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Die freche, witzige und chaotische Fortsetzung der Erfolgstitel "Prinzessin hasst Rockstar" und "Suche Liebe, biete Rockstar"! SIE ist gerade zwanzig und steht ohne Familie, dafür mit einem Haufen Schulden da. Ihr Job als Kellnerin raubt ihr den letzten Nerv. Der heiße Tourist, der eines Tages ins Diner hereinschneit, ist genau die Ablenkung von ihren Problemen, die sie braucht. ER ist ein gefeierter Rockstar, dem sein Single-Leben mit einer Abfolge von One-Night-Stands immer unbefriedigender erscheint. Als ihm zwischen Tourneen ein paar freie Tage bleiben, bucht er sich einen Flug ins Ungewisse. In einem Diner begegnet er einer hübschen Kellnerin. Aus dem Urlaubsflirt wird rasch mehr. Und dass sie von seiner Berühmtheit keine Ahnung hat, macht die Sache nur besser ... Genial verROCKt - "Rockstar auf Abwegen" ist der spritzige und fulminante Abschluss der "Rockstar & Prinzessin"-Reihe! Die Bände der Reihe sind: Band 1: Prinzessin hasst Rockstar Band 2: Suche Liebe, biete Rockstar Band 3: Rockstar auf Abwegen
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Inhaltsverzeichnis
Rockstar auf Abwegen
1. Kapitel (Summer)
2. Kapitel (Conor)
3. Kapitel (Summer)
4. Kapitel (Conor)
5. Kapitel (Summer)
6. Kapitel (Conor)
7. Kapitel (Summer)
8. Kapitel (Conor)
9. Kapitel (Summer)
10. Kapitel (Conor)
11. Kapitel (Summer)
Epilog (Conor)
Bonustrack: It Remains in the Family
Bonustrack: Plastic Christmas Tree
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Impressum
Da hatten die Zwerge Mitleiden und sagten: „wenn du unsern Haushalt versehen, und kochen, nähen, betten, waschen und stricken willst, auch alles ordentlich und reinlich halten, sollst du bei uns bleiben und soll dir an nichts fehlen; Abends kommen wir nach Haus, da muß das Essen fertig seyn, [...]; hüt dich nur vor der Königin und laß niemand herein.“
(aus: Brüder Grimm, Sneewittchen in: Kinder- und Hausmärchen Band 1, 1. Auflage 1812)
Die „Bitte anschnallen“-Schilder über den Sitzreihen leuchteten auf, ehe der Pilot mit dem Landeanflug begann. Conor Byrd stellte seine Lehne gerade, klappte das Bordmagazin zu und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Vor dem kleinen, runden Fenster erschienen graue Wolken. Dann unterhalb von ihnen das ebenso graue Meer; in seiner Mitte eine Landzunge mit einem schmalen, sandigen Streifen, die wiederum durch eine Art Flussdelta vom eigentlichen Festland abgeschnitten war. Conor hatte lachen müssen, als er den Namen des Gewässers gelesen hatte: „Cape Fear River“. Klang äußerst einladend.
Vielleicht war der Flieger deshalb kaum zu einem Drittel voll. Und das im März, wenn die Colleges ihre Frühjahrsferien, die „Spring Break“, feierten. Alle Flüge nach Florida oder Texas und erst recht jene zu den exotischeren Partyzielen wie Mexiko, Jamaica und den Bahamas waren ausgebucht gewesen. Selbst wenn Conor es geschafft hätte, einen Restplatz zu ergattern: Er war alles andere als scharf darauf, sich zwischen Horden betrunkener Studenten zu mischen, von denen ihn die weibliche Hälfte wahrscheinlich auf den ersten Blick erkennen würde.
Oder ihn für Liam halten würde, was genauso schlimm, wenn auch peinlicher wäre.
Spontan Urlaub zu machen hatte eben seine Tücken. Derzeit befand sich Conor zwischen zwei Tourneen. „Im Studio“, lautete die offizielle Bezeichnung. Liam und Maple hatten ihn eingeladen, die beiden Wochen auf der Ranch zu verbringen. Auch Kelsey, Noah und Kimmy in Connecticut hätten ihn mit offenen Armen empfangen.
Bei so viel Gastfreundschaft gab es nur ein Problem: Conor wollte nicht das ewige fünfte Rad am Wagen sein.
Liam hatte Maple. Kelsey hatte ihren Noah. Marvel, die nun sechs war, bewachte ihren frisch geschlüpften kleinen Bruder Quill wie eine eifersüchtige Glucke ihr Küken. Sogar Kimmy hatte sich vor Kurzem einen festen Partner/Freund mit Vorzügen/Was-auch-immer geangelt. Einen Baustellen-Vorarbeiter – obwohl Kelsey witzelte, man müsse eher Zoo- oder Zirkusdirektor sein, um in diese Familie einzuheiraten. So sehr Conor sie alle liebte, brauchte er von der geballten Zweisamkeit dringend eine Pause. Es war schlicht und einfach nicht okay, eifersüchtig zu sein, wenn eine Sechsjährige ihren Babybruder herzte und küsste.
Also hatte er ein paar Klamotten in einen Koffer geschmissen, sich ein Taxi zum Flughafen genommen und die Dame am Standby-Schalter nach einem Ticket an irgendeinen Ort gefragt, wo man baden konnte und der nicht in Kalifornien oder Connecticut lag.
Liam zeigte natürlich vollstes Verständnis. Wenn Liam einen Charakterfehler hatte, dann sein übergroßes Verständnis für Arschlöcher aller Art, ganz besonders für Conor. Er hatte Conor bloß versprechen lassen, dass dieser sich innerhalb von ein bis zwei Tagen nach der Ankunft melden würde.
„Sonst rufe ich an. Oder fliege dir nach“, hatte er gedroht. Was nur halb ein Witz gewesen sein konnte, wenn überhaupt. In letzter Zeit waren sie weitaus besser darin geworden, einander Freiräume zu gewähren – nicht so wie früher, als sie zuerst praktisch jede Sekunde jedes Tages zusammen verbracht, später stundenlang telefoniert und schließlich fünfzehn Monate lang nicht miteinander gesprochen hatten. Das schlimmste Jahr in Conors Leben! Sogar schlimmer als die Zeit, kurz nachdem er und Liam im Waisenhaus gelandet waren. Vierjährige Jungs, die soeben durch einen tragischen Unfall auf einen Schlag beide Elternteile verloren hatten, durften wenigstens heulen. Ein Rockstar Mitte zwanzig dagegen, der seinen Zwillingsbruder wie ein amputiertes Bein, wie einen abgehackten Arm vermisste und trotzdem selbstzufrieden in die Kameras grinsen musste? Das war die Hölle auf Erden.
Mit einem kaum merklichen Ruck setzte der Flieger auf der Landebahn auf. Sofort entstand hinten in der Economy-Klasse Bewegung. Ein paar Übereifrige schnallten sich trotz des Verbots ab und versuchten sich in die beste Position für den Ausstieg zu bringen.
Die Passagiere in der Businessclass hatten es weniger eilig. Der weißhaarige Geschäftsmann gegenüber von Conor las noch immer und scheinbar mit gespannter Aufmerksamkeit sein Buch über Traktoren. Maple Ridge, das sich Conor hauptsächlich wegen des Namens als seinen Urlaubsort herausgepickt hatte, klang klein und langweilig genug, dass dort wahrscheinlich nicht viele Reporter herumlungern würden. Conor hasste es, wenn Pressefritzen immer dieselben Fragen stellten.
„Conor, du und dein Zwillingsbruder, ihr seid in der Öffentlichkeit also jahrelang als eine Person aufgetreten?“ (Was so nicht stimmte. Der Zwilling in der Öffentlichkeit war immer Conor gewesen. Liam hatte ihm im Hintergrund den Rücken freigehalten.)
„Und dann hast du bei den Dreharbeiten zur Datingshow Ungeküsst Maple Leaf kennengelernt und sie in Las Vegas geheiratet?“ (Was so ebenfalls nicht stimmte. Liam hatte ihn vor dem Traualtar in Las Vegas vertreten, wenn auch mit Conors Papieren.)
„Diese Hochzeit hätte dann fürs Fernsehen wiederholt werden sollen, aber stattdessen wurde deine Ehe annulliert. Und Liam ist nun mit Maple verheiratet. Was möchtest du, Conor, uns dazu sagen?“
Conors Standardantwort – „Das mit Maple und mir hätte nie funktioniert, sie und mein Bruder sind sehr glücklich miteinander, können wir jetzt endlich über mein neues Album oder Tournee-Daten oder sonst irgendetwas reden, das auch nur entfernt mit Musik zu tun hat?“ – kam meistens nicht so gut an.
Reporter. Sie waren schlimmer als Pestbeulen!
Endlich hatte das Flugzeug seine Parkposition erreicht. Conor stieg mit den anderen Passagieren aus und durchlief die üblichen Formalitäten. Wie sich rasch herausstellte, war es verdammt viel einfacher, ohne Gitarren zu verreisen!
In der Ankunftshalle angekommen, steuerte er zielstrebig den Mietwagenschalter an. Leider gab es nur den einen, und das Mädchen dahinter war definitiv im richtigen Alter für seine und Liams Zielgruppe.
Doch keine Erkenntnis zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als er ihr seinen Führerschein auf den Namen Conor Ian Byrd hinschob. Entweder hatte Wilmington echt viele Bewohner irischer Abstammung, oder sie ging einfach davon aus, dass ein Rockstar nicht in einer kleinen Stadt wie dieser abhinge.
„Viel Spaß in North Carolina“, wünschte sie ihm, als er die Papiere ausgefüllt und seine Unterschrift darunter gekritzelt hatte.
Scheinbar nur der Höflichkeit halber und ohne echtes Interesse fuhr sie fort: „Bist du geschäftlich hier, oder machst du Urlaub?“
„Zweiteres.“
„Ach, und was ist geplant?“ Sie klang noch immer, als wäre sie verpflichtet, das zu fragen.
Conor schenkte ihr sein breitestes Grinsen. „Gibt es hier zufällig ein Traktormuseum? Ich liebe Traktoren.“
Das höfliche Desinteresse in ihrer Miene wich so etwas wie Neugier. Ungläubiger, aber dennoch echter Neugier. Mist.
„Oder sonst irgendwelche Museen?“, fügte er rasch hinzu. „Ich interessiere mich auch für jede Art von Landwirtschaft. Für Kriegsgeschichte. Und–“ Was konnte noch langweiliger sein?
„Fliegenfischen!“, ergänzte er in einem Anfall von Inspiration. „Du weißt nicht zufällig, wo hier die besten Angelplätze sind?“
Wortlos reichte sie ihm eine Hand voll Broschüren. Ganz oben lag eine Straßenkarte der Umgebung. Conor schnappte sich den Stapel und seine Autoschlüssel und schlenderte zufrieden davon.
Etwa eine Stunde später hatte er Wilmington längst hinter sich gelassen und näherte sich auf einer schmalen, kaum zweispurigen Straße seinem Ziel. Die anfangs flache Umgebung wurde mit jeder Minute hügeliger. Hohe Laubbäume, Birken oder was auch immer, säumten zu beiden Seiten den Asphalt. Nur hin und wieder durchbrachen vereinzelte Häuser oder eine Kirche mit einem spitzen Türmchen den überwältigenden Eindruck von Grünbraun. Der Ozean zur Rechten war vor einer ganzen Weile verschwunden. Ein lokaler Sender spielte klassischen Rock, und Conor trommelte im Takt auf dem Lenkrad und sang bei den Refrains mit. Bisher hatte er noch nichts gesehen, das ihm wirklich gefiel. Doch es war gut – entspannend –, mal rauszukommen.
Nicht so sehr aus dem Job an sich – und ja, „Rockstar“ war ein Job, auch wenn viele Leute das nicht kapierten. Songs schrieben sich nicht von allein. Konzerthallen füllten sich nicht von allein. Manager unterstützten einen nur, wenn man ihnen bewiesen hatte, dass es auch ohne sie ging. Es gab in dem Geschäft sehr wenige Menschen, denen man trauen konnte. Und je berühmter man wurde, desto weniger waren es. Das alles hatte Conor auf die harte Tour gelernt.
Trotzdem liebte er seinen Job. Er liebte es, auf der Bühne zu stehen; liebte es, Songs zu schreiben; liebte es, seine eigene Stimme im Radio zu hören.
Nein: Das Problem waren die Groupies. Oder um ganz ehrlich zu sein: Das Problem war vermutlich er.
Seit Jahren hatte Conor keine Beziehung mit einem Mädchen gehabt, die länger als ein bis zwei Wochen gedauert hatte. Seine Partnerinnen waren in der Regel weniger an ihm selbst interessiert gewesen als an dem Job. An Backstage-Pässen und VIP-Tickets für Konzerte; daran, ihn zu Galas und Award-Shows zu begleiten; daran, durch ihn irgendwie groß rauszukommen (was nie funktionierte); oder einfach daran, vor ihren Followern und dem Rest der Welt mit ihrer „Eroberung“ anzugeben. Alles okay für das, worum es dabei ging – aber es ging dabei eben um nicht besonders viel.
Komischerweise spürte er das erst seit ein paar Monaten so richtig. Er wurde wahrscheinlich alt und sentimental. Oder Liam und Maple hatten ihn ruiniert.
Ein hölzernes Schild tauchte am Straßenrand auf: „Willkommen in Maple Ridge, dem Tor zu den Hügeln.“ Conor trat auf die Bremse, als mit der Main Street das eigentliche Ortsgebiet begann. Hohe, schmale Gebäude mit roten, weißen und gelben Backsteinfassaden reihten sich aneinander. Einige hatten Vordächer aus Holzschindeln, die weit über den Gehsteig ragten. Im Hintergrund erhob sich malerisch eine Hügelkette.
Doch schon am Ende der Main Street verflog der nostalgische Eindruck. Ab hier, so schien es, wechselten sich bloß noch protzige, nagelneu aussehende Villen mit den zahlreichen älteren, bescheidenen Bungalows ab.
Vor der Ampel am Ende der Main Street bremste Conor und fuhr spontan rechts ran. Er parkte neben einem Bungalow mit Plastikstühlen und einem Griller im Vorgarten und wandte sich der letzten der alten Ziegelbauten entlang der Main Street zu: einem graubraunen Backsteinhaus mit roten Fensterrahmen. „Magic 7 Diner“ stand auf dem Schild über der Tür.
Das klang schon mal gut. Allein der Anblick des Wortes „Diner“ erweckte Conors Appetit auf einen Cheeseburger und ein Bier. Oder – je nachdem, wie lange hier Frühstück serviert wurde – auf eine großzügige Portion Eier, Würstchen und Speck und dazu einen Kaffee.
Und der Laden wirkte auf den ersten Blick auch halbwegs okay. Zugegeben, die Zahl Sieben auf dem Schild war ein Gartenzwerg mit einer weit nach vorne geneigten Mütze, aber Conor hatte auf seinen Tourneen weit Schlimmeres gesehen. Wenigstens trug dieser Zwerg hier nicht nur seine Mütze.
Der eigentliche Grund, warum er angehalten hatte, war außerdem dieser: In dem Diner gab es, durch die riesige Frontscheibe gut sichtbar, eine Jukebox. Eine echte, alte Jukebox, in die man Kohle warf, um Songs abzuspielen. Eine, wie Conor sich garantiert ein halbes Dutzend in sein Wohnzimmer stellen würde, wenn er irgendwo eine Bude hätte, von der er ernsthaft als seinem Zuhause dächte.
Er stieg aus dem Wagen, überquerte die Straße, stieß die Tür des Diners auf und trat ein.
Irgendein sechster Sinn warnte mich. Ich sprang auf, noch bevor das Bimmeln der Glocke den nächsten Gast ankündigte.
Es war zum Glück nicht der Boss bei einem seiner gelegentlichen Check-ins. Auch nicht Mr Arschloch, dem womöglich auf dem Heimweg eingefallen war, das leichte Ziehen in seiner Magengegend müsse zwangsläufig von vergiftetem Sandwichkäse herrühren.
Nein: Auf den ersten Blick handelte es sich bei dem Gast um einen Touristen. Auch wenn meine Einschätzung hauptsächlich darauf basierte, dass ich ihn noch nie gesehen hatte. Mit seinen Jeans und einem offenen, rot-gelb karierten Hemd über einem weißen T-Shirt war er wie die meisten Jungs und Männer hier gekleidet, aber ich hatte mein ganzes Leben in Maple Ridge verbracht. Und wie der Spruch für Kleinstädte nun eben lautete: Fremde, die blieben, blieben nicht lange fremd.
„Hi.“ Er begegnete meinem Blick, grinste mich an und zeigte mir dabei seine blendend weißen Zähne. Kein schleimiges Grinsen wie Mr Arschlochs, aber doch ein ziemlich unverschämtes „Hast du schon bemerkt, wie heiß ich bin?“-Grinsen.
„Ich habe eure Jukebox durchs Fenster ges– Whoa!“ Verstört unterbrach er sich und wandte den Kopf hierhin und dahin. Ja, eindeutig ein Tourist. Wenn Einwohner von Maple Ridge das Magic 7 betraten, wussten sie, was sie hier erwartete.
Zwerge.
Zwerge auf den Speisekarten. Zwerge an den Wänden. Zwerge auf den Zapfhähnen an der Theke, über der ein Schild mit einem grinsenden Neonzwerg hing. Okay, Letzterer war ziemlich sicher in Wahrheit ein Santa Claus, allein schon weil die Anzeige alle paar Sekunden von ihm auf „HO! HO! HO!“ umsprang. Aber mit seiner roten Mütze und dem weißen Rauschebart passte er perfekt ins Bild.
Es hatte sogar einmal draußen gleich neben der Tür einen hüfthohen Zwerg aus Ton gegeben, der als einziges Kleidungsstück seine Mütze getragen hatte. Beth hatte ein Röckchen gehäkelt und es ihm umgebunden. Und wenig später hatte ihn irgendein unbekannter Randalierer eines Nachts zerschlagen. Wer das getan hatte, blieb bis heute im Dunkeln. Es hätte jeder und jede sein können. Sogar ich.
Mr Strahlemann – oder Mr Grinsekatz? Das Grinsen, entschied ich, verdiente seinen eigenen Namen – drehte sich langsam um die eigene Achse. Er musterte die Zwerge argwöhnisch, als könnten sie jeden Moment angreifen.
Was, wenn man dem Boss glaubte, gar nicht so unwahrscheinlich war. Er nannte sie gerne seine „Wachhunde“. Und das nicht, weil zwei oder drei von ihnen angeblich über eingebaute Kameras verfügten (auch wenn mir Beth versichert hatte, das sei bloß eine urbane Legende).
Jedenfalls guckte Mr Grinsekatz kurz so drein, als bereute er seinen Entschluss, das Diner zu betreten. Dann schlenderte er doch näher. Er war trotz meiner Heels noch immer ein gutes Stück größer als ich, und er setzte sich in dem gänzlich leeren Diner ausgerechnet an Mr Arschlochs Tisch auf Mr Arschlochs Platz. Wenn das einmal kein Omen war!
„Hi. Wie kann ich dir helfen? Möchtest du die Karte?“ Ich schnappte mir eine von einem der Nebentische, doch er schüttelte den Kopf. Fuhr sich dann lässig durchs brünette Haar und grinste wieder. Jede Wette, die Mädchen wo auch immer er herkam flogen auf ihn.
„Was kannst du mir empfehlen?“
„Unser heutiges Mittagsmenü ist das gegrillte Käsesandwich mit einer Maiscremesuppe“, ratterte ich herunter.
„Das empfiehlst du mir?“ Er klang belustigt. Als forderte er mich heraus, Ja zu sagen. Und ganz ehrlich war es kein Wunder, dass wir an Freitagen immer so viele Rentner als Mittagsgäste hier hatten. Die Maiscremesuppe schmeckte fader als Babybrei, und wenn man die Käsesandwich-Bissen in sie tunkte, brauchte man zum Essen nicht einmal Zähne.
Also straffte ich die Schultern und erwiderte: „Nein. Meine Empfehlung ist der Magic-7-Burger mit Champignons, Speck und einem Spiegelei. Und dazu passen hervorragend grüne Bohnen, frittierte Okras oder ein Maiskolben mit Chili.“
Volltreffer! Ich konnte förmlich sehen, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Er wählte den Burger, die Okras und den Mais, dazu ein alkoholfreies Bier; und ich machte mich auf den Weg zur Durchreiche, um bei Pete „Einmal Billardkugel, Schlange, Hühnerfutter“ zu bestellen, bevor ich das Bier aus dem Kühlschrank nahm.
„Danke, Summer“, sagte Mr Grinsekatz, als ich ihm die Flasche und ein Glas brachte. Er sagte es auf eine normale Art, nicht wie Mr Arschloch. Einfach so, als sei er daran gewöhnt, Leute mit ihren Vornamen anzureden, die er kaum kannte.
Während er sich Bier einschenkte, warf ich einen verstohlenen Blick auf seine Hände. Von den Schwielen her hätte ich ihn für einen Fabrikarbeiter oder vielleicht einen Tischler, Klempner oder Mechaniker gehalten. Aber das Grinsen und die Sache mit den Namen sprachen eher für Kundenservice oder Vertrieb.
Marketing. PR. Gebrauchtwagenhändler. In-einem-Callcenter-sitzen-und-alten-Leuten-Heizdecken-aufschwatzen. Alles eher keine Jobs, bei denen man sich Schwielen holte.
Natürlich ging mich das auch nichts an. Ich verzog mich in die Küche, räumte dort den Geschirrspüler aus und wieder ein und sortierte das Besteck, bis Pete meinen Namen grunzte. Kam heraus. Servierte Mr Grinsekatz seinen Burger samt den Beilagen. Und verzog mich eilends wieder in die Küche, als ich sah, wie Pete auf die Jukebox zuhielt.
Im Stillen zählte ich bis Drei. Und prompt ertönte einer der schlimmsten Songs in Petes generell grottiger Playlist: Summer Won‘t You Come.
Pete stapfte zu mir zurück. Ich konzentrierte mich ganz auf das frisch gewaschene Besteck und senkte den Blick, weil ich schon wusste, was folgen würde. Ein paar der Gabeln hatten noch immer offensichtliche Fettflecken. Daher spritzte ich großzügig Geschirrspülmittel auf den Schwamm und seifte sie gerade ein, als der Refrain einsetzte: „O Summer won‘t you come?“
„Summer won‘t you come?“, sang Pete halblaut vor sich hin. Und bedachte mich dabei mit – o Graus – einer Art Schlafzimmerblick.
„Summer won‘t you co-o-ome?“ Die rhythmischen Stöße seiner Hüften bei jeder Silbe machten mir unmissverständlich klar, was mit dem „Kommen“ gemeint war. Nicht dass ich die visuelle Hilfe gebraucht hätte, um das zu kapieren! Ich hatte Petes Interpretation der Lyrics schon beim ersten Mal verstanden. Oder wenn nicht, dann spätestens nach den ersten paar hundert Malen.
„Sum-mer!
Sum-mer!“
Mit jedem „Sum-mer!“ tänzelte er näher. Ich riss die Ladeklappe des bereits laufenden Geschirrspülers auf, um durch sie und den entweichenden Dampf wenigstens irgendeine Barriere zwischen uns zu schaffen.
Zu meiner riesigen Erleichterung blieb Pete stehen. Auf seinem Gesicht erschien ein so vorwurfsvoller, gekränkter Ausdruck, als wäre ich die Angreiferin von uns beiden.
Das Geräusch von Schritten ließ mich den Kopf herumreißen. Mein einziger Gast stand direkt vor dem Durchgang mit vollem Blick in die Küche. Grinsekatz oder nicht: In diesem Herzschlag hätte ich ihn küssen können.
„Sorry, störe ich?“ Während ich noch den Kopf schüttelte, ruckte er mit dem Kinn in Richtung Jukebox. „Wollte nur wissen, ob das Ding auch Songs aus diesem Jahrtausend drauf hat. Irgendwas von, sagen wir mal, Liam Byrd?“
Keine Ahnung, wer Liam Byrd war. Wann hatte ich letztens Zeit und Gelegenheit gehabt, Radio zu hören?