunkt, mitten in der kanadischen Wildnis.

Cathrin Porter, eine begnadete Wissenschaftlerin, hatte diesen Zufluchtsort für Robots und Menschen geschaffen, um zusammen mit ihnen gegen die Machenschaften der Panamerikanischen Regierung zu kämpfen. Silver, wie sich der Robot nannte, der ihn von den Killingfields gerettet hatte, war mit ihm sofort hierhergeflogen, weil es sich unter den Robots, deren Bewusstsein erwacht war, inzwischen herumgesprochen hatte, dass Cathrin ihnen einen sicheren Unterschlupf bot. Und nicht nur das. Sie hatte Lennox mitsamt den dazu passenden Prothesen wieder zusammengeflickt. Niemand, der seine Verletzungen nicht gesehen hatte, würde auch nur ahnen, dass seine Unterarme und das restliche Bein nicht zu ihm gehörten.

»Hey, Kumpel«, murmelte Max, der wie Lennox ein Hybridkämpfer war, aber im Gegensatz zu ihm die Killingfields nie gesehen hatte. »Das ist jetzt das vierte Mal in dieser Woche. Ich schlage vor, du gehst morgen zu Cathrin und lässt dir einen stärkeren Tranquilizer verschreiben. Oder du fragst sie, ob du ein Einzelzimmer haben kannst. So geht’s jedenfalls nicht weiter.«

»Tut mir leid.« Lennox, dessen angeschlagenes Nervenkostüm sich zu allem Übel nur langsam von seinen traumatischen Erfahrungen erholte, rang nach Luft. Aber es waren nicht die Erlebnisse im Krieg, die ihn hauptsächlich quälten. Vielmehr war es Rachels Tod, dessen Umstände er trotz der Gehirnwäsche und Drogen bei der Armee nicht vergessen konnte. Er hatte gehofft, die Bilder in seinem Kopf würden mit der Zeit verblassen. Aber eher war das Gegenteil der Fall. Sie wurden mehr - nicht weniger. Wie auch immer schien die Auswahl an Albträumen, die seine kranke Psyche passend dazu entwarf, schier unerschöpflich zu sein.

Nur gut, dass er am Morgen einen Termin bei seiner Chefin hatte, die für alle hier wie eine Mutter war, obwohl man ihre Entschlossenheit im Kampf gegen den Krieg und die darin verwickelten Parteien nicht unterschätzen durfte.

Cathrin Porter lächelte wie immer freundlich, als sie ihn an der Tür zu ihrem Sprechzimmer empfing.

»Guten Morgen Lennox, wie geht’s? Ich habe gehört, du hast beim Aufbautraining weiterhin gute Fortschritte gemacht.«

Ihre verständnisvolle Stimme gab ihm jedes Mal das Gefühl, nach Hause zu kommen. Ihr und Silver verdankte er sein Leben. Das würde er den beiden nie vergessen.

»Schlecht«, sagte er ehrlich und wartete darauf, dass sie ihm einen Platz auf einem der weißen Bambusstühle anbot, die vor einem ovalen weißen Tisch standen, an dem sie gewöhnlich ihre dienstlichen Besprechungen abhielt. Nicht nur das weiß getünchte Sprechzimmer mit den wenigen Möbeln war minimalistisch. Auch sie selbst schien keine großen Ansprüche zu stellen. Die zierliche Frau, deren dickes, silbergraues Haar zu einem einfachen Bob geschnitten war, trug einen schlichten weißen Arbeitsoverall, in dem sie beinahe versank.

Im Gegensatz zu Cathrin war Lennox ein Kerl wie ein Baum. Aber dass er inzwischen wieder trainieren konnte wie früher, hatte er ausschließlich ihr zu verdanken.

»So setz dich doch! Möchtest du etwas trinken?« Mit einem Nicken bot sie ihm einen Kaffee an.

»Ich hätte lieber ein Bier.« Wenig später hatte er einen Becher mit alkoholfreiem Bier vor sich stehen und begann, sich das erste Mal am Tag zu entspannen.

»Ich träume jede Nacht von Rachel«, murmelte er mit gesenktem Kopf. »Nicht wie ich sie liebe, sondern wie sie erschossen wird und wie ich vergeblich versuche, sie vor dem Tod zu bewahren. Ich renne und renne und komme jedes Mal zu spät. Und wenn ich wach werde, weiß ich, es ist kein Traum, sondern die Wahrheit. Es macht mich fertiger als alles, was ich auf den Killingfields erlebt habe. Manchmal denke ich, am besten wäre ich auch dort gestorben, dann hätte die Quälerei ein Ende. Ich fühle mich schuldig, weil ich noch lebe und sie nicht beschützen konnte.«

»Das ist ganz natürlich Lennox«, beschwichtigte Cathrin ihn. »Und eigentlich auch ein gutes Zeichen. Es zeigt, du entwickelst wieder Gefühle, die dir unter dem Einfluss der Drogen als Hybrid genommen wurden, und dass deren Wirkung langsam vollständig nachlässt.«

»Aber meine Kameraden, mit denen ich mir die Unterkunft teile, finden das überhaupt nicht witzig. Ich schrecke fast jede Nacht schreiend hoch. Max meinte, ich solle mir einen stärkeren Tranquilizer verschreiben lassen.«

Cathrin machte ein nachdenkliches Gesicht und schüttelte entschieden den Kopf. »Ich hatte eigentlich vor, deine Medikamente zu reduzieren. Was du brauchst, sind keine Pillen. Was du brauchst, ist eine Aufgabe. Ich hatte es bei unserer letzten Besprechung bereits angedeutet. Wir müssen Mac 2 im Blick behalten. Monty MacIntyres’ Klon ist weitaus gefährlicher als sein menschliches Original. Er will einflussreiche Politiker der Panamerikanischen Regierung durch täuschend echt aussehende Robot Kopien ersetzen und mit ihnen die Herrschaft über die Menschheit übernehmen. Das umzusetzen, benötigt natürlich etwas Zeit. Aber wir haben es hier mit einer besonders hochentwickelten Form künstlicher Intelligenz zu tun, die wir keinesfalls unterschätzen dürfen. Wir wissen nicht, wo er anfangen wird, prominente Menschen auszutauschen, aber ich bin sicher, er hat den Dunstkreis des Panamerikanischen Präsidenten als erstes im Auge. Und dazu zählen auch dessen Familienangehörige. Jonathan Junger hat nicht die geringste Ahnung, dass es nicht mehr Monty MacIntyre selbst ist, mit dem er Geschäfte betreibt und der in Wahrheit seinen Krieg finanziert, sondern eine heimtückische künstliche Intelligenz, die ihn und seine gesamte Familie bedroht.«

»Und warum sagt ihm das niemand?«

»Wer sollte das tun? Wir? Wohl kaum. Mac 2 hat bereits alles perfekt manipuliert«, klärte ihn Cathrin mit einem finsteren Blick auf. »So wie es sich darstellt, hat er eine neue Serie von R8-Robots konstruiert, nachdem er bei Jack den Quellcode kopiert hat. Sie unterscheiden sich nicht nur äußerlich kaum noch von einem Menschen, auch innerlich können nur noch Spezialisten erkennen, ob es sich um Robots handelt. Natürlich sind sie körperlich um einiges schneller und stärker als Menschen. Er selbst hat nach unseren Ermittlungen weitere Kopien von sich angefertigt. Wir haben keine Ahnung, wie viele Kopien es von ihm gibt. Aber genau da steckt das Problem. Sollten Jungers Geheimdienste tatsächlich auf die Idee kommen, ihn zu scannen, weil jemand ihnen einen Hinweis dazu gibt, wird die Kopie ohne Skrupel behaupten, von mir entworfen und von uns eingeschleust worden zu sein. Wir können das nicht widerlegen und wenn sie ihn vernichten, taucht ein neuer Mac auf und erklärt, der echte zu sein. Was glaubst du, wie oft Jungers Geheimdienste einen neuen Scan unternehmen, nur um herauszufinden, dass es keine menschliche Version von Monty MacIntyre mehr gibt?«

»Nicht sehr oft, schätze ich. Irgendwann werden sie ihm glauben, der echte MacIntyre zu sein«, gab Lennox nachdenklich zurück.

»Genau so wird es ablaufen«, bestätigte Cathrin seine Vermutung. »Vor allem, weil die Regierung nach wie vor von MacIntyres Konzern abhängig ist und gar nicht auf deren Robot-Produktion verzichten kann. Jedenfalls nicht, solange der Krieg gegen die Panasiatische Front nicht gewonnen ist.«

»Das bedeutet, zunächst müsste der Krieg beendet werden«, murmelte Lennox mehr zu sich selbst.

»Das wird kaum geschehen, solange Junger und seine Leute davon profitieren, indem sie mit Hinweis auf den Krieg permanent die Steuern erhöhen«, erwiderte Cathrin mit ernstem Blick. »Die einzige Möglichkeit, Bewegung in die Sache zu bringen, wäre, die Bevölkerung über die wahren Hintergründe und Gefahren, die von diesem Krieg ausgehen, zu informieren. Da sämtliche Kommunikationswege streng überwacht werden und die Leute nur zu sehen bekommen, was sie sehen sollen, bleibt nur ein Weg, diese Kette zu durchbrechen.«

Lennox blickte interessiert auf. »Und der wäre?«

»Wir müssen jemanden auf unsere Seite ziehen, der an der Spitze dieser Kommunikationskette steht.« Cathrin warf ihm einen gewichtigen Blick zu.

»Und wer soll das sein?«

»Jill Ambush«, erklärte Cathrin und lächelte schwach. »Sie ist die wichtigste Influencerin im Alltag der Panamerikaner. Ihr Wort ist Gesetz. Was sie verkündet, ist wegweisender als Gottes Wort in der Bibel. Zufällig ist sie die Schwester der First Lady und ihr Ex-Mann ist sein Verteidigungsminister. Zudem ist sie Jungers inoffizielles Sprachrohr. Obwohl sie selten über politische Themen berichtet. Und ich bin auch nicht davon überzeugt, dass sie etwas über die Gräueltaten ihres Verflossenen weiß. Vielleicht ist es Naivität oder Desinteresse. Aber das sollte sich möglichst bald ändern, weil sie die Schlüsselfigur zu unserem Plan ist.«

»Jill Ambush…«, Lennox warf Cathrin einen zweifelnden Blick zu. »Ist das nicht die affektierte Braut, die Jack im Auftrag von Hunter’s Lane im ›Universe‹ in Chicago gevögelt hat?«

Cathrin nickte mit einem hintergründigen Lächeln. »Genau die«, antwortet sie, ohne die Geschehnisse ausführlicher zu kommentieren. »Leider ist dieser Einsatz im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose gegangen, obwohl die gute Jill bei Jack durchaus angebissen hatte. Aber dann kam uns Mac 2 in die Quere und hat sich durch den Überfall seiner eigenen Leute als Retter der Nation profiliert und später Jacks Quellcode geraubt. Durch Marcis tapferen Einsatz haben wir das Schlimmste verhindern können und Jacks Persönlichkeit retten können. Aber für einen erneuten Einsatz bei Jill ist er ›verbrannt‹. Und das nicht nur, weil Mac 2 vor ihm gewarnt ist, auch, weil Marci es nicht zulassen würde, dass Jack noch einmal bei Jill den Lover spielt.«

»Und worauf läuft der neue Plan hinaus?«

»Wir müssen Jill Ambush auf unsere Seite ziehen. Niemand sonst könnte weltweit glaubhafter auf die Gräueltaten der Panamerikanischen Regierung aufmerksam machen. Das funktioniert aber nur, wenn Jill begreift, dass wir die Guten sind und nicht ihr Schwager – und wer nun in Wahrheit hinter Monty MacIntyre steckt. Um sie zum Umdenken zu bewegen, müssen wir jemanden in ihr Privatleben einschleusen, dem sie vorbehaltlos vertraut. Jemanden, der ihr hilft, sich selbst die Augen zu öffnen. Denn nur dann wird sie zur besten Sendezeit über die dunklen Machenschaften ihres Ex-Mannes und ihres Schwagers berichten und auch Mac 2 vor der Weltöffentlichkeit als das entlarven, was er ist: ein gefährlicher Robot, der heimlich neue Armeen produziert, um die Weltherrschaft an sich zu reißen.«

»Wow?« Lennox lehnte sich beeindruckt zurück. »Und wer sollte einen solchen Job übernehmen?«, fragte er unbedarft.

»Du. Ich bin alle durchgegangen, die dafür infrage kämen. Und du bist der einzig Richtige.«

»Ich?« Lennox riss ungläubig die Augen auf.

»Du siehst verboten gut aus und es gibt niemanden in deinem Privatleben, der auf Jill Ambush eifersüchtig sein könnte. Als ehemaliger Polizist verfügst du zudem über eine Menge Fähigkeiten, die man bei einem solchen Einsatz gebrauchen kann.«

»Okay…« Er selbst war nicht überzeugt, der Richtige zu sein, aber er fühlte sich von Cathrins Begründung geschmeichelt. »Obwohl ich im Moment nicht die geringste Ahnung habe, wie ich das hinbekommen sollte.«

»Zunächst müssen wir Jill Ambush observieren und sicherstellen, dass Mac 2 sie zwischenzeitlich nicht durch einen identisch aussehenden Robot ersetzt. Das Problem ist, dass sie dem menschlichen MacIntyre beinahe blind vertraut hat, weil sie eng mit ihm befreundet war und zunächst nicht bemerken wird, wenn der falsche Mac vor ihr steht.«

Lennox nahm einen Schluck Bier und fixierte Cathrin über den Rand des Bechers mit einem noch immer ungläubigen Blick.

»Und wie soll ich sie dazu bringen, dass sie unser Sprachrohr spielt?« Lennox hob eine Braue. »Sag jetzt nicht, ich soll sie vögeln, bis sie den Verstand verliert. Ich mag sie nämlich nicht. Allein schon aus dem Grund, weil sie mit Ashton Ambush verheiratet war. Sein aalglattes Konterfei taucht fast stündlich in den Holo-Nachrichten auf. Mir wird jedes Mal schlecht, wenn ich ihn nur sehe. Er hat nicht nur mein Leben auf dem Gewissen. Er hat tausende unschuldige Männer verschwinden lassen und trägt die Verantwortung dafür, dass sie immer noch zu Hybridsoldaten umgewandelt werden und auf den Killingfields einen grausamen Tod sterben. Falls du also ein Killerkommando zusammenstellen willst, um ihn verschwinden zu lassen, bin ich gerne dabei. Seine Ex interessiert mich genauso wenig. Von mir aus kann Mac 2 mit den beiden machen, was er will.«

»Falls wir ihn umbringen würden, was ohnehin nicht zu unserer Vorgehensweise einer möglichst friedlichen Revolution passt, wird er entweder zum Märtyrer hochstilisiert oder Mac 2 ersetzt ihn sofort. Und wenn er Ambush und seine Ex-Frau kopiert, wird es nicht besser, sondern um einiges problematischer. Weil Mac 2 sie benutzen kann, um leichter an andere Prominente und Politiker heranzukommen. Deshalb solltest du deinen Hass gegen die Ambushs einstweilen verdrängen«, mahnte ihn Cathrin. »Im Gegenteil. Am Ende muss Jill Ambush dir aus der Hand fressen wie ein Hündchen, das nach seiner Belohnung giert, wenn es anständig apportiert.

»Warum erschaffen wir nicht eine eigene Jill und ersetzen sie? Ich bin sicher, dass du das könntest.«

»Aus dem gleichen Grund, warum wir keinen zweiten Mac 2 erschaffen. Wenn man uns auf die Schliche käme, wären wir nicht mehr glaubwürdig und stehen erst recht als gefährliche Terroristen da. Das wäre so ziemlich das Schlimmste, was passieren könnte, weil Junger sich dann mit Mac 2 verbündet und gegen uns in den Krieg zieht.«

»Das heißt nun was genau?« Er schaute sie herausfordernd an. »Ich soll Jill Ambush anbaggern und mit ihr ins Bett gehen?«, knurrte er und nahm noch einen Schluck Bier, bevor er den Becher beiseitestellte.

»Du sollst ihr deine Dienste als Bodyguard anbieten«, entgegnete Cathrin mit einem milden Lächeln. »Sie ist noch immer verängstigt wegen der Sache im ›Universe‹ und könnte einen Mann an ihrer Seite gebrauchen, der sie beschützt. Hinzu kommt, dass sie trotz ihrer Popularität in Wahrheit einsam ist und sich nach einer starken Schulter sehnt. Sie fährt garantiert auf einen Kerl wie dich ab. Aber alles der Reihe nach. Erst einmal solltest du einige Informationen über sie sammeln und herausfinden, wie du dich ihr am besten nähern kannst, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.«

»Wissen wir irgendetwas über sie? Ich meine, über das, was alle wissen, hinaus?«

»Obwohl Ashton Ambush seine Frau für einen weiblichen Robot verlassen hat, hält sie regelmäßigen Kontakt zu ihm«, erklärte Cathrin und zauberte ein paar Holobilder aus ihrem Tischkommunikator hervor. Darauf war eine hübsche junge Frau mit üppigen rotblonden Locken zu sehen, die ihr bis fast auf den Hintern reichten. »Das ist Emma Ambush, Jills Tochter, die sie zusammen mit Ashton hat. Sie ist deren einziges Kind. Sie studiert Robotics und Biosynthetik an einer Elite-Uni in Schottland. Sie ist Sechsundzwanzig und damit nur wenig jünger als du. Der echte MacIntyre wollte sie als seine Nachfolgerin aufbauen. Sie sollte seine rechte Hand werden und in die Konzernleitung aufsteigen, wenn sie ihr Studium nächstes Jahr mit einem Doktortitel abgeschlossen hat. Mac 2 wird darum wissen und es ist nicht damit zu rechnen, dass er an dieser Strategie etwas ändert. Abgesehen davon, dass er sie, was den Ersatz durch einen Klon betrifft, garantiert genauso im Visier hat wie ihre Eltern.«

»Kann ich nicht eher etwas mit ihr anfangen als mit ihrer Mutter?« Er grinste zweideutig. »Im Gegensatz zu Jill wäre sie wenigstens meine Altersklasse. Ich könnte sie doch entführen und ihr zeigen, was mit Mac 2 und ihren Eltern los ist. Junge Frauen in ihrem Alter sind schließlich leicht zu beeinflussen, zumal wenn es um Weltverbesserungsideen geht.«

»Ich fürchte, der Schuss ginge nach hinten los. Sie bewundert ihren Vater und ist eine hundertprozentige Patriotin. Jonathan Junger hat als ihr Onkel großen Einfluss auf sie und es ist allgemein bekannt, dass er die Rebellen, also uns, für alles verantwortlich macht, was in seinem Land schiefläuft. Es ist also kaum zu erwarten, dass Emma auch nur einen von uns mit offenen Armen empfängt. Im Übrigen ist sie auf ihrem Campus als eiserne Jungfrau bekannt. Wir haben nichts über einen Freund oder Liebhaber herausfinden können. Auch wenn sie aussieht wie ein Supermodel, denk nicht mal dran.«

Lennox schnaubte ungeduldig. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass eine Frau wie Jill Ambush auf mich abfährt? Erstens ist sie fünfzehn Jahre älter als ich und was sollte ich ihr bieten, das sie sich nicht selbst mit Geld kaufen kann?«

»Zuwendung«, erwiderte Cathrin mit einem feinen Lächeln. »Ich sagte es doch: Du unterschätzt deine Wirkung auf Frauen, Lennox.«

»Und wie sollen wir anfangen?«

»Zunächst einmal benötigen wir eine Anbahnungsphase. Mit Jack und Silvers Unterstützung wirst du Jills Tagesablauf studieren. Ihr Hauptwohnsitz befindet sich in Washington, nicht weit entfernt vom Weißen Haus. Aber dort ist sie selten. Sie hat noch ein Penthouse in New York, in der Nähe des Central Parks. Dort hält sie sich die meiste Zeit auf, weil das Studio, in dem sie ihre Shows für das Holonet aufzeichnet, ganz in der Nähe liegt. In den großen Städten wird man an jeder Ecke auf Großleinwänden von ihren Auftritten verfolgt. Man könnte auch sagen, sie ist omnipräsent. Normalerweise mögen die Leute sowas nicht gern. Aber ihrer Beliebtheit hat das bisher keinen Abbruch getan.«

»Das dürfte es verdammt schwer machen, ihr unauffällig zu folgen. Ich meine, wenn sie ständig gefilmt wird, sind wir ständig im Bild«, gab Lennox zu bedenken.

»Deshalb überlasse ich diesen Job Profis. Als Ex-Cop hast du zumindest eine Ahnung, wie man eine Person möglichst unauffällig verfolgt. Silver hat dir eine neue Identität verpasst, die dich als Besitzer einer Sicherheitsfirma ausweist. Dein Name ist nicht länger Lennox Copper, sondern Lennox Robertson. Der Name deiner schottischen Vorfahren, was noch einige andere Vorteile mit sich bringt. Zum Beispiel, dass du dich besser damit identifizieren kannst. Du wirst mit allem ausgestattet, was man für diesen Job braucht. Inclusive eines Luxusapartments und eines respektablen Speedgleiters, den sich nur erfolgreiche Jungunternehmer leisten können. Mach dir also keine Sorgen, was dein gesellschaftliches Standing betrifft. Sollte die einsame Jill bei dir anbeißen, was wir hoffen, wirst du sie mit einer passenden Position und dem nötigen finanziellen Background beeindrucken können.«

Lennox begriff zunehmend, was dieser Job ihm abverlangen würde. Er musste vom armen Teufel, der beinahe auf den Killingfields gestorben war, auf reich, sexy und unwiderstehlich umschalten. »Ich fühle mich geehrt, dass du ausgerechnet mich für diesen Job ausgesucht hast…«

»Aber…?« Cathrin schaute ihn prüfend an.

»Nichts«, antwortete er rasch und nickte zustimmend, wenn auch nicht ganz überzeugt. »Ich mach den Job. Schließlich tue ich es für all die unschuldigen Männer, Frauen und Kinder da draußen, denen andernfalls ein grausames Schicksal bevorsteht.«

»Ich bin überzeugt davon, du wirst deinen Auftrag perfekt erfüllen. Nur eins musst du mir versprechen: Ganz gleich was geschieht, du darfst dich keinesfalls von Jungers Geheimdiensten erwischen lassen.«

»Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, erwiderte Lennox lässig. »Wann legen wir los?«

»Am besten gehst du gleich mal zu Jack. Ich habe ihn und Silver bereits in meine Pläne eingeweiht und die beiden mit den notwendigen Instruktionen versorgt.«

»Gut«, murmelte er und erhob sich etwas umständlich aus seinem Stuhl. Er hatte immer noch Probleme, seine Beine zu koordinieren. Ein rein mentales Überbleibsel seiner Operation.

»Vielleicht solltest du die nächsten Tage noch ein wenig mehr für einen flüssigen Auftritt trainieren«, riet ihm Cathrin. »Körperlich bist du durchaus in der Lage, dich zu bewegen wie vor der OP.«

»Und was ist mit den Psycho-Tabletten?«

»Halbe Ration«, schlug Cathrin mit einem Augenzwinkern vor. »Du schaffst das, da bin ich mir sicher. Ich werde die Krankenstation informieren.«

Auf dem Weg durch die hell erleuchteten Gänge der Rebellenstation legte Lennox sich die Worte zurecht, die er Jack sagen wollte, nachdem er bei dessen Apartment angekommen war. Es ging nicht um den Auftrag, den sie gemeinsam zu bewältigen hatten. Es ging um eine private Geschichte, für die er sich bei Jack und Marci entschuldigen musste. Die letzten Tage hatte er viel darüber nachgedacht, dass er einen großen Fehler gemacht hatte, indem er Jack für eine seelenlose Blechbüchse gehalten hatte. Dass er ihm dazu noch die Geschichte mit Marci auszureden versucht hatte, war unverzeihlich gewesen. Ihr gemeinsamer Einsatz und was danach geschehen war hatte allen in Hunter’s Lane einmal mehr unter Beweis gestellt, dass Robots, deren Bewusstsein erwacht war, genauso fähig waren zu lieben wie ein Mensch. Und dass es auch umgekehrt möglich war, hatte Marci mit ihrem Ja-Wort, mit dem sie Jack in einer kleinen Zeremonie vor aller Augen geheiratet hatte, eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Ein wenig unsicher betätigte er den Summer. Er war nicht sicher, wie er beginnen sollte, wenn einer von beiden ihm öffnete.

Als Marci unvermittelt vor ihm stand, war er für einen Moment ganz gefangen von ihrer Schönheit. Inzwischen waren ihre Haare wieder gelockt und anstatt tizianrot hatten sie wieder ihre dunkelbraune Farbe, was ihren Auftritt um einiges sanfter machte.

»Hallo Marci«, sagte er und lächelte nervös. »Ist Jack da?«

»Ja, er spielt gerade mit den Jungs ein Strategiespiel und verliert andauernd.« Sie lachte und in ihren Wangen zeigten sich ein paar vergnügte Grübchen.

»Jack ist ein verdammter Glückspilz«, sagte er und lächelte wehmütig, »dass er eine Frau wie dich bekommen hat und dazu noch zwei so prächtige Jungs.«

»Danke.« Marci blinzelte ihn mit ihren schönen braunen Augen freundlich an. »Aber du bist doch sicher nicht gekommen, um ihm das zu sagen, oder?«

»Nein, ich muss etwas Dienstliches mit ihm besprechen. Cathrin Porter will uns gemeinsam mit Silver in einen Einsatz schicken und wir müssen noch die Einzelheiten besprechen.«