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Mit dieser Raubkatze wird der Neuanfang alles andere als ruhig ...
Es scheint wie der perfekte Job: Gwen Coultier ist Ranger in dem privaten Waldreservat der Familie Felix in Florida. Vor allem ist es weit weg von Gwens betrügerischen Exfreund. Doch dann entdeckt sie Jaguar-Spuren im Wald - dabei gibt es diese Tiere dort eigentlich nicht!
Rome Felix ist Kampfflieger - und Gestaltwandler. Der einzige schwarze Jaguar seiner Familie hat genug von seinem Job. Im Reservat sucht er Ruhe und Freiraum. Doch als ihm der betörende Geruch von Gwen in die Nase steigt, ändern sich seine Pläne ...
Alle Romane der Dynasty of Jaguars: Rome - Verführerische Fährte / Santos - Unstillbares Verlangen / Porter - Geheimnisvolle Leidenschaft / Del - Ungezähmtes Begehren
Jedes eBook enthält eine abgeschlossene, prickelnde Geschichte! EBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
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Seitenzahl: 347
Die Familie Felix besitzt seit Generationen ein riesiges, tropisches Anwesen in Florida. Was keiner wissen darf: Es handelt bei der Familie um Jaguar-Gestaltwandler! In jedem Roman steht einer der Söhne im Mittelpunkt. Dynasty of Jaguars – prickelnde und spannende Romantik mit übernatürlichem Touch!
Alle Romane der Dynasty of Jaguars:
Rome – Verführerische Fährte
Santos – Unstillbares Verlangen
Porter – Geheimnisvolle Leidenschaft
Del – Ungezähmtes Begehren
Jedes eBook enthält eine abgeschlossene, prickelnde Geschichte.
Es scheint wie der perfekte Job: Gwen Coultier ist Ranger in dem privaten Waldreservat der Familie Felix in Florida. Vor allem ist es weit weg von Gwens betrügerischen Exfreund. Doch dann entdeckt sie Jaguar-Spuren im Wald – dabei gibt es diese Tiere dort eigentlich nicht!
Rome Felix ist Kampfflieger – und Gestaltwandler. Der einzige schwarze Jaguar seiner Familie hat genug von seinem Job. Im Reservat sucht er Ruhe und Freiraum. Doch als ihm der betörende Geruch von Gwen in die Nase steigt, ändern sich seine Pläne …
Jennifer Dellerman hat bereits viele Bücher veröffentlicht. Am liebsten schreibt sie erotische und spannende Romane mit paranormalem Einschlag. Jennifer Dellerman lebt in den USA.
Jennifer Dellerman
Aus dem amerikanischen Englisch von Yasmin Tesch
beHEARTBEAT
Deutsche Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Die englischsprachige Originalausgabe erschien unter dem Titel »Hot Licks« bei Ravenous Romance ©
© 2012 by Jennifer Dellerman
Koordination und Bearbeitung der deutschen Ausgabe: usb bücherbüro, Friedberg (Bay.)
Übertragung ins Deutsche: Yasmin Tesch
Projektmanagement: Lukas Weidenbach
Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von thinkstock/Sarah_Cheriton und istockphoto/Art-Of-Photo
Datenkonvertierung E-Book:
hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-2685-7
Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes »Santos – Unstillbares Verlangen« von Jennifer Dellerman.
Die englischsprachige Originalausgabe erschien unter dem Titel »Drawing Deep« bei Ravenous Romance ©
© 2013 by Jennifer Dellerman
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Koordination und Bearbeitung der deutschen Ausgabe: usb bücherbüro, Friedberg (Bay.)
Übertragung ins Deutsche: Charlene Stein
Projektmanagement: Lukas Weidenbach
Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von thinkstock/jfk_image
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In der weichen Erde zeichnete sich eine Fußspur ab, beinahe doppelt so groß wie die eines Menschen. Mit zusammengekniffenen, fast schwarzen Augen starrte die Frau auf den Abdruck.
»Du gehörst nicht hierher.« Gwen Coltier hob den Kopf und blickte sich langsam um. Die Lichtung war so groß wie zwei Fußballfelder und von Wald umgeben. In der Mitte stand eine alte Hütte aus Holz und Stein. Nördlich der Lichtung begann einer der Nationalparks von Florida. Einige Kilometer weiter im Süden stand das Haus ihrer Arbeitgeber, Melinda und Andreas Felix, und Gwen befand sich auf deren Grund und Boden. Sie neigte den Kopf zur Seite, lauschte dem Gezwitscher der Vögel und blickte angestrengt in den Wald.
Was war mit dieser Hütte los? Sie war irgendwann bewohnt gewesen, aber inzwischen waren die Fenster mit Brettern vernagelt, und es gab eine neue Tür aus Metall mit Vorhängeschloss. So versuchte man zu verhindern, dass Hausbesetzer und Wilderer sie als Unterschlupf nutzten. Beides war im vergangenen Jahr ein paar Mal vorgekommen. Seitdem wurde das Waldgrundstück bewacht, auch um die Feriengäste zu schützen. Zu den ungebetenen Besuchern zählten natürlich auch Vierbeiner, die hier in allen möglichen Gestalten und Größen auftauchten.
Gwen begann ihren Arbeitstag meist mit einer Fahrt entlang der Ostgrenze des Anwesens. Dort prüfte sie den Metallzaun, der die Alligatoren von den Menschen trennte. Dann fuhr sie weiter und ließ den Jeep am Eingangstor stehen. Die Ranger boten den Gästen geführte Wanderungen an; niemand durfte allein im Wald umherwandern. Trotz der markierten Wege war die Gefahr einfach zu groß, dass man sich verlief. Und für Fremde war es wegen der Schlangen, des Giftefeus und der wilden Tiere definitiv zu gefährlich.
Die Überprüfung der Hütte gehörte ebenfalls zu Gwens routinemäßigen Aufgaben. Nachdem sie einmal fest am Vorhängeschloss gezogen hatte, umrundete sie das drei Meter hohe Gebäude und hielt nach Beschädigungen Ausschau. Der untere Teil bestand aus einem festen Fundament aus Steinen. Die Hälfte des Dachs war eingesunken, einige Dachsparren hatten sich gelöst, hingen herab oder waren durchgebrochen, aber das Haus stand noch.
Gwen war der Meinung, dass die Hütte abgerissen werden sollte. Sie wurde überhaupt nicht mehr genutzt und stellte eigentlich nur noch eine Gefahr dar. Aber die Eigentümer hingen daran, aus welchen Gründen auch immer. Und deshalb musste das alte Gemäuer jedes Mal überprüft werden, wenn einer der Ranger – Gwen oder ihre Kollegen Dennis Bonet und James Eden – in den Wald kam.
Gwen und James waren ausgebildete Ranger und hatten früher beim Staat gearbeitet. Als dort die Gehälter immer mieser wurden, hatten sie sich eine Stelle bei privaten Arbeitgebern gesucht. Zu Sommerbeginn war Dennis als Vollzeitkraft eingestellt worden, im Moment machte er aber eine Fortbildung und arbeitete nur an den Wochenenden. James hatte den Dienst an den Wochentagen übernommen.
Wie immer in den vergangenen fünf Monaten schien mit der Hütte alles in Ordnung. Genau wie bei ihrem ersten Besuch zusammen mit Porter, dem jüngsten Sohn der Familie Felix. Bis sie sich die Rückseite der Hütte ansah.
Irgendetwas Seltsames war hier im Gange. Vor einigen Monaten hatte Gwen im Wald einen Jaguar entdeckt, doch das Blattwerk war so dicht gewesen, dass sein orange-gelb-schwarzes Fell eher grau erschien. Auch er gehörte eigentlich nicht hierher. In Florida gab es kleine Panther mit braunem Fell, aber keine Jaguare. Diese viel größeren Raubkatzen zogen die Regenwälder Südamerikas vor. Der Anblick des schönen, fremden Tieres hatte ihr den Atem verschlagen, doch der Jaguar war verschwunden, bevor sie ein Foto machen konnte.
Sie hatte Porter und den anderen Rangern von dem Raubtier berichtet, aber die Männer hatten sie nur ausgelacht. Und nachdem das Tier in den nächsten Wochen nicht wieder aufgetaucht war, zweifelte sie inzwischen selbst an ihrer Beobachtung.
Das hier war etwas anderes. Die Spur war ein echter Beweis. Nur leider stammte sie nicht von einer Raubkatze.
Gwen griff nach dem Riemen ihres Gewehrs und suchte erneut das Gelände ab. Sie vergewisserte sich, dass weder ein Tier noch ein Mensch auf der Lauer lag und sie anspringen würde, sobald sie ihm den Rücken zukehrte. Dann nahm sie das Handy von ihrem Gürtel, aktivierte die Fotofunktion und machte ein paar Aufnahmen. Zum Vergleich stellte sie ihren Fuß im Stiefel der Größe 40 daneben. Dann folgte sie der Spur, ging langsam weiter und suchte den Boden nach weiteren Abdrücken ab. In etwa zwei Metern Entfernung wurde sie fündig. Ein nackter Fuß. Die fünf Zehen waren im feuchten Boden tief eingegraben und leicht auszumachen.
Offenbar war hier jemand sehr schnell über die Lichtung gelaufen, und zwar innerhalb der letzten achtundvierzig Stunden, während oder unmittelbar nach dem Regen. Der trocknende Schlamm hatte die Abdrücke erhalten.
Gwen unterdrückte ein Schaudern und ging weiter, den Blick auf die Spur geheftet. Sie versuchte, nicht daran zu denken, dass sie allein war. Hier am nördlichsten Ende der ehemaligen Plantage, die inzwischen unter dem Namen Olivias Orchard oder kurz The Orchard bekannt war, befand sich außer ihr kein Mensch.
Das Anwesen, benannt nach der Großmutter des Eigentümers, befand sich seit Generationen im Besitz der Familie Felix und gehörte inzwischen Melinda und Andreas, einem netten Ehepaar Mitte fünfzig. Das riesige Grundstück grenzte im Süden an den Golf von Mexiko, im Norden gab es Wald und im Osten ein Sumpfgelände. Und natürlich war da der Nationalpark, ein riesiges menschenleeres Waldgebiet.
Olivias Obstgarten also. Tatsächlich wuchsen hier viele Orangen-, Avocado- und Olivenbäume. Die Früchte wurden verkauft, ebenso wie Orangensaft und Olivenöl. Und im Haupthaus gab es einige Gästezimmer, sodass auf dem Gelände immer relativ viele Menschen herumliefen.
Das dreistöckige Haus war aus Steinen erbaut und hellbraun gestrichen. Es hatte dunkelgrüne Fensterläden, mehr als elfhundert Quadratmeter Wohnfläche und war so gebaut, dass es dem Wind vom Meer gut trotzen konnte. Ein unterteilter umlaufender Balkon im ersten Stock bot Privatsphäre für die Gäste. Im Erdgeschoss gab es einen Innen-Außen-Swimmingpool, eine Bibliothek sowie einen Fernseh- und Gemeinschaftsraum. Alle diese Einrichtungen standen den Gästen jederzeit zur Verfügung. Die Küche, das Speisezimmer, die Waschküche und der separate Wohnbereich des Hausmeisterpaares lagen ebenfalls im Erdgeschoss. Ganz oben wohnten die Eigentümer.
Im ersten Stock gab es insgesamt neun Gästezimmer, vier davon mit eigenem Bad. Gwen hatte noch kein einziges Wochenende erlebt, an dem keine Übernachtungsgäste da gewesen waren. Kein Wunder: Das Haus hatte einen Privatstrand, man konnte reiten und im Meer fischen – alles sehr reizvoll.
Auch Gwen hatte ein Zimmer im Haupthaus. Ihre Bewerbung war eine Art Flucht gewesen. Bei ihrem früheren Job war ihr Chef gleichzeitig ihr Liebhaber gewesen. Und da er sie ständig betrogen hatte, konnte sie ihm irgendwann einfach nicht mehr vertrauen. Die Stelle in The Orchard war die perfekte Lösung gewesen. Und sie hatte die Möglichkeit gehabt, eine Lohnkürzung zu akzeptieren und in einem der größeren Gästezimmer unterzukommen.
Eine gute Möglichkeit, entschied sie, nachdem sie das Zimmer gesehen hatte. Etwas Vergleichbares würde sie auf eigene Faust sicher nicht finden. Die Möbel waren schön und unaufdringlich, sie hatte eine Kochnische, einen herrlichen Meerblick und keinen Stress mit den Energiekosten und dem Weg zur Arbeit. Perfekt.
Ihr ganzes Leben war nahezu perfekt, fand sie, seitdem sie sich an den hektischen Tagesablauf in dem belebten Haus gewöhnt hatte. Abgesehen von den Alligatoren. Und mysteriösen Jaguaren. Und neuerdings seltsamen Fußabdrücken.
Gwen zählte vom einen Ende der Lichtung bis zum anderen sieben Fußspuren im Abstand von jeweils etwa einem Meter achtzig. Ein Abstand, der etwa doppelt so groß war wie ihre Laufschritte. Und dabei war sie mit ihren ein Meter siebzig nicht gerade klein. Wer auch immer diese Spuren hinterlassen hatte, musste mindestens zwei Meter groß sein. Oder wirklich lange Beine haben.
»Oder …«, murmelte sie vor sich hin. »Oder mir will irgendjemand einen Streich spielen.«
Irritiert runzelte sie die Stirn. Wahrscheinlich hatte Porter damit zu tun. Porter Felix war mit seinen neunundzwanzig Jahren nur ein Jahr jünger als sie, strahlte aber das gelassene Selbstvertrauen eines deutlich älteren Mannes aus. Dabei besaß er genügend jungenhaften Charme, um die Frauen scharenweise anzulocken. Dass er umwerfend aussah und unverschämt gut gebaut war, war natürlich auch kein Schaden.
Porter war das jüngste der vier Felix-Kinder, wenn auch nur zwei Minuten jünger als sein Zwillingsbruder Delany. Er war fast einen Meter neunzig groß, und seine Haare waren fast schwarz. Seine glatte Haut, die die sinnliche Farbe von Honig hatte, glänzte in der Sonne wie Bronze, während die Gwens Haut dank ihrer indianischen Großmutter wie Kupfer mit einem Hauch Sahne schimmerte. Dichte Wimpern, eine lächerliche Vergeudung bei einem Mann, lenkten den Blick auf Porters dunkelbraune Augen, die er eindeutig von seinem Vater geerbt hatte.
Genau genommen hatten alle vier Söhne diese faszinierenden Augen, die Größe, die männliche Ausstrahlung und das umwerfend gute Aussehen von Andreas geerbt. Zwar hatte Gwen bislang erst Porter und den ältesten Sohn, Santos, kennengelernt, doch im Haus hingen genug Fotos an den Wänden. Und auf allen Bildern sah man, wie die Gene des Vaters in jedem seiner Söhne zum Vorschein kamen.
Doch so unverschämt gut sie alle aussahen – keiner konnte Rome, dem Zweitgeborenen, das Wasser reichen. Zumindest war Gwen dieser Meinung. Als sie zum ersten Mal ein Foto von ihm im Kreise seiner umwerfenden Brüder gesehen hatte, war es ihr schwergefallen, den Blick loszureißen. Und sie kehrte immer wieder zu diesem Bild zurück. Daran hatte sich in den Monaten seit ihrer Ankunft nichts geändert. Das war ihr echt peinlich. Und was die Sache noch schlimmer machte: Sie hatte sich vor Aufregung fast übergeben müssen, als Melinda ihr freudestrahlend erzählte, dass Rome seinen Job als Kampfflieger aufgeben würde. Ja, Rome würde nach Hause zurückkehren. Und Gwen fühlte sich, als wäre sie ein Teenager und würde irgendeinen Hollywoodstar bald treffen, in den sie verknallt war. Es wurde jeden Tag schlimmer.
Ein langer, lauter Vogelruf riss sie aus ihren Gedanken. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Hier stand sie und schwärmte für einen Mann, den sie nie getroffen hatte. Dabei wartete die Gefahr oder wahrscheinlich eher ein Witzbold hinter der nächsten Ecke auf sie.
In Gedanken verpasste sie sich eine saftige Ohrfeige, dann schickte sie Porter die Fotos, die sie gemacht hatte. Wenn er ihr keinen Streich gespielt hatte, dann gab es hier ein echtes Problem, schrieb sie ihm dazu.
Es dauerte keine zwei Minuten, dann läutete ihr Handy. »Und?«
»Wo steckst du?«, schnauzte Porter, was so gar nicht zu seiner typischen schleppenden Sprechweise passen wollte. Gwen blickte sich um, bevor sie antwortete: »Auf der Lichtung bei der Hütte.«
»Und du spielst mir keinen Streich?«
Verzweifelt hob Gwen die Hand. »Wie in aller Welt hätte ich diese Abdrücke machen sollen?« Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen, dann folgten ein paar Worte, die zu leise gesprochen waren, um sie verstehen zu können, so als würde Porter mit jemand anderem reden. »Hallo? Porter?«, fragte sie nach ein paar Sekunden.
»Ja, ich bin noch dran. In welche Richtung führen diese Spuren?«
Die Richtung? Sie sah sich um und versuchte sich zu orientieren. »Nach Nordwesten, und sie sind nur auf der Westseite der Hütte.«
»Ist James bei dir?«
»Nein. Er wollte die andere Seite checken. Morgen findet ja eine geführte Wanderung statt, die wollte er vorbereiten.« Schweiß sammelte sich zwischen ihren Brüsten, die Spätsommersonne war heiß. Während sie auf Porters Antwort wartete, nahm sie den Saum ihres T-Shirts und fächelte sich mit dem Stoff etwas Luft zu.
»Ist bei der Hütte alles in Ordnung?«
Sie ließ den Blick über die Steine und das Holz schweifen und fragte sich plötzlich, ob jemand die Wand hochklettern konnte. Offenbar stammten die Spuren nicht von Porter. Es war also durchaus möglich, dass sie hier draußen mit einem Verrückten allein war, der durch den Regen lief. Höchstwahrscheinlich nackt oder doch mit nackten Füßen. Sie wurde blass, als ihr das Bild von Bigfoot in den Sinn kam. »Das Vorhängeschloss ist noch da, und es hat nicht den Anschein, als hätte sich jemand an der Hütte zu schaffen gemacht.«
Ein Rascheln und das Schlagen zweier Türen begleiteten seine nächsten Worte. »Du hast einen Schlüssel, oder?« Dann war das Starten eines Motors zu hören.
Gwen runzelte die Stirn. »Ja. Was ist bei dir los, Porter?«
Erneutes Murmeln. »Ich wollte dir gerade raten, in die Hütte zu gehen, aber Rome meint, der Vorschlag ist idiotisch, weil sich das Schloss an der Außen-, und nicht an der Innenseite befindet. War so was wie ein geistiger Aussetzer.«
Gwen spürte, wie ihr auf einmal schwindelig wurde. »Rome?«
»Ja. Er ist die ganze Strecke in einem Rutsch durchgefahren und heute früh angekommen. Vor nicht mal einer Stunde. Wir sind gerade auf dem Weg zu dir.«
»Zu mir?« Du meine Güte! Gehörte diese hohe und piepsige Stimme wirklich zu ihr? Sie räusperte sich. »Warum?«
»Sieht so aus, als hätten wir es mit Landbesetzern zu tun.«
»Barfüßige Landbesetzer? Mitten im Wald ist das nicht gerade schlau«, erwiderte sie, während sie mit der freien Hand überprüfte, ob ihr Zopf auch ordentlich war. Als ihr klar wurde, was sie da tat, steckte sie die Hand in die Tasche ihrer Jeans und steuerte auf die Hütte zu.
»Es sei denn, sie haben keine Schuhe«, erwiderte Porter.
»Es gibt mit Sicherheit bessere Orte, die man besetzen kann, wenn man keine Schuhe hat. Dann sucht man sich doch nicht ein Stück Land mitten im Wald aus!«
»Vielleicht haben sie ihre Schuhe ja verloren.«
»Porter, ist das dein Ernst? Überleg doch mal, was du da redest.«
»Und du? Zuerst war da der mysteriöse Jaguar und jetzt was? Bigfoot?«
Gwen zuckte zusammen, weil ihr dieser Gedanke auch schon in den Sinn gekommen war. »Und was soll ich jetzt tun?«
»Wir sind schon am Tor. Ruf James an und kommt beide zurück. Wir treffen uns in fünf Minuten.«
Fünf Minuten? Es war unmöglich, dass sie die Strecke zwischen Tor und Lichtung in fünf Minuten rennend, geschweige denn gehend zurücklegen konnten. Man brauchte zwanzig Minuten, wenn man ging, vielleicht zehn, wenn man joggte, und das auch nur, wenn man ein wirklich guter Jogger war. Jeder Versuch, den unebenen Weg schneller entlangzulaufen, konnte nur in einer Katastrophe enden.
»Ich rufe ihn an«, versprach Gwen, während sie das Vorhängeschloss noch einmal überprüfte. »Aber ich will zuerst in die Hütte schauen.«
»Nein. Komm gleich zurück.«
Gwen verdrehte die Augen. »Porter, ich bin keine Anfängerin, und Wilderer und Landbesetzer sind für mich nichts Neues. Ich hatte während meiner acht Jahre als Ranger schon mit ganz anderen Dingen zu tun. Du hättest mich nicht eingestellt, wenn ich nicht selbst auf mich und auf dein Land aufpassen könnte.«
»Ja, aber …«
Es knisterte in der Leitung, sodass sie Porters Worte kaum verstand. Gwen rief noch ein paar Mal seinen Namen, dann unterbrach sie die Verbindung und rief James an.
»Wo bist du?«, fragte sie, als er sich meldete.
»Auf dem Weg zur Lichtung, um dich abzuholen. Ich möchte nicht zu spät zu Matts Geburtstagsfeier kommen.«
O ja. Gwen sah die Freude auf James’ breitem, gerötetem Gesicht förmlich vor sich. James war verheiratet und hatte drei Kinder, und die Geburtstagsgäste seines Ältesten würden bei ihnen übernachten. Acht vierzehnjährige Jungs, das klang ein wenig beängstigend, auch wenn sie Kinder mochte und gern selbst welche haben wollte. Aber sie wusste, dass James ganz begeistert war. Matt war sein einziger Sohn, und James hatte einen Narren an ihm gefressen.
»Na, dann beeil dich. Ich hab ein paar Fußspuren entdeckt, und Porter ist auf dem Weg hierher.«
Ein leises Kichern war zu vernehmen. »Ich gehe nicht davon aus, dass sie von einem Jaguar stammen.«
Hörte das denn nie auf? »Nein, du Schlaumeier. Menschliche Spuren. Barfuß.«
James verstummte, dann fragte er mit ernster Stimme: »Landbesetzer?«
»Das meint Porter jedenfalls.«
»Aber barfuß? Seltsam.«
»Meine Rede.«
Das kurze Schweigen wurde von Vogelrufen unterbrochen. »Ich verlasse gerade den Felsengarten und sollte in zehn Minuten da sein.«
Der Felsengarten war eine seltsame Ansammlung massiver Felsbrocken in Größen zwischen sechzig Zentimetern und zweieinhalb Metern, die sich auf einer deutlich kleineren Lichtung befand. Einige der Felsblöcke waren oben schön flach, und Gwen dachte nicht zum ersten Mal daran, dass sie ein idealer Platz wären, um sich darauf auszustrecken und ein Nickerchen zu halten. Allerdings nur, wenn es nicht so drückend heiß war wie heute.
»Porter will, dass wir …«
Schon wieder dieses Geknister. Gwen warf einen verzweifelten Blick auf ihr Handy. Bisher hatte sie nur selten Probleme gehabt, und jetzt waren innerhalb von wenigen Minuten zwei Gespräche unterbrochen worden. Während sie überlegte, ob sie womöglich wieder die alten Walkie-Talkies benutzen mussten, klemmte sie das Handy wieder an ihren Gürtel und griff nach den Schlüsseln. Weil sie James den Befehl von Porter nicht hatte übermitteln können, beschloss sie, auf ihren Kollegen zu warten und schon mal in der Hütte zu schauen, ob alles in Ordnung war.
Sie steckte den Schlüssel ins Schloss. Oder besser gesagt, sie versuchte es. Sie drehte den Schlüssel um, aber auch das führte zu nichts. Sie zog die schwarzen Augenbrauen zusammen und probierte es mit jedem Schlüssel an ihrem Bund. Keiner passte.
»Komisch.« Hatte die Familie das Schloss ausgetauscht? Oder irgendein Fremder?
Ein Schauer lief ihr über den verschwitzten Rücken. Das dunkelblaue T-Shirt mit dem Logo von Olivias Orchard, das alle Ranger als eine Art Uniform zu Jeans oder Khakishorts und Bergstiefeln trugen, klebte unangenehm an ihrem Rücken. Sie nahm den Gewehrgurt von ihrer Schulter, die Waffe immer nach unten gerichtet. Sie wollte bereit sein, falls etwas passierte.
In diesem Moment nahm sie aus dem Augenwinkel ein Aufblitzen wahr. Einen gelb-schwarzen Fleck, der ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Jaguar war wieder da! Sie rannte über die Lichtung, versuchte mit der einen Hand, ihr Handy aus der Befestigung zu lösen, und hielt das Gewehr mit der anderen fest. Sie wollte nicht, dass es versehentlich losging.
Doch weil sie sich ganz auf das Raubtier konzentrierte, ließ sie ihre Rückseite ungeschützt. Ein schweres, hartes, großes und heißes Gewicht warf sich auf ihren Rücken, und sie knallte mit dem Gesicht voraus auf die Erde.
Rome Felix, der den einen Arm fest um die Taille seiner Beute geschlungen hatte, griff mit der anderen Hand nach dem Handgelenk der Frau, entwand ihr das Gewehr, drehte sich in der Luft und landete auf dem Rücken. Er ließ der schönen Frau keine Zeit, sich zu bewegen, sondern rollte sich auf sie, sodass der größte Teil seines Gewichts auf ihrem Rücken zu liegen kam. Blitzschnell fesselte er ihre Handgelenke über ihrem Kopf und drückte sein Gesicht in die warme Biegung ihres Halses.
Und dann verdrehte er buchstäblich die Augen angesichts der berauschenden Düfte von Himmel, Sex, Sünde und Anmut, deren Mischung den logischen Teil seines Gehirns vernebelte. Sein spontaner Angriff widersprach ganz und gar seiner ansonsten eher langsamen, berechnenden und analytischen Vorgehensweise. Aber in diesem Augenblick war er kein klar denkender Mensch, sondern ein selbstsicheres männliches Raubtier, erfüllt vom immer stärker werdenden Drang, das in die Tat umzusetzen, was ihn seit seiner Rückkehr und dem ersten Schritt in sein Elternhaus beinahe in den Wahnsinn trieb.
Die Entscheidung, bei der Einheit für taktische Kampfjets zu kündigen und in sein Elternhaus zurückzukehren, war ihm erstaunlich leichtgefallen. Rome war von den vielen Reisen und all den Dingen, die er gesehen hatte, erschöpft. Deshalb war er nach Hause zurückgekommen: Er wollte körperlich und geistig zur Ruhe kommen. Doch ein einziger tiefer Atemzug im Haus, und ein Hauch von Zimt und Zitrone hatte den Jaguar in ihm auf unerwartete und absolut verlockende Weise wachsam werden lassen. Der starke Drang, Jagd auf den Ursprung dieses bezaubernden Dufts zu machen, hatte ihn sogar von den freudigen Umarmungen seiner Mutter, der überschwänglichen Begrüßung seines Vaters und dem herzlichen Empfang durch seine beiden Brüder.
Rome hatte jedes Zimmer abgesucht, durch das er kam, während er in die große Küche ging. Er war herumgestreunt wie ein vernachlässigtes Jungtier. Und jede Ecke des Hauses hatte diesen Duft verströmt, der ihn lockt und in einen regelrechten Rausch versetzte. Dann hatte Porter über sein Handy eine Nachricht erhalten und Rome sofort mit in den Wald genommen. Draußen im Freien war der Duft fast nicht mehr wahrnehmbar, und die Wildkatze in ihm hatte sich nach Freiheit gesehnt. Hätte Rome seine andere Hälfte nicht so strikt unter Kontrolle gehabt, dann hätte er sich in diesem Augenblick durchaus verwandeln und in Gestalt von 130 Kilo Fell und Muskeln durch das Haupthaus streifen können.
Was dazu geführt hätte, dass sämtliche unwissenden Menschen sich wie Ratten verkrochen hätten. Und das wäre vielleicht amüsant, aber nicht besonders klug gewesen.
Als Gestaltwandler war Romes Leben geprägt von einem ständigen Kampf zwischen Kontrolle und Instinkt. Zwischen menschlichem Intellekt und tierischen Trieben. Vernunft und Sinnlichkeit waren bei ihm eins. Normalerweise gefiel ihm das Leben als Wandler. Seine Sinne waren schärfer als die eines Menschen und waren ihm beim Militär und vor allem bei den Kampffliegern sehr nützlich gewesen. Beide, Mensch und Tier, waren konsequent, geduldig und berechnend, doch sie brauchten die sanfte Berührung und die herzliche Wärme der Vertrautheit. Und beides hatte ihnen da draußen in der weiten Welt gefehlt.
Während er und Porter den Pfad hinunterrannten, war der verführerische Duft unter dem dichten Blätterdach wieder tief in ihn eingedrungen, hatte sein Gehirn außer Funktion gesetzt und ihm eine übernatürliche Schnelligkeit verliehen. Am Rande der Lichtung angekommen, hatte er eine einsame Frau erblickt, die ihm den Rücken zukehrte, und zu seiner Rechten tief im Wald hatte sich etwas bewegt. Vielleicht hätte er an sich halten können, wenn sie nicht angefangen hätte, vor ihm davonzulaufen. Der Raubtierinstinkt und sein Bedürfnis, sie zu berühren und zu schmecken, hatten die Oberhand gewonnen. Na ja, und dann war er losgesprungen.
Als er jetzt ihren weichen Körper unter sich spürte, konnte er der Verlockung nicht widerstehen, mit seinen Lippen über die anmutige Biegung ihres Halses zu streichen. Seine Zunge war ihrem Duft so nah. Und weil Katzen das, was sie für verlockend halten, lecken, öffnete Rome den Mund.
»Was zum Teufel machst du da?« Das war die empörte Frage der hitzigen Frau, die er festhielt.
Rome zögerte, der Nebel der Lust lichtete sich wieder.
Ja, was zum Teufel tat er da?
»Ich würde sagen, mein Bruder hat den Verstand verloren.« Porters trockene Feststellung kam von irgendwo oberhalb von Romes Kopf.
»Porter?« Gwen konnte ihn nicht sehen, solange Romes massige Gestalt auf ihr lag.
»Ja. Und der Mann, der dich gerade in den Schmutz drückt, ist mein Bruder Rome. Der Verrückte«, fügte Porter hinzu und kicherte ungläubig. »Du bist wirklich umwerfend, Rome.«
»Könntest du ihm sagen, dass er von mir herunter soll? Ich kriege keine Luft.«
Rome kniff die Augen zusammen. Sein kleiner Bruder hatte recht, er hatte wohl wirklich den Verstand verloren. Vorsichtig rollte Rome sich von der Frau herunter, wobei er versuchte, sich nicht mehr an ihr zu reiben und sie seine Erektion nicht spüren zu lassen. Dann stand er mit einer flinken Bewegung auf. Porter schaute ihm in die Augen, doch die belustigte Frage in seinem Blick wollte Rome nicht beantworten. Stattdessen wandte er den Blick Gwen zu, die sich nach Luft japsend umdrehte und aufsetzte. Wachsame dunkle, leicht schräg gestellte Augen starrten ihn an.
Auch Rome starrte. Innerhalb eines Sekundenbruchteils hatte sich ihr Aussehen in sein Gehirn eingebrannt. Die langen Haare, schwärzer als die Nacht, waren zu einem dicken Zopf geflochten, sodass ihr eckiges Gesicht mit Ausnahme einiger weniger Strähnen frei lag. Eine ihrer Wangen war mit Erde beschmutzt, ebenso die Vorderseite ihres Shirts. Doch anstatt sich Vorwürfe zu machen, streckte er ihr die Hand hin.
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er, und die Heiserkeit in seiner Stimme erinnerte daran, dass seine Katze unter der Oberfläche lauerte, noch immer bereit, zuzubeißen. »Ich leide noch unter dem Jetlag, und na ja, als ich das Gewehr in deiner Hand gesehen habe, da habe ich instinktiv reagiert.«
Er erklärte nicht, dass sein Instinkt darauf ausgelegt war, sich das, was er haben wollte, zu schnappen, bevor es entkam oder ein anderer es ihm wegnahm. Auch jetzt behielt er Porter im Auge. Er würde sich ohne zu zögern auf ihn stürzen, sollte sein Bruder der Frau zu nahe kommen. »Bitte.« Er wackelte mit den Fingern, damit sie seine ausgestreckte Hand ergriff und seine Entschuldigung annahm.
Während Gwen sich seine Worte durch den Kopf gehen ließ, reckte sie störrisch das Kinn mit dem hinreißenden Grübchen, über das er liebend gern geleckt hätte. Sie blickte zu Porter hinüber, der allem Anschein nach nur mühsam ein lautes Lachen unterdrückte.
Nach kurzem Zögern reichte Gwen dem seltsamen Mann ihre kleine Hand. Doch sobald sie auf den Beinen stand, riss sie sich los und trat ein paar Schritte zurück. Rome konnte es ihr nicht übelnehmen. So wenig es ihm gefiel, verstand er doch das Bedürfnis einer Frau, einem Mann gegenüber vorsichtig zu sein, der buchstäblich über sie hergefallen war.
Fantastischer erster Eindruck, beschimpfte er die Katze in seinem Kopf. Wie soll ich das bloß wiedergutmachen?
Lecke. Schmecke. Nimm, antwortete der Jaguar.
Ja, vielen Dank, sehr hilfreich.
»Hier.« Porter reichte Gwen ihr Gewehr. »Du hast meine Erlaubnis, ihn zu erschießen, wenn er sich noch einmal wie ein kompletter Idiot aufführen sollte.«
Rome warf seinem jüngeren Bruder einen wütenden Blick zu; das dumme Grinsen auf Porters Gesicht verärgerte ihn noch mehr.
»Ich hoffe, das wird nicht nötig sein«, stellte Gwen gelassen fest und runzelte die Stirn über den Schmutz auf ihrem T-Shirt. Sie versuchte, ihn wegzuwischen, und Rome musste ein Aufstöhnen unterdrücken, als ihre Hand über ihre Brüste strich.
Rome machte auf dem Absatz kehrt und wandte ihr den Rücken zu, während er sich bemühte, seinen Kopf und seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen. Nie zuvor hatte er auf eine Frau derart aus dem Bauch heraus reagiert. Aus heiterem Himmel und Wumm. Als wäre er von einem Riesenlaster gerammt worden. Oder von einem Blitz getroffen. In einer Sekunde noch vernünftig, in der nächsten von allen guten Geistern verlassen.
Während Rome der Unterhaltung hinter ihm mit halbem Ohr zuhörte, stemmte er die Hände in die Hüften, atmete ein paar Mal tief durch und bemühte sich, sich auf die Gerüche des Waldes zu konzentrieren statt auf den verführerischen Duft, den Gwen verströmte.
Ein kaum hörbares Knurren, so leise, dass nur ein sehr feines Gehör es wahrnehmen konnte, drang an ihre Ohren. Das Geräusch ließ Rome aufblicken und nach rechts schauen, in die Richtung, in die Gwen gelaufen war. Dort, hoch oben in einem der Ahornbäume, lag ein großes Jaguarmännchen im Schatten des Blattwerks, so gut getarnt, dass es kaum zu sehen war. Ein Jaguar, den die Mätzchen der zweibeinigen Wesen unter ihm sehr zu amüsieren schienen.
Santos. Nicht zu fassen. Rome biss die Zähne zusammen, als ihm klar wurde, wohin sein älterer Bruder verschwunden war, nachdem er ihn zu Hause begrüßt hatte. Einen Ausflug hatte er unternommen. Einen Ausflug zu Gwen.
Rome ballte die Hände zu Fäusten, als ihm ein unangenehmer Gedanke in den Sinn kam. Welche Beziehung hatte sein Bruder wohl zu Gwen? Es war gefährlich genug, einfach loszulaufen, während sich Menschen im Wald aufhielten. Und weil Katzen das verfolgten, was sie fangen wollten, hieß das vermutlich, dass Santos es auf Gwen abgesehen hatte.
Mit einem Mal war Rome von einem beherrschenden und leidenschaftlichen Besitzerinstinkt erfüllt. Er spürte, dass sich seine Krallen durch die Fingerspitzen bohrten, dass sein Zahnfleisch anschwoll und brannte, weil die Fangzähne herauswollten. Ein Knurren stieg in seiner Kehle auf, eine aggressive Reaktion auf die Vorstellung, ein anderes Männchen könnte Interesse an der dunkelhaarigen Schönheit haben.
Whoa! Was war denn mit ihm los?
Die Heftigkeit seiner Reaktion führte dazu, dass er sich wieder beherrschte. Er brauchte noch eine Minute, bis er sich wieder gefangen und das ungezähmte Verlangen des Tieres unter gelassener Professionalität verborgen hatte. Dann wandte er sich den beiden Streithähnen hinter ihm zu.
»Ich habe dir gesagt, du sollst zum Tor zurückgehen.« Porter warf Gwen einen missbilligenden Blick zu.
Gwen verdrehte die Augen, bevor sie antwortete. »Du hast mir auch gesagt, dass ich James anrufen soll, der bereits auf dem Weg zu mir war. Aber bevor ich ihm etwas sagen konnte, war die Leitung unterbrochen. Ich habe beschlossen, auf ihn zu warten, weil er sich sonst vielleicht fragen würde, was mir zugestoßen ist, und sich auf die Suche machen würde.« Sie blickte zur Hütte hinüber, und ihre Augen weiteten sich, als erinnerte sie sich an etwas. Ihr Blick verweilte kurz auf Rome, dann wandte sie ihn wieder Porter zu. Es war jene Art von Blick, der einem Mann nicht gerade das Gefühlt vermittelte, über einen Meter achtzig groß und ein Held zu sein. »Ach, übrigens, habt ihr das Schloss ausgewechselt?«
Porter wies mit dem Daumen auf die Tür der Hütte. »Dieses Schloss? Nein. Warum?«
Gwen zuckte mit den Achseln. »Mein Schlüssel passt nicht.«
»Bist du sicher, dass du es mit dem richtigen versucht hast?«, warf Rome ein.
Ihr Blick verriet eine Mischung aus Verärgerung und Abscheu; er wünschte sich, er hätte den Mund gehalten. »Ich habe es mit allen Schlüsseln probiert.«
Porter streckte die Hand aus und wackelte mit den Fingern.
»Ist das dein Ernst?«, fragte Gwen.
»Was soll ich sagen? Ich bin ein Mann.« Porter grinste von einem Ohr zum anderen, und Gwen reichte ihm mit einem wütenden Schnauben den Schlüsselbund.
Porter und Gwen steuerten auf die Tür der Hütte zu, doch Rome zögerte, weil der Geruch eines sich nähernden Mannes die Luft erfüllte. Als James auf dem Pfad vom Felsgarten auftauchte, grinste er.
»Rome, alter Junge.« James lächelte, und seine haselnussbraunen Augen strahlten vor Freude. »Ich habe schon gehört, dass du zurückkommst. Es ist schön, dich zu sehen.«
Auf den Begrüßungshändedruck folgte eine kurze Umarmung. »Ich freue mich auch, dich zu sehen.«
»Darf ich fragen, ob du dieses Mal bleibst?«, fragte James und klopfte Rome auf die Schulter.
»Sieht so aus«, antwortete Rome mit einem gequälten Lächeln auf den Lippen.
»Es ist das Beste so. Wir haben uns alle Sorgen um dich gemacht.«
Rome zog verwirrt die Stirn in Falten. »Und wieso in aller Welt?«
»Ach, all diese Reisen, diese Einsätze. All das Schlimme, mit dem du es Tag für Tag zu tun hattest.« James zuckte mit den breiten Schultern. Er hätte Profi-Footballspieler werden sollen, aber dann hatte er sich während seines ersten Jahrs auf dem College eine schwere Knieverletzung zugezogen.
»Na ja.« Rome strich sich über das Kinn. Die dichten Bartstoppeln erinnerten ihn daran, dass er sich seit seiner Abreise aus Texas am Vortag nicht mehr rasiert hatte. Einer der Vorzüge, wenn man keinen festen Job mehr hatte. »Ich muss zugeben, man gewöhnt sich daran, dass auf einen geschossen wird.«
»Auf dich ist geschossen worden?«, ertönte Gwens Frage, die Rome klar machte, dass sie ihre Unterhaltung belauscht hatte.
Er drehte den Kopf und sah, dass sie ihn mit großen Augen anstarrte. Der neben ihr stehende Porter versuchte gerade, einen anderen Schlüssel ins Schloss zu stecken. »Ein paar Mal«, sagte Porter leichthin. »Manchmal ist er schwer von Begriff.«
Rome biss die Zähne zusammen, während Gwen die Augen immer weiter aufriss. Fantastisch. Ihre Meinung von ihm erreichte wohl gerade einen neuen Tiefstand.
»Was ist denn mit dir passiert?«, wollte James wissen und starrte auf den Schmutz auf Gwens Jeans und Shirt.
»Ach.« Gwen verstummte, ihr Blick wanderte zu Rome und dann wieder zu James zurück. »Ich bin gestolpert.«
»Du musst vorsichtiger sein, Süße.« James ging zur Gwen hinüber und wischte mit dem Finger über den Schmutz auf ihrer Wange. »Du hättest dir wehtun können.«
»Das erledigt schon mein Bruder«, hörte Rome Porter vor sich hin murmeln, bevor er sich an James wandte und ihn um seine Schlüssel bat.
»Klar. Was ist denn eigentlich los? Gwen hat von Fußspuren gesprochen.«
»Ja. Die schaue ich mir an, sobald ich diese Tür aufgekriegt habe. Verdammt, das ist wirklich seltsam. Wann hat einer von euch diese Tür zum letzten Mal aufgeschlossen?«
Gwens Blick wanderte von James zu Porter. »Vor etwa zwei Wochen. Normalerweise rüttele ich nur am Vorhängeschloss. Es ist ja nicht so, als ob jemand die Wand hinaufklettern könnte.«
Porter brummte unverbindlich, bevor er sich an James wandte. »Und du?«
James überlegte. »Bei mir ist es schon ein bisschen länger her, und aus dem gleichen Grund. Wir sind nicht jeden Tag hier in diesem Bereich, und wenn wir hier sind, überprüfen wir einfach, ob das Schloss in Ordnung ist und nicht aufgebrochen wurde.«
Porter warf Rome einen entschlossenen Blick zu. »Wir müssen einen Bolzenschneider holen.« Weder Porter noch Rome konnte so fest an dem Vorhängeschloss ziehen, dass es aufzubekommen war. Jedenfalls nicht in Anwesenheit von Gwen und James.
Zum Glück war Rome auf solche Dinge vorbereitet. Er griff nach dem kleinen Werkzeughalter an seinem Gürtel und sagte: »Ich krieg das auf.«
Gwen zog eine ihrer dunklen Augenbrauen hoch. »Eine Fähigkeit, die du als Kampfflieger erworben hast?«
Immerhin, dachte Rome. Sie wusste also mehr über ihn als nur, dass er ein tobsüchtiger Irrer war. Allerdings konnte das Aufbrechen von Schlössern eher als Laster betrachtet werden. Er besaß eine Reihe dieser zweischneidigen Fähigkeiten. Rome blickte zu Gwen hinüber, und seine Lippen zuckten. »Davor, bei den Marines. Aber sie hat sich schon in vielerlei Hinsicht als nützlich erwiesen.«
Gwen schien diese Bemerkung noch zu verdauen, als Porter neben ihr sagte: »Zeig mir mal diese Fußspuren, während sich Rome um das Schloss kümmert.«
Gwen, die sich allem Anschein nach nur widerwillig vom Fleck rührte, riss ihren Blick von Rome los und führte Porter und James auf die andere Seite des Gebäudes.
Rome ertappte sich dabei, wie er dem sanften Wiegen ihrer Hüften fasziniert nachblickte, während sie sich entfernte. Verdammt. Mal ehrlich. Alles an Gwen wirbelte alle möglichen Gefühle sowohl im Mann als auch in der Katze durcheinander. Es handelte sich um eine Anziehung der urtümlichsten Art. Und während der Mann ein bisschen verwirrt war, wurde die Katze von keiner Unsicherheit geplagt.
Er würde den Gründen für diese eigenartig starke Anziehung nachzugehen. Eine ausgezeichnete Möglichkeit, wieder richtig zu Hause anzukommen.
In dem Wissen, dass sein Grinsen finster und böse war, voll ungehöriger Freude, legte Rome die Finger um das Vorhängeschloss und zog daran. Mit einem metallischen Knacken sprang das Schloss auf. Dann zählte er bis zehn.
Eine Eigenschaft besaßen Katzenwandler im Überfluss: Geduld. Und jetzt, nachdem der erste Schock überwunden war, konnte er den Plan und die Jagd neu abschätzen.
Rome bekam immer, was er wollte.
»Die Tür ist offen.«
Weil Gwen ihn nicht hatte kommen hören, fuhr sie bei dem Klang von Romes Stimme direkt hinter ihr heftig zusammen. Sie drückte die Hand auf ihr rasendes Herz. »Tu das nie wieder!«, warnte sie ihn.
»Tut mir leid«, antwortete er. Aber er sah alles andere als reumütig aus, und das Vorhängeschloss, das er mit einem selbstzufriedenen Grinsen um einen Finger kreisen ließ, unterstrich dies noch zusätzlich. Aus dieser Nähe konnte sie eine schwach sichtbare Narbe ausmachen, die von seiner rechten Augenbraue bis zum Haaransatz führte. Seine Haare waren ein wenig länger als auf den Fotos, allerdings nicht so lang wie die seiner Brüder, und sie wirkten gesund und glänzten in einem dunklen Braun, beinahe ein Schwarz. Plötzlich verspürte Gwen das Verlangen, mit den Fingern durch diese Strähnen zu fahren und herauszufinden, ob sie tatsächlich so weich waren wie das Fell einer Katze, an das sie sie erinnerten.
Und sein Geruch! Sie versuchte, so unauffällig wie möglich tief einzuatmen. Wie frische Luft, Gewürz und Eichenmoos. In ihrem Bauch spürte sie feuchtes Verlangen, und die sofortige Erregung verwirrte sie. Sie wusste nicht, ob sie nur ihre Fantasien nach dem Betrachten des Fotos auf Rome übertrug, oder ob der Mann aus Fleisch und Blut tatsächlich eine solche Anziehung ausübte. Sie hoffte, Ersteres wäre der Fall, nicht nur, weil der Mann der Sohn ihres Chefs war, sondern auch, weil eine Fantasieschwärmerei leichter zu unterdrücken war als eine tatsächliche.
Vor allem, wenn sie das körperliche Gefühl dieser harten und dicken Stange berücksichtigte, die gegen ihren Po gedrückt hatte, als er auf sie gesprungen war, denn dabei hatte es sich mit Sicherheit nicht um Werkzeugetui gehandelt, das er an seinem Gürtel befestigt hatte. Als sie daran zurückdachte, flutete Hitze durch ihre Adern, und auf ihrer Stirn bildeten sich Schweißperlen. Jetzt bloß keine Schwierigkeiten!
Sie wusste, dass sie ihn anstarrte, weil sie sah, dass sich seine Nasenflügel blähten, während er selbst ein wenig schnüffelte. Dann wirkten seine dunklen Augen auf einmal sanft, als könnte er ihre Erregung wahrnehmen und reagierte sofort darauf, als wäre sie eine läufige Hündin und er auf Paarungsjagd. Sie riss ihren Blick von der Begierde in seinen Augen los, schluckte und ging mit Bedacht auf die andere Seite von Porter und James, die neben einer der Fußspuren hockten.
»Und?«, fragte sie Porter und tat ihr Bestes, sowohl Rome als auch die Reaktion ihres Körpers auf seine Anwesenheit zu ignorieren. »Was meinst du?«
Porter zuckte mit den Schultern. »Irgendjemand ist entweder im Regen oder kurz danach über diese Lichtung gerannt.« Er sah zu seinem Bruder hinüber. »Rome?«
Rome kam näher und warf Gwen, bevor er sich auf die Fußspuren konzentrierte, einen Blick zu, der sie innerlich erzittern ließ. Er hob den Kopf und suchte das Gelände vor und hinter sich ab, dann ging er an den Rand der Lichtung. Er bewegte sich langsam, methodisch, ein Jäger auf Beutefang, während er der Spur über die Lichtung folgte und schließlich zu der kleinen Gruppe zurückkehrte.
»Sehe ich auch so. Er hat die Zehen in den Boden gekrallt, um auf dem Schlamm nicht auszurutschen, deshalb die tiefen Abdrücke.« Rome stellte seinen Fuß daneben. »Sie kommen einem riesig vor, weil es trotzdem gerutscht ist. Es gibt auch kleinere, leichtere Abdrücke, wahrscheinlich von einer Frau, die zumeist von denen des Mannes überdeckt sind. Die Schrittlängen sagen mir, dass sie nicht zusammen gerannt sind, dass der Mann also aus irgendeinem Grund hinter der Frau hergerannt sein …«
Rome verstummte mitten im Satz und richtete sich plötzlich mit einem Ausdruck im Gesicht auf, der Verwirrung und Entsetzen widerspiegelte. »Porter, ich brauche dein Telefon.«
Porter reichte ihm sein Handy. »Was ist los?«
»Rufst du die Polizei?«, wollte James wissen.
Gwen sagte nichts. Sie war nicht nur von seinen Gedankengängen fasziniert, sondern auch von diesem sonderbaren Ausdruck in seinem Gesicht. Als wäre er hin und her gerissen zwischen Lachen und Erbrechen. Sie hatte keine Ahnung, was bei einem Mann, der zwei Einsätze im Nahen Osten durchgemacht und während seiner Zeit bei der Luftwaffe die schlimmste Seite der Menschheit kennengelernt hatte, eine solche Reaktion hervorrufen konnte.
»Seht doch schon mal in der Hütte nach. Ich komme gleich.« Rome blickte nicht vom Display auf, während seine Finger darübersausten.
»Komm«, sagte Porter, als James den Mund öffnete, um Einwände zu erheben. »Rome wird kein Wort sagen, bis er alle Fakten parat hat. Da ist er absolut stur.«
Während sie davongingen, warf Gwen noch einen letzten Blick über die Schulter auf Rome. Er hob er den Kopf und zwinkerte ihr zu, als hätte er es gespürt. Weil Gwen sich weigern wollte, sich von diesem Mann amüsieren, verzaubern oder faszinieren zu lassen, presste sie die Lippen zusammen und ging um die Ecke der Hütte.
Porter und James standen in der nun offenen Tür und starrten auf den Boden. Gwen blieb auf der Schwelle stehen und folgte der Richtung ihrer Blicke. Durch die offene Tür und das Loch im Dach fiel genügend Licht in die Hütte, sodass Gwenn erkennen konnte, was hier nicht stimmte. »Wo sind denn die Bodenbretter hin? Und warum ist da dieses riesige Loch in der Erde?« Große Erdhügel waren entlang der Wände aufgehäuft, und in der Mitte klaffte ein Loch von gut einem Meter Durchmesser und zweieinhalb Metern Tiefe.
Porter hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und die Stirn in Falten gezogen. »Das wüsste ich auch gern.«