Rubel, Rotlicht und Raketenwerfer - Bernd Hesse - E-Book

Rubel, Rotlicht und Raketenwerfer E-Book

Bernd Hesse

4,9

Beschreibung

Für Privatdetektiv Sven Rübel wird’s langsam eng: Während der Alkoholkonsum stetig steigt, tendiert die Auftragslage gegen null. Plötzlich erscheinen an einem Tag gleich zwei Klienten: Er soll die Zerstörung von Biberburgen im Oderbruch und das Verschwinden eines Obdachlosen ermitteln. Leicht verdientes und dringend benötigtes Geld. Dass beide Fälle zusammenhängen und er in den Dunstkreis der russischen Mafia gerät, merkt Rübel viel zu spät ...

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Bernd Hesse

Rubel, Rotlicht und Raketenwerfer

Kriminalroman

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2015 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlagbild: © xyno/photocase.de

Umschlaggestaltung: Simone Hölsch

ISBN 978-3-7349-9296-4

1. Kapitel: Ein ganz großer Fisch

Horst Arndt ging mit den zögerlichen Schritten eines gebrochenen Mannes, der über Jahre die ständige Erfahrung von Ablehnung und Unverständnis ertragen hatte, in Richtung des sich selbst öffnenden Supermarkteingangs. Schon heftete sich unerbittlich ein Augenpaar auf ihn. Jeder durchschnittliche Typ konnte gelassen durch die Schranke gehen und dabei so unauffällig wirken, wie er wirklich war oder im Moment aussehen wollte. Ein Obdachloser hingegen, in verschlissener Kleidung, gebeugter Haltung und mit ungepflegtem Aussehen, war immer zu erkennen, ob er es wollte oder nicht.

Wie alle seiner gegenwärtigen Bekannten war er nicht immer ein mittelloser Trinker gewesen; er hatte in seinem Leben schon bessere, viel bessere Tage erlebt und noch nicht völlig die Hoffnung verloren, dass es sein Schicksal wieder gut mit ihm meinen würde. Er hatte einmal gelesen – als er noch las –, dass das Schicksal nicht an die Tür klopfe, sondern man es suchen müsse, oder so ähnlich; wo er das gelesen hatte, wusste Horst nicht mehr, aber auch nicht so recht, wo er nach dem Schicksal suchen musste. Wie nahe er einem dramatischen Wandel aller seiner Lebensumstände stand, davon konnte Horst trotz seiner Hoffnung nichts ahnen. Gibt es in Deutschland mehr Lottogewinner oder mehr Obdachlose, denen die Rückkehr in ein bürgerliches Leben gelungen ist?, überlegte Horst Arndt.

Er hätte die Frage gerne gegoogelt. Leider hatte er sich auch die Zugänge zu öffentlichen Computern in der Stadtbibliothek und der Universität durch Hausverbote verbaut, die ihm gegenüber ausgesprochen worden waren. Sicher, diejenigen, die diese Verbote aussprachen, meinten, dass er sich das durch sein Verhalten selbst zuzuschreiben hatte. Horst Arndt sah das anders: Häufig hatte er nur reagiert. Die zerberstende Tastatur auf dem Schädel dieses schnöseligen Studenten im Anzug, der ihn als versoffenen und nach Pisse stinkenden Penner beleidigt hatte, war ein Bild, das noch heute ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern vermochte. Auch das Gesicht des Professors war nicht zu verachten, in dessen Vorlesung er sich eigentlich nur aufwärmen wollte. Da musste er doch laut seine Meinung sagen, als der die jungen Studenten anlog, von wegen Sozialstaatsprinzip und so. Ein paar besonders eilfertige Studenten hatten ihn dann auch schnell ›entsorgt‹. Er hatte schon zuvor so ein seltsames Gefühl gehabt, das ihm bedeutete, nicht in eine Vorlesung von Juristen zu gehen. Wäre er mal besser zu den Literaturwissenschaftlern gegangen: Die Vorlesungen dort fand er interessanter, verstand auch mehr davon als von der trockenen Juristerei, auch wenn diese Studenten wegen seines Geruchs ebenfalls von ihm abrückten. Trotzdem fand er sie sympathischer. Bei den Literaturwissenschaftlern waren selbst die Professoren so gekleidet, dass sie gut als Hausmeister durchgehen konnten; zugegeben, als gut gekleidete Hausmeister in unbefleckter Arbeitsmontur. Die Studentinnen sahen in der sommerlichen Farbenpracht ihrer Kleidung aus wie Blüten. Sie hätten gut auf die Wiese des Wappens ihres Fachbereichs gepasst; die Literaturwissenschaftler gehörten dem Fachbereich Kulturwissenschaften an, für den die Abkürzung KuWi gefunden worden war. Was lag bei KuWi näher, als sie durch eine Kuh, die auf einer grünen Wiese stand, zu symbolisieren? Dieser Grad an Selbstironie und Kreativität widersprach dem der Juristen, die für sich ein schwarzes Paragrafenzeichen auf weißem Grund gefunden hatten. Die Juristen zeichneten sich Horsts Beobachtungen zufolge auch durch ein entgegengesetztes Bekleidungsverhalten aus; je höher die Studenten in den Semestern stiegen, desto konservativer kleideten sie sich, desto ähnlicher wurden sie ihren Professoren. Sicher gab es bei den Juristen Prüfungen, von denen nur die naiven Studenten glaubten, es ging um die Lösung juristischer Fälle. In Wirklichkeit wurde notiert, welche Studenten sich zu bunt, zu schrill, überhaupt zu auffällig kleideten; diese waren dann schon durch die Prüfungen gefallen, ohne es zu wissen. Horst erkannte, dass für ihn profane Fragen wie die der Bekleidung einen steigenden Stellenwert gewannen, je nachlässiger, schmutziger und verschlissener seine eigene Kleidung wurde.

Dann sah er einem Studenten über die Schulter, der sich auf YouTube einen Mann ansah, der einem Obdachlosen ähnelte, den er kannte. Sie nannten ihn einfach den Bärtigen oder Hammer, da er in nüchteren Tagen Boxer gewesen war und einen mächtigen Schlag gehabt haben sollte. Ihn ereilte ein mächtiger Schicksalsschlag, er geriet ins Wanken und fiel in die Gosse. Der Mann mit dem ungepflegten Bart, den etwas längeren Haaren und dem einfachen T-Shirt war ein Philosoph, wie er später las, einer der innovativsten Denker der Gegenwart. Horst lauschte seinen Erzählungen, die für ihn Offenbarungen waren. Dieser gläubige Atheist war ein Messias. Seine Bücher verschlang Horst, ohne seinen Saufkumpanen auch nur ein Wort darüber zu sagen. Die Gefahr war zu groß, dass der Abstand zwischen ihnen zu offensichtlich wurde und sie ihn ausgrenzten, weil er anders war. Obdachlose waren in dieser Beziehung genauso intolerant und spießbürgerlich wie die kleinkariertesten Hauseigentümer. Als Gerry, eigentlich Gerald, ein stark tätowierter Obdachloser, ihn einmal beobachtete, wie er in die Universität ging, war dies ungefähr so, als ob er freiwillig in das Polizeirevier gegangen wäre; in beiden Gebäuden hatte ein Obdachloser freiwillig nichts zu suchen. Als Gerry ihn dazu misstrauisch befragte, meinte Horst nur, dass er dringend pissen musste und man ihn dort auf die Toilette ließe. Dies war für Gerry Erklärung genug. Gegen die Obdachlosen wurde ein Ordnungsgeld verhängt, wenn sie im Stadtzentrum urinierten. Für das sich selbst reinigende Hightech-Klo am Zehmeplatz im Zentrum der Stadt hatte er kein Geld und die Toiletten in den Einkaufszentren waren wegen der auch dort gegen ihn ausgesprochenen Hausverbote unerreichbar.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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