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Er ist der Alpha, und er will sie - warum kann er es nicht zugeben?
Schon seit Jahren fühlt sich Kaylie Gentry zu Dean Kinigos, dem Alpha des Werwolf-Rudels von Woodcliff, hingezogen. In seinen Augen spiegelt sich sein Verlangen nach ihr, doch er hält sich fern. Warum kann er nicht dazu stehen?
Als ein Unfall Deans Beschützerinstinkt weckt, berührt er Kaylie zum ersten Mal - und die Funken fliegen. Dean kann sich nicht länger zurückhalten ... zumindest nicht körperlich.
Um seine Liebe und Zuneigung zu gewinnen, schließt Kaylie eine Wette mit Dean ab. Und gewinnt ein wenig Zeit mit ihm. Werden ein paar Tage reichen, um Deans Abwehr zu durchbrechen und zu beweisen, dass er nicht ohne sie leben kann?
Alle Romane um das Werwolf-Rudel von Woodcliff: Verhängnisvolles Erwachen - Brennende Versuchung - Dunkle Bestimmung - Bedrohliche Verlockung
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Seitenzahl: 331
Schon seit Jahren fühlt sich Kaylie Gentry zu Dean Kinigos, dem Alpha des Werwolf-Rudels von Woodcliff, hingezogen. In seinen Augen spiegelt sich sein Verlangen nach ihr, doch er hält sich fern. Warum kann er nicht dazu stehen?
Als ein Unfall Deans Beschützerinstinkt weckt, berührt er Kaylie zum ersten Mal – und die Funken fliegen. Dean kann sich nicht länger zurückhalten … zumindest nicht körperlich.
Um seine Liebe und Zuneigung zu gewinnen, schließt Kaylie eine Wette mit Dean ab. Und gewinnt ein wenig Zeit mit ihm. Werden ein paar Tage reichen, um Deans Abwehr zu durchbrechen und zu beweisen, dass er nicht ohne sie leben kann?
Jennifer Dellerman hat bereits viele Bücher veröffentlicht. Am liebsten schreibt sie erotische und spannende Romane mit paranormalem Einschlag. Jennifer Dellerman lebt in den USA.
Jennifer Dellerman
Aus dem amerikanischen Englisch von Ralph Sander
beHEARTBEAT
Deutsche Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Die englischsprachige Originalausgabe erschien unter dem Titel »Shifting Positions« bei Ravenous Romance™
© 2011 by Jennifer Dellerman
Koordination und Bearbeitung der deutschen Ausgabe: usb bücherbüro, Friedberg (Bay.)
Übertragung ins Deutsche: Ralph Sander
Projektmanagement: Lukas Weidenbach
Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von shutterstock/Sorali und thinkstock/seread
E-Book-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-2802-8
Dieses E-Book enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erscheinenden Werkes »Dunkle Bestimmung« von Jennifer Dellerman
Die englischsprachige Originalausgabe erschien unter dem Titel »What This Wolf Wants« bei Ravenous Romance®
© 2011 by Jennifer Dellerman
Für die deutsche Ausgabe
Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Koordination und Bearbeitung der deutschen Ausgabe: usb bücherbüro, Friedberg (Bay.)
Übertragung ins Deutsche: Ralph Sander
Projektmanagement: Lukas Weidenbach
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Dean Kinigos rieb seinen Schwanz über Kaylies nasse Schamlippen, um sie und sich selbst gleichermaßen zu necken. Ihr flehendes Geflüster war Musik in seinen Ohren, und mit einem lustvollen Brummen drückte er sie gegen die kalten Kacheln der Dusche. Ihre Beine waren um seine Taille geschlungen. Das Wasser prasselte heiß und hart auf sie nieder, während er in ihre wohlige Wärme eindrang.
Wie eine verdammte Glühbirnenfassung, dachte er völlig widersinnig, als er sich durch ihre enge Pussy schob. Endlich befand er sich in Kaylie Gentry, seiner Gefährtin. Ein tiefes Grollen kam über seine Lippen, und er bewegte sich noch schneller zwischen ihren Schenkeln vor und zurück.
Er wollte kommen, er wollte unbedingt kommen, aber eine innere Stimme sagte ihm, dass sie noch nicht so weit war. Also machte er fast automatisch weiter und drang immer wieder schnell und tief in sie ein. Er wusste, wie er eine Frau dazu brachte, Lustschreie auszustoßen. Er wusste, wie er sein Gewicht verlagern und den Winkel verändern musste, damit sein Schwanz über ihre empfindlichsten Stellen rieb. Das beherrschte er schon seit Jahren. Man hätte sogar sagen können, er war ein Profi auf dem Gebiet.
Plötzlich verkrampfte sich Kaylie, dann kam sie laut schreiend, während sich ihre inneren Muskeln auf wundervolle Weise um seinen pulsierenden Schaft legten. Er zitterte immer heftiger, da der Orgasmus sich von den Zehen her ankündigte, doch er hielt sich noch zurück. »Knie dich hin«, zischte er sie an.
Kaylie entließ ihn in einer fast roboterhaften Bewegung und kniete sich vor ihm hin. Dean riss das Kondom runter und warf es achtlos zur Seite. Mit einer Hand hielt er die Schwanzwurzel umfasst, die andere bewegte sich an seinem Schaft auf und ab. Kaylie kauerte vor ihm auf den harten Fliesen der Duschkabine, ihre Augen nur noch schmale Schlitze. Den Mund hielt sie weit geöffnet, um sein Sperma zu empfangen.
Zwar machte etwas in seinem Hinterkopf ihn darauf aufmerksam, dass diese Situation vollkommen verkehrt war, doch seine Lust war längst so übermächtig, dass er jetzt nicht mehr zurückkonnte.
Seine Hand hielt seinen Schwanz fester umfasst und bewegte sich noch schneller, bis Dean mit einer Mischung aus Selbsthass und Lust kam und sich über Kaylies Gesicht ergoss.
Der Orgasmus machte ihn so fertig, dass er fast auf die Knie ging. Er fühlte, dass er im Begriff war, den Halt zu verlieren, als er auf einmal tosenden Applaus hörte. Er zuckte zusammen und sah nach rechts, dann riss er vor Schreck die Augen auf. Nur ein paar Meter von ihm entfernt saßen über hundert Menschen, Wandler und andere Kreaturen. Über hundert lüsterne Augenpaare hatten den nackten Leib seiner Gefährtin gesehen und dabei einen so intimen Vorgang mitverfolgt, dass er nicht begreifen konnte, was da geschehen war. Wie es geschehen war.
Entsetzt drehte er sich wieder zu Kaylie um, die noch immer vor ihm kniete, ihr Gesicht mit seinem Saft bedeckt. Sie kauerte zusammengesunken vor ihm, aber war Befriedigung der Grund dafür? Oder Resignation?
Ein Wutschrei riss ihn aus seinem Albtraum, ein Schrei voller Zorn und Verzweiflung, so entsetzlich schmerzhaft, dass er nichts Menschliches mehr hatte. Schweiß überzog seinen schlanken, muskulösen Körper, verheddert in das Bettlaken, das von seinem Klauen zerrissen worden war.
Dean sprang aus dem Bett, sein Herz schlug laut, der Atem ging angestrengt. Fluchend presste er die Hände an seinen Kopf, die ausgefahrenen Krallen drückten sich in die Kopfhaut. Er starrte das Bett an, als wäre dieses leblose Objekt der Grund für seine Albträume. Dabei wusste er genau, das war nicht der Fall. Nachdem Kaylie nach Woodcliff zurückgekehrt und wieder ins Haus ihrer Mutter eingezogen war, kamen die Erinnerungen an sie immer öfter in seinen Träumen an die Oberfläche.
Zugegeben, die meisten Träume, in denen Kaylie eine Rolle spielte, waren so schön, dass er gar nicht aufwachen wollte. Und wenn er wach wurde, verfluchte er den ganzen restlichen Tag. Doch je mehr Wochen verstrichen, umso stärker wurden sein Verlangen und sein Frust. Der Wunsch, ihre nackte Haut zu berühren – nur ihre Hand! –, wurde übermächtig. Zwischen ihnen existierte eine gegenseitige Anziehung, die über jedes normale Maß hinausging. Und das konnte nur bedeuten, dass Kaylie eine potenzielle Gefährtin war. Seine menschliche Seite und die Bestie in ihm sehnten sich danach, wenigstens ihre Stimme zu hören oder sie auf der Straße vorbeigehen zu sehen, die roten Haare zu einem frechen Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Sie war die Gefährtin.
Das Problem war allerdings, dass Dean keinen Anspruch auf sie erheben konnte. Nicht etwa, weil sie für ihn unerreichbar gewesen wäre, sondern weil er Kaylie nicht verdiente. So wie er auch kein wahres Glück und keine Zukunft verdiente. Der Grund dafür war seine Vergangenheit. Die Dinge, die er getan hatte und die er bereute.
Wut und Frust fraßen an ihm, als er Jogginghose, T-Shirt und Sneakers anzog. Er musste laufen. Seine Gefühle waren zu heftig, seine Bestie lauerte so dicht unter der Oberfläche, dass er sie kaum noch kontrollieren konnte.
Er musste raus und so lange laufen, bis er vor Erschöpfung umfiel. Aus Erfahrung wusste er, dass er den Zorn bändigen musste, der sein Blut zum Kochen brachte. Sonst würde er sich zu irgendetwas hinreißen lassen, was er später bereuen würde. Und er bereute jetzt schon so viel, dass es für tausend Leben reichte.
Minuten später befand er sich mitten in dem Wald, der sein Apartment umgab. Die Morgensonne drang kaum durch das dichte Laubdach. Der Geruch von nassem Laub und die Geräusche scheuer Waldtiere erfüllten seine Sinne. Mühelos sprang er über einen umgestürzten Baum und nahm nicht einmal das brutale Tempo zurück, mit dem er versuchte, vor seinen Erinnerungen davonzulaufen.
Seine Wolfsrotte war vor fast dreißig Jahren ausgelöscht worden. Zahlenmäßig klein, aber von enormer Schlagkraft hatte sie sich einen heftigen Kampf mit den Marodeuren geliefert. Das war eine große Gruppe fanatischer Wandler, so viele, dass niemand eine Chance gegen sie hatte. Dean wusste nicht mal, ob auch nur einer von seiner Rotte überlebt hatte. Er selbst war noch jung gewesen, als er sich schützend vor seinen kleinen Bruder gestellt hatte. Seine Mutter hatte wie eine Furie gekämpft, um ihre Söhne zu retten. Dann war er von hinten angegriffen worden. Entsetzliche Schmerzen waren an Nacken und Rücken explodiert, und er hatte das Bewusstsein verloren. Als er Tage später wieder erwachte, lag er in einem fremden Bett, um sein linkes Fußgelenk hatte man einen seltsamen Metallring gelegt. Von seiner Mutter und seinem Bruder war nichts zu sehen.
Eine Gruppe Vampirinnen hatte seinen leblosen, blutverschmierten Körper gefunden. Da er der einzige Überlebende war, hatten die Frauen ihn mit zu sich nach Hause genommen und sich um seine Verletzungen gekümmert. Kinder waren für Vampire heilig, selbst wenn sie einer anderen Art angehörten, und nachdem er genesen war, hatten sie ihn als Sklaven bei sich beschäftigt. Er hatte Aufgaben zu erledigen, konnte sich aber im Haus und auf dem Grundstück frei bewegen. Lediglich seine Fußfessel verhinderte, dass er sich wandeln konnte, als er die Pubertät erreichte. Auch danach war ihm bei Vollmond keine Wandlung möglich gewesen. Die Fessel hatte auch seine überlegene Schnelligkeit und Kraft gedämpft, wenn er in menschlicher Gestalt war.
Für ihn als Wandler war das Schlimmste an der verhassten Fessel, dass sie ihn daran hinderte, das Grundstück zu verlassen. Damit war er ein Gefangener. Aber mit einer Kombination aus Lob und leichten Strafen brachten die Vampirinnen dem verängstigten und starrköpfigen Dean Respekt und Beherrschung bei. Und später weihten sie ihn in die Geheimnisse des weiblichen Körpers und der sexuellen Lüste ein. Vampirinnen waren äußerst sexuelle Wesen, immerhin diente das Anwesen auch als Bordell.
Dann geschah es erneut. In einer schicksalhaften Nacht, kurz bevor er siebzehn wurde, geriet Dean abermals in einen brutalen Angriff, diesmal ausgelöst von Vampiren. Sein Zuhause versank in Blut und Tod.
Durch seine Fußfessel konnte er seiner »Pflegefamilie« nicht helfen, die Angreifer abzuwehren. Erst als eine der Vampirinnen sich opferte, um ihm und ein paar jüngeren das Leben zu retten, konnte sich seine Bestie endlich entfalten.
Die über Jahre hinweg angestaute magische, wilde Wandler-Energie traf ihn mit solcher Wucht, dass er beinahe das Bewusstsein verlor. Dean entfesselte allen Zorn seiner Art und lenkte sie in seine erste Wandlung. Nie zuvor hatte ein so junger Wandler das ohne die Hilfe des Vollmonds geschafft. Doch davon wusste er noch nichts, als er schreckliche Rache an den angreifenden Vampiren übte und dabei auch noch zwei Frauen rettete, die zu seiner »Familie« gehörten.
Dean schüttelte sich, um die Gedanken an eine lange zurückliegende Zeit loszuwerden. Stattdessen konzentrierte er sich auf das Laufen, das ihn quer durch den Wald führte. Er wurde noch schneller, sein Herz pumpte wild, während er dem Waldweg folgte. Die Erinnerung an seine erste Wandlung erfüllte ihn jedes Mal mit einer Mischung aus Schrecken und Ehrfurcht. Es war den gefährlichen Unwettern ganz ähnlich, die die Berge peitschten, dort wo er zu Hause war. Die dabei entfesselten Kräfte waren grandios, aber beim Anblick der Verwüstung konnte einem übel werden. Ein solches Unwetter war erst vor ein paar Wochen auf Woodcliff niedergegangen, hatte aber zum Glück kaum Schäden angerichtet.
Er sprang über einen weiteren umgestürzten Baum, diesmal ein altes, morsches Exemplar, und nahm sich vor, so bald wie möglich die Aufräumarbeiten in den Wäldern beginnen zu lassen. Er war der Bürgermeister der Stadt, und es lag in seiner Verantwortung, für die Sicherheit der Einwohner zu sorgen. Dazu gehörte auch, jede Gefahr eines Waldbrands zu bannen. Als Alpha der Wolfsrotte lag ihm seine Pflicht, Wandler und Waldbewohner zu beschützen, ohnehin im Blut. Allerdings hatte es einmal eine Zeit gegeben, da war dieser Instinkt so tief in ihm begraben gewesen, dass er durch Ignoranz und Habgier beinahe seinen Wolf verloren hätte.
Dean, der Wandler, und die Vampirinnen Micha und Tally waren nach dem Überfall noch fast ein Jahr lang zusammengeblieben. Sie hatten sich plötzlich in einer fremden Welt zurechtfinden müssen. Da er Kraft und schnelle Reflexe besaß, bekam Dean auch ohne Berufserfahrung in einem Nachtclub einen Job als Hausmeister und Türsteher. Wie das Schicksal es wollte, war es kein beliebiger Nachtclub, sondern einer, der sich ausschließlich an Wandler richtete – und das auch noch auf eine ganz spezielle Weise. An jedem Abend außer am Sonntag – dem einzigen Ruhetag in der Woche – bot der »Eros« genannte Club seinen Gästen eine Sex-Show. Live-Sex.
Nachdem er den Job angenommen hatte, gingen er und die beiden Vampirinnen getrennte Wege. Sechs Monate später kam der Clubbetreiber zu ihm und stellte ihm eine überraschende Frage: Einer der Männer würde aus der Show aussteigen – ob Dean dessen Platz einnehmen wollte. Sex garantiert? Klar. Bündelweise Geldscheine, die ihm zugeworfen wurden? Klar. Ach ja, besaß er die nötige Selbstbeherrschung und Erfahrung, um es einer Frau zu besorgen? Immerhin ging es bei der Show nicht nur darum, ein männliches Publikum zu unterhalten. Aber sicher.
Dean hatte die Gelegenheit wahrgenommen.
Die Sex-Shows auf der Bühne führten zu zusätzlicher »Arbeit«, da manche Frau eine Privatvorführung haben wollte. Wenn sie sauber und ungebunden rochen – er hatte seine moralischen Vorstellungen nicht über Bord geworfen –, war er einverstanden, und sie bezahlten ihn gut.
Nach fünf Jahren als Sexdarsteller und Hausmeister verspürte Dean allmählich eine gewisse Unzufriedenheit und Rastlosigkeit, und er setzte sich mit dem Clubeigentümer Max Kent für ein Gespräch zusammen. Selbst jetzt erinnerte Dean sich noch genau an Max, wie er hinter seinem Schreibtisch saß, die braunen Augen sichtlich müde, die kurzen Haare mehr grau als blond. Man sah dem Gesicht des älteren Wandlers an, was ein hartes Leben aus ihm gemacht hatte.
Vor ihm auf dem Schreibtisch lag ein dicker brauner Umschlag.
Er gab Dean ein Zeichen, damit er sich hinsetzte. »Als du angefangen hast, für mich zu arbeiten, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass du so lange bleiben würdest. Die meisten gehen nach ein paar Monaten, weil die Show, die mal aufregend war, sie nur noch anwidert und ihren Wolf dazu veranlasst, aus Protest zu winseln oder zu heulen. Ein Wandler liebt Sex. Er sieht gern zu, er liest gern darüber, er denkt gern darüber nach, und vor allem hat er selbst gern Sex. Aber Tag für Tag mit jemandem aufzutreten, der einem völlig egal ist, macht daraus eine Krankheit. Es macht deinen Wolf krank. Ich habe beobachtet, wie du dich in den letzten Monaten verändert hast. Du bist kälter, berechnender geworden. Du hättest schon viel früher zu mir kommen sollen.« Max hielt inne und wich kurz Deans Blick aus. »Genau genommen hätte ich zu dir kommen sollen. Hab ich aber nicht gemacht. Mein Fehler.« Mit dem Kinn deutete er auf den Umschlag. »Ich habe das heute Morgen für dich zusammengestellt. Als du angeklopft hast, wollte ich mich eben auf den Weg zu dir machen. Immerhin beweist dieser Zufall, dass wir beide genau das Richtige tun.«
Auf Deans fragenden Blick hin erklärte Max: »Jeder Hunderter in diesem Umschlag steht für eine deiner Shows.« Er schob Dean den Umschlag hin. »Mach ihn auf, hol das Geld raus und zähl es. Und halt dir bei jedem Schein vor Augen, wofür er steht.«
Dean folgte der Aufforderung und legte Stapel zu je tausend Dollar aufeinander. Jede Bewegung war pure Berechnung, sein Gesicht zeigte keine Regung. Es war nichts verkehrt daran, mit seinem Körper Geld zu verdienen. Solange er alle Vorsichtsmaßnahmen ergriff, bestand keine Gefahr für seine Gesundheit.
Dieser Gedanke ging ihm beharrlich durch den Kopf, bis er bei hundertachtzig Geldscheinen angekommen war. Dann verkrampfte sich sein Magen allmählich. Weitere fünfzig Scheine wanderten in Stapeln auf den Tisch, und zum ersten Mal seit der Zeit bei den Vampirinnen fühlte er sich krank. Bei zweihundertsechzig hörte er auf zu zählen und starrte auf die Stapel, mit denen der ausladende Schreibtisch übersät war. In der Hand hielt er noch mehr Scheine, die er gar nicht zählen wollte. Vor ihm ausgebreitet lag nur ein Bruchteil dessen, was er sich selbst und seinem Wolf angetan hatte. Der war abermals ein Gefangener, diesmal aber durch Deans eigenes Verschulden. Kein Wunder, dass seine Bestie schlief. Dean war ihrer gar nicht würdig.
»Nimm das Geld und tu damit was Vernünftiges.«
Dean kämpfte mit seiner Beherrschung und schluckte bemüht. »Ich kenne nur dieses Leben. Bars, Clubs, Sex. Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte.«
Max nickte. »Du bist ein kluger Mann. Du kannst gut mit deinen Händen umgehen, nicht nur in Bezug auf Sex. Wenn du dich nur in dieser Branche auskennst, dann nutz das Wissen, um neu anzufangen. Kauf eine Bar, renovier sie, mach etwas Gemütliches daraus. Etwas, wo sich Wandler sicher fühlen. Kein Sex, keine Gewalt. Nichts, was die Bestie verletzen oder provozieren könnte, die in einem Wandler ruht. Eine Zuflucht für Männer und Frauen, die nicht fürchten müssen, von anderen gedemütigt oder aggressiv angegangen zu werden.«
Dean legte den Kopf schräg und fragte neugierig: »Warum hast du das nicht gemacht?«
Max zuckte mit den Schultern. »Ich war dumm und schwach. Und habgierig. Ich war zu sehr bereit, den Wünschen anderer zu entsprechen, auch wenn mir das noch so verkehrt vorkam. Ich hätte vor Jahren aussteigen sollen, als ich meinen Wolf noch fühlen konnte. Dafür ist es jetzt zu spät. Meine Bestie ist tot, und ich werde ihr bald folgen.« Er sah Dean traurig an. »In den Rottenkriegen wurden zu viele Wandler getötet, und es wurden zu wenige Welpen geboren. Im Lauf der Jahre hat ein Umdenken eingesetzt, aber das reicht noch nicht. Tu etwas, um uns zu helfen, bevor wir aussterben. Tu etwas Gutes, etwas Gesundes. Sorg für Frieden und lern das Leben zu genießen. Und komm um Himmels willen nicht auf die Idee, mir nachzueifern.«
Deans Brust krampfte sich zusammen. Er hatte Angst, er könnte seinen Wolf verlieren, jenen Teil, den er noch gar nicht richtig kennengelernt hatte. Er hatte sich ganz seiner körperlichen Freiheit hingegeben. Nie hatte er einen Gedanken an das verschwendet, was er eigentlich beschützen sollte. In dieser Hinsicht war er kein bisschen besser als die Vampire, die seine Pflegefamilie angegriffen hatten. »Ich glaube, dafür ist es schon zu spät. Ich kann meinen Wolf nicht mehr spüren.«
»Falsch.« Max schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich kann ihn immer noch in dir wahrnehmen, vergraben unter all dem Eis, das du um dein Herz und deine Seele herum aufgetürmt hast. Er ist immer noch da. Und jetzt geh. Geh und schau nie zurück. Deine Vergangenheit liegt hinter dir, richte den Blick auf die Zukunft, sonst wird dich das Bedauern immer verfolgen.« Aus einer Schublade holte er eine Mappe und gab sie Dean, dann steckte er das Geld zurück in den Umschlag. »Da drin sind Informationen über eine heruntergekommene Bar auf dem Land in Maine. Eine kleine, aber freundliche Rotte ist da zu Hause. Ich habe ein paar Telefonate geführt, um alles für dich vorzubereiten. Du musst jetzt nur noch den ersten Schritt machen, das kann ich dir nicht abnehmen. Kauf die Bar, richte sie wieder her und mach daraus einen Zufluchtsort für Wölfe. Such dir ein nettes Mädchen und versuch‘s mal ein Weile monogam. Versuch Sex ohne Geld. Und versuch, die Bestie zu wecken, bevor es wirklich zu spät ist.«
Also verließ Dean Max, machte sich auf den Weg nach Maine und eröffnete ein Lokal, das den Namen Haven trug. Es ergab sich eine Beziehung mit einer Wandlerin, die ihm half, zumindest nach außen hin einige seiner groben Seiten zu glätten. Fünf Monate gingen ins Land, ehe er in der Lage war, sich zu einer Wandlung zu zwingen und seinen Wolf zum ersten Mal wieder zu entfesseln. Die Bestie war mager, träge, halb tot, und der Wandel war viel schmerzhafter, als er ihn in Erinnerung hatte.
Wenig später zog er weiter und suchte nach einer neuen Bar in einer Region, in der es genug Wald gab. Das Spiel wiederholte sich, zuerst in Maine, dann in Vermont. Es folgte ein nette Gemeinde in Ohio, danach Illinois und schließlich St. Louis. Bei jedem Vollmond musste er den Wandel immer noch erzwingen, und jedes Mal betete er dafür, dass die Bestie stärker und gesünder sein würde.
Vor vier Jahren war er auf eine Bar in dem Bergstädtchen Woodcliff gestoßen. Er kaufte sie, auch wenn einige Wandler aus der Gegend das ungläubig kommentierten und der schmierige Alpha Frank Kolter ihn argwöhnisch beäugte. Vier Monate harte Arbeit folgten, dann wurde die renovierte Bar für die ganze Stadt wiedereröffnet. Wandler waren ausdrücklich willkommen. Das war die Nacht gewesen, in der sich sein Leben grundlegend verändert hatte.
Die Anstrengung des Laufens ließ ihn schwer atmen und brachte Dean dazu, vor einem der vielen Höhleneingänge anzuhalten und Luft zu holen. Es gab viele Höhlen hier in der Gegend. Er wusste, er hatte etliche Meilen zurückgelegt, um vor seinen Erinnerungen davonzulaufen. Doch es gab eine frische Erinnerung, die er nicht verlieren wollte.
Bei seiner ersten Begegnung mit Kaylie – als er noch gar nicht wusste, wer sie eigentlich war – hatte er im Thirios Keep hinter der Theke gestanden. Eine Flaute bei den Bestellungen hatte ihm die Gelegenheit gegeben, seinen Blick über die Menge wandern lassen. Obwohl der Laden gerammelt voll war, war er unzufrieden gewesen. Dann auf einmal hatte seine Nase gezuckt, da er auf einen Geruch aufmerksam geworden war, wie er ihn noch nie wahrgenommen hatte. Vor Schreck hatte er nur einen Tisch nach dem anderen anstarren und die Menge absuchen können, um irgendwie festzustellen, woher dieser Geruch kam. Aber es waren einfach zu viele Leute in der Bar gewesen, und er hatte schließlich wieder Getränke einschenken müssen. Die ganze Zeit über hatte die Bestie aus Protest geheult.
Sechs Monate später war ihm der gleiche verdammt verlockende Duft in die Nase gestiegen, gerade als er das Café in der Stadt verließ. Er schloss die Augen und inhalierte das himmlische Aroma süßer Blumen und vom Mond beschienener Gärten.
Noch während er fast glücklich zu lächeln begann und die Augen öffnete, um die Quelle ausfindig zu machen, hörte er den Woodcliff-Alpha Frank Kolter vom anderen Ende des Gehwegs sagen: »Bei der wünschte ich glatt, ich hätte zwei Schwänze, dann könnte ich sie gleichzeitig in beide Löcher ficken.«
Bei diesen Worten war Dean ausgerastet. Oder sein Wolf war ausgerastet. Jedenfalls konnte er sich an das Nachfolgende nur noch schemenhaft erinnern. Es war ganz so wie in jener schicksalhaften Nacht, als er sein Bein von der lähmenden Wirkung der Fußfessel befreit hatte. Auch diesmal platzte die Energie so aus ihm heraus, dass die Schaufenster der umliegenden Geschäfte zu Bruch gingen.
Eben noch hatte Dean reglos dagestanden, nur eine Sekunde später lag Frank Kolter auf dem kalten Gehweg. Spuren von Krallen zogen sich über seine Brust. Es war Dean gelungen, seine menschliche Gestalt beizubehalten. Aber an der Art, wie sich seine Fangzähne in Franks Hals bohrten und sein Knie gegen die Lenden des Alphas drückte, war nichts Menschliches.
Als knisternde Energie von ihm ausgegangen war und sich mit einer Schnelligkeit vermischt hatte, die noch nie zuvor ein Wandler hatte beobachten können, hatte sich Deans Leben ein weiteres Mal geändert. Das war der Tag gewesen, an dem Dean Kinigos zum Alpha des Woodcliff-Clans geworden war. Aber es war auch der Tag gewesen, an dem er entschieden hatte, dass Kaylie für ihn unerreichbar war, ganz gleich, ob sie seine Gefährtin war oder nicht.
»Ich glaube nicht, dass Georgie durchkommen wird.«
Kaylie Gentry sah von ihrem Mikroskop auf und schaute Dr. Rodney Thomas an, Eigentümer und Chefarzt der Tierklinik von Woodcliff, der seinen Blick auf die Unterlagen eines Schäferhund-Labrador-Mischlings gerichtet hatte. Sie grinste ihn an, und ihre braunen Augen leuchteten dabei auf. »Wetten, doch?«
Rodney kniff die Augen zusammen, rückte seine dicke Brille gerade und schüttelte tadelnd den Kopf. »Sie und Ihre ständigen Wetten. Eines Tages, junge Lady, werden Sie sich damit noch Ärger einhandeln.«
Mit ihrem Schulterzucken unterstrich sie, dass sie sich darüber keine Sorgen machte. Wetten lag ihr buchstäblich im Blut. Um Geld ging es Kaylie dabei nicht, das empfand sie als viel zu unpersönlich. Aber das Verlangen, das zu sagen, was sie dachte, war nach wie vor ihre große Schwäche, und sie hatte sich damit tatsächlich mehr als einmal Ärger eingehandelt.
Inzwischen wettete sie nur noch, wenn sie sich einer Sache absolut sicher war – und das war bei Georgie der Fall. Nicht, dass sie eine Hundeflüsterin oder etwas in der Art war, aber sie besaß genug Vertrauen in sich und ihre Fähigkeiten, um eine qualifizierte – und korrekte – Einschätzung abzugeben. Sie hatte sich schon immer für Tiere begeistern können, ja, sie liebte Tiere, und es schien so, als würden die Tiere diese Liebe erwidern. Solange sie zurückdenken konnte, hatte sie Tierärztin werden wollen. Ihrem Vater und ihrer Schwester, einem Ex-Model, verdankte sie, dass sie das Studium abgeschlossen hatte und mit sechsundzwanzig Jahren schuldenfrei war – und als Assistentin von Dr. Thomas in dessen Klinik in ihrer Heimatstadt Woodcliff, Colorado, arbeiten konnte.
Sie wollte, dass ihre Familie stolz auf sie war – ihre Mom, bei der sie momentan wohnte, ihr Vater, der mit seiner neuen Familie an der Ostküste lebte, und ihre Schwester, die mit dem attraktiven Sheriff von Woodcliff verlobt war.
Beim Gedanken an attraktive Männer kam Kaylie prompt ein ganz bestimmter in den Sinn. Ein Bürgermeister, bei dem ihr das Wasser im Mund zusammenlief und bei dessen Anblick sie froh war, eine Frau zu sein.
Kaylie konnte den lustvollen Schauer nicht unterdrücken, der dafür sorgte, dass sich ihre Nippel unter dem tief ausgeschnittenen T-Shirt und dem offenen weißen Kittel versteiften. Sie schob die Hände in die Taschen ihrer Jeans und sah auf ihre Sneaker. Für einen Arbeitstag hier in den Bergen war sie ganz normal angezogen. Als ihr Blick auf den Saum ihres Arztkittels fiel, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das eigentliche Thema.
»Ich glaube, der Tumor, den wir entfernt haben, war eine einmalige Sache. Meinen Sie nicht?«, fragte sie ihren Chef.
Rodney gab einen unschlüssigen Laut von sich und fuhr sich mit einer Hand durch sein strubbeliges weißes Haar, das in alle Richtungen abstand und seinen Kopf wie ein Nadelkissen aussehen ließ.
Kaylie verkniff sich ein Lächeln. Seine sanfte und freundliche Art kam aus tiefster Seele, vor allem was seine Hingabe für die Tiere anging. Er mochte sanftmütig erscheinen, aber er gab keinen Millimeter nach, wenn etwas seinen Wertvorstellungen und Ansichten zuwiderlief. Sie bewunderte den Mann dafür, wie er ruhig, aber entschlossen Tierhaltern seine Meinung sagte, wenn die ihre Tiere nicht richtig behandelten. Außerdem neigte er dazu, persönliche Gegenstände zu verlegen und sie selbst dann stundenlang zu suchen, wenn sie in der Kitteltasche steckten. Er war einfach liebenswert. Kein Wunder, dass seine Frau sich so liebevoll um ihn kümmerte. Auch nach fünfunddreißig Jahren Ehe waren die beiden noch immer glücklich verheiratet, was in der heutigen Zeit eine beachtliche Leistung war.
»Ich will es hoffen«, erwiderte Rodney. »Und ich gebe zu, Sie arbeiten seit inzwischen vier Monaten hier und haben in jedem Fall Recht behalten. Trotzdem werde ich Mrs. Studdleben keine Hoffnungen machen, die ich am Ende vielleicht enttäuschen muss.«
Kaylie nickte, da sie wusste, dass seine Vorbehalte nicht persönlich gemeint waren. »Das kann ich gut verstehen. Wann kommt Mrs. Studdleben her?«
»Hm?« Rodney war längst wieder in die Patientenakte vertieft und antwortete automatisch. »Kurz vor Feierabend.«
Kaylie sah auf ihre Armbanduhr. Fünf vor fünf, also war es fast so weit. »Soll ich noch mal nach Georgie sehen?«
»Ähm … nein, danke, ich habe sie eben untersucht.« Er schaute zur Wanduhr. »Wo ist denn bloß wieder die Zeit geblieben?« Er drehte sich zu Kaylie um und sah sie grübelnd an. »Haben Sie nicht heute Abend ein Baseballspiel?«
»Ja, richtig. Gegen die Togan Tornados.«
Rodney verzog den Mund. »Kein sehr origineller Name, wenn Sie mich fragen.«
»Und die Woodcliff Wolverines sind so viel origineller?«
»Stimmt auch wieder«, meinte er lachend. »Aber zumindest ist Wolverines der passendere Name.«
Kaylie wusste genau, wie er das meinte. Wolverines hieß Wölfinnen. Und Woodcliff war die Heimat einer der größten Wolfsrotten in den Vereinigten Staaten. Aber es handelte sich dabei nicht einfach nur um Wölfe, sondern um Werwölfe oder Wandler. Anders ausgedrückt: Mehr als hundert männliche Einwohner der Stadt verwandelten sich bei jedem Vollmond in Wölfe. Die Wandlerinnen waren zwar so wie ihre männlichen Artgenossen schneller und stärker als normale Menschen, außerdem besaßen sie ebenfalls ein besseres Gehör und einen schärferen Geruchssinn. Allerdings waren diese Eigenschaften nicht ganz so ausgeprägt wie bei den Männern, und sie konnten auch nicht die Gestalt eines Wolfs annehmen. Ob diese biologischen Unterschiede eine noch recht junge Entwicklung waren oder ob sie immer schon bestanden hatten, wusste niemand. Vor rund fünfzig Jahren war durch die Rottenkriege fast die gesamte Wandlerbevölkerung ausgelöscht worden, und damals war auch ihre gesamte niedergeschriebene Geschichte vernichtet worden.
Anfangs hatten die überlebenden Wandler ganz normal unter Menschen gelebt und dabei ihre wahre Art verschwiegen. Als ihr Bestand aber immer stärker schrumpfte und die Frauen selten geworden waren, die männlichen Nachwuchs mit Wandlereigenschaften zur Welt bringen konnten, waren die Männer gezwungen gewesen, nach Frauen mit einer passenden DNS zu suchen. Das geschah über den stärkeren Geruchssinn und unterstützt von einem unwiderstehlichen sexuellen Verlangen, sich mit einer bestimmten Frau zu paaren.
Da Kaylie in Woodcliff aufgewachsen war, hatte sie sich schon bald intensiv mit den Wandlern befasst und jeden befragt, den sie kannte. Als sie Zugang zu medizinischen Geräten bekam, begann sie, auch die Zellen von Wandlern zu erforschen – natürlich mit deren ausdrücklicher Zustimmung.
Kaylie war die Tochter eines Wandlers, aber so wie ihre Mutter war sie zu hundert Prozent menschlich. Ihre Schwester Tess dagegen war nicht nur eine Wandlerin, sondern auch noch mit einem Wandler verlobt. Tess hatte all das durchmachen müssen, was einer Wandlerin erwartete, wenn sie dem Mann begegnete, der ihr Gefährte werden sollte – in diesem Fall Caleb Bennett. Kaylie hatte sie unentwegt mit ihren emotionalen und körperlichen Reaktionen auf den Mann aufgezogen, was ihre Schwester natürlich zur Weißglut getrieben hatte. Aber Kaylie hatte gar nicht anders gekonnt. Nicht nur, weil sie an diesen Reaktionen ernsthaft interessiert gewesen war, sondern weil sie es auch als ihre Pflicht ansah, ihre ältere Schwester auf die Palme zu bringen.
Menschen und Wandler lebten in Woodcliff in relativer Harmonie miteinander, auch wenn die Menschen wussten, dass ihren Nachbarn einmal im Monat ein Fell wuchs. Das Gleiche galt für das Amateur-Baseballteam, das sich aus Männern und Frauen, Wandlern und Menschen zusammensetzte und damit in jeder Hinsicht typisch für die Gemeinschaft von Woodcliff war.
»Aber außerhalb der Stadt weiß doch niemand von der … der ungewöhnlichen Situation in Woodcliff«, sagte Kaylie mit Blick auf Rodneys Kommentar. »Wenn die Tornados herkommen, werden sie deshalb von uns genauso behandelt wie eine Touristengruppe.«
Rodney nickte zustimmend. »Ich fand es schon immer ein bisschen riskant, dass eine Wandlerrotte sich ausgerechnet in einer Stadt niederlässt, die so vom Tourismus geprägt ist. Ich denke da nur an die Skihütte oben auf dem Berg. Andererseits … wer würde schon ein Wort glauben, wenn jemand anfangen würde, von Werwölfen zu erzählen? Jedenfalls sind meine Frau und ich ganz begeistert davon, an einem Freitagabend mal etwas vorzuhaben.«
Erfreut lächelte Kaylie ihn an. »Dann kommen Sie auch hin?«
»Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Um sieben in der Schule, richtig?«
»Ja, richtig. Ich hoffe, wir können ein interessantes Spiel bieten.« In diesem Moment klingelte Kaylies Handy. »Entschuldigen Sie, das ist meine Mom.«
Während sie das Telefon vom Gürtel zog, kam Rodneys Tochter Cindy Thomas ins Zimmer, die als Arzthelferin angestellt war. »Mrs. S. ist da, um Georgie abzuholen.«
Kaylie hielt mitten in der Bewegung inne. »Soll ich …«
»Ich mach das schon«, sagte Rodney und winkte ab.
»Danke.« Sie nahm das Gespräch an. »Hey, Mom. Was gibt’s?«
»Hi, Baby-Girl.« Kaylie lächelte, als sie den Kosenamen hörte. »Ich habe jetzt den letzten Namen auf die Trikots aufgenäht, aber ich bin noch nicht dazu gekommen, Abendessen zu kochen. Was hältst du davon, auf dem Heimweg ein paar Burger von Dolen‘s mitzubringen?«
Seit Tess und Kaylie erwachsen waren, hatte ihre Mom sich diverse neue Hobbys zugelegt. Das jüngste davon war Nähen, und erfreulicherweise entsprach das ganz ihrer Begabung. Wie hätte Kaylie angesichts dieser coolen Nähmaschine Moms Angebot ablehnen können, die aus Jeansshorts und dunkelgrünen T-Shirts bestehenden Trikots mit den Namen der Teammitglieder zu besticken?
»Klar. Brauchst du sonst noch was?«
»Na ja …«
Kaylie zuckte zusammen, da sie aus einem unerfindlichen Grund genau wusste, was ihre Mom als Nächstes sagen würde. »Wenn es geht, dann bring vier Burger mit. Dolen ist gerade hergekommen, und Pete wird gegen halb sechs vorbeikommen, um die Trikots abzuholen. Ich bin immer in Sorge, dass der junge Mann nicht genug zu essen bekommt.«
»Mom. Der junge Mann ist dreißig, und er versorgt sich schon seit einer Ewigkeit selbst.«
»Aber er ist ganz allein.«
Sie verdrehte die Augen, weil sie wusste, dass Pete Everett nur selten allein war. Wenn er sich nicht mit anderen Frauen verabredete, war er mit Kaylie unterwegs, allerdings nur auf einer freundschaftlichen Basis. Schließlich waren sie beide auch nur gute Freunde. Zwischen ihnen funkte nichts, da war keine Romantik im Spiel. Nur eine lässige Freundschaft auf der Grundlage gleicher Interesse und Abneigungen. Außerdem fing Pete nichts mit Frauen an, wo er lebte, da seiner Meinung nach die Katastrophe damit vorprogrammiert gewesen wäre. Aber ihrer Mutter erklären zu wollen, in welchem Verhältnis sie zueinander standen … da konnte sie auch gleich mit der Wand reden.
»Wie du meinst. Wenn ich was holen soll, muss ich jetzt losgehen, damit ich es rechtzeitig nach Hause schaffe. Schließlich will ich auch noch essen, bevor ich zum Spiel gehe.«
»Ich habe schon vor ein paar Minuten die Bestellung aufgegeben. Wenn du hinkommst, müsste alles fertig sein.«
Kaylie presste die Lippen zusammen. So sehr sie ihre Mom auch liebte, machten sie die ständigen Einmischungen in ihr Leben allmählich wahnsinnig. Vielleicht sollte sie sich ja doch eine eigene Wohnung suchen. Auf die Weise könnten Mom und Dolen dann endlich wie ein richtiges Paar leben, und damit würde sie ein wenig Ruhe vor ihrer Mutter bekommen.
»Okay, ich komme, so schnell es geht.«
»Bis später.«
Kaylie klappte ihr Telefon zu, steckte es wieder an ihren Gürtel und fuhr den Computer runter. Da Mrs. S. im Augenblick ihre Georgie abholte, waren übers Wochenende keine Tiere in der Praxis zu versorgen. Das mochte sie sehr an Rodneys Art. Es wurden selten Tiere über Nacht dabehalten, aber wenn es notwendig war, sorgte Rodney dafür, dass sie nicht allein der Praxis blieben. Er, Kaylie oder eine der Helferinnen übernachteten in diesen Fällen ebenfalls in der Praxis. Es war ein Beispiel für die fürsorgliche Atmosphäre einer Kleinstadt, die Kaylie so liebte.
Nachdem sie sich verabschiedet hatte, ging sie auf die andere Straßenseite zu Dolen‘s Café. Während sie dort darauf wartete, dass Martin Reynolds – der Ehemann von Jackie – ihre Bestellung erledigte, unterhielt sie sich mit einigen Leuten aus der Stadt, die ebenfalls an der Theke standen. Egal, mit wem sie ins Gespräch kam, alle schienen sich auf das Spiel am Abend zu freuen. Kaylie wurde immer klarer, was für ein wichtiges Ereignis das Spiel für die Menschen hier war. Es ging gar nicht darum, dass Woodcliff unbedingt gewinnen musste – auch wenn das ein willkommener Bonus sein würde –, sondern das Spiel war dazu angetan, die Moral in der Stadt zu heben und die Leute wieder zusammenzubringen.
Das war dringend nötig, denn vor gut fünf Monaten und damit kurz vor Kaylie Heimkehr nach Woodcliff hatte ein brutaler Mord die ganze Gemeinde erschüttert. Ein Mensch war von einem Wandler umgebracht worden. Die Tat hatte beide Gruppen nervös werden lassen, da der Mord sich nicht in einer Vollmondnacht abgespielt hatte, also in einem Zeitraum, in dem nur die allerstärksten Wandler ihre Gestalt verändern konnten.
Letztlich hatte sich herausgestellt, dass an der Tat einer der einflussreichsten – und meistgehassten – Wandler der Stadt sowie sein ältester Sohn und ein in Woodcliff gebürtiger Mensch beteiligt gewesen waren.
Von dem Geld abgesehen, das die Touristen in der Stadt ließen, war die Haupteinkunftsquelle von Woodcliff das Sägewerk Kolter Lumber Company gewesen. Der Eigentümer Frank Kolter – ein Wandler und ehemaliger Alpha der Woodcliff-Rotte – war ein berechnender, manipulierender Typ, der von keiner Frau die Finger lassen konnte. Als bekannt geworden war, dass er seinem ältesten Sohn geholfen hatte, den Menschen Dave Collins zu ermorden, waren die Einwohner fast ausgerastet. Sie empörten sich nicht nur über Franks Verschlagenheit, für die er bekannt war und die man von ihm erwarten durfte. Vor allem regten sie sich darüber auf, welche wirtschaftlichen Folgen es für Woodcliff haben würde, wenn das Sägewerk infolge dieses Skandals schließen sollte.
Schließlich wurde aber bekannt, dass der momentane Alpha und Bürgermeister Dean Kinigos aktiv geworden war und die beiden verbleibenden Kolter-Söhne ausbezahlt hatte, um selbst das Sägewerk zu übernehmen. Als Erstes hatte er den Namen in Woodcliff Lumber Company geändert, dann hatte er Kaylies Schwester Tess eingestellt, damit die sich um die Finanzen kümmerte. Kaylie fand das alles sehr amüsant, hatte Tess doch seinerzeit das College verlassen und eine erfolgreiche Karriere als Model begonnen. Aber dann hatte Tess schließlich diese Karriere aufgegeben, um für ihre Mutter da zu sein, nachdem die sich einer schwierigen Operation hatte unterziehen müssen. Ironie des Schicksals, dass Tess ursprünglich aufs College gegangen war, um einen Abschluss in Finanzbuchhaltung zu machen. Rückblickend war für sie womöglich alles so gekommen, wie es vorbestimmt war.
Zu schade, dass Kaylie das von sich selbst nicht behaupten konnte. Zugegeben, sie hatte ihren Traumjob in der Stadt, in der sie leben wollte. Aber zu ihrem Glück fehlte eindeutig noch der Traummann: der Alpha und Bürgermeister Dean Kinigos. Der Mann bestand aus gut einem Meter achtzig Muskeln, verpackt in zarte, olivfarbene und von der Sonne gebräunte Haut. In seinen klaren, smaragdgrünen Augen konnte sie mehr als nur einen Hauch von Stahl und Leidenschaft erkennen, außerdem zu viel Skepsis. Wenn es einen Mann gab, der gefüttert werden musste, dann war es Dean, aber diese Nahrung wäre nicht für seinen Leib, sondern für seine Seele bestimmt gewesen.
Auch wenn Kaylie mehr als bereit war, diese Aufgabe zu übernehmen, kam es ihr so vor, als würde Dean ganz bewusst Abstand zu ihr halten. In den drei Jahren, die sie ihn inzwischen kannte, hatte er sie noch nie berührt, nicht einmal für einen Händedruck. Von ihrem Studium der Wölfe und der Wandler wusste sie, dass es sich durchweg um gesellige Kreaturen handelte, die nichts gegen körperlichen Kontakt hatten. Dean musste wohl die Ausnahme von der Regel sein, es sei denn, es lag einzig an ihr. Und genau davon war Kaylie überzeugt.
Er mochte sie ja körperlich begehren, denn nicht mal er war schnell genug, um das hitzige Aufblitzen in seinen Augen zu überspielen, wenn er sie zu Gesicht bekam. Aber Taten ließ er nie folgen. Und es war wie bei allen Dingen, die man haben wollte, aber nicht bekommen konnte: Sein Verhalten sorgte nur dafür, dass sie ihn noch mehr haben wollte. Womit sie schon wieder mit ihren Gedanken bei Dean gelandet war, obwohl sie sich doch fest vorgenommen hatte, damit aufzuhören. Sie schüttelte den Kopf, um ihren Verstand freizubekommen.
Die Bestellung war fertig, Kaylie nahm das eingepackte Essen, verabschiedete sich und verließ das Lokal – nur um gleich darauf beinahe ihren Traummann über den Haufen zu rennen.
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis Dean erkannte, wer da soeben gegen ihn gerannt war. Nur mit Mühe konnte er verhindern, dass er nach ihren Handgelenken griff. Stattdessen riss er die Arme etwas höher und bekam stattdessen ihre Schultern zu fassen. Kaylie selbst nahm ebenfalls die Hände hoch, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und drückte sie auf den weichen dunkelgrünen Stoff seines Henley-Hemds. Die beiden Tüten mit Essen waren ihr beim Zusammenstoß bis zum Ellbogen gerutscht und schwangen nach vorn, sodass sie Dean genau im Schritt trafen.
»Autsch«, stieß er gequält hervor und wich hastig zwei Schritte vor ihr zurück.
»O mein Gott!«, rief Kaylie. »Das tut mir ja so leid.«
»Du bist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit«, knurrte er sie an, musterte sie dabei aber von Kopf bis Fuß mit einem hitzigen Blick, der schnell seiner üblichen, mäßiges Interesse andeutenden Miene wich.
Dieser abrupte Wechsel weckte ihren Zorn. Wenn er sich nicht mal den Versuch einer engeren Beziehung zu ihr gönnen wollte, dann sollte er doch zum Teufel gehen! Ganz genau. Das stand zwar völlig im Widerspruch zu dem, was sie noch vor ein paar Minuten überlegt hatte, aber sie war schließlich eine Frau, und das gab ihr das Recht, ihre Meinung dann zu ändern, wenn sie das wollte.
»Das war ein Unfall, du … du Pavian.«
Er stutzte. »Pavian?«
Okay, das Wort kam vielleicht kindisch rüber. Allerdings hatte sie sich nicht nur vorgenommen, seltener zu wetten, sondern auch weniger zu fluchen und nicht mehr so aufbrausend zu reagieren. Dummerweise führten ihre Bemühungen, gleich in dreifacher Hinsicht tugendhaft zu sein, zu sehr gemischten Ergebnissen. Zudem wechselte der Schwerpunkt fast täglich.
Sie kniff die Lippen zusammen, als sie das spöttische Funkeln in seinen Augen sah. »Ich versuche auf meine Wortwahl zu achten.«
»Und besser kriegst du das nicht hin?«
Sie hob das Kinn trotzig an und konterte mit einem herausfordernden Blick. Dann platzte sie heraus: »Wie gefällt dir ›Feigling‹? Besser als ›Pavian‹?«