Romantic Comedy - Curtis Sittenfeld - E-Book
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Romantic Comedy E-Book

Curtis Sittenfeld

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Beschreibung

Sally Milz ist Comedyautorin für eine der bekanntesten Late-Night-Shows in Amerika. Ihr Job ist ihr Leben, das Thema Beziehung hält sie mit den Waffen der Ironie auf Distanz. Als ihr Kollege Danny Horst mit einer Schauspielerin zusammenkommt und sich damit in die gar nicht so kleine Riege eher durchschnittlicher Männer, die mit unglaublich schönen und erfolgreichen Frauen eine Beziehung führen, einreiht, platzt ihr fast der Kragen. Warum tritt der umgekehrte Fall eigentlich nie ein? Sie tut, was sie immer tut, schreibt einen Sketch und verwandelt ihre Gefühle in Comedy. Doch dann tritt Noah Brewster in ihr Leben. Der Popstar ist als musikalischer Gast für die Show engagiert. Sie verstehen sich auf Anhieb, und Sally fragt sich bald, ob da nicht vielleicht mehr zwischen ihnen sein könnte. Aber das hier ist keine romantische Komödie, sondern das wahre Leben. Und im echten Leben würde sich jemand wie er niemals auf jemanden wie sie einlassen, oder? Curtis Sittenfelds Beobachtungen sind lustig und schlau zugleich. Voller Scharfsinn seziert sie die sozialen Regeln und Machtdynamiken von Romantik und Beziehungen zwischen den Geschlechtern.

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Seitenzahl: 488

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Für Comedyautorin Sally Milz ist ihr Job ihr Leben, das Thema Beziehung hält sie mit den Waffen der Ironie auf Distanz. Als ihr Kollege Danny Horst mit einer Schauspielerin zusammenkommt und sich damit in die gar nicht so kleine Riege eher durchschnittlicher Männer einreiht, die mit überdurchschnittlich schönen und erfolgreichen Frauen eine Beziehung führen, platzt ihr fast der Kragen. Warum tritt der umgekehrte Fall eigentlich nie ein? Sie tut, was sie immer tut, schreibt einen Sketch und verwandelt ihre Gefühle in Comedy. Doch dann tritt Noah Brewster in ihr Leben. Der Popstar ist als musikalischer Gast für die Show engagiert. Sie verstehen sich auf Anhieb, und Sally fragt sich bald, ob da nicht mehr zwischen ihnen sein könnte. Aber das echte Leben ist keine romantische Komödie. Und im echten Leben würde sich jemand wie er niemals auf jemanden wie sie einlassen, oder?

Curtis Sittenfeld spielt mit Konzepten und Stereotypen von Geschlechtern, Liebe und Beziehung. Ihre Beobachtungen sind extrem lustig und extrem schlau zugleich.

© Jenn Ackerman

Curtis Sittenfeld, geboren 1975, veröffentlichte 2005 ihren hochgelobten Debütroman ›Eine Klasse für sich‹. Sie ist die Autorin von insgesamt sieben Romanen und einem Kurzgeschichtenband. Ihre Werke standen auf der New-York-Times-Bestsellerliste und wurden in dreißig Sprachen übersetzt.

Stephan Kleiner, geboren 1975, lebt als literarischer Übersetzer in München. Er übertrug u.a. Meg Wolitzer, Chad Harbach, Nick Hornby, Bret Easton Ellis, Charlie Kaufman und Hanya Yanagihara ins Deutsche.

CURTIS SITTENFELD

ROMANTIC COMEDY

Roman

Aus dem Englischenvon Stephan Kleiner

Die englische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel ›Romantic Comedy‹ bei Random House, ein Imprint von Penguin Random House LLC, New York.

Copyright © 2023 by Curtis Sittenfeld

All rights throughout the world are reserved to Proprietor.

Zitatnachweis:

[1] Indigo Girls, »Dairy Queen«

Words and Music by Amy Ray

Copyright © 2004 SONGS OF UNIVERSAL, INC. and GODHAP MUSIC

All Rights Administered by SONGS OF UNIVERSAL, INC.

All Rights Reserved Used by Permission of Hal Leonard Europe Limited.

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber.

E-Book 2024

© 2024 für die deutsche Ausgabe: DuMont Buchverlag, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung: Stephan Kleiner

Lektorat: Dania Schüürmann

Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln, nach einer Vorlage von Cassie Gonzales, Penguin Random House

Satz: Fagott, Ffm

E-Book Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

E-Book ISBN 978-3-7558-1062-9

www.dumont-buchverlag.de

Für C, ich liebe dich und deinen Humor

PROLOG

Februar 2018

Ich habe schon oft gelesen, man solle morgens nicht als Allererstes zum Telefon greifen – die Nachrichten, sozialen Medien und E-Mails bringen den natürlichen Ablauf des Aufwachens durcheinander und lösen Stress aus –, und damit möchte ich dazu überleiten, dass ich an die Decke ging, als ich eines Morgens als Allererstes zum Telefon griff und las, dass Danny Horst und Annabel Lily zusammen waren.

Ich ging nicht an die Decke, weil ich in Danny Horst (oder auch in Annabel Lily) verliebt gewesen wäre. Auch nicht, weil wieder zwei Menschen auf der Welt ihr Liebesglück gefunden hatten, während ich größtenteils allein blieb. Und ich ging auch nicht an die Decke, weil ich es nicht von Danny persönlich erfahren hatte, obwohl wir uns ein Büro teilten. Ich ging an die Decke, weil Annabel Lily ein bildschöner, talentierter, weltberühmter Filmstar war und Danny ein Hänger. Er war kein schlechter Kerl, und er hatte auch Talent. Aber Gott noch mal, er schrieb fürs Fernsehen, er schrieb Sketche – er war eine männliche Version von mir. Er hatte bleiche Haut, war chronisch übernächtigt und sarkastisch. Und er legte es – vielleicht weil er ein Mann war oder zehn Jahre jünger als ich – weniger darauf an, es anderen recht zu machen, und lebte sich einfach rücksichtslos aus. Auf Afterpartys war er ganz offensichtlich bekifft oder auf LSD. Oft sprach er ganz arglos über seine Sozialphobie und seinem Pornokonsum. Als er überlegte, ein Haarwuchsmittel zu nehmen, hatte ich auf seine Bitte hin mit seinem Telefon Fotos von seinem Scheitel gemacht, damit er genau sehen konnte, wie die Haare dort ausdünnten, und als er das Mittel zum ersten Mal anwendete, hatte ich überprüft, ob der Schaum gleichmäßig verteilt war. Und seine verschiedenen Arten von Rülpsern waren mir so vertraut, dass ich sofort wusste, was er zuletzt gegessen hatte.

Danny war für mich wie ein kleiner Bruder – ich liebte ihn, und er stank und ging mir auf die Nerven. Aber seine abstoßenden und lästigen Seiten hatten Annabel Lily offenbar nicht abgeschreckt. Drei Wochen zuvor hatte sie als Stargast bei The Night Owls mitgewirkt, was mit dem Kinostart ihres jüngsten Films zusammenfiel, dem vierten Teil einer Actionreihe, in der sie eine korrupte FBI-Agentin spielte. Den Eröffnungsmonolog hatte sie in einem einseitig schulterfreien, leicht geschlitzten schwarzen Cocktailkleid gehalten, das ihre schlanke und zugleich kurvenreiche Figur betonte; ihr langes rotes Haar war gewellt wie zur Zeit des alten Hollywood. Annabel war schön, lieblich und bezaubernd, und auch wenn ihr komisches Timing nicht das beste war, machte sie jeden Spaß mit, was genauso wichtig war. In einem Sketch spielte sie die Rolle eines Murmeltiers, wozu sie in einem Pelzkostüm und mit zwei riesigen falschen Vorderzähnen im Mund auf allen vieren herumkriechen musste. Den Sketch hatte übrigens Danny geschrieben, es war also gut möglich, dass sie sich bei den Proben ineinander verguckt hatten.

Die Murmeltierrolle war so liebenswert, dass ich ihnen beinahe hätte vergeben können, nur war diese Paarung bei TNO schon die dritte ihrer Art in den letzten Jahren, und wie jeder weiß, der schon mal einen Witz geschrieben hat – oder ein Märchen gehört oder einen Artikel im Stil-Ressort einer Zeitung gelesen –, gibt es so etwas wie eine Dreierregel. In diesem Fall bewies sie den Trend einer Liebelei zwischen echten Prominenten und TNO-Mitarbeitern, denen sie bei der Show begegnet waren. Aber, und das war das Entscheidende, es waren immer weibliche Promis und männliche Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr war ich auf der Hochzeit einer eisblonden britischen Oscargewinnerin namens Imogen Wagner und eines Ensemblemitglieds namens Josh Beckman gewesen, bekannt für seine Auftritte als »Rückenpickel-Mann«. Und im Jahr davor hatte der Chefautor Elliot Markovitz (1,76Meter groß, vierzig Jahre alt und mein Bootschuhe tragender Vorgesetzter) eine mehrfach mit Platin ausgezeichnete Popsängerin namens Nicola Dorman geheiratet (1,78Meter groß, dreißig Jahre alt und UN-Sonderbotschafterin). Und natürlich war das die Ursache meiner Wut: dass es solche Paare umgekehrt niemals gegeben hätte, dass sich ein bildschöner männlicher Promi nie in eine gewöhnliche, leicht trottelige, ungepflegte Frau verliebt hätte. Niemals. So klug sie auch sein mochte.

Aber während ich im Bett lag und aufs Display meines Telefons starrte – Danny und Annabel hatten sich am Abend zuvor dadurch als Paar geoutet, dass sie in dem Club herumgeknutscht hatten, in dem die Party zu Annabels vierundzwanzigstem Geburtstag stattfand –, wusste ich auch, dass ich über meine Wut schreiben würde. Wie immer würde ich meine Gefühle in Comedy verwandeln und mich auf diese Weise selbst heilen.

KAPITEL 1

April 2018

Wöchentlicher Terminplan fürTHE NIGHT OWLS

Montag 13UhrPitchrunde mit Gastmoderator

Dienstag 17UhrBeginn der nächtlichen Schreibsitzung

Mittwoch 12UhrDeadline für eingereichte Sketche

Mittwoch 15UhrLesung der eingereichten Sketche mit verteilten Rollen

Mittwoch 21UhrVorläufige Show-Besetzung wird intern veröffentlicht

Mittwochabend – SamstagmorgenProben; Überarbeitung der Skripts; Kulissenaufbau; Planung der Spezialeffekte; Frisuren, Make-up, Kostüme werden festgelegt und entworfen; Voraufnahmen

Samstag 13UhrDurchspielprobe der Show

Samstag 20UhrGeneralprobe vor Zuschauern

Samstag 23:30Uhr

Montag, 13:10Uhr

In der Runde zum offiziellen Beginn der wöchentlichen Show wollte ich zwei Sketche präsentieren. Aber ich hatte drei Einfälle – man konnte mehrere schreiben und einreichen, aber nur zwei in der Runde pitchen –, also würde ich mich spontan entscheiden, abhängig davon, wie der Gastmoderator auf die Präsentationen meiner Vorgänger reagierte. Etwa vierzig Autoren, Ensemblemitglieder und Produzenten hatten sich in das Büro von Nigel Petersen, dem Erfinder und Executive Director der Show, im sechzehnten Stock gezwängt. Das Büro im sechzehnten Stock – nicht zu verwechseln mit dem Büro im siebten Stock direkt neben dem Studio, in dem die Sendung aufgezeichnet wurde – war einerseits gut eingerichtet und andererseits nicht ansatzweise als Versammlungsort für vierzig Leute geeignet. Das bedeutete, Nigel saß an seinem Schreibtisch, der Gastmoderator in einem ledernen Lehnsessel, ein paar glückliche Mitarbeiter konnten sich einen Platz auf dem einzigen Sofa sichern, und alle anderen lehnten an den Wänden oder hockten auf dem Boden.

Nigel begann mit der Vorstellung des Gastmoderators, bei dem es sich, wie es ungefähr einmal pro Staffel vorkam, zugleich um den musikalischen Gast handelte. Noah Brewster war in der Vergangenheit schon zweimal als Musiker in der Show aufgetreten, aber dies war sein erster Auftritt als Moderator. Er war ein auf klischeehafte Weise gut aussehender, hocherfolgreicher Singer-Songwriter, der sich auf gefühlsduselige Popmusik spezialisiert hatte und dafür bekannt war, vor allem mit Models im Alter von Anfang zwanzig auszugehen. Auch wenn er wie ein Surfer aussah – durchdringende blaue Augen, strubbeliges blondes Haar und Bartstoppeln, ein breites Lächeln, das reichlich Zähne entblößte, und ein trainierter Körper –, hatte ich aus der Moderatorenbio, die uns immer montagmorgens geschickt wurde, erfahren, dass er in einem Vorort von Washington, D.C., aufgewachsen war. Er war sechsunddreißig, genauso alt wie ich, und berühmt seit der Veröffentlichung des Hits »Making Love in July« vor mehr als fünfzehn Jahren, als ich auf dem College gewesen war. »Making Love in July« war ein Loblied darauf, einem langhaarigen Mädchen mit »strahlender Haut«, »einem Schmollmund« und »Himbeerbrustwarzen« respektvoll die Jungfräulichkeit zu rauben, und es gehörte zu den Liedern, die ein Jahr lang so oft im Radio gelaufen waren, dass ich sie, obwohl ich sie scheußlich fand, unbeabsichtigt von vorne bis hinten auswendig konnte. In der Zwischenzeit hatte Noah Brewster viele Preise gewonnen und mehr als zwanzig Millionen Alben verkauft, eine Zahl, die ich ebenfalls seiner Moderatorenbio entnommen hatte. Es war kein Zufall, dass sein zehntes Album in der kommenden Woche erscheinen würde; Moderatoren, musikalische Gäste und Kombinationen aus beidem zelebrierten meist ihre jüngsten Erfolge oder bewarben kurz vor der Veröffentlichung stehendes Material.

Nachdem Nigel ihn vorgestellt hatte, sah sich Noah Brewster im Raum um und sagte: »Danke, dass ihr einen Musiker in eure Comedy-Party reinplatzen lasst. Ich habe mein Leben lang davon geträumt, TNO zu moderieren, schon seit ich mich als nerdiger Mittelstufenschüler zu Hause in den Keller schlich, um die Sendung zu gucken, wenn meine Eltern im Bett lagen.« Er warf uns sein breites Lächeln zu, und ich fragte mich, ob seine Zähne echt oder keramikverblendet waren. Nach neun Jahren bei TNO war ich an Begegnungen mit A-Promis gewöhnt, wobei es oft überraschte, wer von Angesicht zu Angesicht noch besser aussah (die meisten), wer ein Arschloch war (nicht viele, aber manche auf jeden Fall), wer erschreckend geistlos war (der Hauptdarsteller einer beliebten Krimiserie stach in diesem Punkt besonders heraus) und bei wem man wünschte, er bliebe für immer Teil der Sendung, weil er in den Sketchen glänzte und es auch noch Spaß machte, mitten in der Nacht mit ihm abzuhängen.

Nigel blickte nach links, wo ein Autor zu seinen Füßen saß, und sagte: »Benji, machen Sie doch den Anfang.«

Benji pitchte einen Sketch über den ehemaligen FBI-Direktor James Comey, der seine kürzlich veröffentlichte Autobiografie verfasste, indem er kleinmädchenhafte Erinnerungen à la »Liebes Tagebuch« diktierte. Dann erzählte ein Mitarbeiter namens Oliver, er arbeite gerade zusammen mit Rohit, einem weiteren Autor, an einer Idee (es würde sich erst beim Lesen der Sketche am Mittwoch zeigen, ob das stimmte oder ob es nur eine Ausrede von Oliver war). Dann pitchte eine Autorin namens Lianna einen Sketch, in dem Noah Brewster den sexy Quoten-Hetero in einem Highschool-Chor spielte, dann pitchte ein Autor namens Tony einen Sketch, in dem Noah Brewster einen adretten weißen Typen spielte, der als Präsident kandidierte und vertretungsweise in einer schwarzen Kirche predigen durfte. Henrietta, eines der beiden Ensemblemitglieder, mit denen ich am häufigsten zusammenarbeitete, sagte, sie und Viv, das andere Ensemblemitglied, mit dem ich am häufigsten zusammenarbeitete, planten einen Sketch über Suchanfragen von Hunden. Ich war als Sechste dran.

»Den hier nenne ich ›Die Danny-Horst-Regel‹«, sagte ich. »Denn er ist von meinem Bürogenossen inspiriert, dessen tolle Neuigkeiten wir sicherlich alle gehört haben.« Alle klatschten oder johlten. Am Wochenende hatten sich Annabel Lily und Danny nach sieben Wochen zusammen verlobt, wie ein Post auf Annabels Instagram-Account aufgedeckt hatte, der einen Ring an ihrem Finger in Nahaufnahme zeigte, ihre Hand auf Dannys gelegt. Promiklatschseiten im Netz berichteten umgehend, es handle sich um einen Halo-Ring mit Smaragdschliff und Pavé-Fassung, und schätzten seinen Preis auf 110000Dollar. Obwohl ich in meinen Zwanzigern selbst kurz verheiratet gewesen war, hatte ich keine Ahnung, was die Wörter Halo-Ring, Smaragdschliff oder Pavé-Fassung bedeuteten – mein Mann und ich hatten einfache Goldringe getragen.

Als der Jubel verebbte, sagte Danny, der zwei Plätze links von mir auf dem Boden saß: »Danke, Leute. Und ja, verdammt krass, dass ich Mr.Annabel Lily werde.« Es folgte eine weitere Runde Jubel, und Danny fügte hinzu: »Falls ihr euch das fragt: Sally hatte mir schon angekündigt, dass sie mich als Karrieresprungbrett nutzen will.«

»Ich will Danny sogar überreden, an der Nummer mitzuschreiben«, sagte ich. »Aber das besprechen wir noch. Jedenfalls möchte ich über das Phänomen schreiben – sorry, Danny, du weißt, ich liebe dich –, dass die Männer bei TNO Frauen abkriegen, die eindeutig eine Nummer zu groß für sie sind, umgekehrt aber kommt das nie vor.«

Gelächter ertönte, aber wenn in der Pitchrunde gelacht wurde, konnte das auch heißen, dass man seine Pointen zu früh verfeuert hatte. Aus diesem Grund pitchten manche gar keine echten Sketche, wobei ich das Risiko einging, meine wirklichen Einfälle zu teilen, um sie für mich beanspruchen zu können, sollte jemand über etwas Ähnliches nachdenken. Und im Übrigen war Gelächter überraschend oft eben nicht der Gradmesser für das Schicksal eines Sketchs, das vielmehr von Nigels Launen abhing. Von den vielleicht vierzig Skripts, die für die Mittwochslesung eingereicht wurden, würden es etwa zwölf Sketche bis zur Kostümprobe am Samstag und nur acht bis in die Liveshow schaffen. Sketche mit dem Stargast hatten eine höhere Überlebenschance, aber darüber hinaus ließ sich unmöglich voraussagen, wie Nigel entscheiden würde. Uns allen, Ensemblemitgliedern wie Autoren, war schon mehrfach das Herz gebrochen worden.

»Natürlich sollte Danny irgendeine Rolle in dem Sketch übernehmen«, ergänzte ich. »Entweder als er selbst oder als jemand anderes. Und Noah, ich könnte Sie mir gut als einen Typen vorstellen, der verhaftet wird, weil er irgendwie gegen die Regel verstößt; Sie hätten beispielsweise ein Date mit Henrietta oder Viv, die wir so zurechtmachen, dass sie weniger umwerfend aussehen als in echt.« Auch wenn ich Henrietta und Viv nahestand, war das keine bloße Schmeichelei. Sie sahen wirklich beide umwerfend aus, was bei weiblichen Comedians nicht ungewöhnlich war, und sie waren beide so witzig, dass ihre Schönheit oft hinter ihrer Witzigkeit zurücktrat, was bei weiblichen Comedians ebenfalls nicht ungewöhnlich war.

»Nur damit ich es richtig verstehe …«, sagte Noah Brewster, und als ich seinen verwirrten Gesichtsausdruck sah, fragte ich mich schon, ob er zu den Trotteln gehörte. Ich hatte noch nie mit ihm gesprochen. Sein erster musikalischer Auftritt hatte vor meiner Zeit bei der Show stattgefunden, und beim zweiten Mal war ich nicht mit ihm in Berührung gekommen. Hin und wieder traten die Musiker in Sketchen auf, oder man konnte ihnen donnerstagnachmittags beim Proben ihrer Stücke zusehen, wenn man gerade Zeit hatte, aber das hieß nicht, dass man ihnen wirklich begegnete. »In diesem Sketch«, sagte er, »würde ich also das Gesetz brechen, weil ich so viel besser aussehe als die Frau, die ich date?«

Hier und da wurde leise gelacht, und ein Autor namens Julian sagte: »Schon für Ihre Haare wäre eine Milliarde Dollar Kaution fällig.«

Noahs Miene war liebenswürdig, als er mich ansah und sagte: »Nein, die Frage ist ernst gemeint.«

»Ja, schon«, sagte ich. »Im Prinzip.« Ich lehnte mit dem Rücken an der westlichen Wand von Nigels Büro, etwa drei Meter von Noah entfernt, und zwischen uns saßen viele Mitarbeiter.

Noahs Tonfall blieb heiter diplomatisch, als er sagte: »Ich finde es immer besser, wenn sich der Gast über sich selber lustig macht statt über andere, also würde ich da wohl lieber passen.«

Dass Selbstironie zum Sieg führen konnte, war nicht von der Hand zu weisen. Aber so früh und öffentlich zu erklären, an einem bestimmten Sketch nicht teilnehmen zu wollen, war so unnötig wie ärgerlich; Nigel räumte den Gästen ohnehin immer ein Vetorecht ein. Es ärgerte mich sogar so sehr, dass ich beschloss, als zweite Idee diejenige zu präsentieren, bei der ich mir unsicher gewesen war, und zwar, weil ich nicht wusste, ob Noah Brewster sie womöglich beleidigend fände.

»Kein Problem«, sagte ich in einem Tonfall, der genauso diplomatisch klingen sollte wie seiner; ich wusste, ich musste behutsam vorgehen. »Und wenn Sie sich selbst mal so richtig auf die Schippe nehmen wollen, habe ich gute Neuigkeiten. Mein nächster Einfall beruht darauf, dass Sie massenweise Fans haben, und die lieben Sie unter anderem dafür, dass Ihre Musik so gefühlvoll ist. Da zwischen gefühlvoll und cheesy aber oft ein schmaler Grat liegt, habe ich über einen Sketch nachgedacht, in dem Sie verschiedene Käsesorten verkaufen, und die unterschiedlichen Sorten entsprechen Ihren jeweiligen Liedern. Sie könnten also einen Brie anbieten und sagen: ›Der hier hat ein seidiges Aroma mit einer wunderbar fruchtigen Note – perfekt, wenn man im Juli Liebe machen will.‹ Oder ›Dieser salzige Gruyère weckt Erinnerungen an den Wind am Lighthouse Beach.‹«

»Von dem Chilikäse wird man so richtig scharf«, sagte Danny. Wenn jemand anderes die eigenen Einfälle weiterspann, war das ein noch größeres Lob als offen ausgesprochene Komplimente.

Noah wirkte nicht beleidigt, schien aber erneut eher verwirrt als belustigt zu sein. Er sagte: »Es wäre also, als würde man Wein beschreiben, nur mit … Käse?«

»Sie können es sich ja mal durch den Kopf gehen lassen«, sagte ich. Bei meiner dritten Sketchidee, die ich für die Mittwochslesung vorschlagen, aber wegen der Begrenzung auf zwei Pitches nicht in dieser Runde zur Sprache bringen würde, trat Noah als Gastjuror in »Plappermäulchen« auf. »Plappermäulchen« war eine Sketchreihe von mir und beruhte auf dem Gesangswettstreit American Lungs, der auf demselben Sender wie TNO ausgestrahlt, aber in L.A. gedreht wurde. Drei bekannte Musiker nahmen dort als Juroren die Teilnehmer unter ihre Fittiche, und meine Parodie bezog sich auf den – direkt aus dem wahren Leben gegriffenen – Umstand, dass die beiden männlichen Juroren der Jurorin nicht nur regelmäßig sagten, sie rede zu viel, wenn sie den Kontrahenten ihr Feedback gab, sondern dass die beiden viel mehr Zeit damit verbrachten, ihr zu sagen, sie rede zu viel, als sie selbst Zeit mit Reden verbrachte. Am meisten ging mir dabei gegen den Strich, dass sie die Anschuldigungen nicht zurückwies, sondern leutselig antwortete: »Ich weiß, Mensch! Was soll ich sagen, ich bin halt ein Plappermäulchen.«

»Danke, Sally«, sagte Nigel. Er nickte dem Autor neben mir zu. »Patrick?«

Während Patrick mit der Idee zu einem Sketch begann, in dem Donald Trump seine goldene Kloschüssel zu Zahnfüllungen einschmelzen ließ, betrachtete ich das auf klischeehafte Weise gut aussehende Surfergesicht von Noah Brewsters, der wiederum Patrick ansah, und die nächsten drei Stunden lang – denn so lange dauerten die Pitchrunden – betrachtete ich Noahs Gesicht immer wieder.

Ehe Nigel uns gehen ließ, fragte er Noah wie alle anderen Stargäste auch, ob er eigene Ideen habe. In der Zwischenzeit war ich zu dem Schluss gekommen, dass Noah doch kein Trottel war. Er lächelte und lachte oft, schien aber im Gegensatz zu manch anderem Stargast nicht auf Teufel komm raus seine Witzigkeit unter Beweis stellen zu wollen. Und seine Rückfragen fand ich mit der Zeit auf eine Art selbstbewusst, die ich trotz meines anhaltenden Ärgers über seine Reaktion auf meinen Danny-Horst-Regel-Sketch respektieren musste.

Noah blickte sich noch einmal im Raum um und sagte: »Nach diesen ganzen Ideen freue ich mich noch mehr auf die kommende Woche. Ein bisschen Angst habe ich auch, aber die Freude überwiegt. Ich bin richtig motiviert, eure Ideen auszuprobieren, und habe selbst nicht viel auf dem Plan. Es gibt da zugegebenermaßen eine Idee, an der ich ein bisschen herumüberlegt habe, ich wollte sie vielleicht selber ausformulieren, und vor der Leseprobe werde ich mir überlegen müssen, ob ich die Katze aus dem Sack lasse oder nicht, aber was eure Sketche angeht, bin ich für alles zu haben.«

Solange du nicht so tun musst, als würdest du mit einer Frau ausgehen, die weniger attraktiv ist als du, dachte ich. Ich fragte mich gerade, ob seine Aversion damit zusammenhing, dass er im wahren Leben mit so vielen Models ausgegangen war, als ich jemanden aufstoßen hörte und unmittelbar einen unangenehmen Geruch witterte, die widerwärtige Version eines Frühstücks-Burritos. Mein Kopf wirbelte zu Danny herum, und er spitzte die Lippen und riss die Augen weit auf – wie um zu sagen: Hoppla! –, und ich verzog das Gesicht. Ja, Rülpsen gehörte zum Leben, aber hätte er es in den letzten dreißig Sekunden einer dreistündigen Sitzung nicht noch unterdrücken können?

Patrick, der Autor zwischen Danny und mir, beugte sich zu mir herüber. Er flüsterte: »Das warst du, stimmt’s?«

Montag, 16:47Uhr

Ich beantwortete gerade E-Mails, als Danny mit einer Dose Red Bull in der Hand unser Büro betrat. »Na, Chuckles«, sagte er, während er sich rittlings auf seinen Schreibtischstuhl setzte und auf mich zurollte. Der Raum war so schmal, dass sich ein Sofa nur darin unterbringen ließ, wenn unsere Schreibtische an derselben Wand standen. Er deutete auf meinen Computerbildschirm und sagte: »Geht’s denn mit dem Great American Screenplay voran?«

»Schön wär’s«, sagte ich. »Ich teile gerade meiner Agentin mit, dass ich keinen« – ich malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft – »›humorvollen animierten Kurzfilm für einen Hersteller von Bio-Intimspülungen‹ schreiben möchte.«

»Was zahlen die denn? Vielleicht möchte ich ja einen humorvollen animierten Kurzfilm für einen Hersteller von Bio-Intimspülungen schreiben.«

»Zehntausend, aber Intimspülungen sind nicht gut, und ich glaube, der ganze Bio-Aspekt ist Bullshit. Die Vagina ist ein selbstreinigendes Organ.«

»Deine vielleicht. Aber ja, für zehntausend fange ich gar nicht erst an. Ich verkaufe meine Seele nicht unter sechsstelligen Summen.« Ich ging davon aus, dass Danny annähernd so viel verdiente wie ich. Er war als bisher jüngster Moderator der satirischen Sendung-in-der-Sendung »News Desk« eingestellt worden, und er schrieb auch andere Sketche und trat gelegentlich darin auf, womit er als Ensemblemitglied im zweiten Jahr wohl das gleiche Gehalt bekam wie eine Autorin im neunten Jahr, die nie auf dem Bildschirm erschien. Das waren momentan 12000Dollar pro Folge oder 252000Dollar im Jahr – keine Riesensumme für einen Job beim Fernsehen, in dem man mehrere Nächte in der Woche durcharbeitete, und wiederum unanständig viel im Vergleich zu einer Grundschullehrerin, um nur ein Beispiel zu nennen. Selbst wenn Danny bei TNO noch nicht mehr verdiente als ich, trat er seit Kurzem auch in Filmen auf, wohingegen ich die freie Zeit im Sommer für deutlich weniger lukrative Tätigkeiten wie das Lesen von Romanen und Reisen nutzte.

»Okay, ich brauche einen Rat«, sagte Danny. »Annabel flippt gerade komplett aus, weil sie festgestellt hat, dass unsere Sternzeichen nicht harmonieren. Belly ist Fische, und ich bin Schütze.«

»O mein Gott!«, sagte ich. »Kaum zu fassen, dass ihr es so lange miteinander ausgehalten habt.«

»Schon klar, dass du das lächerlich findest, aber sie nimmt den Scheiß echt ernst.«

»Wusste sie bis jetzt nicht, wann du Geburtstag hast?«

»Sie hatte gestern eine Sitzung mit ihrer Astrologin, und die hat ihr gesagt, unsere Verbindung wäre zwar echt, aber unsere Kommunikationsstile wären inkompatibel, und ich wäre nicht der richtige Begleiter für ihre ›innere Reise zu ihr selbst‹.«

Ich biss mir auf die Lippe, und Danny setzte hinzu: »Schon okay, lach ruhig. Aber Scheiße, ich liebe sie trotzdem.«

»Was ist denn mit deiner Reise zu dir selbst?«

Danny machte ein unschuldiges Gesicht. »Ich bin schon ganz bei mir, Chuckles.«

Ungeachtet meiner Missgunst gegenüber ihrer Beziehung und des Sketchs, den ich gerade gepitcht hatte, fand ich Dannys unbändige Liebe zu Annabel süß. Die beiden legten eine solche Aufrichtigkeit und Spontanität und einen solchen Optimismus an den Tag, und das Ganze erschien so fehlgeleitet, so zum Scheitern verurteilt, wie hätte irgendwer, eine Zynikerin wie mich eingeschlossen, ihnen da nicht die Daumen drücken sollen? Die Verlobung nach sieben Wochen war nur die jüngste ihrer dramatischen und äußerst öffentlichen Liebesbekundungen gewesen. Nach einer Woche zusammen waren sie nach Paris gereist, um vor dem Eiffelturm herumzuknutschen, und nach zwei Wochen hatten sie sich identische Zungenpiercings stechen lassen, und das alles war auf den sozialen Medien dokumentiert und dann in der Klatschpresse atemlos nacherzählt worden.

Dannys offener Umgang mit Gefühlsdingen gab mir ganz allgemein Hoffnung in Bezug auf die Generation Z, auf Männer oder vielleicht auf beides. Anderthalb Jahre vorher war ich nicht gerade begeistert gewesen, als ich erfuhr, dass ich von meinem gemeinsamen Büro mit Viv in eines mit Danny umziehen sollte, der damals gerade zu TNO gekommen war. Ich hatte kein Verlangen nach so großer Nähe zu Danny, der als Stand-up-Comedian Erfolg mit so ironiegesättigten Nummern gehabt hatte, dass ich den Witz nicht immer verstand, wodurch ich mich extrem alt fühlte. Außerdem, und das fand ich noch beunruhigender, fragte ich mich, ob der Bürowechsel mit einer Botschaft an mich verbunden war. TNO und insbesondere Nigel waren für einen laxen Führungsstil bekannt, und oft bekamen Mitarbeiter buchstäblich nicht einmal mit, dass sie eingestellt oder gefeuert worden waren. Hatte man mich etwa mit einem frisch eingestellten vierundzwanzigjährigen Typen in ein schäbiges Büro gepfercht, um mich unauffällig Richtung Ausgang zu manövrieren, ohne mich explizit rauszuschmeißen? In den ersten Wochen der 2016er-Staffel hatten Danny und ich kaum ein Wort miteinander gewechselt, da er viel im Büro von Roy und Hank, den eigens für »News Desk« zuständigen Autoren, arbeitete und rasch zum neuen Ensemblemitglied mit der meisten Bildschirmzeit heranreifte. Fünf Wochen nach Staffelbeginn kam dann der Wahlabend – es war ein Dienstag, also waren wir im Büro und taten so, als schrieben wir, aber in Wirklichkeit kriegte niemand etwas auf die Reihe. Gegen 23:30Uhr – gerade war nach North Carolina und Ohio auch noch Florida Trump zugesprochen worden, und für Wisconsin und Pennsylvania sah es nicht besser aus – kamen Danny und ich aus verschiedenen Richtungen auf unser Büro zu, und als wir nur noch ein Stück voneinander entfernt waren, trafen sich unsere Blicke, und wir begannen beide zu schluchzen und warfen uns einander in die Arme. Kurz nach Trumps Amtseinsetzung, als unsere Demokratie schon in der Auflösung begriffen war, begann Danny mich »Chuckles« zu nennen, eine Kurzform von chuckle slut, die Bezeichnung für Frauen, die mit Komikern ins Bett gingen; er verlieh mir den Spitznamen, nachdem ich ihm gesagt hatte, ich wäre noch nie mit einem Komiker im Bett gewesen.

Knapp achtzehn Monate später sagte ich zu ihm: »Vielleicht braucht Annabel bloß ein, zwei Tage, um sacken zu lassen, was die Astrologin ihr erzählt hat. Ich meine, es hat sie überrumpelt, aber ihr wird schon klar werden, dass es eigentlich nicht so wild ist.«

»Ich wünschte, man könnte sein Sternzeichen ändern«, sagte Danny. »Für sie würde ich sofort zum Skorpion konvertieren.«

»Ich glaube, sie wird sich beruhigen«, sagte ich.

Er nickte zu meinem Computerbildschirm hinüber. »Intimspülung ist nicht der Hit – ich steh auf Natur, denn die Nase leckt mit.« Er grinste. »Die zehntausend stelle ich dir dann in Rechnung.«

Montag, 19:32Uhr

Der Montag war bei TNO der einzige Tag in der Arbeitswoche, an dem ich zu einer einigermaßen normalen Uhrzeit nach Hause kam, und ich versuchte die Montage zu nutzen, um mich weiter von der Vorwoche zu erholen, wenn wir Sendung gehabt hatten – von Oktober bis Mai wurden üblicherweise drei Shows hintereinander ausgestrahlt, und dann hatten wir zwei oder drei Wochen frei –, und mich für die bevorstehende Woche zu wappnen. Ich hatte den vierzigminütigen Fußweg von der TNO-Zentrale in Midtown zu meiner Wohnung auf der Upper West Side absolviert und mir beim Thailänder um die Ecke etwas zu essen mitgenommen. Ich saß am Küchentresen, aß Pad See Ew aus der Pappschachtel und telefonierte dabei über Lautsprecher mit meinem neunundsiebzigjährigen Stiefvater Jerry. Meine Mutter war drei Jahre zuvor gestorben, was für Jerry und mich so niederschmetternd gewesen war, dass es sich kaum in Worte fassen ließ. Vier Monate nach der Beerdigung hatte ich Jerry überredet, sich einen Beagle namens Sugar zuzulegen, der ihn so glücklich machte, dass ich die Anwesenheit der Hündin in seinem Leben für meine größte Errungenschaft hielt. Außerdem hatten wir so jeden Sonntag oder Montag ein anderes Gesprächsthema als unser beider Gefühle.

»Sie war ganz brav heute beim Krallenschneiden«, sagte Jerry jovial, dann senkte er die Stimme zu einem Flüstern – wahrscheinlich weil Sugar in der Nähe war und er sie nicht beleidigen wollte – und sagte: »Das stimmt eigentlich gar nicht. Sie musste von zwei Mitarbeitern festgehalten werden, weil sie so herumzappelte.«

»Hat sie auch gewinselt?«

»Und wie«, sagte er. Jerry lebte mit Sugar in Kansas City, in dem Haus, in dem ich aufgewachsen war. Ich versuchte die beiden zweimal im Jahr zu besuchen, aber seit dem Tod meiner Mutter hatte ich es nicht über mich gebracht, an Thanksgiving oder Weihnachten hinzufahren. Ich blieb entweder in New York oder verreiste, einmal auf die Seychellen mit Viv und einmal mit Viv und Henrietta nach Mexico City. Jerry verbrachte die Feiertage bei seiner Schwester.

»Ich habe im Netz gesehen, dass euer Gastmoderator diese Woche auch noch für die Musik zuständig ist«, sagte Jerry. »Das klingt ganz schön anstrengend.« Meine Mutter und ich hatten sonntagnachmittags immer über die Show vom Vorabend gesprochen, und seit sie nicht mehr da war, schickte Jerry mir sonntagnachmittags sein Feedback in zwei förmlichen Absätzen per E-Mail. Die Freundlichkeit hinter dieser Geste wog beinahe auf, dass Jerry, abgesehen von seiner Wertschätzung für Sugars Eskapaden, eigentlich keinen Sinn für Humor hatte und so gut wie keine der popkulturellen Phänomene kannte, die bei TNO persifliert wurden. Auch wenn meine Mutter und er zweimal im Studiopublikum gesessen hatten, hätte er die Sendung niemals geschaut, wenn ich nicht daran mitgeschrieben hätte.

»Noah Brewster hast du bestimmt schon mal als Hintergrundmusik im Restaurant oder im Supermarkt gehört«, sagte ich. »Und ja, es ist ganz bestimmt anstrengend, durch die Sendung zu führen und auch noch Musik zu machen, aber dafür darf er sein neues Album bewerben.«

»Ach, das wollte ich dir noch erzählen«, sagte Jerry. »Ich habe Mrs.Macklin beim Einkaufen getroffen, und sie lässt dich schön grüßen. Amy hat wohl schon wieder ein Baby bekommen, das ist dann Nummer drei, glaube ich.«

Wer ist denn Mrs.Macklin?, dachte ich. Und wer ist Amy? Dann erinnerte ich mich an eine Mitschülerin auf der Highschool namens Amy Macklin, mit der ich bei der Schülerzeitung zusammengearbeitet hatte. (Ich war keine Reporterin, sondern Korrektorin gewesen, denn als Reporterin hätte ich mich auf eine Art und Weise mit Menschen befassen müssen, wie ich es damals nicht gekonnt hätte.) Ich sagte: »Freut mich für Amy.« Der Gedanke an ein drittes Kind rief in mir mehr Dankbarkeit für meine eigenen Umstände als Neid auf Amys hervor.

Jerry erzählte mir von einem Tapas-Restaurant, das er am vergangenen Freitag mit seiner Schwester und deren Mann besucht hatte und in dem es ein Gericht aus Kichererbsen und Spinat gab, von dem er meinte, es würde mir schmecken (obwohl ich meines Wissens keine besondere Beziehung zu Kichererbsen hatte, glaubte Jerry, ich täte es, weil ich oft Hummus kaufte, wenn ich bei ihm war). Dann kam das Gespräch wieder auf Sugar. Im vergangenen Monat war eine Familie mit zwei Kindern nebenan eingezogen, und Sugar hatte angefangen, auf der Terrasse hinter Jerrys Haus zu sitzen, dem Nachbarhaus zugewandt, und zu bellen, als wollte sie die Schwestern zu sich rufen. »Ich glaube, sie hört gern, wie niedlich sie ist«, sagte Jerry.

»Wer würde das nicht?«, sagte ich, und Jerry lachte.

»Na schön«, sagte er. »Pass in der U-Bahn auf dich auf, Schatz.« So beendete er unsere Gespräche immer.

Nachdem ich aufgelegt hatte, stellte ich die Essensreste in den Kühlschrank und ging duschen. Ich wohnte immer noch in der fünfundsechzig Quadratmeter großen Mietwohnung, die ich vor fast zehn Jahren bei meiner Ankunft in New York bezogen hatte. Der Unterschied war, dass ich in den ersten zwei Jahren eine Mitbewohnerin gehabt hatte, die in dem eigentlichen Schlafzimmer schlief, wohingegen ich die Nächte auf einem schlampig gebauten Hängeboden im Wohnzimmer verbrachte, wo die Zimmerdecke 1,20Meter von der Matratze entfernt war. Im Rückblick war schwer zu sagen, ob ich in diesen zwei Jahren keinen Sex gehabt hatte, weil ich eben ich war, weil ich die Scheidung noch verkraften musste oder weil dafür schlicht der Platz fehlte.

Als ich aus der Dusche kam, zog ich das übergroße T-Shirt an, in dem ich schlief, putzte mir die Zähne, rieb mir die Beine mit billiger und das Gesicht mit teurer Lotion ein, holte dann mein Telefon aus der Tasche der Jeans, die ich auf dem Badezimmerfußboden hatte liegen lassen, und ging ins Bett. Ich hatte vier Nachrichten, drei davon waren von Viv.

Die erste: Ich seh immer noch wie ein Zombie aus

Die zweite: Meinst du ich soll das Abendessen absagen?

Die dritte war eine Nahaufnahme von ihrem rechten Auge, in dessen weißem Teil ein dicker roter Punkt mit verschwommenem Rand zu sehen war, ein wenig größer als die Pupille. Bei einem Sketch während der Livesendung am vergangenen Samstag hatte Gregory, einer der Mitwirkenden, ausgerechnet einen Ofenhandschuh geworfen, der Viv leicht an der Brust hätte treffen sollen, sie aber aus irgendeinem Grund am Auge erwischt hatte. Beim Abschminken nach der Sendung hatte sie den Fleck bemerkt, aber es hatte nicht wehgetan, und sie war bis weit in den Sonntagmorgen hinein auf den Afterpartys geblieben. Als er am Montag noch nicht verschwunden war, war sie zur TNO-Krankenpflegerin gegangen, die Viv zur Sicherheit einen Besuch beim Augenarzt empfohlen hatte.

Ich schrieb zurück: Mach mal eins vom ganzen Gesicht

Einige Sekunden später kam ein Foto von Vivs vollständigem und ausgesprochen hübschem Gesicht, das im Moment nicht lächelte und eher nachdenklich dreinschaute, beide Augenbrauen hochgezogen. Viv war schwarz und einunddreißig, fünf Jahre jünger als ich. Ich wusste, dass sie und Henrietta, die weiß und zweiunddreißig war, beide vorbeugende Antiaging-Maßnahmen wie Botox und chemische Peelings anwendeten. Zugleich trat Viv in einer Sketchreihe auf, in der sie eine Fernsehmoderatorin mittleren Alters spielte, die sich aber sehr gut gehalten hatte und mit Wonne den Satz »Schwarzes Gesicht knittert nicht« in ihren Garderobenspiegel sagte.

Sieht echt nicht so wild aus, schrieb ich. Das mit dem Abendessen würde ich davon abhängig machen wie’s dir geht

Tut immer noch nicht weh, antwortete Viv. Aber

Sie schickte das Emoji des grünhäutigen weiblichen Zombies mit ausgestreckten gekrümmten Fingern.

Nein du siehst gut aus, schrieb ich.

Gut wie in großartig!

Ich würde sagen du kannst hingehn oder absagen aber du musst nicht absagen um irgendwem deinen Anblick zu ersparen

Montagabend gegen dreiundzwanzig Uhr lud Nigel immer den Stargast und einige Ensemblemitglieder zum Essen in ein nobles Restaurant ein. Von Autorenseite durfte höchstens der Chefautor mitkommen, was mir nichts ausmachte, weil mir nach über neun Jahren flüchtige Begegnungen mit Nigel lieber waren als ausgedehnte. Viele bei TNO und außerhalb waren regelrecht besessen von dem Mann, der die Show im Jahr 1981 erfunden hatte und sie seitdem produzierte. Nigel Petersen, 1947 als Norman Piekarski in Oklahoma City geboren, war unbestreitbar der Comedy-Königsmacher im Amerika des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts. Es hieß oft, die Beziehung, die man zu Nigel hatte oder zu haben glaubte, verrate einiges über die Beziehung zum eigenen Vater. Aber ich war seit Langem der Ansicht, stille Kompetenz auszustrahlen wäre hilfreicher, als mich anzubiedern. Während des gesamten ersten Jahrs war ich mir nicht einmal sicher gewesen, ob er meinen Namen kannte, und auf der Afterparty nach dem Staffelfinale hatte er dann in seinem überraschend sanften und zurückgenommenen Tonfall gesagt: »Der Sketch mit dem Schulausflug war sehr lustig, Sally.« Diese neun Wörter waren womöglich das größte Kompliment meines Lebens, was mir meinen Vaterkomplex hätte vor Augen führen können, wäre mir nicht schon ausgesprochen bewusst gewesen, dass ich einen hatte. Im Jahr darauf hatten wir mehr miteinander zu tun gehabt, weil es mehr Sketche aus meiner Feder in die Sendung schafften, aber wir sprachen uns nur, wenn er Anmerkungen dazu hatte. Zu unserem jährlichen überflüssigen Wortwechsel kam es, als er einen Sketch, der in einem Grillrestaurant in Kansas City spielte, mit ähnlich knappen Worten lobte und ich mich traute, nicht nur ein Dankeschön zu murmeln, sondern anzufügen: »Sie sind doch aus Oklahoma – zählt das für Sie zum Mittleren Westen oder zum Süden?«

Wieder sagte er in sanftem und zurückgenommenem Tonfall: »Laut Einwohnererhebung zählt es zum Süden.« Das war es dann für die Staffel 2010–2011.

Hast du einen Termin beim Augenarzt gemacht, schrieb ich Viv.

Morgen um 11, schrieb sie zurück.

Ah super, antwortete ich.

Ich geh zum Essen!

Viel Spaß!

Sie antwortete mit einem Zwinker-Emoji, und ich öffnete die andere Nachricht, die gekommen war, während ich geduscht hatte. Sie war von Gene, dem Mann, mit dem ich seit acht Monaten gelegentlich etwas hatte: Hey Sally alles gut bei dir?

Ich überlegte, ihn einzuladen – es war noch vor neun, ich hatte mir gerade die Haare und alles andere gewaschen –, und dann dachte ich mir, dass ich lieber früh schlafen gehen wollte. In den Wochen, wenn wir Sendung hatten, traf ich Gene fast nie; selbst wenn ich am Mittwoch wusste, dass kein Sketch von mir in der Show landen würde, wurde erwartet, dass ich donnerstags beim Überarbeiten dabei war, was bis neun oder zehn Uhr abends dauern konnte, und das Ganze war geistig so fordernd, dass es mir leichter fiel, mich ganz dem TNO-Rhythmus zu unterwerfen. Es war vielleicht der einzige Arbeitsplatz in Amerika, an dem Menschen mit Ehepartnern und Kindern nicht nur in der Minderheit waren, sondern mit dumpfem Mitleid im Blick angesehen wurden, denn wie sollte irgendwer das denn noch zusätzlich stemmen?

Außerdem mochte ich Gene, auch wenn der Sex ganz gut war, eigentlich nicht besonders. Er war Finanzberater und hatte gleich zu Anfang erwähnt, dass die betriebswirtschaftliche Fakultät der University of Florida, die er besucht hatte, zu den besten fünfzehn des Landes zählte. Zwar hatte ich mir nie Gedanken über den Rang der betriebswirtschaftlichen Fakultät der University of Florida gemacht, aber natürlich veranlasste mich das, seine Behauptung zu überprüfen, und ich stellte fest, dass er damit um etwa zehn Plätze danebenlag. Viel schlimmer noch, er hatte eine Kollegin, die sich regelmäßig wegen Migräne krankschreiben ließ, einmal mit dem Wort Snowflake geschmäht. Es mochte zwar sein, dass er es nicht in politischem Sinn verwendete, aber die offenbar intendierte Bedeutung war auch nicht viel besser. Und ich hatte ihn nicht zur Rede gestellt, weil ich fürchtete, mir dann ein neues Ventil für meine sexuellen Bedürfnisse suchen zu müssen, wozu ich mich bei einer neuen Dating-App anmelden und ausreichend Fremde in ausreichend Bars treffen müsste, um festzustellen, welcher von ihnen mich wahrscheinlich nicht umbringen würde, wenn ich ihn mit zu mir nahm.

Gene war vielleicht kein Mörder, aber auch nicht besonders hübsch. Er war von durchschnittlicher Größe und durchschnittlichem Körperbau, hatte hellbraunes Haar, und er strahlte etwas so Gewöhnliches aus, dass er in jedem Bürosketch bei TNO einen guten Statisten abgegeben hätte. Er war auf die Weise unanstößig, wie ein Sitznachbar im Flieger meist unanstößig war; nur dass wir anders als bei Sitznachbarn im Flieger hauptsächlich damit beschäftigt waren, es uns gegenseitig zu besorgen. In den Monaten seit unserer ersten Begegnung hatte er mir genau zwei Fragen gestellt. Die erste war, ob ich schon mal Kaffee mit Butter probiert hätte (nein), und die zweite, ob ich schon mal am Rockaway Beach gewesen sei (auch nicht).

Genes Vorgänger waren alle nicht besonders wissbegierig gewesen, aber sie hatten immerhin so viel gefragt, dass ich ihnen einen falschen Beruf genannt hatte, was ich bei Gene gar nicht zu tun brauchte. Den anderen Typen, die ich »gedatet« hatte, hatte ich erzählt, ich würde für den Newsletter eines Herstellers medizinischer Geräte schreiben, womit ich vor TNO tatsächlich eine Zeit lang mein Geld verdient hatte. Ich war an sich keine große Lügnerin, aber ich fürchtete, die Typen, die ich aufgabelte, könnten übermäßiges Interesse zeigen, wenn ich meinen wahren Arbeitgeber nannte. Im besten Fall hätten sie nur Karten für die Show gewollt, aber im schlimmsten Fall wären sie aufstrebende Improvisationskünstler gewesen. Oder vielleicht war der schlimmste Fall auch, dass sie mich auf eine Art und Weise kennengelernt hätten, wie sie mich gar nicht kennen sollten. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob mein äußeres Ich (eine sanftmütige Frau von durchschnittlicher Intelligenz und Attraktivität) oder doch eher meine Skripts (überspitzte, bewusst empörende Sketche über Sexismus und Körperfunktionen) mein wahres Ich widerspiegelten – oder ob ich, ob überhaupt irgendwer eigentlich ein wahres Ich hatte. Aber ich argwöhnte, dass sich meine Texte zum großen Teil aus dieser Spannung oder mangelnden Integration ergaben; ich glaubte, die meinen Sketchen zugrunde liegenden Beobachtungen resultierten daraus, dass ich unsichtbar war oder zumindest unterschätzt wurde, wozu auch gehörte, dass man mich für netter hielt, als ich war. Von Kindesbeinen an hatte ich mich oft wie eine Spionin oder eine Anthropologin gefühlt, und es machte mir nichts aus, wenn die anderen bei TNO wussten, wer ich wirklich war, weil sie im Inneren auch Spione, Anthropologen und Spinner waren.

Das gleiche Arrangement wie mit Gene hatte ich schon mit einer Reihe von Männern gehabt; das vorherige hatte ich beendet, als ich erst nach erschreckenden drei Monaten herausfand, dass er ein Familienvater war. (Ich hatte immer geglaubt, als Geliebte würde man sich kompromittiert und zugleich glamourös fühlen, aber in diesem Fall hatte es sich vor allem darin niedergeschlagen, dass ich mir die Erkältungen seiner Kinder im Vorschulalter einfing.) Auch wenn ich manchmal mit Viv und Henrietta witzelte, ich sei eine Männer verschlingende Karrieristin, war ich mir ziemlich sicher, dass ich selbst dann keine tiefere Verbindung zu Gene oder seinen Vorgängern hätte aufbauen können, wenn ich ihnen eine echte Chance gegeben hätte. Wären wir zusammen essen gegangen oder um Governors Island herumspaziert, hätten wir angezogen und nüchtern Zeit zusammen verbracht, dann hätte ich die Sache sofort beendet.

Ich schrieb: Hab die Woche viel um die Ohren, wie siehts nächsten Di oder Mi aus?, aber noch bevor ich es abschicken konnte – wahrscheinlich hatte er die drei Punkte gesehen, als ich tippte –, kam eine neue Nachricht von Gene, und es war ein Penisfoto. Gene war offenbar in seiner Wohnung in Queens, in der ich ihn nur einmal besucht hatte. Das Foto zeigte ihn vom Nabel abwärts, auf grauer Bettwäsche liegend, oberkörperfrei und mit einer marineblauen kurzen Mesh-Sporthose bekleidet, die er am rechten Oberschenkel nach innen gezogen hatte, sodass seine runzligen Eier herausgeplumpst waren und sein geäderter Ständer nach links oben ragte. Angesichts der Art unserer Beziehung war ein solches Foto nichts Unerhörtes, und es war auch bei Weitem nicht das erste, das er mir geschickt hatte, aber ich wusste nie, wie ich ihm klarmachen sollte, dass sie die gegenteilige der vermutlich beabsichtigten Wirkung hatten. Tatsächlich waren die am Rande enthüllten persönlichen Details – die Mesh-Shorts und grauen Laken, der Nachttisch im Hintergrund, auf dem ich ein Plastikfläschchen voller Säureblocker mit Wassermelonengeschmack und ein Buch über die Führungsstrategien von Milliardären ausmachen konnte – merkwürdig rührend und zugleich abschreckend. Sie riefen mir etwas ins Gedächtnis, womit ich mich sonst nicht auseinandersetzte, nämlich, dass ich zwar Genes Schwanz kannte, ihn selbst aber kaum.

Ich löschte Hab die Woche viel um die Ohren, wie siehts nächsten Di oder Mi aus? und tippte: Wow!!

Echtzeit, antwortete er. Denk an dich.

Fühle mich geehrt!, antwortete ich.

Schickst du mir auch eins?, schrieb er.

Bin m. Freunden essen, schrieb ich zurück. Dann ergänzte ich: Hab die nächsten Wochen leider viel um die Ohren, hoffe aber es geht dir gut

Kurz darauf schlief ich mit dem Telefon in der Hand ein; so konnte ich am nächsten Morgen wenigstens gleich als Allererstes draufschauen.

Dienstag, 12:10Uhr

Die Büros und das Studio von TNO lagen zusammen mit vielen anderen Büros und Studios unseres Senders in einem ikonischen Gebäude, das nur als »die 66« bezeichnet wurde – es hatte sechsundsechzig Stockwerke, und bei der Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 1933 war das eine bemerkenswerte Zahl gewesen. Als ich kurz nach zwölf Uhr darauf zuging, wusste ich, dass ich es in den kommenden vierundzwanzig Stunden nicht verlassen würde.

Der Flur mit den Autorenbüros im sechzehnten Stock wirkte wie erwartet gespenstisch verlassen. Ich nahm am Schreibtisch Platz und setzte die Ohrhörer ein. Ich hörte immer klassische Musik, meist Haydn oder Schubert, während ich Sketche über Dinge wie furzende Hunde, Tampons und Gleichberechtigungsgesetze schrieb. Ich arbeitete zweieinhalb Stunden lang, ohne aufzustehen oder die Ohrhörer herauszunehmen, und erstellte auf diese Art einen Rohentwurf des Danny-Horst-Regel-Sketchs (neun Seiten) und dann einen des Plappermäulchen-Sketchs (zehn Seiten). Zu diesem frühen Zeitpunkt konzentrierte ich mich noch eher auf die allgemeine Struktur, als mir Gags zu überlegen.

Eine der bei TNO kursierenden Legenden besagte, dass der Hauptteil der Show zwischen siebzehn Uhr am Dienstag und, weil die Sketche bis mittags eingereicht werden mussten, 11:59Uhr am Mittwoch geschrieben wurde. Eine weitere Legende besagte, dass die Kreativität der TNO-Anfangsjahre zum großen Teil von Kokain befeuert worden war. Obwohl diese beiden Gerüchte tatsächlich der Wahrheit entsprachen, hatte ich persönlich noch nie Kokain genommen und schrieb nicht hauptsächlich nachts. Ich blieb über Nacht im Büro, weil ich dann mit den Ensemblemitgliedern an ihren Einfällen arbeitete und es sonst als unhöflich gegolten hätte, und oft schrieb ich meine Entwürfe mittwochs um 11:55Uhr noch fieberhaft um. Aber erste Entwürfe gingen mir tagsüber viel leichter und schneller von der Hand, und manchmal fragte ich mich, ob das, vom Kultstatus der durchgemachten Nächte einmal abgesehen, den meisten meiner Kollegen nicht auch so gegangen wäre.

Irgendwann in meinem ersten Jahr war mir klar geworden, dass die sich über die ganze Nacht erstreckenden Schreibsitzungen größtenteils einen performativen Charakter hatten, nur eben anders als die Sketche. Mitunter dauerte es wirklich einmal sechs Stunden, einen Sketch zu schreiben, aber weit häufiger machten die Leute fünf Stunden lang irgendwelchen Quatsch und schrieben dann einen Sketch in vierzig Minuten runter. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch sah man mit genauso großer Wahrscheinlichkeit jemanden herumblödeln wie am Computer tippen. Die Autorenbelegschaft von TNO bestand immer noch zu drei Vierteln aus Männern, und sie veranstalteten Ringkämpfe, schlossen irgendwelche Wetten ab oder pinkelten in Mülleimer. Manche Autoren oder Ensemblemitglieder gingen vor Mitternacht, um in Comedyclubs aufzutreten, kamen wieder, um mit den anderen zu ringen, zu wetten oder in Mülleimer zu pinkeln, und fingen dann erst an zu schreiben. Aber heutzutage kannte ich nur einen aus dem Ensemble, der bei der Arbeit harte Drogen konsumierte. Deutlich mehr meiner Kollegen trugen Fitbit-Armbänder, tranken Kohlsaft und meditierten in den Arbeitspausen oder behaupteten es jedenfalls.

Nigel selbst war eindeutig eine geborene Nachteule, und auch wenn der in den Anfangszeiten von ihm aufgestellte Terminplan nach objektiven Maßstäben völlig verrückt wirkte, hatte er sich über all die Jahre doch bewährt. Viele Sketche, die Eingang ins kollektive Bewusstsein der Nation gefunden und viel geliebte Figuren und Sprüche hervorgebracht hatten, waren tatsächlich morgens um eins, um drei oder um halb fünf geschrieben worden. Und wenn man Glück hatte, war der Dienstag im Grunde erst der Anfang. Schaffte man es mit einem oder zwei Sketchen durch die Leseprobe, verbrachte man unter Umständen jede Nacht bis Samstag mit dem Umschreiben und Proben oder Voraufnahmen. Samstags machte man dann wahrscheinlich auch durch und trauerte oder feierte auf den Afterpartys, weil der eigene Sketch im letzten Moment gestrichen worden war und man Frust schob oder weil er gesendet worden, aber gefloppt war und man Frust schob oder weil er gesendet worden und voll eingeschlagen war und man sich freute.

Vor meiner Zeit bei der Show hatte ich normale Schlaf- und Wachperioden gehabt, aber TNO hatte meinen ganzen Biorhythmus umgekrempelt, so als wäre ich ein Schichtarbeiter, nur um ein Vielfaches besser bezahlt, oder ein Notarzt, nur dass ich niemandem das Leben rettete. Inzwischen kam es mir normal vor, dass die meisten dienstags gegen siebzehn Uhr ins Büro kamen und wir gegen einundzwanzig Uhr etwas zu essen bestellten. In den Stunden vor und nach dem Essen arbeitete ich mit Ensemblemitgliedern, meist Viv und Henrietta, an Sketchen, die sie entwickelt hatten. Gegen eins oder zwei streckte ich mich auf dem Sofa in meinem Büro aus, legte mir ein T-Shirt über die Augen und steckte mir Ohrenstöpsel in die Ohren, und wenn ich nicht von irgendeinem Aufruhr auf dem Gang geweckt wurde, schlief ich etwa fünf Stunden lang, was für TNO-Maßstäbe geradezu dekadent war. Ich stellte mir den Handywecker auf sechs oder sieben Uhr und putzte mir dann auf der Damentoilette die Zähne. In dem privaten Waschraum direkt neben Nigels Büro gab es eine Dusche, die einige meiner Kollegen benutzten, aber mir fehlten dazu sowohl die Nerven als auch die Ambitionen, und ich hatte nur einen Kulturbeutel in der Schreibtischschublade liegen. Nach dem Zähneputzen genehmigte ich mir einen Kaffee und einen Proteinriegel und setzte mich zum Überarbeiten wieder an den Schreibtisch. Viele waren zu dieser Uhrzeit immer noch wach und wirkten meist halb tot vor Erschöpfung, wobei sie manchmal auch eine Art überdrehte Kameradschaft ausstrahlten, ähnlich wie Kinder, die bei einer Übernachtungsparty ihrer Grundschule durchgemacht hatten. Ich überarbeitete meine Sketche ein paar Stunden lang, gab sie wie alle anderen auch in letzter Minute ab und ging für ein paar Stunden nach Hause, um in Ruhe zu kacken und zu duschen, bevor ich für die Leseprobe um drei wieder ins Büro kam.

An diesem Nachmittag musste ich noch einen Entwurf für den Käsehändler-Sketch zusammenzimmern, beschloss aber, mir einen Kaffee zu holen – richtigen Kaffee, den es in einem Laden in der Lobby der 66 gab, und keinen aus der Büroküche –, und während ich anstand, schrieb ich Viv: Wie wars beim Arzt?

Also, antwortete sie umgehend.

Interessante Sache

Ich war nicht bei meinem normalen Arzt sondern bei nem anderen

Und er war

Sie fügte drei Feuer-Emojis hinzu.

Dann kam ein Screenshot, offenbar von der Website der Augenklinik, auf dem ein Mann von schätzungsweise Anfang vierzig zu sehen war. Er lächelte leicht, war entweder schwarz mit relativ heller Haut oder halb schwarz und halb weiß, und er trug ein weißes Anzughemd, eine gelbe Krawatte und einen weißen Arztkittel. Neben dem Foto stand:

Theodore P. Elman

Zulassung durch: Amerikanische Fachgesellschaft für Augenheilkunde

Ausbildung: M.D., Perelman School of Medicine, University of Pennsylvania

Fachgebiet: Allgemeine Ophthalmiatrie

Eine weitere Nachricht von Viv: OK da sieht er bisschen wie ein mittelalter Nerd aus aber glaub mir

Hat voll gefunkt

Und er hat seine E-Mail auf die Visitenkarte geschrieben für Rückfragen

Aber er darf sich nicht mit mir verabreden stimmts?

Das ist doch illegal

Ich tippte: Was ist eigtl. mit deinem Auge?

Dann: Illegal weiß ich nicht aber vllt. unprofessionell? Soll ich mal meine frühere Mitbewohnerin fragen die ist Kinderärztin

Von Viv: Ich hab eine subkonjunktivale Blutung

Eklig aber nicht wild

Müsste in 1–2Wochen von selbst verheilen

Von mir: Ah gut

Kann wohl nicht so eklig sein wenns voll gefunkt hat

Trägt er nen Ehering

Von Viv: Nein

Von mir: Wusste er wer du bist

Von Viv: Unklar

Wenn ich glaub es hat gefunkt, hats dann gefunkt?

Von mir: Ja

Von Viv: Und wenns nur bei mir gefunkt hat

Von mir: So funktioniert Funken nicht, glaub ich

Wann kommst du ins Büro

Von Viv: 16.30 h?

Kannst du paar Sketche schreiben in denen ich scharf und superlustig rüberkomme falls der Arzt diese Woche guckt

Von mir: Hmmm soll ich die nicht-scharfe Frau im Danny-Regel-Sketch dir oder Henri geben

Von Viv: Mir mir mir mir mir

Von Viv: Bildschirmzeit ist alles

Dienstag, 22:08Uhr

Viv, Henrietta und ich hatten unser bestelltes Essen in das Büro mitgebracht, das sie sich jetzt teilten. Ich saß an Henriettas Computer, Viv an ihrem eigenen Schreibtisch und Henrietta auf dem Boden. Wir feilten an der Idee zu den Suchanfragen von Hunden und diskutierten als Erstes, ob in dem Sketch echte Hunde oder Henrietta und Viv in Hundekostümen zu sehen sein sollten (weil Ensemblemitglieder immer, aber wirklich immer mehr Bildschirmzeit herauszuschlagen versuchten, fiel die Entscheidung rasch auf Letzteres). Dann besprachen wir den Schauplatz (die Computerplätze einer Bibliothek, aber auch wenn das nur für die Eröffnungssequenz wichtig war, konnten wir uns nicht entscheiden, ob es die berühmte New Yorker Hauptfiliale in der Fifth Avenue sein sollte oder eine gewöhnliche Vorortbücherei in Jacksonville, Florida, wo Viv herkam). Erst recht nicht entscheiden konnten wir uns bezüglich der Hunderasse. Aus Loyalität zu meinem Stiefvater und Sugar wollte ich mindestens einen Beagle dabeihaben. Viv meinte, es würde am besten funktionieren, wenn einer richtig groß und einer richtig klein sei, und Henrietta meinte, ihr sei jeder große Hund recht außer einem Deutschen Schäferhund, weil sie in der dritten Klasse einmal vom Schäferhund der Nachbarn gebissen worden sei. Nach vierzig Minuten hatten wir uns auf einen Bernhardiner und einen Chihuahua geeinigt – ich musste irgendwann einräumen, dass Chihuahuas einfach witziger waren als Beagle. Was die Eröffnungssequenz betraf, entschieden wir uns für Florida, denn die Löwen vor der New Yorker Bibliothek hätten womöglich den Auftritt des Bernhardiners vorweggenommen oder ihn weniger eindrucksvoll erscheinen lassen. Dann gingen wir zum lustigen Teil über, also den Suchanfragen selbst.

Den Mund voller Dönerfleisch, sagte Viv: »Bin ich schwer vermittelbar?«

Den Mund voller Spanakopita, sagte ich: »Bin ich ein ganz ein Feiner?«

Den Mund voller Falafel, sagte Henrietta: »Bin ich jetzt fünf oder fünfunddreißig?«

»Wieso kriegt man von Donner Angst?«, sagte ich.

»Menschen diskret am Schritt schnüffeln wie?«, sagte Henrietta.

»Günstige Mani-/Pediküre in der Nähe«, sagte Viv. »Ach, und günstigstes selbstfahrendes Auto.«

»Bester Burger in der Nähe«, sagte ich.

»Was ist Halitosis?«, sagte Henrietta.

»Halitosis, was tun?«, sagte ich.

»Wo machen Menschen ihr Geschäft?«, sagte Viv.

»Taco-Bell-Chihuahua Männchen oder Weibchen?«, sagte ich.

»Cesar-Terrier verheiratet«, sagte Viv.

»Lassie Schönheitsoperationen«, sagte Henrietta.

»Lustige Katzenvideos«, sagte ich.

»Corgis auf YouTube peinlich«, sagte Viv.

»YouTube kleiner Hund verjagt großen Hund«, sagte ich.

»Doghub zwei Pudel und ein Corgi«, sagte Henrietta.

»Schwanz enthaaren«, sagte ich.

»Schwanzgröße Durchschnitt«, sagte Viv.

»Hypothek refinanzieren wie?«, sagte Henrietta, und obwohl wir alle zwischendurch immer wieder gelacht hatten, brachte mich das so zum Lachen, dass ich nicht weitertippen konnte. In meiner Zeit bei TNO hatte ich solche Momente oft persönlich oder auch von außen erlebt – hatte dienstagabends mit meinen Kollegen lauthals gelacht oder Autoren und Ensemblemitglieder dienstagabends in anderen Büros lauthals lachen gehört. Als ich mich wieder gefasst hatte, sagte ich: »Krawatte binden wie?«

»Was ist Bitcoin?«, sagte Viv.

Wir waren alle wieder in Gelächter ausgebrochen, als ein Schaumstoff-Football durch die offene Tür geflogen kam und jemand – ich begriff schnell, dass es der Autor Rohit war – schrie: »Hört auf, so hämisch zu gackern, ihr Sukkuben.«

Dienstag, 23:29Uhr

Ich hatte vorgehabt, Danny ganz ungeniert um etwas Text für seine Rolle in meinem Danny-Horst-Regel-Sketch zu bitten. Als ich in unser Büro kam, hockte er schlaff auf dem Sofa, sein Telefon vor sich, aus dem eine weibliche Stimme tönte, die ich als Annabels erkannte.

Danny schaute zu mir auf und sagte: »Hey, Chuckles«, und obwohl ich das Display nicht sehen konnte, sagte Annabel: »Hey, Sally.«

»Hi, Annabel«, gab ich zurück.

Annabel nahm den Gesprächsfaden wieder auf und sagte zu Danny: »Aber wenn man einer Frau ein Kompliment machen will, dann sagt man ihr, dass sie heiß aussieht. Wenn du sagt, du bewunderst sie für ihre Body Positivity, heißt das so viel wie: ›Toll, dein Selbstbewusstsein, obwohl du so fett bist.‹«

»Baby, du bist die heißeste Frau aller Zeiten«, sagte Danny. »Du deutest da zu viel rein.« Aus seinem gurrenden Tonfall schloss ich, dass sich die Bedenken über ihr astrologisches Ungleichgewicht zerstreut hatten.

»Das Schlimmste ist«, sagte Annabel, »dass ich Lust auf Donuts kriege, wenn ich kritisiert werde.«

»Du könntest hundert Donuts essen und wärst immer noch genauso sexy wie jetzt.«

Während ich mich an den Schreibtisch setzte, hatte ich zu genau gleichen Teilen den Drang, die Ohrhörer einzusetzen und es nicht zu tun. In den letzten sieben Wochen war Annabel mit ihrer Entourage im Schlepptau bei jeder Liveshow gewesen, bis auf eine, als sie zur Eröffnung des Flagship Stores eines Luxusmodelabels, dessen Markenbotschafterin sie war, nach Tokio gemusst hatte. Während der Sendung hielt sie sich nicht in unserem Büro auf, sondern entweder in Dannys Garderobe oder, ihrem Status entsprechend, bei Nigel. Nigel trat einerseits wie ein Buddha auf und war andererseits ein generationenübergreifender Promi-Schmeichler, der an einem beliebigen Tag ebenso gut in Begleitung eines siebzigjährigen Rockers aus einer weltberühmten Band wie eines aufstrebenden Teen-Starlets durchs Studio laufen konnte.

»Ich weiß nicht, warum sie mich so anzicken muss«, sagte Annabel. »Ich dachte, unsere Fehde wäre beendet, seit wir bei den Globes zusammen einen Preis überreicht haben.«

Danny senkte die Stimme – da er ungefähr einen Meter von mir entfernt saß, änderte das nichts daran, dass ich jedes Wort verstand. »Weißt du, wie perfekt du bist?«, flüsterte er. »Du bist so perfekt, ich kriege einen Ständer, wenn ich dich nur angucke. Ich glaube, ich könnte gerade gar nicht aufstehen.«

War ihm bewusst, dass ich noch keine Ohrhörer trug, oder war es ihm schlicht egal? Ich vermutete Letzteres; bei TNO wurden täglich Dinge gesagt, oft vor laufenden Kameras, die an jedem anderen Arbeitsplatz außer dem gegenwärtigen Weißen Haus den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllt hätten.

»Statt einen Donut zu essen, gehe ich jetzt sofort aufs Laufband«, sagte Annabel. »Und die Steigung stelle ich auf fünfzehn Prozent ein. Soll mir die Bitch noch mal mit Bodyshaming kommen.«

»Soll ich nicht stattdessen vorbeikommen und dich richtig hart ficken und dir sagen, wie schön du bist?«

Nach einer Pause sagte Annabel in deutlich sanfterem Tonfall: »Wirklich?«

»Wunderschön«, sagte Danny. »Einfach wunderwunderschön.«

»Soll ich dich von Mickey abholen lassen?« Das war ihr Fahrer oder Bodyguard oder vielleicht auch beides.

»Mit einem Uber geht’s schneller.«

»Ich gehe duschen.«

»Geh nicht duschen. Mach einfach gar nichts. Ich lege jetzt auf und bin schon unterwegs. Ich rufe noch mal an, wenn ich im Uber sitze. Scheiße, ich liebe dich so krass, Baby.«

»Beeil dich, Baby.«

Er war schon aufgestanden und halb zur Tür hinaus, als ich sagte: »Solltest du dir hier drin jemals einen runterholen, versuch bitte, das Sofa sauber zu halten. Mehr verlange ich gar nicht.«

Danny blieb mit dem Rücken zu mir stehen und schaute kurz über die Schulter, was uns beiden den Vorteil brachte, dass ich nicht wusste, ob er wirklich eine Erektion hatte. »Ich würde mir hier drin niemals einen runterholen.« Er grinste. »Dafür habe ich doch meine Garderobe.«

Mittwoch, 1:14Uhr

Ich hörte jemanden meinen Namen sagen, aber ich schlief noch so fest, dass ich die Stimme in meinen Traum einbaute. Ich dachte, es wäre Bernard, der Hausmeister, der kam, um meinen Mülleimer zu leeren, und murmelte sinnlos: »Die Weichtiere können Sie dalassen.« Ich spürte eine Hand, die mir leicht auf die Schulter tippte, und jemand sagte: »Sally, es tut mir wirklich leid, Sie zu stören« – ein Satz, der bei TNO eher selten fiel –, und ich zog mir das T-Shirt von den Augen und die Ohrenstöpsel aus den Ohren, richtete mich auf und sagte: »Was ist denn?«

Der Mann, der so vorgebeugt auf dem Sofa saß, dass sich unsere Gesichter bis auf wenige Zentimeter annäherten, als ich mich aufsetzte, war Noah Brewster.