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Sie war in der Hölle, Doch sie kam zurück. Ruby Bergmann ist eine 27-jährige Grafik Designerin, die bis zum heutigen Tag, gegen die Auswirkungen ihrer beschissenen Kindheit ankämpft. Als ihr gewalttätiger Vater stirbt, erhofft sie sich Befreiung von dem Grauen der Vergangenheit. Doch die Kleine Ruby, die in ihr lebt, ist unersättlich. Sie wünscht sich Rache. Ruby Bergmann findet einen nicht ganz konventionellen Weg, die kleine Ruby zum Schweigen zu bringen. Als Ruby den gut aussehenden Polizisten Nils Kramer kennenlernt, wird es für sie immer komplizierter, ihr Doppelleben aufrecht zu erhalten. Werden Sie Ruby lieben oder werden Sie Ruby hassen? Denn dazwischen gibt es nichts.
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© 2021 Dannie Rubio
Herausgeber: HumanTalent & Me
Autor: Dannie Rubio
Umschlaggestaltung, Illustration: © Phönix Graphics Spain
Korrektorat: Human Talent & Me
Verlag & Druck: Human Talent & Me Verlag
Calle Bonitol 4
03110 Mutxamel
Spain
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Es gibt immer einen Ausweg
Prolog/ vor 20 Jahren
Die kleine Ruby spielt in ihrem Kinderzimmer. Vor kurzem hat sie ihren siebten Geburtstag gefeiert. In ihrem kleinen Reich ist Rubys Welt noch in Ordnung. Ihr Zimmer ist ihre sichere Zone. Ihr Schloss, ihre Burg, hier ist sie in Sicherheit, vor den Launen ihres gewalttätigen Vaters. Unbeschwert striegelt sie ihr Stoffpferdchen und gibt ihm Holzkarotten zum Knabbern. Ruby liebt Pferde über alles. Ihre Sammlung reicht von Stoff-, Playmobil-, Plastik-, Holz- bis zu Legopferdchen in vielen Größen und Farben. „Ruby, Schatz, komm doch bitte und hilf mir beim Tisch decken“, ruft ihre Mutter aus der Küche. Ruby zögert keine Sekunde, sie weiß, dass ihr Vater zu Hause ist und sie sich besser beeilt. Mit kleinen Sprüngen hüpft sie zur Tür, öffnet diese vorsichtig und geht in die Küche zu ihrer Mutter. Verstohlen schaut sie nach, wo ihr Vater ist, beruhigt stellt sie fest, dass er vor der Flimmerkiste sitzt. Ruby holt sich zwei Gläser aus der Küche, um sie auf den Esstisch zu stellen. Und da passiert es: Eines der Gläser kommt ins Wackeln und fällt schließlich mit Riesen-Gedöns auf den Holzboden. Ruby steht da wie gelähmt. Ihr Vater kommt mit großen Schritten auf sie zu. „Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?“, zischt er sie voller Wut und Hass an. „Du bist zu nichts zu gebrauchen, nicht einmal ein Glas kannst du auf den Tisch stellen. Du bist ein Nichtsnutz, du bist nicht gut genug für nichts und niemanden, schreib dir das hinter deine schmutzigen Ohren.“ Ruby hat nur einen Ausweg aus dieser Situation, sie weiß genau, dass ihr Vater noch lange nicht fertig ist mit ihr. Angsterfüllt versteckt sie sich in ihrer kleinen Hölle. Es ist kein schöner Ort; es ist dunkel, es herrschen Traurigkeit, Einsamkeit und Angst. Aber es ist ihr einziger Weg, emotional aus dieser Situation zu entfliehen. Da zu sein, doch gleichzeitig nicht da zu sein. Ihr Vater schaut sie wütend von oben herab an. Ruby erhascht einen Blick auf ihre Mutter. Sie kocht in aller Ruhe, ohne die schreckliche Szene zu beachten. „Mom?“, flüstert Ruby. „Mom? Mom wird dir nicht helfen, weil Mom auf meiner Seite ist“, keift er sie an. Mit Schwung knallt seine rechte Hand mitten in ihr zierliches Gesicht. Sie fällt zu Boden. „Steh sofort wieder auf!“ Mit Mühe und zitternd vor Angst steht sie auf. In ihrem Mund macht sich der unverkennbare Geschmack von Blut bemerkbar. Ungewollt beißt sie auf den kleinen Zahn, der sich vom Zahnfleisch gelöst hat. Sie möchte weinen, aber sie weiß, dass das ihren Vater nur noch wütender machen würde. Traurig schaut sie ihn an. „Was glotzt du mich so an?!“ Wieder schlägt er zu. Diesmal kann sie sich auf den Beinen halten. „Was für ein unmögliches Kind“, sagt er verächtlich. „Und jetzt hilf gefälligst deiner Mutter beim Tischdecken und wehe, es fällt noch einmal etwas auf den Boden.“ Er lässt von ihr ab und widmet sich wieder dem Fernseher. Ruby spuckt den Zahn aus, in ihre kleine Hand. Sorgsam steckt sie ihn in ihre Hosentasche.
In der Gegenwart
1 Nils
„Könnt ihr bitte sofort zum Steglitz fahren. Ein Mann ist gestürzt, er bewegt sich nicht mehr. Laut Anruferin zeigt er kein Lebenszeichen“, ertönt das Funkgerät im Einsatzwagen von Nils Kramer und Ralf Teufel „Wer hat angerufen?“, will Ralf Teufel wissen. „Wohl seine Frau.“ „Wir sind in der Gegend und fahren gleich vorbei.“ Nils Kramer ist 41 Jahre alt, Polizist aus Leidenschaft. Er liebt seinen Beruf. Aber wenn Betrunkene im Spiel sind, ist er befangen. Betrunkene Menschen und Alkohol kann er nicht ausstehen, seit seine Frau bei einem Verkehrsunfall vor acht Jahren ums Leben kam, nach nur zwei Jahren glücklicher Ehe. Ein Besoffener knallte frontal mit seinem SUV in ihren VW-Käfer. Sie hatte nicht den Hauch einer Chance, war sofort tot. Der Unfallverursacher hatte mit nur leichten Verletzungen überlebt. Nie hat er sich entschuldigt und es tat ihm auch nicht sonderlich leid. Leid tat ihm einzig sein zerstörter Wagen. Nils ist ein gut aussehender Mann, ohne arrogant zu sein oder zu wirken. Es ist ihm schlichtweg nicht bewusst. Mit einer Größe von 1,88 Metern ist er schon ein Blickfang. Der Rest tut sein Übriges. Braune gelockte Haare, haselnussbraune Augen, eine perfekte Nase, leicht geschwungener Mund, sportlicher Körper. Die Natur meinte es gut mit Nils Kramer. „Haus Nummer 14, wir sind hier.“ Sie stehen vor einem schmucken Einfamilienhaus. Es ist schon dunkel, drinnen leuchtet gedämpftes Licht. Vor dem Haus parken ein dunkelgrauer Audi TT und ein blauer Mercedes S 500. „Hübsche Wagen“, sagt Ralf bewundernd. Ralf ist seit fünf Jahren Nils‘ Partner. Ein unkomplizierter Zeitgenosse, meist gut gelaunt; er versucht, die Welt immer positiv zu sehen. Ralf ist 35 Jahre alt, seit 16 Jahren verheiratet mit Maja. Ihre 7-jährige Tochter heißt Stefanie. Er ist ein durchschnittlicher Typ, kurze dunkelbraune, fast schwarze Haare, braune Augen, eine etwas zu groß gewachsene Nase und eher dünne Lippen. Hätte er nicht Probleme mit dem Gewicht, wäre sein Leben seiner Ansicht nach perfekt. Mal rauf, mal runter. Gerade steckt er in einer schlanken Phase. Sein größtes Problem ist seine Vorliebe für Süßigkeiten, er kann zu Donuts und Schokolade einfach nicht Nein sagen. Ding-Dong. Nils drückt den Klingelknopf. Von drinnen dringt kein Laut nach außen. Sind sie hier richtig? Doch nach einer kurzen Weile öffnet sich zaghaft die Tür. „Hallo, wir sind Nils Kramer und Ralf Teufel von der Polizei. Wir haben eine Meldung erhalten, dass hier ein Unfall passiert ist“, informiert sie Nils. „Ja, kommen Sie rein“, sagt die Frau. Ralf und Nils schauen sich an und treten ein. Die Frau ist zirka 55 Jahre alt, schätzt Nils, gepflegt, sympathisch, wirkt aber unsicher und eingeschüchtert. Sie hat dunkelblondes mittellanges Haar mit ein paar grauen Strähnen, braune Augen und einen wachen, aufmerksamen Blick. In der Küche angekommen, sehen sie das Opfer am Boden liegen. Ein Mann, vielleicht um die fünfzig. Schwer zu sagen, da er auf dem Bauch liegt. Er trägt eine schwarze Jeans, schwarze Halbschuhe und ein ehemals weißes Polo Shirt, welches jetzt blutdurchtränkt ist. Um seinen Kopf breitet sich eine riesige Blutlache aus. „Was ist geschehen?“, fragt Ralf. Erst jetzt bemerkt Nils, dass noch jemand in der Küche steht. Eine jüngere Frau, die geschätzte Mitte zwanzig ist, klein, sportliche Figur, kurze verrückt gestylte Haare, die ihn an ein Meerschweinchen erinnern. Und wunderschöne blaue Augen. An der Lippe hat sie eine Verletzung, sie hält sich ein Taschentuch daran, um die Blutung zu stillen. Auch an ihrer rechten Handinnenfläche sieht er eine blutende Verletzung. Sein Blick bleibt an ihr hängen. Nils, reiß dich zusammen, ermahnt er sich selbst. Die junge Frau bemerkt es und schaut ohne Scham zurück. Ein tiefer Blick, traurig, unsicher, aber irgendwie auch herausfordernd und rebellisch. Nils wendet seine Augen von ihr ab und widmet seine ganze Aufmerksamkeit der Gattin des Verstorbenen. „Er war betrunken. Wie so oft, wenn er zu viel getrunken hat, ist er gewalttätig“, erklärt Melissa, die Frau des Toten, stockend. Auch wenn er nicht betrunken ist, denkt Ruby, die Tochter des Opfers. „Was ist genau geschehen?“, will Ralf nun wissen. „Er hat Ruby geschlagen, weil sein Glas nicht sauber war. Dann hat er das Gleichgewicht verloren, fiel vorne über und hat sich die Halsschlagader mit dem zerbrochenen Glas geschnitten.“ Sonderlich traurig scheint sie über den Tod ihres Gatten nicht zu sein. Aber wer kann ihr das verübeln? Was für ein Arschloch, denkt Nils. Ralf zieht sich Latexhandschuhe an, kniet sich hin und tastet nach der Halsschlagader. „Er ist tot“, sagte er leise. „Er hat es verdient“, meldet sich die junge Frau zu Wort. „Und Sie sind?“, will Nils wissen. „Ruby Bergmann, seine Tochter. Er hat mein Leben zerstört. Wir hatten alles, alles, was man mit Geld kaufen kann. Aber er hat mich mein Leben lang nur geschlagen und erniedrigt. Ich musste mir jeden Tag anhören, dass ich nichts wert bin, dass er nie hätte Kinder haben sollen. Können sie verstehen, dass sich meine Trauer in Grenzen hält?“ Melissa legt ihre Hand auf Rubys Schulter. Eine tröstende Geste, aber sie scheint unbeholfen, unsicher. Nils beobachtet die Szene. Ruby scheint die Zuneigung ihrer Mutter nicht zu gefallen. Nils nickt zaghaft, es tut seinem Herzen weh, den Schmerz in ihren Augen zu sehen. Was löst diese Frau in ihm aus? Von draußen hören sie die Sirenen eines Rettungswagens. Zwei Sanitäter stürzen herein. „Hier gibt’s nichts mehr für euch zu tun“, sagt Ralf trocken. Unbeirrt knien sich die Sanitäter hin und vergewissern sich, ob sie doch etwas tun können. „Er ist tot“, sagt einer der beiden. „War er nur gewalttätig, wenn er betrunken war, oder auch in nüchternem Zustand?“, will Nils wissen. Was tut das zur Sache?, wundert sich Ruby. Ihre Mutter will gerade das Wort erheben, als Ruby ihr dieses abschneidet. „Er war ein böser Mann, Gewalt war seine Sprache. Besoffen oder nicht. Wenn er besoffen war, tat es mehr weh, das war der einzige Unterschied. Er war unberechenbar.“ Ihre Mutter schaut sie kritisch an und räuspert sich. „Das stimmt nicht ganz, Ruby, er war auch liebenswert und charmant.“ „Zu dir, Mom, du lebst in deiner Welt und willst es einfach nicht sehen. Er hat mich gehasst, weiß Gott, warum.“ „Woher stammt die Verletzung an ihrer Hand?“, will Nils von Ruby wissen. „Ich habe mich geschnitten, als ich nachgeschaut habe, ob er noch am Leben ist. Ich habe die Scherbe nicht gesehen“, erklärt Ruby. „Brauchen sie einen Arzt?“, fragt Nils besorgt. „Nein, geht schon“, versichert Ruby. Süßer Kerl, denkt sie. Nils und Ralf schauen sich an. „Vielen Dank für ihre Offenheit.“ Nils schaut erst zu Melissa, dann zu Ruby. Er schluckt und fährt fort. „Okay, dann warten wir die Obduktion ab und melden uns, sollte es weitere Fragen geben.“ „Ja, machen Sie das“, erwidert Melissa freundlich. Sie verabschieden sich und steigen ins Auto. „Traurige Geschichte, nicht?“, sagt Ralf nachdenklich. „Was stimmt nicht mit einem Menschen, der seine eigene Tochter ihr ganzes Leben lang terrorisiert? Ich denke, die Familie ist jetzt besser dran“, meint Nils ernst. „Ja, das glaube ich auch. Aber sag mal, die Verletzung an der Hand der Kleinen, findest du die nicht etwas, mh, seltsam?“ „Nein, warum? Macht doch Sinn, sie hat sich hingekniet und in der Aufregung hat sie die Scherbe nicht gesehen“, antwortet Nils überzeugt. „Kann es sein, dass du nicht ganz objektiv bist?“ „Was meinst du?“ „Sag du es mir. Hat dir die Kleine den Kopf verdreht? Ich habe deinen Blick schon gesehen. Ich sehe das, Nils, vor mir kannst du keine Geheimnisse haben.“ Er grinst. „Blödsinn“, erwidert Nils.
2 Ruby
Ruby Bergmann ist 27 Jahre alt, sie ist mit ihren 1,58 Metern nicht die Größte. Auch sonst ist sie nicht der „Prototyp Traumfrau“. Trotzdem verdreht sie vielen Männern den Kopf. Mit ihren kurzen, wuscheligen blonden Haaren sieht sie frech und rebellisch aus; jemand, der in keine Schublade passt. Die kleine Nase fügt sich perfekt in ihr hübsches Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Ihre blauen Augen scheinen in die Menschen hineinzuschauen. Ihr Blick ist eine Mischung aus Traurigkeit, Hoffnung und Sehnsucht. Rubys Lachen ist echt und herzlich. Obwohl schon 27, hatte sie erst eine längere Beziehung, denn immer, wenn es ernster wurde, machte sie zu. Es ängstigt sie, sich zu öffnen, sich verletzlich zu zeigen. Ihre kleine Wohnung am Tempelhof liebt sie über alles. Sie liegt über einem kleinen Nähgeschäft. Ihr schmuckes Zuhause ist ihre Burg, ihre Festung, in der sich sicher fühlt und ihre Ruhe hat. Sieben Jahre wohnt sie nun nicht mehr bei ihren Eltern. Die beste Entscheidung, die sie je getroffen hat. Als sie damals ausgezogen ist, hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre Mutter alleine mit ihrem Vater zurückließ. Aber sein Hass war ausschließlich auf sie gerichtet. Oft fragte sie sich, was sie getan hatte, dass er sie so hassen konnte. Anfangs erniedrigte er sie mit Worten, schrie sie an, sagte ihr immer und immer wieder, dass sie nichts kann und nichts ist. Als sie sieben Jahre wurde, begann er sie zu schlagen. In der Schule wurde gefragt, warum sie schon wieder blaue Flecken habe. Sie sagte dann immer, sie sei vom Pferd gefallen oder mit dem Bike gestürzt. Keiner hatte Verdacht geschöpft, sie waren die nette kleine Familie von nebenan. Gut situiert und unauffällig. Das Drama, das sich hinter der Haustür abspielte, konnte und wollte keiner erahnen. Heute noch leidet sie unter ihrer Vergangenheit, die sie geformt und geprägt hat. Ruby ist das Resultat lebenslanger Gewalt, Ablehnung, Hass und Erniedrigung. Damit wird sie ein Leben lang zu kämpfen haben, das weiß sie. Nie wird sie ganz frei sein. Wenn es die Zeit erlaubt, besucht sie ihre Mutter einmal in der Woche. Das Verhältnis zu ihr würde sie als normal bezeichnen. Glaubt oder hofft sie zumindest. Auch wenn sie nicht verstehen kann, dass sie ihren Vater nie verlassen hat, liebt sie ihre Mutter. Beschützt hat sie Ruby nie, zu keiner Zeit ist sie vor ihrem Vater für sie eingestanden und hat sie verteidigt. Immer hat sie gekonnt weggesehen. Es gab strenge Regeln zu Hause. Über Gefühle sprach man nicht, niemals. Man erduldete alles und versuchte nicht aufzufallen. Man setzte sich nicht zur Wehr, hielt den Mund und versuchte, sich unsichtbar zu machen. Was Vater sagte, war Gesetz, was er tat ein Geheimnis. Vor kurzem bedeutete ihr ihre Mutter, dass es ja nicht sooo schlimm war, sie meinte: „Wenigstens hat er dich nicht vergewaltigt.“ Da stellte Ruby fest, dass ihre Mutter in einer anderen Welt lebt. Den Missbrauch ihres Mannes an der eigenen Tochter hat sie sich schöngeredet, hatte keinen Bezug mehr zur Realität. Hätte sie die Wahrheit akzeptiert, wäre sie daran zerbrochen. Davon ist Ruby überzeugt. Melissa musste selber Angst vor ihrem Mann gehabt haben, nur so kann sie sich ihr Verhalten erklären. Ruby hat einen guten Job, sie arbeitet als Grafikdesignerin bei GRAPHICS 4 YOU, einem kleinen Grafik Design Studio. Beim Chef, den Angestellten und den Kunden ist sie äußerst beliebt. Die Arbeit fällt ihr leicht, sie war schon immer kreativ und konnte Gefühle, Gedanken und Ideen in Bilder und Grafiken verwandeln. Was ihr schwerfällt, ist der Umgang mit Menschen. Sie möchte, dass die Leute sie mögen, sie ist auf der ständigen Suche geliebt zu werden. Auseinandersetzungen scheut sie. Wenn jemand wütend auf sie ist, wird ihr beinahe schlecht und sie fällt in ein tiefes schwarzes Loch. Ihre kleine Hölle, so nennt Ruby den Ort der absoluten Dunkelheit, der überwältigenden Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit. Manchmal dauert es Minuten, bis sie aus ihrer Hölle entfliehen kann, bisweilen Stunden. Menschen sind anstrengend, schwer zu verstehen und gefährlich. Heute lieben sie dich und morgen hassen sie dich. Aber Ruby hat auch eine andere Seite, in der sie patzig ist, rebellisch, zynisch und sarkastisch. Sie hat sie vereint die beiden Rubys, Yin und Yang, Jekyll und Hyde. In Perfektion. Heute ist Mittwoch und mittwochs geht sie meist zu ihrer Mutter. Gemeinsam kochen sie etwas und spielen UNO. Angeregt unterhalten sie sich in der Küche, als ihr Vater sturzbesoffen zur Tür hereinstürzt. Eigentlich müsste er viel später nach Hause kommen. Scheiße, was macht der denn schon hier? Erschrocken schaut Ruby zur Haustür. Mittwochs hat er meistens noch Besprechung mit Mitarbeitern. Seit Monaten hat sie ihn nicht mehr gesehen, sie geht ihm aus dem Weg. Da steht er nun und glotzt die beiden mit seinen glasigen Augen an. Die Pupillen winzig klein. „Was macht die denn da? Will sie Geld? Kleines Miststück, ich will dich hier nicht mehr sehen, das habe ich dir schon x-mal gesagt. Wer weggeht, ist weg, der muss nicht mehr zurückkommen!“, brüllt er wütend. Ruby hat sich noch nie gegen ihn zur Wehr gesetzt. Sein Geschrei lähmt sie. Nicht so heute. Ihr Blutdruck steigt und sie spürt, wie etwas in ihr erwacht. Sie hat genug, sie hat die Schnauze voll. Ihr Herz rast, sie zittert am ganzen Körper. Tief durchatmen 1,2,3, beruhigt sie sich selber. Sie hat eine Atemtechnik gelernt, die ihr bei Panikattacken hilft. „Du hast dieses missratene Ding auf die Welt gebracht, schämst du dich nicht!“, schreit er seine Frau an. Die steht in der Ecke und hat sich offensichtlich von dieser Welt verabschiedet, ist in ihre eigene kleine verdrehte Welt abgetaucht. Seinen hasserfüllten Blick mit den glasigen Augen und den kleinen Pupillen auf Ruby gerichtet, geht er auf sie zu, holt aus und schlägt ihr ins Gesicht. Ruby fällt nach hinten, kann sich aber an einem Stuhl festhalten. Ein Glas stürzt um und zerbricht in tausend Teile. Geschockt berührt sie ihre Lippe, Blut tropft von ihrem Finger. Tränen lösen sich aus ihren Augen. Sie blinzelt die Tränen weg. Ruby droht abzustürzen in ihre Hölle, aber sie darf es nicht erlauben. Nicht jetzt Ruby, bitte nicht jetzt. Sie weiß, was jetzt kommt. Er wird sie schlagen, bis er genug hat. Bis er zufrieden ist, sich stark und wichtig fühlt. Wenn sie Glück hat, wird er ihr keine Knochen brechen. „Hast du Angst? Mach ich dir Angst? Du Nichtsnutz. Ich weiß nicht, kleine Ruby, warum ich dich so hasse. Es ist deine blanke Anwesenheit, die mich so wütend macht. Es ist deine Schuld. Du bist einfach ein Nichts, du bist nicht gut genug für nichts und niemanden“, spuckt er Ruby wütend ins Gesicht. Ruby schaut ihm in die Augen, sie hat Angst, Todesangst. Trotzdem fühlt sie sich plötzlich mutig, rebellisch. Sie spürt … Hass, reinen Hass. Und das beflügelt sie. Mutig fixiert sie seine Augen, seine kleinen fiesen Schweineaugen, die ihr, ihr Leben lang nur Abneigung entgegenbrachten. „Ich hasse dich, du feiges Schwein, du Abschaum, du bist widerlich, mitleiderregend“, flüstert Ruby ihm zischend zu. Ihr Vater guckt verdutzt. Die Welt steht still, der Moment scheint ewig zu dauern. Bedrohlich nähert er sich Ruby. Sie schluckt. „Oha, sind wir heute mutig? Du brauchst wohl noch ein paar Schläge mehr, hast nicht genug.“ Rubys Mutter Melissa weint kläglich. „Hört doch bitte auf“, fleht sie. „Lass nur. Das klären wir unter uns, Vater und Tochter“, sagt er mit einem ruhigen, flüsternden Tonfall. Rubys Herz schlägt rasend schnell, als sie zu ihrem 1,80 Meter großen Vater aufschaut. Sie zittert. Ihre Wange brennt, sie spürt, dass Blut aus ihrer Lippe fließt. Er jedoch merkt nicht, wie Blut aus Rubys rechter Hand tropft. „Es ist vorbei, du wirst mir keine Schmerzen mehr zufügen, das hast du schon viel zu lange getan“, flüstert sie. Verdutzt schaut er sie an. „Wovon redest du, hast du getrunken?“ Er lacht laut und falsch. Als in diesem Moment Rubys rechte Hand blitzschnell nach vorne schnellt. Er sieht die Glasscherbe nicht, die sie in der Hand festhält, das Blut, das von ihrer Hand tropft. Die Scherbe schneidet tief in seinen Hals ein, sie dreht sie herum, schaut ihm dabei starr in die Augen. Das Blut spritzt aus seinem Hals wie aus einem Gartenschlauch. Er schaut sie mit großen Augen an. „Was hast du getan, du Miststück?“, röchelt er, Blut läuft aus seinem Mund. Er blubbert vor sich hin. „Auf diesen Moment habe ich 27 Jahre lang gewartet“, flüstert sie ihm zu. Er fällt auf den harten Küchenboden, röchelt und zuckt noch ein paarmal, bis das Leben aus ihm entschwindet. Sie genießt jede Sekunde davon. Dann ist es vorbei. Aus, Schluss, das war’s. Es fühlt sich seltsam an. Befreiend, ja, es fühlt sich gut an. Nächte lang hat sie ihn in ihren Gedanken auf jede erdenkliche Art ermordet und jetzt ist es real, sie hat es getan. Rubys Mutter kniet sich neben Karl hin. „Was hast du getan, Ruby?“, fragt Melissa weinerlich. „Das einzig Richtige“, antwortet sie kühl. „Er ist, er ist tot“, stellt Melissa fest und betrachtet Ruby aus verweinten Augen. „Gut.“ Plötzlich steht Melissa auf und wäscht sich die Hände. Sie füllt Wasser in ein Glas. Gefasst trinkt sie einen Schluck und sagt ruhig: „Er ist gestürzt, er hat das Gleichgewicht verloren und ist gefallen.“ Ruby und Melissa schauen sich an, es ist klar, was dieser Blick zu sagen hat. Es bleibt unser Geheimnis.
3 Donnerstag
„Hey Nils, die Obduktionsresultate sind soeben hereingekommen“, ruft Ralf dem gerade eben eintretenden Nils zu. „Und?“ Ralf beißt von seinem Nutella-Brot ein großes Stück ab und spricht mit vollem Mund. „Mh, ja, offiziell gestorben am Blutverlust.“ „Man spricht nicht mit vollem Mund, Ralf.“ „Ja, schon gut.“ „Also alles, wie sie es uns erzählt haben?“, will Nils wissen. „Ja, außer“, er nimmt einen weiteren Bissen von seinem Brot. Ralf fährt fort, Nils verdreht die Augen. „Es scheint, dass die Scherbe in den Hals eingedrungen ist, dann aber umgedreht wurde.“ Ralf imitiert die Bewegung mit seinen Händen. „Mh, aber das kann ja beim Sturz passiert sein“, findet Nils. „Ja, kann sein. Aber ich glaube, wir sollten die beiden nochmals besuchen und sie damit konfrontieren. Was meinst du?“ „Ja, wollen wir gleich los?“ „Ja, komm, gehen wir.“ Im Honda Civic fahren sie von Nils nach Steglitz. Nach 22 Minuten Autofahrt erreichen sie ihr Ziel. Nils bemerkt, dass der Audi TT nicht vor dem Haus steht. Ralf klingelt an Melissas Haustür. Es vergehen wenige Sekunden, als sie von innen ihre Stimme wahrnehmen. „Ja“, sagt sie und ohne auf Antwort zu warten, öffnet sie die Tür. Verdutzt schaut sie die beiden Polizisten an. „Hallo, haben Sie noch Fragen? Ich bin müde und habe viel zu erledigen. Wir haben Ihnen alles gesagt.“ „Ja, soweit schon, es gibt nur eine kleine Unstimmigkeit. Dürfen wir hereinkommen?“, fragt Ralf höflich. „Ja, bitte.“ Sie öffnet die Tür. Als die Beamten die Küche betreten, fällt ihnen auf, dass nichts mehr an den Unfall erinnert. Der Boden ist sauber und es riecht stark nach Reinigungsmitteln. Sie müssen gestern Abend noch ganze Arbeit geleistet haben. „Wollen Sie einen Kaffee oder Tee?“, fragt Melissa jetzt deutlich entspannter. „Nein, machen Sie sich keine Umstände“, erwidert Nils, doch Ralf fällt ihm ins Wort. „Ein Kaffee wäre schön und vielleicht haben sie noch einen Keks? Oder zwei? Den Kaffee mit viel Milch und Zucker.“ Nils schaut seinen Kollegen an und schüttelt den Kopf. „Ich brauche Zucker, Nils, ich muss in die Gänge kommen.“ Melissa scheint es nichts auszumachen. Mit langsamen Bewegungen bereitet sie den Kaffee zu und legt ein paar Schokoladenkekse auf einen kleinen Teller. „Ich habe immer Kekse im Haus. Ruby liebt Kekse, Schokoladenkekse mag sie am liebsten.“ „Ist Ihre Tochter nicht hier?“, fragt Nils enttäuscht. „Nein, sie muss arbeiten heute und geht danach zu sich nach Hause.“ „Ah, sie wohnt gar nicht hier?“ „Nein, sie ist vor sieben Jahren ausgezogen. Ruby hat es hier nicht mehr ausgehalten. Ich kann ihr das nicht übel nehmen. Ihr Vater hat sie regelmäßig geschlagen. Grundlos, ich konnte ihr nicht helfen. Ich bin eine schlechte Mutter.“ Traurig schaut sie die beiden an. „Das finde ich nicht. Sie haben getan, was sie für möglich hielten. Keiner macht Ihnen einen Vorwurf“, meint Ralf. „Er war nicht immer so. Ich glaube, er liebte Ruby, aber auf seine ganz eigene Art und Weise.“ Nils hebt die Augenbrauen. „Er hat viel gearbeitet, hat uns ein schönes Leben ermöglicht mit allem Luxus, den man sich wünschen kann. Das ist doch auch eine Art von Liebesbeweis?“, schaut sie fragend die beiden Beamten an, „oder nicht? Er hat viel und hart gearbeitet, manchmal war er gestresst, kam nach Hause und ist explodiert, weil Ruby wieder irgendetwas angestellt hat. Daraufhin ging sein Temperament mit ihm durch. Mich hat er nie geschlagen, aber bei Ruby kannte er keine Grenzen. Und sie hat es hingenommen. Na ja, was hätte sie auch tun können, am Anfang versuchte sie noch, ihm alles Recht zu machen. Aber sie merkte schnell, dass, ganz egal was sie tat, es nie gut genug war.“ Nils kann sich nicht zurückhalten: „Sie hätte jemanden gebraucht, der zu ihr steht, der sie beschützt, vor ihrem eigenen Vater.“ Er schaut Melissa herausfordernd an, die seinen Blick erwidert, sich aber nicht dazu äußert. „Und Sie haben eine Scheidung nie in Betracht gezogen?“, fragt Ralf etwas ungläubig. Er kann nicht verstehen, dass sie so viele Jahre nur zugesehen hat. „Natürlich habe ich das, aber was hätte ich tun sollen? Ich habe nichts gelernt, habe früh geheiratet und in all den Jahren nie gearbeitet. Finanziell ging es uns gut. Karl war selbstständig, Immobilien, er hatte in der Finanzkrise ganz viele Schnäppchen gemacht. Die haben sich Jahre danach in wahre Goldgruben verwandelt. Aber er hatte auch vorher schon Geld von zu Hause aus. Seine Eltern waren vermögend und als einziges Kind war er Alleinerbe, als sie vor 15 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen.“ Nils zieht es den Magen zusammen. „Wenn Ruby nicht da war und er nicht getrunken hatte, war er gar nicht so schlimm.“ „Mh, ja, okay“, erwidert Nils etwas verwirrt. Was war mit diesem Mann los? Warum hasste er seine eigene Tochter so sehr? Er räuspert sich. „Hat er sie, hat er sie unsittlich berührt? Vergewaltigt?“ Entrüstet schaut Melissa ihn an. „Natürlich nicht, so einer war er nicht. Er war streng, aber kein Perverser.“ Sie scheint beleidigt. Nils versteht die Frau immer weniger und fährt fort. „Nun also, wir sind hier, weil die Obduktion ergeben hat, dass die Scherbe in den Hals Ihres Mannes eingedrungen ist, sich dann aber gedreht hat, gedreht wurde. Dadurch wurde die Halsschlagader durchtrennt. Können sie das erklären?“ Sie schaut ihn an und scheint nachzudenken. „Wie gesagt, er ist gefallen und in die Scherbe gestürzt. Ich habe nicht gesehen, wie sie eingedrungen ist oder ob und wie sie sich gedreht hat. Es ging alles viel zu schnell“, erklärt Melissa geduldig. „Verstehe. Wir würden gerne noch mit Ihrer Tochter sprechen. Wo können wir sie finden?“, will Ralf jetzt wissen. „Sie arbeitet meist bis 18 Uhr, danach geht sie nach Hause oder in den Stall.“ „In den Stall?“, fragt Nils neugierig. „Ja, sie liebt Pferde, schon seit sie klein ist. Sie hat ein eigenes Pferd. Ruby reitet auch Turniere, Reining oder so was. Ich kann mir den Namen nie merken,“ sagt sie verlegen, „das ist die amerikanische Reitweise.“ Zum ersten Mal hat sie ein Glänzen in den Augen. „Sie reitet sehr gut, hat schon viele Turniere gewonnen.“ „Können Sie uns ihre Adresse geben? Dann werden wir heute Abend mal bei ihr vorbeigehen.“ Sie händigt Rubys Adresse aus und verabschiedet sich freundlich, aber nicht ohne Nils einen strafenden Blick mit auf den Weg zu geben. „Nette Frau“, bemerkt Ralf. „Na ja, ehrlich gesagt, kann ich nicht nachvollziehen, dass sie 27 Jahre zugesehen hat, wie ihr Mann ihre einzige Tochter schlägt und erniedrigt. Ich meine, bisschen egoistisch, nicht? Das liebe Geld, sie liebte das gute Leben und hat die Not ihrer Tochter einfach ignoriert. Ich verstehe das nicht. Der Arsch hat das Leben der Kleinen zerstört und sie hat zugesehen.“ „Ja, das stimmt schon. Meinst du, es steckt mehr dahinter? Hinter seinem Tod, meine ich?“ „Ich weiß es nicht, verübeln könnte man es ihnen nicht. Ich hätte es wahrscheinlich schon längst getan.“ „Das wäre dann Mord“, erwidert Ralf trocken. „Ja, genau, Sherlock. Besuchen wir die Kleine heute Abend“, sagt Nils voller Vorfreude. „Sehe ich da Begeisterung in deinem Gesicht?“ „Ralf, du nervst, halt die Klappe.“
4 Rubys Donnerstag
Es war eine schöne Nacht, seit einer Ewigkeit hat Ruby nicht mehr so wunderbar geschlafen. Keine Ängste, keine Alpträume. Oftmals fährt sie in ihren Träumen Fahrrad. Und plötzlich tauchen furchteinflößende Monster auf und rennen hinter ihr her. Monster mit riesigen Mündern und Händen, überdimensionalen Zähnen. Und sie sind wirklich riesig. Ruby tritt in die Pedalen, aber das Fahrrad wird statt schneller, langsamer. Die Monster kommen ihr immer näher, sie schreit, weint und hat Todesangst. Bis sie endlich schweißgebadet aufwacht. Sie glaubt, dass sie wirklich schreit, aber sie weiß es nicht, es ist keiner da, der es ihr sagen könnte. Keiner, der sie in die Arme nimmt und tröstet, ihr versichert, dass es nur ein Traum war und alles in Ordnung ist. Manchmal vermisst sie es, jemanden neben sich zu haben, jemanden, mit dem man das Leben teilt, die guten und die schlechten Zeiten. Aber sie hat Angst, Angst vor Beziehungen, Angst, den Erwartungen eines Mannes nicht zu genügen. Sie mag Männer, sie kann sehr gut mit ihnen umgehen, aber sie lässt keinen näher an sich heran. Wenn sie merkt, dass einer mehr will, zieht sie sich zurück. Ist es wegen ihres Vaters? Ziemlich sicher, aber sie will kein Opfer sein, will nicht einsehen, dass sie kaputt ist. Ein seelisches Wrack. Unfähig, Beziehungen zu haben, Gefühle zu äußern. Nicht, dass sie keine Gefühle hätte, sie fühlt intensiv, aber sie kann sie nicht in Worte fassen. Angst zu verlieren, was sie liebt, also am besten niemanden so nahe heranlassen, dass es wehtun könnte. Aber die Wurzel des Übels ist weg, er ist tot. Weg für immer und ewig. Sie hat ihn umgebracht mit ihren eigenen Händen und sie muss zugeben, dass es sich verdammt gut anfühlt. Frei wie ein Vogel, der sein Leben lang dachte, dass er nicht fliegen kann, und plötzlich fliegt er. Müsste ich mich nicht schlecht fühlen? Ich habe einen Menschen getötet, mit meinen eigenen Händen, nein, nicht irgendeinen Menschen, meinen eigenen Vater, mein Fleisch und Blut. Mein Alptraum, mein Dämon, mein Schmerz. Aber ich weiß, er wird immer in mir weiterleben, er wird auf seine Chance warten, in der er mir zuflüstert, dass ich nichts wert bin, nichts kann, er wird da sein. In mir weiterleben, denkt Ruby. Viel früher hätte sie es tun sollen, aber sie hatte Angst davor zu morden. Angst davor, dass sie nicht damit leben kann. Dass sie daran zerbricht. Trotz allem, was geschehen ist, wird sie heute zur Arbeit gehen. Die Ablenkung wird ihr guttun, sie wird so tun, als täte ihr leid, was passiert ist. Aber jeder ihrer Arbeitskollegen weiß, wie ihr Vater war. Oft genug kam sie mit Verletzungen zur Arbeit. Sie fragten immer, warum sie ihn nicht anzeigen wolle. Was hätte das gebracht? Sie wird sich ein bisschen bedrückt geben, damit niemand Verdacht schöpft. Abends wird sie zum Stall fahren und ihr Pferd Hipster reiten. Eigentlich heißt er Hipsters best Day, er ist ein 8-jähriger Buckskin Quarter Horse Wallach. Als er zwei Jahre alt war, hat sie ihn in Italien gekauft. Mit viel Liebe und Geduld hat Ruby ihn ausgebildet, worauf sie sehr stolz ist. Hipster ist ihr bester Freund, ihr Trost, ihre Ablenkung, ihr Therapeut – alles, was ein Pferd sein kann. Ihm hat sie alle ihre Probleme, Schmerzen und Sorgen erzählt. Er hat zugehört und nichts gesagt. Viele Turniere hat sie mit ihm bestritten, einige sogar gewonnen. Ruby ist ehrgeizig, aber nie auf Kosten des Tieres. Gäbe es doch nur einen Mann mit den Eigenschaften ihres Pferdes, den man nach Belieben rausholt, eine gute Zeit mit ihm verbringt, dem man alles erzählt, weil er es nicht weitererzählen kann. Danach kann man ihn ganz bequem wieder wegstellen und sich darauf verlassen, dass er beim nächsten Besuch noch da sein wird. Man gibt ihm eine Karotte und er ist glücklich. Diese Gedanken bringen sie zum Lachen. Nach dem Reiten wird sie sich an der Ecke beim Türken eine Pizza holen. Eine Pizza vom Türken, lustig. Danach will sie sich beim Internetsurfen entspannen.
5 Rubys Abend
Der Tag verging schnell im Büro. Ruby musste einen Flyer, für ein T-Shirt Print Shop gestalten. Mit viel Freiheit in der Gestaltung, einzige Bedingung war die Farbe Orange. Kann man Orange mögen? Ruby findet, dass Orange blöde aussieht, keinem steht Orange. Außer Orangen. Sie mag Pink. Als Kind hasste sie Pink. Als Kind wollte sie ein Junge sein, da war Pink ein absolutes No-Go. Tatsächlich sah sie fast wie ein Junge aus. Vielleicht würde ihr Vater einen Jungen mehr lieben. Dachte sie. Nein, im Gegenteil, es machte ihn wütend, er schrie sie an: „Bist du etwa lesbisch? Machst du überhaupt etwas richtig in deinem kleinen verdammten Leben?“ Und – Zack! – hatte sie wieder eine eingefangen. „Vielleicht hilft das ja“, zischte er sie an. Damals war sie dreizehn und dachte das erste Mal ernsthaft darüber nach, von einer Brücke zu springen. Aber da war immer der Glaube, dass es irgendwann und irgendwo Liebe gibt, auch für sie. Plötzlich schleicht sich der Polizist von gestern in ihre Gedanken. Wie hieß er noch mal? Mh, Nikolas? Sebastian? Nein, es war ein kurzer Name … Nils, ja genau, Nils. Ein attraktiver Mann mit seinen gelockten dunkelbraunen Haaren, die er etwas länger trug, sodass sie locker über die Ohren fielen. Die hübschen Zähne, wie Hasenzähne und ein bisschen schief, aber das machte sein Lächeln noch unwiderstehlicher. Groß, sportlich, doch was ihr besonders auffiel, waren seine Augen, dieser Blick. Da war mehr, da war Schmerz, eine Last. Ruby hat eine Gabe, die aber zugleich auch ein Fluch ist. Sie spürt Menschen. Wahrscheinlich, weil Worte in ihrer Kindheit spärlich gesät wurden. Sie musste lernen, Menschen zu lesen und zu fühlen. Wenn sie irgendwo eingeladen wird oder jemand zu Besuch kommt, überprüft sie die Launen jedes Einzelnen. Manchmal nervt sie das. Sie kann es nicht steuern, es passiert einfach. Es ist anstrengend und meistens interessiert es sie gar nicht, wie die Leute drauf sind. Dieser Nils strahlte etwas Trauriges, aber auch Hoffnungsvolles aus. Gebrochen, er scheint gebrochen.
6. Nils Abend
„Es ist 20 Uhr! Komm, Herr Kramer, lass uns gehen, sonst wird es zu spät“, meckert Ralf. Sie fahren mit dem Honda Civic von Nils, weil sie nach dem Besuch bei Ruby gleich nach Hause wollen. Er wird Ralf nach Hause bringen und ihn morgen früh wieder abholen. „Was für ein Scheiß-Auto, echt, Nils, kauf dir was Gescheites.“ „Es fährt und das zählt.“ „So findest du nie eine Frau. Verkaufe dein Fahrrad, mit dem Geld kannst du dir einen Luxuswagen kaufen.“ „Niemals“, erwidert Nils lachend. Ralf könnte recht haben. Er ist leidenschaftlicher Mountainbiker und hat ein Carbon Bike, ein GT, was ein Vermögen gekostet hat. Er hat es lieb, ja er liebt sein Fahrrad, dazu steht er. Nils liebt es so sehr, dass es seinen Platz an der Wand im Wohnzimmer hat, was schon manche Frau abgeschreckt hat. Und Frauenbesuch hatte er in den letzten Jahren öfters, wenn auch nie eine längere Beziehung. Wer sein Bike nicht akzeptiert, der kann auch ihn nicht haben. „Hast du die Adresse?“, will Nils wissen. „Ja, hab ich.“ Nach 15 Minuten Autofahrt kommen sie an. Das Glück ist auf ihrer Seite, sie finden einen Parkplatz genau vor der Wohnung. Ralf parkt hinter Rubys dunkelgrauen Audi TT. „Ruby Bergmann, hübsches Mädel, hm“, bemerkt Ralf und sieht Nils forschend an. „Eine Mischung aus Pink und Meerschweinchen.“ Nils lacht, dasselbe hat er auch gedacht. „Die wär was für dich.“ „Spinnst du? Die ist doch viel zu jung.“ „Sorry, habe vergessen, dass du ein alter Mann bist“, lacht Ralf. Nils sieht mit seinen 41 Jahren eher aus wie 35. Er hat noch kein einziges graues Haar, kaum Falten und ein jugendliches Lächeln. „Ja, wer ist da?“, tönt es durch die Gegensprechanlage. „Polizei. Nils Kramer und Ralf Teufel, wir würden gerne kurz mit Ihnen reden“. Scheiße, denkt Ruby, was wollen sie? „Kommen Sie rauf.“ Die Tür surrt und lässt sich öffnen. „Oh, hier gibt es sogar einen Fahrstuhl“, bemerkt Ralf begeistert. „Ja, ich nehme lieber die Treppe, nimm du nur den Fahrstuhl“. „Ach was, ich komm mit dir.“ Sie steigen die alte Holztreppe hoch, es riecht nach altem Haus, nach Putzmitteln und Essen. Außer Atem erreichen sie den dritten Stock. Ruby wartet schon mit einem unsicheren Lächeln an der Tür. Sie trägt abgetragene Jeans und ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „Why“. In ihren weißen Sneakers sieht sie klein und verletzlich aus. „Kommen Sie herein, ich bin gerade erst nach Hause gekommen“, begrüßt sie die beiden Beamten freundlich. „Vom Reiten?“, fragt Nils. Überrascht schaut sie ihn an. „Ja, genau, woher wissen Sie das?“ „Ihre Mutter hat uns heute Morgen erzählt, dass Sie wahrscheinlich erst spät zu Hause sind, da Sie sicher noch reiten gehen.“ „Ach so“, lacht sie. „Möchten Sie einen Kaffee? Tee? Was Kaltes? Ich habe Cola Light.“ Warnend schaut Nils Ralf an. „Oh ja, gerne eine Cola. Vielleicht haben Sie noch Kekse oder so etwas?“ „Ralf“, mahnt Nils. „Schon gut, ich habe Sie ja gefragt, und tatsächlich habe ich auch Kekse, Schokoladenkekse“, grinst sie. „Und Sie?“, fährt sie an Nils gerichtet fort. Ruby richtet ihren Blick auf ihn. Scheiße hat der schöne Augen, aber nicht nur das. Das gesamte Paket ist verdammt sexy. Ihm wird heiß, seine Hände beginnen zu schwitzen. Er schaut Ruby herausfordernd an. Reiß dich gefälligst zusammen, ermahnt er sich selber. Dann atmet Nils durch und wendet seinen Blick von ihr ab. Ruby grinst. Ralf beobachtet ihn fassungslos. „Ja, auch gerne eine Cola Light, danke“, sagt er beiläufig. Ralf erklärt in wenigen Sätzen, warum sie hier sind. Ruby räuspert sich. „Ich habe Ihnen gestern schon erklärt, was vorgefallen ist. Ich weiß nicht, wieso sich die Scherbe gedreht hat. Es muss beim Sturz passiert sein, anders kann ich es nicht erklären.“ „Ja, das glauben wir auch“, sagt Nils. Ralf schaut ihn überrascht an und denkt ... Ah ja, tun wir das? „Aber wir müssen Sie fragen, weil wir allen Anhaltspunkten und Zweifeln nachgehen müssen“, erklärt Nils. „Und wie erging es Ihnen heute auf der Arbeit? Wollten Sie nicht lieber zu Hause bleiben? Schließlich war es trotz allem ihr Vater.“ „Ehrlich gesagt ging mir schon lange nicht mehr so gut wie heute. Wenn sie ihr Leben lang hören, dass sie nichts wert sind, dass sie besser nie geboren wären und dazu noch geschlagen werden, dann fällt es schwer, traurig oder betroffen zu sein. Jetzt, wo ich weiß, dass ich diese Stimme nie mehr wieder hören werde.“ Allerdings weiß sie, dass das nicht ganz stimmt. Seine Stimme lebt in ihr, ist immer da und wartet nur auf den richtigen Moment, sie daran zu erinnern, dass sie nichts wert ist, nicht würdig ist, geliebt zu werden. Dass sie einfach nicht gut genug ist, für nichts und niemanden. Sie fährt fort: „Trotzdem habe ich ihn nicht umgebracht, wenn es das ist, was Sie denken.“ „Man könnte es Ihnen nicht übel nehmen“, fügt Nils hinzu. Spinnt der jetzt total, denkt Ralf, das kann er doch nicht sagen. Was ist los mit ihm? „Dann wollen wir Sie nicht länger belästigen.“ Die drei stehen auf und schlurfen langsam zur Tür. Nils schaut sich in der Wohnung um. Rechts ist wohl das Schlafzimmer, dann gibt es einen kleinen Korridor, von dem alle Zimmer abgehen, neben der Küche ist das Bad und rechts das Wohnzimmer. Es ist alles sehr farbig und fröhlich. Erstaunlich wie jemand, der so aufgewachsen ist, dermaßen farbig sein kann, denkt Nils. Eine Kämpferin. Ruby gefällt ihm immer besser. Es hat selbst gemalte Bilder an den Wänden, Herzen und Sterne in allen Farben. „Haben Sie die gemalt?“, fragt Nils neugierig. „Ja, ich bin wohl ziemlich kreativ. Manchmal muss ich es herauslassen, dann kommt so was dabei raus“, grinst sie verlegen. „Schön, sie gefallen mir“, bemerkt Nils bewundernd. Ralf verdreht die Augen. Er schiebt seinen um einen Kopf größeren Kollegen vor sich her. „Sollten wir noch Fragen haben, melden wir uns wieder. Vielen Dank für die Cola und die leckeren Kekse“, sagt Ralf. „Bitte, gern geschehen. Ja, machen Sie das, tschüss.“ Sie schließt die Tür und lehnt sich erleichtert daran. Was war das denn? Scheiße, der ist süß. Hat sie sich eben verliebt? Die ewige Suche nach Liebe. Und trotzdem, das war jetzt irgendwie anders. Die Blicke, das Feeling. Ach, hör doch auf! Der ist viel zu alt! Obschon sie ältere Männer sehr anziehend findet, bei ihnen fühlt sie sich geborgen und sicher. Bis vor etwa acht Monaten hatte sie einen 10 Jahre älteren Freund. Michael. Am Anfang war alles ganz okay, richtig verliebt war sie aber nicht, also so, wie sie sich richtig verliebt sein vorstellt. Mit Schmetterlingen im Bauch, nervösem Kichern, Schweißhänden und dem ewig dummen Grinsen im Gesicht. Trotzdem hat sie Michaels Aufmerksamkeit genossen. Sie nahmen sich viel Zeit, um einander kennenzulernen. Nach zwei Monaten hatten sie den ersten Sex. Als sie jünger war, hatte sie den einen und anderen One-Night-Stand, fand aber keinen Gefallen daran. Für guten Sex muss sie verliebt sein, um sich hingeben zu können, die Intimitäten und die Berührungen zu genießen. Nach den One-Night-Stands fühlte sie sich stets mies, als wäre sie missbraucht worden. Mit Michael konnte sie gut reden, er hörte ihr zu und war auch immer für sie da. Und genau das nervte mit der Zeit. Als würde sein ganzes Leben sich nur um sie drehen. Dann wollte er immer mehr, wollte bei ihr einziehen und jede Sekunde mit ihr verbringen. Das wurde Ruby zu viel, sie fühlte sich eingeengt und eingeschüchtert wie ein verschrecktes Reh. Genervt machte sie Schluss, wollte ihm aber nicht wehtun. Also hat sie ihn ignoriert, die Haustür nicht mehr aufgemacht, Anrufe nicht entgegengenommen. Gehofft, dass er einfach aus ihrem Leben verschwindet. Wahrscheinlich hat ihn das mehr verletzt, als wenn sie ihm gesagt hätte, dass Schluss ist. Ruby hatte nicht den Mut, ihm ins Gesicht zu sagen, dass sie die Beziehung beenden möchte, also hat sie es ihm geschrieben. Per WhatsApp. Das Schlimmste, was man tun kann. Er hat sie danach einige Male nach der Arbeit abgefangen, hat geheult, sie in die Arme genommen und gesagt, dass sie füreinander geschaffen seien, er noch nie so verliebt gewesen sei und alles für sie tun wolle. Er hat sie umarmt und nicht mehr losgelassen. Dabei bekam sie fast einen Nervenzusammenbruch, hatte eine Panikattacke, als sie merkte, dass er sie nicht mehr losließ. Zitternd und in Todesangst hatte sie um sich geschlagen, ihn angeschrien, dass sie ihn nie mehr wiedersehen will. Er schaute sie an. Ernst und mit einem seltsamen Blick sagte er, dass er sie immer lieben werde, immer. Dabei wirkte er irgendwie kalt, ja fast besessen, und das machte ihr Angst. Aber er ging. Seither hat sie ihn nie wieder gesehen.
7 Nils
„Sag mal, was war das denn?“, schnauzt Ralf Nils an. „Was meinst du?“ „Du, da oben. Erst sagst du ihr, dass du verstehen würdest, wenn sie ihren Alten umgebracht hätte und dann schleimst du rum, wie hübsch die Bilder sind. Und diese Blicke... Ich dachte, sie sei zu jung für dich.“ „Die Bilder sind wirklich schön“, verteidigt sich Nils mit einem Grinsen. „Na toll, unser Herr Kramer ist in eine Tatverdächtige verliebt.“ „Hey, sie ist nicht tatverdächtig, es war ein Unfall und Schluss. Selbst wenn sie es getan hätte, könnte man es als Notwehr durchbringen“, war Nils überzeugt. „Ja, da hast du ziemlich sicher recht. Ein Arschloch weniger auf der Welt. Aber jetzt mal im Ernst: Gefällt sie dir?“ „Ja, ich finde sie sehr sympathisch.“ „Sympathisch“, wiederholt Ralf und zieht das Wort unnötig in die Länge. „Sympathisch ist der Hund von meinem Nachbarn.“ Nils lacht. „Ich finde sie sehr ansprechend. Hübsch, interessant, bisschen jung vielleicht.“ „Es soll ja Frauen geben, die auf alte Männer stehen“, sagt Ralf mit gespielter Ernsthaftigkeit. „Arsch“, lacht Nils. Er fährt Ralf mit seinem Honda Civic nach Hause. Sein Partner wohnt in einem stillen Viertel im ehemaligen Osten. „Vergiss nicht mich morgen um 8 Uhr abzuholen“, versichert sich Ralf. „Keine Angst, ich vergesse dich schon nicht. Wie könnte ich auch, selbst wenn ich wollte?“, erwidert Nils. Erschöpft kommt Nils zu Hause an, es war ein verdammt langer Tag. Müde schaut er auf die Uhr, 21:23 Uhr. Er hat Hunger, aber keine Lust, zu kochen. Schließlich entscheidet er sich für eine Schüssel Cornflakes mit Vollmilch und drei großen Löffeln Zucker. Während er sein Essen genießt, kommt sein Kopf nicht zur Ruhe. Hat er sich tatsächlich verliebt? Nach acht Jahren? Er hatte einige Beziehungen oder eher Bettgeschichten. Nicht ein einziges Mal war er verliebt. Fast alle Frauen sind kompliziert, ist er überzeugt. Sie sind hysterisch, langweilig und schränken ihn ein. Die meisten haben wenig Humor und nehmen alles viel zu ernst. Dann sind sie beleidigt, wenn man mal keine Zeit hat. Man kommt erschöpft nach Hause und sie stänkern herum. So etwas braucht kein Mensch. Helena, seine Frau, war da ganz anders. Als er sie das erste Mal gesehen hatte, war es sofort um ihn geschehen. Das war vor elf Jahren in einer Buchhandlung. Er wollte ein Buch für seine kleine Schwester kaufen. Ein Thriller sollte es sein und davon hatte er keine Ahnung. Helena kam auf ihn zu, mit diesem Grinsen, das ihm so gefiel. Sie hatte auch kurze frech frisierte Haare. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie ihn. „Ja, ich suche einen Thriller für meine kleine Schwester“. Verschmitzt fragte sie: „Wie klein ist denn Ihre Schwester?“ Er lachte: „Na ja, schon erwachsen.“ „Dann empfehle ich was von Simon Beckett, der ist spannend und nicht zu gruselig.“ „Ja gut, wenn Sie meinen, dann höre ich auf Sie.“ „Da ist gerade ein neues Buch von ihm herausgekommen: Leichenblässe. Aber das ist der dritte Teil einer Reihe mit einem Typen, der David Hunter heißt“, erklärte sie freundlich und begeistert. „Sie müssten die drei Bücher kaufen, das wäre am sinnvollsten“, sagte sie verschmitzt. Tja, am Schluss verließ er die Buchhandlung mit den drei Büchern der David Hunter-Reihe. Am nächsten Tag ging er wieder in die Buchhandlung und lud Helena einfach zum Kaffee ein. Er konnte nicht warten oder sich auf das Schicksal verlassen, dass sie irgendwie zusammenkommen; er nahm es selber in die Hand.