RoboLOVE #3 -  Operation: Silver Soul - Martina André - E-Book

RoboLOVE #3 - Operation: Silver Soul E-Book

Martina André

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Beschreibung

Fesselnder letzter Band der beliebten Robolove-Trilogie.Silver, desertierter Kriegsroboter und Angehöriger der Rebellen, erhält von seiner Anführerin einen brisanten Auftrag. Er soll Patricia, die First Lady der panamerikanischen Staaten, vor einem heimtückischen Attentat schützen. Um ihr so nahe wie möglich zu kommen, heuert Silver als attraktiver Alltagsbegleiter an. Einziger Haken: Ihr mächtiger Ehemann, der Präsident, von dem sie getrennt lebt, hat ihr einen weiblichen Robot als neuen Bodyguard an die Seite gestellt. Soul, wie das atemberaubend schöne R9 Modell genannt wird, misstraut Silver von der ersten Begegnung an. Dabei hat sie nicht die leiseste Ahnung, wie sehr die smarte Konkurrenz ihre Mission auf den Kopf stellen wird.-

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Martina André

RoboLOVE #3 - Operation: Silver Soul

 

Saga

RoboLOVE #3 - Operation: Silver SoulCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 2020, 2020 Martina André und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726236316

 

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

 

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Personen, Namen und Ereignisse in diesem Roman sind frei erfunden und entspringen der Fantasie des Autors und bilden nicht die Wirklichkeit ab. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt. Ereignisse in der Story, zumal in Verbindung mit tatsächlich vorhandenen Orten und Organisationen, haben keinen Bezug zu wahren Begebenheiten.

RoboLOVE Operation: Silver Soul

     

Prolog

November 2056, Hunter’s Lane, kanadische Wildnis

Rebellen

 

Kapitel 1

November 2056, Washington D.C.

Machtspiele

 

Kapitel 2

November 2056, Washington D.C.

Katz und Maus

 

Kapitel 3

November 2056, Washington D.C.

Falsches Spiel

 

Kapitel 4

November 2056, Washington D.C.

Rebellen

 

Kapitel 5

November 2056, Washington D.C.

Bittere Wahrheiten

 

Kapitel 6

November 2056, Foxdale /Kanada / Singapur

Hoffnungsträger

Prolog

November 2056, Hunter’s Lane, kanadische Wildnis Rebellen

»Habe ich es nicht gesagt? Der Kerl hat ein neues Modell entwickelt, das alle vorherigen Robots in den Schatten stellt.« Silvers Lider verengten sich, während er zusammen mit seiner Chefin die Aufnahmen einer winzigen Spionagedrohne auswertete. Dabei handelte es sich um holografische Aufzeichnungen aus einem geheimen Militärlabor, das zum MacIntyre-Konzern gehörte. Es befand sich irgendwo unter der Wüste von Nevada und sorgte von dort aus für den stetigen Nachschub an absolut menschlich aussehenden Kampfmaschinen.

»Geh näher ran!«, befahl ihm Cathrin, die als Anführerin der Rebellen von Hunter’s Lane für Hunderte von Widerstandskämpfern verantwortlich war. Die meisten von ihnen waren Kriegsroboter, die nicht nur ein menschliches Äußeres besaßen, sondern entgegen ihrer Bestimmung ein menschliches Bewusstsein entwickelt hatten. Als Kämpfer der Panamerikanischen Allianz waren sie im Krieg gegen die Panasiatische Front eingesetzt worden und gehörten zu den wenigen, denen es gelungen war, den grausamen Schlachtfeldern zu entkommen. Eine sinnlose Vernichtung von Robotern und militärischem Material, bei der es nicht nur um die technische Vorherrschaft ging, sondern auch um die Unterhaltung der Massen, denen man dafür Unsummen an Steuergeldern abverlangte. Zumal der Verlierer einer Schlacht dem Gewinner die Kosten ersetzen und darüber hinaus noch einen Bonus zahlen musste.

Das Hauptquartier der Rebellen, die unter der Leitung von Cathrin Porter für die unverzügliche Beendigung dieses Krieges kämpften, lag versteckt in einer ehemaligen Uranmine in einem unzugänglichen Gebirge inmitten der kanadischen Wildnis und war die Basis für eine Revolution gegen diesen Wahnsinn, der die gesamte Menschheit früher oder später in den Ruin treiben würde.

In letzter Zeit kamen zudem immer mehr Menschen nach Hunter’s Lane, denen Cathrin zur Flucht vor den Rekrutierungskommandos der panamerikanischen Regierung verholfen hatte.

Denn so wie es aussah, war zumindest einer der beiden Parteien die glorreiche Idee gekommen, die teuren Kriegsroboter gegen billig produzierte, menschliche Cyborgs zu ersetzen.

Seitdem verschwanden immer mehr Menschen aus den Armenvierteln der Panamerikanischen Allianz, die Mithilfe des MacIntyre Konzerns und ohne das Wissen der Öffentlichkeit in kampffähige Maschinen umgewandelt wurden.

Allein der MacIntyre-Konzern verdiente unvorstellbare Summen mit der Konstruktion von militärischen Robots, die tagtäglich zu Hunderten in dessen geheimen Produktionshallen erschaffen wurden. Währenddessen litten weite Teile der menschlichen Bevölkerung in den Slums der Städte, aber auch auf dem Land unter unvorstellbarer Armut.

Und nun war ein neues Problem hinzugekommen, das für die Menschheit weitaus vernichtender sein würde als jeder Krieg.

»Ist dir eigentlich klar, dass wir Mac 2 noch nie so nahe waren?«, triumphierte Silver. »Zum ersten Mal ist es uns gelungen, mit unseren Spionagedrohnen in sein neustes Entwicklungslabor einzudringen.«

Cathrin legte behutsam ihre Hand auf Silvers ausgeprägte Schultermuskulatur und ließ sie für einen Moment dort ruhen. »Diesen Fortschritt haben wir allein dir zu verdanken.«

Ihre simple Anerkennung bedeutete Silver mehr als tausend Worte. Er spürte Cathrins steigende Anspannung, da sich ihr Herzschlag beschleunigte. Als Robot besaß er sensible Messsonden, die ihm unentwegt den physischen Zustand seines Gegenübers vermittelten. Ganz gleich, ob es sich dabei um einen Menschen oder eine Maschine handelte. Allerdings hätte es einer solchen Fähigkeit gar nicht bedurft, um zu bemerken, wie nervös seine Chefin war. Beiläufig beobachtete er, wie sie sich fortwährend eine graue Strähne ihres perfekt geschnittenen Bobs hinters Ohr strich, die aber dort nicht verblieb, weil sie genauso widerspenstig zu sein schien wie ihre Besitzerin.

Während die Drohne unerkannt ihren Weg durch das feindliche Labor fortsetzte, konzentrierte sich Cathrins Blick auf einen mannshohen gläsernen Kasten, in dem sich ein hochkomplexer biologischer 3D-Drucker befand. »Fahr bitte näher ran«, bat sie. »Ich möchte mir den Produktionskokon des Robots näher ansehen.«

Silver steuerte den winzigen Flugkörper durch das hochauflösende plastische Abbild des Labors und stoppte unmittelbar vor dem durchsichtigen Aufbau, den Cathrin ins Auge gefasst hatte. In dessen Innern wurde biotechnologisch erzeugtes Zellmaterial, das mit dem eines Menschen zu 98% übereinstimmte, zu einem Robot verwoben, der sich optisch nicht von einem menschlichen Wesen unterschied. Wenn man einmal davon absah, dass die Muskulatur einer solchen Maschine gewöhnlich ausgebildeter war und ihre Intelligenz die der meisten Menschen um Längen schlug.

»Ich bin ehrlich beeindruckt«, flüsterte Cathrin fast andächtig, die sich selbst zu den begabtesten Robotik-Ingenieuren des 21. Jahrhunderts zählen durfte. Ihr interessierter Blick galt der makellosen Erscheinung einer jungen Frau, die mit ihrem biegsamen, athletischen Körper und den dunklen, hüftlangen Haaren nicht nur optisch jedem Laufstegmodel Konkurrenz machen konnte. Auch deren innere Werte hatten offenbar einiges zu bieten.

»Angeblich soll die R9-Reihe deutlich intelligenter und schlagkräftiger sein als die bisherigen Modelle«, gab Silver mit einem leicht sorgenvollen Blick zu bedenken. Er war beunruhigt. Nicht nur weil ihn der Anblick dieser ausgesprochenen Schönheit faszinierte. Auch weil er selbst zur legendären R8-Reihe gehörte, dem Vorgängermodell, das zu den fähigsten Robofightern aller Zeiten zählte, und er sich nun mit einer erheblich optimierten Konkurrenz konfrontiert sah. »Wenn Mac 2 sie ins Rennen schickt, benötigen Jack und ich ein Update«, stellte er nüchtern fest. »Sonst haben wir dieser Lady nicht viel entgegenzusetzen.«

»Du hast doch nicht etwa Angst vor ihr?« Cathrin schaute mit gespieltem Entsetzen zu ihrem blonden, zwei Meter großen Super-Robot auf und lächelte verhalten. »Ich denke nicht, dass du dir Sorgen machen musst«, fügte sie beschwichtigend hinzu. »Du und deine Kameraden sind das Beste, was je mein Labor verlassen hat. Ich vermag mir nicht vorzustellen, was an diesem neuen Modell so viel fortschrittlicher sein soll. Zumal sie auf Grundlage der gleichen Konstruktionskonzepte erschaffen wurde wie alle R8-Modelle.«

»Ich habe keine Angst vor ihr, ich habe Respekt«, korrigierte Silver seine Anführerin mit einem stoischen Unterton in der Stimme, während er seinen Blick kaum von dem makellosen, weiblichen Modell abzuwenden vermochte. »Ich stelle mir gerade vor, wie Jack und ich sie in den Griff bekommen sollen, falls sie uns attackiert. Immerhin will Mac 2 sie als Bodyguard der First Lady einsetzen. Und er will eben diese First Lady mithilfe dieses Robots töten lassen, um sie gegen eine identisch aussehende Robot-Kopie zu ersetzen. Das Gleiche, was er mit ihrer Schwester getan hat und deren Familie. Und genauso will er mit dem Präsidenten der Panamerikanischen Allianz verfahren. Jedenfalls sagen das die Pläne, die unsere Spionageprogramme auf dem Hauptrechner der MacIntyre LLC aufgespürt haben.«

»Damit war spätestens nach unserem letzten Einsatz zu rechnen«, stellte Cathrin unmissverständlich klar. »Deshalb möchte ich, dass du dir schleunigst etwas einfallen lässt, wie wir Monty MacIntyres Robot-Klon stoppen können. Gleichzeitig müssen wir den Präsidenten der Panamerikanischen Allianz davon überzeugen, dass die Gefahr für sein Amt und sein Leben nicht von den Rebellen ausgeht, sondern von Mac 2, der MacIntyre unbemerkt ersetzt hat. Die Frage ist nur, ob Jonathan Junger uns glaubt. Es klingt wie eine Verschwörungstheorie, dass sein wichtigster Vertrauter und zugleich größter Waffenlieferant der Panamerikanischen Allianz durch einen identisch aussehenden Robot-Klon ersetzt wurde. Der damit nicht nur die Zügel des Konzerns in der Hand hält, sondern das Schicksal der gesamten Menschheit bestimmt.«

»Misslich genug, dass Junger bisher nicht einmal ahnt, wo der Feind wirklich steht«, fügte Silver leise hinzu. »Woher soll er auch wissen, dass Mac 2 seinen Verteidigungsminister und dessen Familie auf dem Gewissen hat, wenn er nicht einmal weiß, dass Montgomery MacIntyre selbst der eigenen Sicherheitskopie zum Opfer gefallen ist? Schließlich hat MacIntyre Mac 2 absichtlich so konzipiert, dass er ihm bis aufs Haar gleicht. Als er sich mit einem identischen Robot-Klon gegen Attentäter schützen wollte, hat er garantiert nicht damit gerechnet, eines Tages von ihm ins Jenseits geschickt zu werden.«

Cathrin blickte Silver für einen Moment in die saphirblauen Augen, die ihr genauso perfekt gelungen waren wie sein silberblondes Haar, das, je nachdem wie das Licht darauf fiel, in der gleichen blauen Farbe schimmerte. Sie wusste nur zu gut, wie schwierig es war, einen solchen Robot äußerlich von einem Menschen zu unterscheiden. Und am Ende war sie es gewesen, die mit der Konstruktion der ersten R8-Modelle die Verantwortung dafür trug. Sie hatte den gutaussehenden Kämpfer mit den ausgeprägt männlichen Zügen vor Jahren selbst entwickelt, als sie für Montgomery MacIntyre in der Robotik-Industrie gearbeitet und dessen Kriegsroboter entworfen hatte. Für sie, die eigenen Nachwuchs nie in Erwägung gezogen hatte, waren die Robots so etwas wie Kinder gewesen, deren Aussehen sie nach ihren Vorlieben gestaltet hatte. Was dazu geführt hatte, dass sie am Ende nicht wie künstlich konstruierte Maschinen aussahen, sondern wie echte Menschen. Ein Umstand, der beim menschlichen Publikum, das die Schlachten auf den Killingfields auf Holobildschirmen verfolgte, wahre Begeisterungsstürme ausgelöst hatte. Zumal sich Cathrins Robofighter im Kampf wie echte Helden verhielten. Furchtlos und todesmutig, ganz so, als ob sie sieben Leben besäßen. Was in gewisser Weise zutraf, weil man sie im Gegensatz zu menschlichen Soldaten selbst nach schweren Verletzungen zumindest in Teilen wiederherstellen konnte. Ihre gestählten Körper steckten während des Einsatzes in einem ultraleichten Exoskelett aus Titan, das den feuerfesten Kampfanzug umgab und die Eleganz ihrer kraftvollen, absolut menschlichen Bewegungen so anschaulich machte.

Zu Beginn hatte Cathrin bei der Herstellung dieser Robots keinerlei Skrupel empfunden. Für sie und alle anderen waren es Maschinen ohne eigenes Seelenleben. Erst nach einer ganzen Weile hatte sie bemerkt, dass ihre Robots, zu denen auch Frauen zählten, ab einer gewissen Energiedichte in ihren hochkomplexen Quantenhirnen offenbar ein Bewusstsein produzierten, das dem eines Menschen in nichts nachstand. Es ermöglichte ihnen nicht nur menschliche Emotionen, sondern ließ sie auch Schmerzen in der gleichen Intensität empfinden wie ein Mensch.

Für die betroffenen Robots, die ihre plötzliche Verwandlung zunächst nicht begriffen, war das alles ein nicht enden wollender Albtraum. Zumal sie von ihren militärischen Befehlshabern auf der Stelle verschrottet wurden, wenn sie auch nur den geringsten Ansatz einer eigenen Persönlichkeit zeigten.

Und nicht nur Kriegsroboter schienen von dieser Entwicklung betroffen zu sein. Auch immer mehr Escort-Robots in den Bordellen waren nicht länger bereit, sich die rüde Behandlung durch die Menschen gefallen zu lassen, und flohen in Scharen von ihren Einsatzorten.

Nachdem Cathrin die ersten Fälle einer solchen Entwicklung bekannt geworden waren, wurde ihr die Verantwortung bewusst, die sie mit der Konstruktion solcher Robots übernommen hatte. Als man ihre Warnungen, die Produktion der hochentwickelten Robots sofort zu stoppen, in den Wind schlug, warf sie ihren Job hin und tauchte unter, um betroffenen Robots eine sichere Zuflucht zu bieten und sie im Kampf gegen skrupellose Politiker und Konstrukteure zu unterstützen.

Silver gehörte zu jenen Modellen, die Cathrin vor einem grausamen Schicksal bewahrt hatte. Wie auch die anderen Robots, denen die Flucht in ihr Rebellennest gelungen war, hatte man ihn für brutale Kriegsspiele geschaffen, die man auf großen, künstlich angelegten Schlachtfeldern stattfinden ließ.

Vor gut einem Jahr war ihm die Flucht nach Hunter’s Lane gelungen. Seitdem arbeitete er für Cathrin und ihre Mission, die Welt zu einem besseren Ort zu verändern. Er übernahm vorwiegend heikle Aufgaben, besonders wenn es um das Ausspionieren von regierungsnahen Organisationen ging. Oder wenn Mac 2 – wie sie ihren gefährlichsten Feind nannten – einen neuen Angriff plante, um endlich die Weltherrschaft zu übernehmen.

»Ich habe für heute Nachmittag eine Konferenz mit Jack, Lennox und Max einberufen«, erklärte Cathrin beiläufig, während sie bei ihrem weiteren holografischen Erkundungsflug auf unvollständige Robot-Klonmodelle stießen, die Mac 2 offenbar vom Präsidenten der Panamerikanischen Allianz und seiner First Lady angefertigt hatte. Aber auch von ranghohen Regierungsmitarbeitern, die allem Anschein nach ebenso getötet und dann von einem völlig gleichaussehenden Robot ersetzt werden sollten.

»Verdammt«, zischte sie. »Ich hätte nicht gedacht, dass Mac 2 in seiner Planung schon so weit fortgeschritten ist. Wir müssen sofort etwas unternehmen. Es wäre sträflich, auch nur einen Tag länger zu warten.«

»Ich habe inzwischen intensiv das Umfeld der First Lady studiert.« Silver, der bereits einen Plan entwickelt hatte, präsentierte Cathrin ein paar holografische Aufzeichnungen, die Patricia Junger bei verschiedenen Aktivitäten zeigten. »Ihr Leben erscheint mir nicht viel anders als das ihrer ermordeten Schwester. Mit dem Unterschied, dass sie keine Kinder hat und noch mit Junger verheiratet ist. PJ, wie sie als Studentin von ihren Kommilitonen genannt wurde, leidet unter den sexuellen Eskapaden ihres Ehemannes. Eheliche Treue scheint für ihn ein Fremdwort zu sein. Allerdings betrügt er sie nicht öffentlich. Er treibt es mit seinen Angestellten und bezahlt die jungen Frauen für ihr Schweigen. Dabei ist Patricia eine attraktive Frau. Schlank, hübsches Gesicht, trotz ihrer 50 Jahre ziemlich faltenfrei und mit seidigen, braunen Locken gesegnet, die ihr bis über die Schulter reichen. Man könnte meinen, sie hat irgendwelche Schönheits-OPs hinter sich. Was aber nicht der Fall ist.«

»Hat sie Freunde oder einen Geliebten?«

»Nicht, dass ich wüsste. Seit dem Tod ihrer Schwester hat sie sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Sie lebt mit ihrem Hund und ihrer verschrobenen Haushälterin in einer Villa unweit des Weißen Hauses. Sie hat freiwillig einen räumlichen Abstand zwischen sich und ihrem Ehemann geschaffen, indem sie aus dem gemeinsamen Apartment im Weißen Haus ausgezogen ist. Offenbar erträgt sie es nicht, ständig von ihrem Mann betrogen zu werden.«

»Und nun lässt sich der Präsident von seinem zukünftigen Mörder ein neues Spielzeug bauen, ohne auch nur zu ahnen, dass es seine Ehefrau als Erste erwischt, bevor er selbst an der Reihe ist? Wie nennt man das? Ironie des Schicksals?«

»Wer weiß«, gab Silver zu bedenken. »Vielleicht ist Jonathan Junger selbst auf der Suche nach einem Ersatz für seine Frau.«

»Zutrauen würde ich es ihm.« Cathrin warf einen abschließenden Blick auf den fast fertigen weiblichen Robot, der in seinem gläsernen Produktionskokon seiner Vollendung entgegen sah. Sie war so makellos schön, dass die First Lady es trotz ihrer eigenen Attraktivität schwer haben würde, mit ihr in Konkurrenz zu treten. Zumindest was die Vorlieben ihres Gatten für junge Gespielinnen betraf.

»Bis morgen früh sollte es uns gelingen, Patricia Junger so zu beeinflussen, dass sie einem von uns Zutritt zu ihrem Haushalt verschafft«, erklärte Silver mit einer guten Portion Optimismus im Blick. »Ich habe mir gedacht, wir bombardieren sie mit Werbung für einen eigenen Fitnesscoach. Sie ist sehr sportlich und sucht bereits seit längerer Zeit nach der passenden Begleitung. Vielleicht könnte ich mein Glück bei ihr versuchen. Sie hat zwar schon unzählige Probanden gefeuert, und Frauen stellt sie überhaupt nicht ein, aber wie ihr Profil in den Suchmaschinen verrät, steht sie auf blonde, athletische Männer.«

Cathrin setzte eine zufriedene Miene auf. »Was für ein Zufall. Worauf wartest du noch?«

»Falls sie mich einstellt, bin ich jetzt schon gespannt, wann Junger ihr seinen neuen weiblichen Robot vorstellen will. Und wie er darauf reagiert, wenn seine Frau ihm im Gegenzug einen neuen männlichen Fitnessrobot präsentiert.«

»Hauptsache, du bist dir im Klaren darüber, wie gefährlich ein solches Unterfangen ist. Und darüber, dass die Planung für einen solchen Einsatz um einiges perfekter ausfallen muss als gewöhnlich. Immerhin stocherst du in einem Hornissennest herum – und das in unmittelbarer Nähe der Königin.«

»Da ist es ganz gut, dass mir Insektenstiche nichts anhaben können«, witzelte Silver.

Cathrin warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Es wird uns ohnehin nichts anderes übrigbleiben, als zuerst die Ladys unter Kontrolle zu bringen. Ganz gleich ob es sich dabei um Patricia Junger oder den neuen Robot des Präsidenten handelt. Denn nur so kommen wir an Jonathan Junger heran und können ihn vor der unmittelbaren Gefahr warnen, die ihm droht.«

»Ich bin sicher, wir kriegen das hin«, sagte Silver selbstbewusst. »Du weißt, du kannst dich auf mich und die anderen verlassen. Wir werden dich über den Fortgang unserer Pläne laufend informieren.«

»Lasst euch nicht allzu viel Zeit«, mahnte Cathrin ihn und erhob sich von ihrem Stuhl. Bevor sie ging, legte sie ihre Hand noch einmal auf seine Schulter. Genau auf die Stelle, an der auf seinem schwarzen Overall das Zugehörigkeitszeichen von Hunter‘s Lane prangte. Ein symbolischer QR-Code, der gewöhnlich in den Konstruktionshallen von MacIntyre in das tiefere Schultergewebe der Robots eintätowiert wurde. Die Tätowierung war das Erste, was den Geflüchteten nach deren Ankunft entfernt wurde, damit sie bei ihren Einsätzen gegen ihre Peiniger nicht als ehemaliges Regierungseigentum erkannt werden konnten.

»Ich verlasse mich auf dich«, sagte sie nur und nickte ihm aufmunternd zu.

»Aye, Aye!«, versicherte er ihr, bevor sie das Besprechungszimmer verließ.

Bis seine Kameraden zum anschließenden Briefing eintrafen, hatte er einen Moment, sich den weiblichen Robot in der holografischen Darstellung noch einmal genauer anzuschauen. Eingehend studierte er ihre harmonischen Gesichtszüge mit den feinen Brauen, die schrägstehenden Augen und die langen Wimpern, die wie schwarze Federn auf ihren hohen Wangenknochen ruhten. Nicht nur ihr voller Mund war verführerisch, auch ihr schlanker Hals lud zum Küssen ein. Obwohl Silver ein Robot war, schätzte er die körperlichen Vorzüge eines weiblichen Wesens, ganz gleich ob es sich um einen Menschen oder einen Robot handelte. Mit der unerwarteten Entwicklung eines eigenen Bewusstseins waren nicht nur Schmerz und emotionales Chaos über ihn hereingebrochen – auch Lust und Liebe waren nun Teil seines Daseins. Wobei er seine Gefühle nach wie vor besser unter Kontrolle halten konnte als ein Mensch. Doch beim Anblick dieses wunderschönen, noch unfertigen Wesens verspürte er einen unerwarteten Beschützerinstinkt. Ganz gleich was Mac 2 mit ihr vorhatte: Silver würde nicht zulassen, dass der verdammte Robot-Klon sie zu seinem willfährigen Werkzeug machte und dabei ihre Zukunft aufs Spiel setzte.

Er würde nicht nur den Präsidenten und die First Lady vor einem Austausch gegen identische Robots bewahren. Als Erstes wollte er dafür sorgen, dass diese ahnungslose Schönheit ein eigenes Bewusstsein erlangte, um ihr ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu ermöglichen.

Kapitel 1

November 2056, Washington D.C. Machtspiele

»Montgomery MacIntyre ist auf Leitung zwei, Sir.« Die förmliche Stimme des Holokommunikators schreckte den Präsidenten der Panamerikanischen Allianz unerwartet heftig aus seinen Gedanken. Der plötzliche Tod seines Verteidigungsministers und Schwagers Ashton Ambush hatte Jonathan Junger mehr zugesetzt, als er sich hatte eingestehen wollen. Vor allem der Umstand, dass dessen gesamte Familie ausgelöscht worden war. Darunter seine Schwägerin und seine geliebte Nichte Emma, die wie ein eigenes Kind für ihn gewesen war.

»Dass meine Sicherheitsleute einem so hinterhältigen Attentat nichts entgegenzusetzen hatten, empfinde ich als eine nicht enden wollende Demütigung unserer militärischen Schlagkraft«, erklärte er seinem besten Freund Montgomery MacIntyre via Holokommunikator, der das Konterfei seines Gegenübers äußerst plastisch darstellte. Der Konzernchef der MacIntyre LLC, der größten Produktionsstätte von Kriegsrobotern in der westlichen Welt, sah mit seinem schwarzen Bubikopf aus wie ein zu rasch gealterter Teenager. Seine normalerweise unsteten, dunklen Knopfaugen wirkten merkwürdig kalt, während er Jonathan einen warnenden Blick zuwarf.

»Ich rate dir schon länger, auf menschliche Sicherheitskräfte zu verzichten und stattdessen auf meine Kampfroboter zu setzen«, verkündete er abgeklärt. »Ich kann sie entsprechend programmieren, damit sie sich optisch genauso verhalten wie menschliche Bodyguards. Allerdings sind sie um einiges effizienter. Wenn du dich selbst und die First Lady zuverlässig schützen willst, bleibt dir gar nichts anderes übrig, als dein Sicherheitskonzept umzustellen. Ich meine, es waren Rebellen, die Teile deiner Familie auf dem Gewissen haben. Cathrin Porter und ihre Leute schlafen nicht. Sie sind überall und verfügen über erstklassige Technik. Anscheinend sind sie deinen Geheimdiensten immer einen Schritt voraus. Sie haben keinerlei Skrupel, wenn es darum geht, uns und unserem Land Schaden zuzufügen«, versicherte ihm MacIntyre gnadenlos.

»Ja, da magst du recht haben. Patricia ist völlig mit den Nerven am Ende«, bestätigte Junger ihm. »Emma war für uns wie eine eigene Tochter. Sie hatte eine glänzende Karriere vor sich. Ich kann noch gar nicht begreifen, dass sie tot ist. Auch Jill und Ashton fehlen uns von Tag zu Tag mehr. Ich habe alles in die Wege geleitet, damit meine Geheimdienste Cathrin Porter und ihren Rebellenabschaum aufspüren und vernichten. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich sie gefunden und wir sie bis auf den letzten Mann und die letzte Frau ausgelöscht haben.«

»Ich kann verstehen, was in dir vorgeht«, gab sich MacIntyre mitfühlend. »Vergiss nicht, ich habe Rochelle auf die gleiche Weise verloren. Und auch Emma war ein sehr besonderer Mensch für mich. Sie war eine begabte Robot-Ingenieurin und besaß ein wissenschaftliches Potenzial wie keine andere. Sie wäre mir eine würdige Nachfolgerin gewesen. Ihr zu Ehren habe ich meine ganze Kraft in diesen neuen Robot gesteckt. Du kannst dich darauf verlassen, dass er nicht nur deine Frau schützen, sondern auch Emma und ihre Eltern rächen wird, sobald er die Gelegenheit dazu erhält.«

»Danke, Monty. Ich weiß das sehr zu schätzen. Aber ich bin nicht sicher, ob es der richtige Weg ist, einen solchen Robot in meinen privaten Haushalt aufzunehmen. Noch dazu an Patricias Seite.«

»Cathrin Porter hat wesentliche Kontingente desertierter R8-Robots hinter sich vereinen können«, setzte MacIntyre noch einmal nach. »Diese Frau will den Umsturz, Jonathan! Und sie ist dir verdammt nah auf den Fersen. Ich bin sicher, sie wird alles daransetzen, dich umbringen zu lassen, und auch vor Patricia nicht halt machen. Also, was sagst du?«

In Jungers aalglattem Gesicht zeigten sich begründete Zweifel. »Ich habe einen höllischen Respekt vor deinen Robots. Was machen wir, wenn eine dieser Maschinen durchdreht und Patricia und mich versehentlich tötet, anstatt uns zu schützen? Ich meine, ich selbst habe ein Verbot für Kriegsroboter im häuslichen Umfeld erteilt. Schließlich handelt es sich um die skrupellosesten Killersoldaten, die wir je hervorgebracht haben. Ein unbewaffneter Mensch hat nicht die geringste Chance gegen sie. Wie soll ich Patricia beibringen, dass eines dieser Exemplare ab sofort ihren Alltag bestimmt?«

»Ich habe mir schon gedacht, dass du mit einem solchen Argument daher kommst, und habe ein interessantes Angebot für dich, bei dem du bestimmt nicht nein sagen wirst. Ich habe den neuen Robot speziell für deine Bedürfnisse konstruiert. Es handelt sich um einen weiblichen Robot. Sie ist groß, hat einen fantastischen Körper und neben einem speziellen Kampfmodus, den ich ihr einprogrammiert habe und der auf ihre Rolle als Bodyguard zugeschnitten ist, hat sie noch ein paar spezielle Fähigkeiten, die dich als Mann ebenfalls überzeugen werden. Um es kurz zu machen: Sie ist eine Kanone im Bett und wird dir jeden Wunsch von den Augen ablesen – sobald du mit ihr allein bist, versteht sich. Solange sie auf Patricia aufpassen soll, benimmt sie sich wie eine bestens ausgebildete Gouvernante.«

»Ein weiblicher Robot?« Jonathan Junger grinste zweideutig. »Okay, kannst du mir das Modell mal zeigen?«

»Aber sicher doch«, erklärte MacIntyre souverän und überspielte Junger die 3D-Version seiner neusten Konstruktion direkt auf den Schreibtisch.

Jonathan Junger blieb der Mund offenstehen, während vor seinen Augen ein brünettes Supergirl mit endlosen Beinen, ansehnlichen Brüsten und hüftlangen Haaren in alle Richtungen rotierte. Sie besaß eine schlanke, muskulöse Gestalt und einen äußerst knackigen Po. Ihr Gesicht glich dem einer modernen Nofretete, mit schräg stehenden, bernsteinfarbenen Katzenaugen, einer schmalen Nase und einem umso üppigeren Mund.

Die Vorstellung, dass diese Frau ein maschinengesteuerter Profikiller war, verdrängte Junger geflissentlich und dachte lieber daran, wie sie breitbeinig auf seinen Hüften saß und ihn ritt, bis er den Teufel um Erbarmen anflehte.

»Und?« MacIntyres Stimme brach so unvermittelt in die Stille hinein, dass Junger fast zusammengezuckt wäre. »Entspricht sie deinen Vorstellungen?«

»Mehr als das«, krächzte Junger und leckte sich rasch über die Lippen.

»Nach Rochelles Tod und der erneuten Übernahme von CRU habe ich mir gedacht, dass ich das Escort-Geschäft mit den weiblichen Robots und das der Fighting-Robots miteinander vereine. Und das ist dabei herausgekommen. Also ich finde das Ergebnis absolut überzeugend.«

»Und du bist sicher, dass sie mir nicht an den Kragen geht? Ich meine, immerhin hat Rochelles männliche Version sie das Leben gekostet.«

»Wir haben dazugelernt«, belehrte MacIntyre ihn. »Ich habe einige verlässliche Sicherheitssysteme eingebaut, damit der Robot sich nicht verselbständigen und gegen dich vorgehen kann. Er ist verlässlich darauf programmiert, dich und Patricia zu schützen. Er kann gar nicht anders. Dr. Tanaka und ich haben sie selbst getestet. Also verlass dich drauf!«

»Okay. Ich nehme sie. Schließlich sollst du dir die viele Arbeit nicht umsonst gemacht haben.« Er würde Patricia schon davon überzeugen, dass der Robot harmlos war und er ihn ab und zu selbst für seine »Sporteinheiten« nutzen wollte, wie er die geheimen Zusammentreffen mit weiblichen Mitarbeitern nannte, von denen Patricia allenfalls etwas ahnte. Und im weitesten Sinne war dieser Roboter ebenfalls eine Art Mitarbeiterin, bei der man als Ehefrau noch nicht einmal eifersüchtig sein musste. In der übrigen Zeit würde sie als Bodyguard Patricias Alltag überwachen.

»Hat sie einen Spionagemodus?«, wollte er von Monty wissen. »Ich meine, kann ich ihre Iris-Kamera auf meinen Bildschirm schalten, damit ich jederzeit sehe, was meine Frau zuhause treibt?«

»Selbstverständlich, du kannst sämtliche Informationsdaten in Echtzeit auf deinen Bildschirm updaten.«

»Perfekt.« Jonathan Junger nickte zufrieden. »Hat sie schon einen Namen? Oder muss ich mir selbst einen ausdenken?«

»Dr. Tanaka hat sie Soul getauft. Obwohl sie selbstverständlich kein eigenes Seelenleben besitzt. Aber sie benimmt sich so, als hätte sie eins. Im Grunde unterscheidet sie sich optisch und in ihrem Benehmen nicht von einer menschlichen Frau. Bis auf die Kleinigkeit, dass sie jederzeit willig ist und nicht rumzickt.«

»Jetzt bin ich noch neugieriger als ohnehin schon«, verkündete Junger mit einem vielsagenden Lächeln.

Für Robots der von MacIntyre produzierten Klasse gab es aufgrund der Kosten, die deren Herstellung verursachte, ohnehin nur zwei Einsatzmöglichkeiten: als Soldat auf den Killingfields oder als perfekt menschlich wirkende Escort–Begleitung für gewisse Stunden, die sich nur Multimilliardäre leisten konnten. Beides in einem Robot vereint war nicht neu, weil Rochelle MacIntyre, vor ihrem gewaltsamen Tod durch einen solchen Robot, eine ähnliche Variante mit männlichen Kriegsrobotern angedacht hatte. Doch sie war kläglich gescheitert, weil – nach den bisherigen Ermittlungserkenntnissen – ihr eigener Escort-Robot ihr das Genick gebrochen hatte.

»Ich schlage vor«, riet MacIntyre ihm mit einer gönnerhaften Geste, »du testest den neuen Robot erst mal bei deiner Frau. Wenn Patricia mit ihr zufrieden ist, wird alles in bester Ordnung sein. Sobald der Robot auslieferungsfähig ist, melde ich mich bei dir.«

»Alles klar«, versicherte Jonathan ihm und beendete das Gespräch mit einem zufriedenen Grinsen. Einen Moment saß er noch da und dachte über Montgomery »Monty« MacIntyre nach. Er kannte ihn schon seit der Uni. Studienkollegen hatten über ihn gesagt, nachdem Jonathan ihm zum ersten Mal auf dem Campus des MIT begegnet war: »Er ist ein Piranha in einem Goldfischbecken.« Damals hatte Monty bereits einen Doktor in Robotics in der Tasche gehabt und war der jüngste Inhaber einer aufstrebenden Start-up Firma, die menschenähnliche Robots entwickelte.

Dass die meisten Kommilitonen schlecht über ihn geredet, ja sogar vor dem harmlos daherkommenden jungen Mann gewarnt hatten, hatte Jungers Interesse erst recht geweckt, und es hielt bis heute unvermindert an. Monty MacIntyre war genau jener Unterstützer, den man als erfolgreicher Politiker benötigte, um ganz nach oben zu kommen. Er war genial, er war ehrgeizig und er war unermesslich reich. Was zur Folge hatte, dass die Wahlkampfspenden mehr als großzügig ausfielen. Dass er bei seinen Machenschaften über Leichen ging gehörte nun mal zum Geschäft. Genaugenommen hatte er den Krieg gegen die Panasiatische Front erst möglich gemacht. Ohne ihn und seine verlässlichen Kriegsroboter hätten die Panasiaten und ihre Verbündeten Amerika längst einkassiert. Sie hatten es MacIntyre und seinem Chef-Ingenieur Dr. Tanaka zu verdanken, dass der Kampf um die technische Überlegenheit auf diesem Planeten noch nicht verloren war.

 

»Hast du den Verstand verloren?« Patricia Junger warf ihre brünette Mähne zurück und bedachte ihren Mann mit einem vernichtenden Blick. »Was soll ich denn mit dieser Super-Barbie im Kampfanzug anfangen? Sag nur, sie bringt am Ende noch ihren eigenen Kleiderrobot mit und wechselt stündlich die Garderobe.«

»Monty hat den Robot absichtlich so konstruiert, damit sie dich in passender Robe zu sämtlichen Anlässen begleiten kann«, versuchte Jonathan Junger ihr seine neuste Errungenschaft schmackhaft zu machen.

»Du meinst wohl eher dich«, erwiderte Patricia empört. »Und ich stehe dann daneben wie ein hässliches Entlein.« Obwohl die First Lady mit ihren 50 Jahren noch immer eine Schönheit war, sprühten ihre grünen Augen vor Zorn. »Oder hast du sie vielmehr für dich selbst konstruieren lassen?« Misstrauisch forschte sie in seinen eng zusammenstehenden Augen, was tatsächlich hinter seinem Ansinnen steckte, einen solchen Robot zu erwerben – obwohl es ihm an Angeboten von menschlichen Frauen garantiert nicht mangelte. Jonathan war das, was Patricias Mutter als einen Dandy bezeichnet hatte. Ein hoch gewachsener, durchtrainierter Mann, der mit seinem vernichtenden Charme beinahe jede Frau um den Finger wickeln konnte. Und obwohl er bereits einige Schönheits-Operationen hinter sich hatte, um seine jugendliche Erscheinung zu erhalten, hatte er auch im fortgeschrittenen Alter noch nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt. So einen Mann hast du niemals für dich allein, hatte ihre Mutter sie frühzeitig gewarnt und ihr dringend von einer Hochzeit abgeraten. Erst recht nicht, wenn er dazu ein bedeutender Staatsmann ist, dachte Patricia resigniert. Sie musste wahnsinnig gewesen sein, als sie sich auf seinen Antrag eingelassen hatte und ihm zum Traualtar gefolgt war, der sich schon mach wenigen Jahren als Schlachtbank ihrer eigenen Träume und Hoffnungen erwiesen hatte.

»Was redest du da?!«, fuhr er sie an. »Der Präsident wird seine First Lady wohl kaum gegen einen Robot austauschen! Immerhin habe ich einen Ruf als treusorgender Ehemann zu verlieren.«

»Ach wirklich? Als ob dir das je etwas bedeutet hätte«, bemerkte sie spitz. »Wie war es denn mit Ashton und Jill? Er war dein Verteidigungsminister und hat meine Schwester für einen Escort-Robot sitzen lassen. Hat ihm das etwa geschadet? Soweit ich weiß, hat es weder ihn noch sonst jemanden interessiert. Lediglich Jill wurde jahrelang von den Klatschblättern durch den Kakao gezogen.«

»Was habe ich mit Ashton zu tun? Ich bin für mich selbst verantwortlich. Wir werden solche Robots in Zukunft vermehrt zu unserem eigenen Schutz einsetzen müssen. Menschliche Sicherheitskräfte können mit den Robots der Rebellen nicht mithalten. Warum sollten wir hinter der Technik unsere Feinde hinterherhinken? Zumal wir inzwischen bessere Modelle haben! Schließlich kämpfen wir mit solchen Maschinen erfolgreich gegen die Panasiaten. Als Präsident der Panamerikanischen Allianz sollte ich unseren Robots auch im privaten Bereich vertrauen.«

»Sagt wer?«

»Monty MacIntyre. Er ist der Meinung, wir sollten nicht an unserem persönlichen Schutz sparen und auch in solchen Fragen auf seine Unterstützung vertrauen.«

»Ich habe nachgedacht, Jonathan. Du solltest endlich diesen Krieg beenden. Es kostet Unsummen, ihn zu führen, und der Einzige, der sich dabei dumm und dämlich verdient, ist Monty MacIntyre. Und nun will er dir ausgerechnet einen weiblichen Kriegsroboter als Bodyguard schmackhaft machen. Reicht es nicht, wenn du es permanent mit deinen menschlichen Assistentinnen treibst? Müssen es nun auch noch weibliche Robofighter sein, die dir im Bett die Ehefrau ersetzen?«

»Es geht hier nicht um mich, sondern um dich«, wich er ihr aus. »Es handelt sich um ein neues Modell mit einer speziellen Programmierung, die absolut sicher ist.«

»Was um Himmels Willen soll an einem weiblichen Robot anders sein als an den männlichen Exemplaren? Mit dem Unterschied, dass du sie ungehemmt vögeln kannst…«

Jonathan verdrehte die Augen. Patricia hatten den Braten gerochen, bevor er aus dem Ofen gekommen war. Gereizt ließ er sich in einen der antiken Ledersessel fallen, die neben wertvollen Perserteppichen und Marmortischen den überaus luxuriösen Salon ihres Bungalows schmückten. Die großzügige Bleibe mit verschiedenen Gästeapartments, einem Wellnessbereich im Souterrain mit einem internen Pool und eigenen Sportanlagen in einem separat abgeschirmten Park, ersetzte Patricia schon seit geraumer Zeit das gemeinsame Apartment im Weißen Haus und wurde durch einen speziellen Sicherheitsdienst vor unbefugtem Zutritt geschützt.

»Ich lebe hier ohnehin wie in einer Festung«, beschwerte sie sich und warf ihm einen anklagenden Blick zu. »Sobald ich das Haus verlasse, umkreisen mich acht bis zehn menschliche Agenten, die mir mit ihrer ständigen Gegenwart den letzten Nerv rauben. Und jetzt soll auch noch ein weiblicher Robot als Aufpasserin dazukommen? Ohne mich. Ich streike. Hast du verstanden? Ich will das alles nicht mehr.«

»Was willst du mir damit eigentlich sagen?« Junger starrte sie aufgebracht an. »Die anderen Bodyguards fallen dafür weg. Es wäre nur noch der eine Robot, der dich permanent schützt. Abgesehen davon, dass man menschlichen Bodyguards auch nicht vorurteilsfrei vertrauen kann, ist das Kräfteverhältnis zwischen einem Menschen und einem Robot mehr als nur unbefriedigend«, argumentierte er stur. »Wenn wir bei einem Außentermin von feindlichen Robots angegriffen werden, haben menschliche Leibwächter außer einem Lasergewehr nicht besonders viel zu bieten. Deshalb möchte ich, dass du dem Robot eine Chance gibst«, insistierte er unnachgiebig. »Soul beherrscht sämtliche Waffensysteme und ist, was ihre Sicherheit betrifft, auf Herz und Nieren geprüft. Monty hat mir garantiert, dass sie absolut zuverlässig arbeitet und dabei schlagkräftiger ist als jeder Robot, den er je konstruiert hat.«

»Soul? Oho! Das Monster hat bereits einen Namen! Na, dann gewöhn dich schon mal dran, wenn du sie demnächst in dein Bett befiehlst, um ihr den Hintern zu versohlen, bevor du sie fickst. Nur für den Fall, dass sie dir das übel nimmt und du bei ihr um Gnade winseln musst. Das könnte bei ihren Qualitäten nämlich böse ins Auge gehen.« Die Ironie in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Innerlich kochte Patricia Junger bei der Vorstellung, dass Jonathan tatsächlich die Unverfrorenheit besaß, ihr eine solche Robot-Frau vor die Nase zu setzen und zu behaupten, er würde dabei nicht an sich selbst denken. Es hatte seine Gründe, warum sie nicht mit ihm in der Präsidentenwohnung zusammenlebte, und einer davon war seine Untreue, der zweite sein verkappter Sadismus, den er bei seinen menschlichen Geliebten auslebte und mit dem sie überhaupt nichts anzufangen wusste. Für ihn waren diese Eskapaden lediglich Ausrutscher, die nichts mit ihrer Ehe zu tun hatten, wie er ihr gegenüber stets betonte, falls sie ihn mal wieder auf Abwegen erwischte. Solange es nicht an die Öffentlichkeit drang, empfand er sein Verhalten als nicht weiter dramatisch. Aber Patricia hatte genug von seinen Demütigungen und vor einem halben Jahr beschlossen, sich nicht weiter von ihm schikanieren zu lassen. Um ihre Würde nicht zu verlieren, hatte sie auf getrennte Wohnungen bestanden, weil sie nicht bereit war, so weiterzumachen wie bisher.

»Es ist mir egal, ob du Verständnis für eine solche Entscheidung hast oder nicht«, bekräftigte er schmallippig. »Es geht hier nicht um deine Vorurteile gegenüber Robots oder meinen angeblichen Verfehlungen, sondern um deine Sicherheit. Der Robot wird hierher geliefert und dir zumindest bei öffentlichen Auftritten zur Seite stehen – ob es dir nun gefällt oder nicht.«

»Ich bin nicht eine von deinen devoten Bediensteten«, erinnerte sie ihn. »Ich habe meinen eigenen Kopf. Wenn dir das nicht passt, können wir uns ja scheiden lassen.«

»Du weißt, dass das nicht geht«, bemerkte er kühl. »Ich würde die nächsten Wahlen verlieren und du deinen Status als First Lady. Das wäre äußerst unangenehm für uns beide. Vergiss das nie!«

Er hasste es, auf sie angewiesen zu sein. Bedauerlicherweise konnte er sich eine öffentliche Trennung nicht leisten, weil das seinem Saubermann-Image als Präsident enorm geschadet hätte. »Ich brauche dich, Patricia«, beschwor er sie. »Für mich und für die Zukunft unseres Landes. Überall lauern Rebellen, die nur darauf warten, dass ich stürze. Willst du dafür verantwortlich sein, wenn es mit unserer großen Nation bergab geht?«.

»Oh mein Gott«, spöttelte sie und lächelte schwach, bevor sie voller Verbitterung den letzten Schluck Gin hinunterkippte, den sie sich zur Beruhigung in ein Wasserglas eingeschenkt hatte. »Was ist das nur für ein Land, das von einem Mann regiert wird, der nicht mal seiner eigenen Frau die Treue halten kann?«

»Ich betrüge dich schon lange nicht mehr«, beteuerte er, ohne rot zu werden. »Es gibt keine andere Frau in meinem Leben. Nur dich. Wie oft soll ich das noch herunterbeten?«

»Und um diesen Schwachsinn selbst glauben zu können, entlässt du unsere bisherigen Leibwächter und tauschst sie gegen einen weiblichen Sicherheitsrobot aus, mit dem du ohne schlechtes Gewissen weiter treiben kannst, was du zuvor mit deinen weiblichen Angestellten getrieben hast«, orakelte sie voller Verachtung. »Warum bin ich so sicher, dass Monty dieses erste Exemplar ganz nach deinen Wünschen erschaffen hat? Klein, blond und willig.«

»Vielleicht schaust du sie dir erst einmal an«, erwiderte Jonathan, der sich ertappt fühlte und zugleich triumphierte, weil die Optik des neuen Robots so gar nicht ihrer spitzfindigen Prophezeiungen entsprach. Als es unvermittelt an der Tür läutete und das Sicherheitspersonal die Ankunft eines Liefershuttles der MacIntyre LLC anmeldete, empfand er aufgrund dieser Tatsache eine geradezu diebische Freude.

Patricia stieß einen undefinierbaren Seufzer aus und erhob sich aus ihrem Sessel. Während sie ihm missmutig folgte, strich sie sich das lange brünette Haar zurück, das seit der Beisetzung ihrer Schwester und deren Tochter deutlich an Glanz verloren hatte. Auf dem Weg zur Eingangshalle marschierte sie an einem großen Kristallspiegel vorbei, der noch aus dem letzten Jahrhundert stammte. In dem schwarzen Hosenanzug sehe ich noch abgemagerter aus als ohnehin schon, dachte sie und fühlte sich plötzlich zutiefst erschöpft. Aus dem gleichen Grund hatte sie alle Termine abgesagt. Die Tage nach Jills und Emmas Tod waren grausam gewesen. Ihre jüngere Schwester hatte ihr immer als zuverlässige Vertraute zur Seite gestanden. Auch wenn sie charakterlich sehr unterschiedlich gewesen waren. Jill hatte eindeutig den kapriziöseren Part übernommen und war entschlossener gewesen, was die Beendigung ihrer Ehe betraf. Sie hatte sich sogleich von Ashton getrennt, als herausgekommen war, dass er sie mit einem Robot betrogen hatte. Jill hätte ihr in jedem Fall davon abgeraten, einen weiblichen Robot als Bodyguard zu akzeptieren.

Umso überraschter war sie, als ein herbeigerufener Sicherheitsbeamter die Kiste öffnete und eine maskulin wirkende junge Frau zum Vorschein kam, die eher an eine Kampfsportlerin erinnerte als an eine vollbusige Escort-Begleiterin, die sie in ihrer Empörung erwartet hatte. Dieses Modell hatte ein schönes, ebenmäßigen Gesicht, das keinerlei emotionale Regung zeigte. Schon gar nicht erzeugte es den Eindruck, kokettieren zu wollen oder auch nur ansatzweise zu flirten. Die Augen besaßen eine bernsteinfarbene Iris, deren Leuchten durch die schwarzen, dichten Wimpern noch verstärkt wurde. Ihr dunkles, schulterlanges Haar reichte ihr bis tief in den Rücken. Ein paar helle Strähnen machten es lebhafter in seiner Ausstrahlung.

Genauer betrachtet sah sie aus wie ein Raubtier auf der Jagd und nicht wie ein niedliches Bunny, das bereitwillig auf den Schoss seines Besitzers hüpfte. Zu allem Überfluss trug sie einen enganliegenden schwarzen Kampfanzug, dazu passende, schwarze Combat-Stiefel und war mindestens so groß wie Jonathan, der gut sechs Fuß aufweisen konnte.

Redneck, Patricias schwarzem Cockerspaniel, gefiel der Robot nicht. Er kläffte wie verrückt und knurrte die erschreckend menschlich aussehende Maschine unentwegt an.

»Aus!«, herrschte Jonathan den Hund an, der richtiggehend bösartig wurde und an seinem neuen Feindbild emporsprang, als ob sie einer der Paketroboter wäre, die ab und zu an der Pforte erschienen und an die Redneck sich einfach nicht gewöhnen wollte.

Als der Lieferant von MacIntyre den Robot mit einer knappen Berührung unterhalb des Kinns in Bewegung setzte und die junge Frau ein wenig hölzern über den weißen Marmorboden auf sie zumarschierte, wich Patricia unmerklich zurück. Wobei die Vorstellung, wie Jonathan einen solchen Robot womöglich für seine sexuellen Vorlieben nutzen wollte, haltloses Gelächter in ihr auslöste.

Jonathan, der den holographischen Lieferschein per Iris-Scan unterzeichnet hatte, blickte irritiert auf, nachdem der Bote sich verabschiedet und er den Sicherheitsbeamten ein Zeichen gegeben hatte, dass sie sich hinter die Schleuse in ihren Aufenthaltsraum zurückziehen durften. »Darf ich fragen, was du an der ganzen Sache so lustig findest?«, monierte er und warf Patricia einen verständnislosen Blick zu.

»Ich habe mir gerade vorgestellt, wie sie den Spieß umdreht und dir den Hintern versohlt.« Patricia schaffte es nicht, ein breites Grinsen zu unterdrücken.

»Schön, wenn diese abwegige Überlegung wenigstens zu deiner Erheiterung beiträgt«, erwiderte Jonathan steif. Wie üblich hielt sich sein Humor in Grenzen, vor allem wenn Patricia sich über ihn lustig machte. Er brachte den Hund zum Schweigen, indem er ihn unwirsch am Halsband packte und in einen Nebenraum sperrte, wo sein Bellen in ein Jaulen überging, das nach einer Weile verebbte.

»Was kann denn der Hund dafür, wenn du keinen Spaß verträgst?«, beschwerte sich Patricia und zog ungehalten ihre schmal gezupften Brauen zusammen.

»Das ist kein Spaß«, knurrte er. »Das ist eine ernstzunehmende Angelegenheit. Ich will nicht, dass du so endest, wie deine Schwester oder Emma.«

»Und was machst du, wenn deine Muskel-Tante ähnlich reagiert wie Rochelles Robolover? Sie sieht nicht aus, als ob sie sich durch einen ausgeprägten Beschützerinstinkt auszeichnet. Sie sieht eher aus, als ob sie einem Menschen mit dem kleinen Finger das Genick brechen kann «, orakelte Patricia mit unheilschwangerer Stimme. »Oder hast du diese Killermaschine etwa engagiert, um mich auf möglichst billige Art und Weise loszuwerden?«

»Verdammt nochmal Patricia, lass diesen Blödsinn!«, fuhr er sie an. »Ich habe dir gesagt, warum sie hier ist. Sie wird über dich wachen und das Tag und Nacht. Sonst nichts. Die Programmierung des Robots ist selbsterklärend. Du hast gesehen, wo du sie ein- und ausschalten kannst. Sie ist darauf programmiert, dir zu gehorchen und dir bei was auch immer zu helfen, wenn du es wünscht. Sie wird dich überallhin begleiten, ins Museum, in die Oper oder wenn du dich mit deinen Freundinnen zum Essen verabredest. Wenn du willst, kann sie dir sogar deine Haushälterin ersetzen. Außerdem hat sie eine Programmierung als Personal Trainer. Also falls du joggen oder eine Unterstützung bei deinen Fitnessprogrammen benötigst, wird sie an deiner Seite sein.«

»Für mein Fitnessprogramm benötige ich garantiert keinen weiblichen Robot mit dem Charisma einer russischen Dopingqueen«, insistierte Patricia mit einem finsteren Blick.

»Es reicht«, erwiderte Jonathan mit einem sarkastischen Zug um den Mund. »Wenn du Soul so sehr ablehnst, können wir auch alles beim Alten lassen und ich nehme sie in mein eigenes Sicherheitsprogramm auf. Vielleicht wird sie mich dann in die Oper begleiten und du engagierst deine vorwitzige Haushälterin als deinen neuen Bodyguard. Zumindest ihr Mundwerk schießt schneller als meine Agenten. Vielleicht erledigt sie die Robots der Rebellen mit ihrem Nudelholz, wenn sie dir irgendwo auflauern.«

Patricia kniff verärgert die Lippen zusammen. Jonathan nahm sie nicht ernst. Geschweige denn, dass er sie respektierte. Aber das hatte er ohnehin nie getan. »Nun gut. Ich behalte den Robot. Sollte ich allerdings erfahren, dass Monty MacIntyre für dich ein ähnliches Modell konstruiert hat, mit dem du dich zu allem anderen ungehemmt amüsieren kannst, wird das Konsequenzen haben.«

Jonathan tat, als habe er ihre Drohungen überhört. Demonstrativ schaute er auf sein Holoarmband. »Ich muss los. Um drei habe ich ein Treffen mit dem paneuropäischen Botschafter.«

Nachdem er endlich gegangen war, hätte Patricia am liebsten irgendetwas an die Wand geworfen. Stattdessen stieß sie nur einen lauten Schrei aus wie eine Karatekämpferin, kurz bevor sie einen Basaltblock durchschlägt.

Mrs. Beardle, ihre afroamerikanische Haushälterin, deren Zuverlässigkeit Patricia weitaus mehr als die eines vergleichbaren Robots schätzte, kam alarmiert aus der Küche geeilt – wie immer in einen blütenweißen Kittel gekleidet und mit einem kerzengraden Häubchen auf dem pechschwarzen Haar. »Was ist passiert?«, rief sie bereits im Anmarsch und schaute Patricia verständnislos an, als sie abrupt vor ihr Halt machte.

Patricia war sicher, dass sie ihre Auseinandersetzung mit Jonathan belauscht hatte. Edith, wie sie mit Vornamen hieß, hatte Ohren wie ein Luchs und es gab so gut wie nichts, das ihr entging. Außer Patricia war sie die einzige menschliche Person im Haus und hatte ungefragt das Kommando über die Service-Robots übernommen, die ihr bei allen anfallenden Arbeiten zusätzliche Unterstützung leisteten. Also würde Patricia ihr auch die Verantwortung für Soul übertragen.

»Das!« Patricia deutete widerwillig auf ihre neuste Errungenschaft. »Sie wird ab heute bei uns einziehen und du wirst, wie bei den anderen Robots auch, ihren Dienstplan überwachen.«

Edith hob eine ihrer buschigen Brauen und nickte verblüfft. Offenbar nicht sicher, was sie von ihrer neuen Kollegin halten sollte.

»Sie sieht aus wie ein Monster«, echauffierte sie sich und schaute mit kritischem Blick zu dem viel größeren Robot auf. »Sagen Sie bloß, Ma’am, sie soll zusätzlich im Haushalt eingesetzt werden?« Ihr ansonsten so selbstgefälliger Blick war plötzlich panisch. »Was ist, wenn sie meine Arbeit übernimmt und mich überflüssig macht? Ich habe eine achtköpfige Familie zu ernähren, ich hoffe, Sie vergessen das nicht.«

»Keine Sorge«, beschwichtigte Patricia sie und klopfte ihr beruhigend auf die knochige Schulter. »Darf ich vorstellen? Das ist mein neuer Bodyguard, den der Präsident mir aufs Auge gedrückt hat. Und nein, sie ist garantiert keine Konkurrenz für dich. Eher ist das Gegenteil der Fall. Ich vertraue deinem Instinkt weit mehr, was lauernde Gefahren in diesem Haus und auch außerhalb betrifft, als dieser humorlosen Lady. Sie soll mich lediglich auf Außentermine begleiten, Oper, Theater oder Wohltätigkeitsveranstaltungen und dabei meinen Schutz garantieren. Also eigentlich immer, wenn ich das Haus verlassen muss. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich ihren Fähigkeiten vertrauen kann, oder sie versehentlich eher mich ins Jenseits schickt anstatt potentielle Angreifer.«

»Trägt sie deshalb den Overall eines Soldaten und hat einen Blick drauf wie ein Panther auf der Jagd?«

»Du hast es erkannt, Edith. Sie ist ein Kampfrobot, allerdings mit sämtlichen weiblichen Attributen. Zumindest optisch. Was das charakterlich bedeutet, vermag ich noch nicht zu beurteilen.«

Edith warf Patricia einen besorgten Blick zu. »Heißt es nicht, diese Kriegsroboter sind in privaten Haushalten verboten? Oder macht der Präsident bei Frauen eine Ausnahme?« Ihre Haushälterin umrundete den viel größeren Robot mit einem skeptischen Blick. »Offen gestanden macht sie mir ein bisschen Angst. Obwohl ich ansonsten nicht leicht zu beeindrucken bin.«

»Jonathan hat mir versichert, dass sie ihre Schutzaufgaben besser erfüllt als jeder menschliche Leibwächter. Angeblich ist der Umgang mit ihr ohne Risiko. Trotzdem rate ich zu einer gesunden Vorsicht. Ich möchte, dass du sie im Auge behältst und auch den Hund nicht in ihre Nähe lässt. Er mag sie nicht und wer weiß, vielleicht ist sie bei Redneck nicht so gnädig wie bei ihren Auftraggebern.«

»Wie Sie wünschen, First Lady«, gab Edith mit einem merkwürdigen Blick zurück, in dem geschrieben stand, was Patricia längst dachte: wie seltsam sie die Entscheidung des Präsidenten fand, seiner Frau einen solchen Robot vor die Nase zu setzen.

»Hat sie einen Namen?«

»Soul. Ihr Name ist Soul.«

»Soul?«, Edith rollte eindrucksvoll ihre runden Augen und grinste verhalten. »Mein Gott, wer denkt sich sowas aus? Solche Robots haben garantiert keine Seele. Weiß sie, dass sie so heißt?«

»Das werden wir gleich herausfinden.« Pat seufzte genervt und trat näher an den Robot heran. »Soul«, sagte sie etwas lauter, als es vielleicht üblich gewesen wäre.

Der Robot drehte den Kopf in ihre Richtung und schaute sie durchdringend an. »Womit kann ich dienen, Ma’am?« Ihre Stimme war erstaunlich weich und beinahe erotisch. Was Patricia nicht weiter verwunderte, sondern eher in ihrem Verdacht bestätigte, dass Monty MacIntyre bei der Konstruktion dieses Robots eher an seine männlichen Kunden gedacht hatte.

»Mrs. Beardle bringt dich nun in dein Apartment und wird sich um dein Gepäck kümmern. Folge ihr und bleib dort, bis ich dir etwas anderes befehle!«

»Ich werde Mrs. Beardle in mein Apartment folgen«, wiederholte der Robot seltsam mechanisch.

»An einem flüssigen Konversationsverhalten müssen wir noch arbeiten«, befand Patricia und hob eine Braue, »diese monotonen Wiederholungen machen mich schon jetzt wahnsinnig.«

Edith schien die Sache mit dem neuen Robot nicht geheuer zu sein. Sie wurde immer schneller, während Soul stoisch hinter ihr hermarschierte. Am Ende des Flurs sah es aus, als ob die ansonsten unerschrockene Haushälterin regelrecht die Flucht vor dem neuen Robot ergriff.

Patricia schaute den beiden ratlos hinterher, bis sie in einem der Gästeapartments verschwunden waren. Ein langgezogenen Jaulen holte sie zurück aus ihren Gedanken. Was um Himmels willen sollte sie mit Redneck anstellen, der nun wieder unentwegt an der Tür kratzte, um endlich aus seinem Gefängnis befreit zu werden? Sie konnte ihn unmöglich die ganze Zeit über einsperren, nur weil er mit ihrem neuen Robot nicht klarkam.

Nach einem Moment des Überlegens entließ sie den Hund in den Garten, wo er aufgeregt unter den Trauerweiden auf und ab rannte und nervös alles beschnüffelte, was sich ihm in den Weg stellte. Er war völlig außer sich. Gut, dass er nachts bei ihr vor dem Bett schlief, damit er sie warnen konnte, falls der Robot womöglich in ihrem Schlafzimmer auftauchte. Edith ging abends nach Hause zu ihrer Familie und somit war Redneck das einzige lebendige Wesen, das ihr nachts im Haus Gesellschaft leistete. Bisher hatte sie kein Problem damit gehabt, mit den einfachen Haushaltsrobotern allein im Haus zu sein. Aber bei Soul verhielt es sich anders.

Obwohl ihr neuer Bodyguard eigentlich das Gegenteil bewirken sollte, erschrak Patricia beinahe zu Tode, als Soul wie befürchtet nach Einbruch der Dunkelheit im Salon auftauchte. Patricia hatte es sich in einem Sessel mit einem Glas Gin vor dem offenen Kaminfeuer gemütlich gemacht und entspannte bei einem romantischen Liebesfilm, den sie sich am Nachmittag auf ihr interaktives Heimkinosystem geladen hatte. Edith war kurz zuvor in ihren verdienten Feierabend entschwunden und Patricia hatte beinahe vergessen, dass sie ab sofort unter einer neuen Art von Beobachtung stand.

»Was hast du hier zu suchen?«, fragte Patricia ungewohnt barsch, während sie versucht war aufzuspringen. »Hatte ich nicht gesagt, du sollst in deinem Apartment auf weitere Befehle warten?«

»Ich möchte nachschauen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist, First Lady«, beantwortete Soul ihre Frage mit einem souveränen Blick und nahm Haltung an.

»Alles bestens. Du kannst wieder gehen. Ich komme allein zurecht«, gab Patricia genervt zurück.

Doch der Robot verharrte, als ob er ihren Befehl überhört hätte.

»Nun geh schon, du kannst dich entfernen.«

»Ich habe den Befehl, sie zu schützen«, wiederholte Soul und blieb einfach stehen.

Für einen Moment ergab Patricia sich ihrem Schicksal. Dann beschloss sie aufzustehen und zu sehen, ob der Robot ihr folgen würde, wenn sie sich entfernte. Sie stellte ihr Glas ab und marschierte schnurstracks in Richtung Empfangshalle, wo sich ein Gästebad befand. Als der Robot sich anschickte, sie zur Toilette begleiten zu wollen, blieb sie stehen und hob entschieden die Hand. »Stopp!«, rief sie und machte eine abwehrende Geste. »Du kannst mir überall hin folgen, aber nicht bis aufs Klo. Es gibt Bereiche, bei denen Menschen es vorziehen, allein zu sein.«

»Wie Sie wünschen, Ma’am«, erwiderte Soul in einem gleichgültigen Tonfall.

Patricia, der diese überbordende Fürsorge unheimlich war, verbarrikadierte sich geradezu erleichtert im Bad und setzte sich auf einen Hocker neben der Dusche. Dort grübelte sie darüber nach, wie sie fortan mit diesem störrischen Robot umgehen sollte.

R-956590, wie Souls offizielle Seriennummer lautete, konnte gemäß dem mitgelieferten Manual, dass Patricia nun auf ihrem Holoarmband aufrief, sogar durch Betonwände sehen. Ein eingebauter Infrarotscanner half ihr dabei. Wahrscheinlich war sie auf diese Weise tatsächlich in der Lage, sie trotz geschlossener Türen beim Pinkeln zu beobachten. Was hat mir Jonathan damit nur angetan, dachte Patricia. Wobei es sie nicht wundern würde, wenn ihr Noch-Ehemann die gewonnenen Daten umgehend an seinen Überwachungsdienst weiterleiten ließ.