Rumkugeln bis zum Tod. Ein Hansel & Pretzel Krimi - Dani Baker - E-Book
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Dani Baker

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  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Nicht nur im Café Hansel & Pretzel liegt Weihnachtsstimmung in der Luft: Die kanadische Stadt Kitchener veranstaltet einen Christkindlmarkt nach deutschem Vorbild. Doch die festliche Idylle wird jäh zerstört, als Santa Claus mit einem Messer im Rücken gefunden wird.

Der Mordfall lässt Linns lang ersehnte Verabredung mit dem charmanten Polizeiinspektor Bas van de Groot platzen. Doch einfach abwarten und Tee trinken? Das ist nichts für Linn. Aus Neugier beginnt sie, selbst Nachforschungen über den ermordeten Weihnachtsmann anzustellen. Sein vermeintlich perfektes Leben ähnelt einem Baumkuchen: Je mehr Schichten sie freilegt, desto dunkler werden seine Geheimnisse. Und ganz nebenbei findet sie heraus, warum Bas plötzlich keine Zeit mehr für sie hat ...

Über die Serie:

Nach einer gescheiterten Ehe ist Linn Sommer froh, in Kanada einen Neuanfang wagen zu können. Die waschechte Norddeutsche mit einer Schwäche für Stepptanz, Fahrradfahren und attraktive Männer verschlägt es in das idyllische Städtchen Kitchener. Dort findet sie einen Job in der deutschen Bäckerei Hansel & Pretzel. Alles scheint perfekt - bis Linn hinter der Bäckerei eine Leiche findet! Sie beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Und das nicht nur, weil der zuständige Inspektor unwiderstehlich charmant ist.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diese Folge

Die Serie

Die Protagonisten

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Rezepte

Rumkugeln

Stollenkonfekt

Baumkuchenspitzen

Danksagung

In der nächsten Folge

Über die Autorin

Impressum

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Über diese Folge

Nicht nur im Café Hansel & Pretzel liegt Weihnachtsstimmung in der Luft: Die kanadische Stadt Kitchener veranstaltet einen Christkindlmarkt nach deutschem Vorbild. Doch die festliche Idylle wird jäh zerstört, als Santa Claus mit einem Messer im Rücken gefunden wird. Der Mordfall lässt Linns lang ersehnte Verabredung mit dem charmanten Polizeiinspektor Bas van de Groot platzen. Doch einfach abwarten und Tee trinken? Das ist nichts für Linn. Aus Neugier beginnt sie, selbst Nachforschungen über den ermordeten Weihnachtsmann anzustellen. Sein vermeintlich perfektes Leben ähnelt einem Baumkuchen: Je mehr Schichten sie freilegt, desto dunkler werden seine Geheimnisse. Und ganz nebenbei findet sie heraus, warum Bas plötzlich keine Zeit mehr für sie hat...

Hansel & Pretzel – Die Serie

Nach einer gescheiterten Ehe ist Linn Sommer froh, in Kanada einen Neuanfang wagen zu können. Die waschechte Norddeutsche mit einer Schwäche für Stepptanz, Fahrradfahren und attraktive Männer verschlägt es in das idyllische Städtchen Kitchener. Dort findet sie einen Job in der deutschen Bäckerei Hansel & Pretzel. Alles scheint perfekt – bis Linn hinter der Bäckerei eine Leiche findet! Sie beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Und das nicht nur, weil der zuständige Inspektor unwiderstehlich charmant ist.

Die Protagonisten

Sieglinde (Linn) Sommer, deutsche Teeliebhaberin, die sich nach einer Trennung ein neues Leben in Kanada aufbaut und dabei begeistert in Mordfällen ermittelt

Bas van de Groot, Polizeiinspektor, der Linns Einmischung einerseits nicht leiden kann, aber andererseits sie auch für ihre Menschenkenntnis bewundert

Kamryn Bellamy, Reporterin mit einem schier unermüdlichen Schatz an eigenwilligen, schottischen Redewendungen und Linns beste Freundin

Mackenzie (Mac) Snyder, Linns Gothic-Mitbewohnerin mit einer Vorliebe für laute Musik, Computergenie, stammt aus einer mennonitischen Familie

Igor Medwedew, Linns Mitbewohner, Fitnesscoach und angehender Koch, verwöhnt die WG regelmäßig mit seinen Kochkünsten

Bryan Evans, Linns Vermieter und Makler, der immer um ein friedliches Zusammenleben in der WG bedacht ist

Kyle Anderson, Linns Mitbewohner, Locationscout beim Fernsehen, dessen reizvolle Grübchen Linn häufig verwirren

Marianne und Rainer Brunhuber, Hansel & Pretzel-Besitzer, die Linn wie eine eigene Tochter ins Herz schließen

Kapitel 1

»Dieser Weihnachtsmarkt ist merkwürdig.« Ich ließ meinen Blick durch den Kuppelsaal des Kitchener Rathauses schweifen.

Igor, mein russischer Mitbewohner, nahm seine Wollmütze ab und strich sich über seine kurz geschorenen Haare. »Er gefällt dir nicht?«

»In Deutschland sind die Stände nicht nur für ein Wochenende aufgebaut. Und außerdem finden die Märkte draußen statt.«

»Du würdest heute lieber draußen stehen?«

Bei dem Gedanken an den eisigen Wind, der über den Vorplatz des Rathauses fegte, fröstelte es mich.

»So gesehen ist ein Weihnachtsmarkt im Rathaus schon besser«, gab ich zu.

»Die Kanadier haben ihr Leben ans Wetter angepasst.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Ist das der Grund, wieso sie nichts von Winterreifen halten und sich stattdessen wundern, warum sie bei Eis und Schnee mit ihren Sommerreifen regelmäßig im Graben landen?«

Igor brach in sein unverwechselbares helles Kinderlachen aus, das so gar nicht zu seinen Muskelpaketen passte. Neben seiner Kochausbildung am Culinary College arbeitete er als Personal Trainer und hatte eine entsprechende Figur.

»Ich hab nicht gesagt, dass sie immer gute Entscheidungen treffen.« Er deutete auf die über und über mit leckeren Backwaren bestückte Auslage, hinter der ich stand. »Dein Chef hat sich in den letzten Tagen offenbar mächtig ins Zeug gelegt.«

Seit ich vor Kurzem in die kanadische Kleinstadt Kitchener-Waterloo, von den Einwohnern liebevoll als KW bezeichnet, gezogen war, arbeitete ich bei Marianne und Rainer in ihrer deutschen Bäckerei mit Café. Trotz eines Mordfalls gleich an meinem ersten Arbeitstag machte mir die Arbeit bei Hansel & Pretzel viel Spaß. Daher hatte ich sofort zugesagt, als meine Chefin fragte, ob ich auf dem diesjährigen Weihnachtsmarkt helfen könne.

»Willst du was mitnehmen?«

Igor schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich wollte nur ‚Hallo‘ sagen.«

»Ich mache gleich Pause, dann können wir uns zusammen die Stände angucken.«

»Ich war schon überall. Außerdem muss ich nach Hause, um das Abendessen vorzubereiten.«

»Was gibt es denn?« Mein Magen knurrte, als ich an Igors leckere Abendessen dachte, die er regelmäßig für meine anderen Mitbewohner und mich zauberte.

»Lass dich überraschen.«

Draußen in einer Ecke des Markplatzes war eine Bühne aufgebaut, wo sich deutsche Volkstanzgruppen, Chöre und andere Musiker die Klinke in die Hand gaben. Das große, eckige Wasserbecken in der Mitte des Platzes war in den letzten Wochen in eine Eislauffläche verwandelt worden, wo Schlittschuhläufer jetzt gegen den Wind ankämpften. Direkt davor standen fünf Holzbuden, aus denen es nach Glühwein duftete, und ab und zu zog ein verführerischer Bratwurstgeruch in den Kuppelsaal. Da Alkohol und offenes Feuer im Rathaus verboten waren, hatte man diese Stände nach draußen verbannt.

»Stopp!« Ich wedelte mit der Hand. »Bitte kein Sauerkraut auf die Wurst.«

Die Bratwurstverkäuferin runzelte die Stirn.

»Aber erst dann ist es typisch deutsch«, behauptete sie.

Ich schüttelte vehement den Kopf. »Ich kenne keinen Deutschen, der sich eine eiskalte Portion Sauerkraut auf seine Bratwurst schmeißt.«

Sie hielt die Wurst im Brötchen hoch. »Sie wollen das so essen?«

»Ja. In Deutschland macht man noch ein bisschen Senf oder Ketchup drüber.«

Die Verkäuferin zuckte mit den Schultern und reichte mir die Bratwurst. In dem Moment begann eine Tanzgruppe gerade einen Schuhplattler inklusive Jodeleinlage vorzuführen. Die Zuschauer johlten vor Begeisterung, während ich mich beeilte, wieder in den Kuppelsaal zu kommen.

Als gebürtige Lübeckerin konnte ich mit dieser bayrischen Unterhaltung nichts anfangen. Im Gegenteil – mir rollten sich die Fußnägel hoch, wenn ich Volksmusik hörte. Aber die Kanadier liebten Volkstänze, Blasmusik, Polka, Akkordeonklänge, Dirndl und Lederhosen ebenso wie Sauerkraut auf Bratwurst. Das war ihr Inbegriff von deutscher Kultur.

Meine Bratwurst essend, bummelte ich im Rathaus an den verschiedenen Ständen vorbei. Beeindruckt betrachtete ich die Patchworkdecken, die sogenannten Quilts, die Mennoniten an einem Stand zusammen mit Apfelkuchen verkauften. Rund um KW lebten viele Familien dieser Glaubensgemeinschaft, die diverse Formen des Fortschritts ablehnten. Ich sah das aufwendige Muster einer großen, bunten Tagesdecke und fragte mich, wie viel Zeit die Mennonitin hätte sparen können, wenn sie eine Nähmaschine genutzt hätte, statt jeden Stich mit der Hand zu machen.

In einem Sitzungsraum hatten die „Eisenbahnfreunde Kitcheners“ zur Freude von Groß und Klein eine riesige Eisenbahnstrecke aufgebaut. Obwohl ich sonst Modellbahnen nichts abgewinnen konnte, stand ich ein paar Minuten in dem Raum und schaute dem ICE sehnsüchtig hinterher, wie er seine Bahnen durch die aufgebaute deutsche Miniaturlandschaft fuhr. Auch die kleinen Häuser in der Mitte, von denen eines aussah wie die italienische Eisdiele bei meinen Eltern in Lübeck um die Ecke, hatten es mir angetan. Als ich ein kleines gelbes Ortseingangsschild am Rand der Anlage entdeckte, steckte mir plötzlich ein Kloß im Hals. Verrückt, welche Dinge manchmal das Heimweh nach Deutschland auslösten.

Ich verließ die Züge, warf meine Serviette weg und schlenderte durch die Rotunde. Vom Angebot her ähnelte es tatsächlich einem deutschen Weihnachtsmarkt: Bienenwachskerzen, Weihnachtsbaumkugeln, Stricksachen, Tee, Holzspielzeug, Räuchermännchen, Nussknacker und Schwibbögen aus dem Erzgebirge. Im zweiten Geschoss hatte die deutsche Samstagsschule einen Informationsstand aufgebaut. Davor unterhielten sich eine Handvoll Kinder in einem Deutsch-Englisch-Mix. Dahinter standen ein etwa 40-jähriger Mann, der ein T-Shirt der deutschen Fußballnationalmannschaft trug und offenbar der Lehrer der Kinder war, und eine ältere Dame mit einem weiß-blau karierten Halstuch.

»Kaffee!«, rief die Frau. »Wer möchte Kaffee?«

In der Ecke ihres Standes sah ich Thermoskannen und zwei Kaffeemaschinen stehen. Daneben stapelten sich Tchibo-Kaffeepakete. Eilig drängten sich zwei ältere Ehepaare an den Kindern vorbei und bestellten auf Deutsch einen Kaffee.

Der Lehrer musterte mich und warf mir ein freundliches Lächeln zu. Sofort fühlte ich mich als Deutsche erkannt. Bevor er die Gelegenheit hatte, mich anzusprechen, drehte ich mich schnell weg und ging die Treppe hinunter zum Stand von Hansel & Pretzel.

»Bei der deutschen Schule ist der Tchibo-Kaffee der Renner«, berichtete ich meiner Chefin.

Marianne nickte. »Sie machen jedes Jahr einen Heidenumsatz damit.«

»Lassen die sich den extra für den Weihnachtsmarkt herschicken?«

»Den kann man hier bei Walmart kaufen. Steht im Gang mit den internationalen Spezialitäten.« Marianne hielt mir eine Kaffeetasse und einen kleinen Teller mit drei Rumkugeln hin. »Kannst du das Hank bringen?«

»Wer ist Hank?«

»Hank Myers. Er spielt immer den Santa Claus auf dem Weihnachtsmarkt.«

Ich verzog den Mund. »Willst du nicht lieber selbst gehen? Ich bleib solange am Stand.«

Marianne grinste. »Hast du etwa Angst vorm Weihnachtsmann?«

Ich unterdrückte ein Ächzen, als ich meine Beine über das rote Samtband schwang, das den Kindern signalisierte, dass Santa gerade eine Pause machte. Ich schritt auf den großen plüschigen Sessel zu, in dem Hank Myers saß. Links und rechts von ihm waren bunte Geschenke dekorativ aufgestapelt. Unter den aufgeklebten, buschigen, weißen Augenbrauen konnte man kaum erkennen, dass Hank Myers die Augen geschlossen hatte. Der Kopf war ihm im Schlaf auf die Brust gesunken, und er hatte beide Hände vor seinem dicken Bauch gefaltet.

Ich räusperte mich.

»Ich hab einen Kaffee und einen Snack für Sie.« Ich hielt Santa den Teller und die Tasse hin, doch Hank Myers rührte sich nicht. »Von Marianne. Als Stärkung, bevor der Ansturm auf Sie wieder losgeht.« Noch immer regte sich Santa nicht.

Ich stellte die Tasse und die Rumkugeln auf einem kleinen Tisch neben dem Sessel ab.

»Entschuldigung?« Ich berührte ihn vorsichtig am Arm.

Dabei fiel mir ein großer Fleck ins Auge, der seinen roten Mantel am Bauch dunkel gefärbt hatte. Ob ein Kind sich vor Angst in die Hose gemacht hatte, während es auf seinem Schoß gesessen hatte? Aber dann müsste die Hose und nicht der Mantel feucht sein. Der Fleck zog sich weiter nach oben und hatte sogar die Spitze seines weißen Rauschebarts rot gefärbt.

Rot.

Ohne weiter nachzudenken, ging ich einen Schritt zur Seite und schaute hinter den Plüschsessel. Aus dem samtroten Stoff blitzte der Handgriff eines Messers hervor. Und die Klinge hatte sich nach vorne in Hank Myers gebohrt.

Kapitel 2

Während diverse Polizisten versuchten, die aufgeregten Weihnachtsmarktbesucher zu beruhigen, saß ich mit hängenden Schultern auf einem Plastikstuhl hinter unserem Verkaufstresen. So hatte ich mir meinen ersten Nikolaustag in meiner neuen Heimat nicht vorgestellt.

»Hier.« Marianne hielt mir mit zitternden Händen eine Tasse entgegen.

Ich starrte auf das schwarze, dampfende Gebräu und schüttelte den Kopf. »Das krieg ich nicht runter.«

Ich mochte Kaffee nur, wenn er nicht mehr nach Kaffee schmeckte – viel Milch, möglichst aufgeschäumt, irgendein Sirup, der meine Geschmacksnerven mit Zucker beglückte.

»Wie wäre es damit?« Die vertraute dunkle Stimme ließ mich aufblicken. Vor uns stand die kanadische Version von Matthew McConaughey. In seiner linken Hand hielt er einen To-go-Becher meines Lieblingsteegeschäfts T Republic. »Santa’s Secret. Hätte ich bei der Bestellung von dem Tohuwabohu hier gewusst, hätte ich dir Merry Relaxmas mitgebracht.«

Bas van de Groot. Der gut aussehende Polizeiinspektor, der mein Leben gerettet hatte. Nicht im übertragenen Sinne, sondern er hatte mich tatsächlich aus dem Würgegriff eines Mörders befreit.

»Ein Glück, dass Sie da sind!« Marianne griff sich an die Brust. »Linn sagt, dass Hank ermordet wurde, aber das kann nicht sein. Können Sie mal nachschauen?«

Bas reichte mir den Tee. »Du hast ihn gefunden?«

»Ich sollte ihm einen Snack bringen.«

»Und da war er schon tot?«

»Ermordet.«

»Sag doch nicht immer Mord!« Mariannes Stimme klang schrill. »Vielleicht hatte er nur einen Herzinfarkt?«

Bas strich ihr beruhigend über die Schulter und sah mich fragend an.

»Ein Messer steckte in seinem Rücken«, erklärte ich.

»Tragischer Unfall?« Bas ließ nicht locker.

»Santa hat sich aus Versehen in ein Messer gelehnt, das in seinem Sessel gesteckt hat?« Ich war kurz davor, mir mit dem Zeigefinger gegen die Stirn zu tippen.

Bas blickte sich in dem vollen Saal um. »Wenn es sich tatsächlich um einen Mord handelt, werden die Kollegen jede Unterstützung für die Zeugenverhöre benötigen.«

»Hank kann nicht tot sein. Wer würde ihn denn umbringen? Da muss sich jemand geirrt haben!« Marianne war völlig außer sich.

»Klar. Das war bestimmt eine Verwechslung. Eigentlich wollte jemand den richtigen Santa umbringen«, murmelte ich.

Bas’ stahlblaue Augen wirkten eisig. »Das ist nicht komisch.«

Für einen Moment erlebte ich ein Déjà-vu: An meinem ersten Arbeitstag bei Hansel & Pretzel hatte ich die Leiche der Stadträtin Sidney Stark hinter der Bäckerei gefunden, und Bas war der ermittelnde Inspektor gewesen. Seine Augen hatten mich damals sofort in ihren Bann gezogen. Nachdem der blonde Hüne holländischer Abstammung mich vor dem Mörder gerettet hatte, hatten wir ein Date vereinbart. Aber aufgrund seiner eher unorthodoxen Arbeitszeiten und einer längeren Weiterbildung für ihn in Ottawa waren mittlerweile über sechs Wochen vergangen. Doch morgen Abend war es so weit. Morgen Abend würde ich so lange in seine blauen Augen starren, wie ich wollte. Morgen Abend würde ich in ihnen versinken, mich in ihnen treiben lassen, eintauchen, mich gehen lassen und ...

»Linn?« Seine Stimme holte mich in die Gegenwart zurück.

Ich blinzelte.

»Du bleibst bitte hier. Wir müssen noch deine Aussage ...«

»... aufnehmen. Jaja, ich kenne den Drill.«

Nachdem Bas in Richtung Absperrband gegangen war, nahm ich einen Schluck Tee. Er hatte genau die richtige Temperatur zum Trinken und schmeckte herrlich erfrischend. Ich ließ mich an die Lehne des unbequemen Stuhls zurücksinken. Langsam begriff ich, dass ich erneut eine Leiche gefunden hatte. Einerseits war ich geschockt, andererseits ... Ein Mann war ermordet worden. Eine Tragödie. Und mir kribbelte es in den Fingern. Ausreden waren zwecklos. Ich war neugierig und wollte selbst ein wenig herumschnüffeln, wie ich es bei Sidney Starks Tod schon getan hatte. Auch wenn mich das damals beinahe mein Leben gekostet hätte. Aber eben nur beinahe. Und dieses Mal würde ich vorsichtiger vorgehen.

»Wie war Hank so? Was hat er getan, außer Santa zu spielen?«, unterbrach ich die Stille zwischen Marianne und mir.

Meine Chefin saß blass auf dem anderen Stuhl und drehte eine Serviette zwischen ihren Händen hin und her.

»Er war ein anständiger Mensch. Keiner, den man umbringt.«

»Ich denke, die meisten Menschen haben es nicht verdient, dass man sie tötet.«

»Stimmt.« Marianne blickte auf. »Hank war Anwalt, aber seit ein paar Jahren im Ruhestand.«

»Was für ein Anwalt?« Sofort dachte ich an einen Strafverteidiger, der jetzt die Rache eines ehemaligen Klienten erfahren hatte.

»Steuerrecht. Nebenbei hat er sich für Immigranten und Flüchtlinge eingesetzt. Wie heißt das noch? Probo-Arbeit?«

»Pro bono.«

»Genau. Ach, er war einfach ein Guter. Rainer!« Ihre Miene erhellte sich, als ihr Mann plötzlich vor uns stand.

Er zog sie vom Stuhl hoch, umarmte sie und drückte ihr Gesicht fest an seine Schulter. Liebevoll streichelte er ihr über den Rücken.

Nach einem kurzen Moment ließen meine beiden Arbeitgeber voneinander ab. Marianne sank wieder auf den Stuhl. Rainer sah erst sie an, dann mich.

»Wie geht’s euch?«

Marianne schniefte, während ich meinen Pappbecher hochhob.

»Ich hab Tee.«

Rainers Mundwinkel zuckten leicht.

»Ich kann nicht glauben, dass Hank tot sein soll«, fing Marianne wieder an.

Rainer kniete sich zu ihr und nahm ihre Hände in seine.

»Weiß man schon, was passiert ist?«, wollte er wissen.

»Ihm steckte ein Messer im Rücken«, erklärte ich.

Marianne schüttelte den Kopf. »Wer tut so etwas? Hank Myers war doch kein Straßendieb, den man kurzerhand absticht!«

Rainer streichelte ihre Hände. »Auch er hatte nicht nur Freunde.«

Ich horchte auf. »Wie meinst du das? Für seine Pro-bono-Arbeit waren ihm viele Menschen doch sicherlich dankbar.«

»Schon.« Mein Chef drehte sich zu seiner Frau. »Aber kannst du dich noch erinnern, wie sauer Fred auf Hank war?«

Marianne schlug sich die Hände vor den Mund.

»Du glaubst, dass Fred ...« Sie schüttelte sich.

Ich lehnte mich vor. »Wer ist Fred?«

»Fred Tschabendzki hat seit Jahren seinen Stand beim Weihnachtsmarkt in der Nähe von Santa Claus gehabt. Dieses Jahr hat Hank das Veranstaltungskomitee davon überzeugt, dass Fred besser draußen stehen sollte«, erzählte Rainer. »Fred war stinksauer. Er ist richtig ein bisschen handgreiflich geworden.«

»Wieso wollte Hank Freds Stand nach draußen verlagern?«

»Fred verkauft Messer und Scheren, und er schleift sie auch an seinem Stand,« erklärte Rainer mir. »Hank war das zu laut. Er hat sich beschwert, weil er die Wünsche der Kinder oft nicht verstehen konnte.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Fred verkauft Messer an seinem Stand? Wie praktisch.«

Marianne sah mich weit aufgerissenen Augen an.

»Entschuldige. Das passt nur so gut, weil doch ...« Ich verkniff mir den Rest.

»Linn, ich nehme jetzt deine Aussage auf.« Bas stand plötzlich wieder vor uns. Er wandte sich an Marianne und Rainer. »Ein Kollege kommt gleich zu Ihnen.«

»Ich hab gar nichts gesehen«, stammelte Marianne.

»Ihr Stand ist gegenüber von Santas Sofa, da gehört es dazu, Sie zu befragen.« Ein Polizist rief Bas’ Namen. »Ich bin gleich wieder zurück«, sagte dieser und verschwand so abrupt, wie er gekommen war.

»Rainer – wirst du dem Polizisten von Fred erzählen?« Mariannes Gesicht hatte wieder mehr Farbe bekommen.

»Ja.« Die Stimme meines Chefs klang fest. »Er hatte einen Streit mit Hank, und er verkauft Messer.«

Mariannes Unterlippe fing an zu zittern. »Aber wir kennen Fred doch schon ewig.«

»Wir stehen seit Jahren mit ihm auf dem Weihnachtsmarkt«, korrigierte Rainer sie. »Wirklich kennen tun wir ihn nicht.«

Marianne knetete ihre Hände. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es war.«

Rainer hob die Schultern. »Vielleicht war er es ja auch nicht. Das werden die Polizisten schon rausfinden.«

Ich nahm einen Schluck Tee, bevor ich fragte: »Aber wenn er es nicht war, wer war es dann?«

Rainer drehte die Handflächen nach oben. »Keine Ahnung. Hank hat lauter soziale Sachen gemacht. Bei der Food Bank ausgeholfen, sich für vernachlässigte Jugendliche eingesetzt ...«

Ich runzelte die Stirn. »Wie entlastet das denn diesen Fred?«

»Bist du mal bei der Food Bank gewesen? Dort laufen viele kaputte Existenzen herum. Es würde mich nicht wundern, wenn einer von ihnen für seinen Tod verantwortlich ist.«

Kapitel 3

»In was für einer Welt leben wir eigentlich, dass jemand den Weihnachtsmann umbringt?« Bryan saß mir am Küchentisch gegenüber und blickte fragend in die Runde.

Der Besitzer des schnuckeligen, viktorianischen Hauses direkt am Viktoria Park war der Umgänglichste in meiner Wohngemeinschaft. Ein Immobilienmakler, der seine Nettigkeit nicht nur für den Job aufsetzte. Bryan war ein lieber Kerl, immer darauf bedacht, den Hausfrieden in seiner WG zu wahren.

Ich massierte mir meine schmerzenden Füße und zuckte mit den Schultern. Igor stand am Herd und reagierte ebenfalls nicht. Doch Mac, die einzige Frau außer mir, hob den Kopf, und ich sah ihr an, dass sie ihre Klappe mal wieder nicht halten können würde. Mac entsprach überhaupt nicht dem Bild einer immer höflichen Kanadierin: Sie war vorlaut, frech und nie um eine scharfzüngige Antwort verlegen. Manchmal konnte sie ein richtiges Biest sein. Zu Anfang fand ich den Patschuliduft, der sie ständig umhüllte, schrecklich. Aber mittlerweile hatte ich mich daran, an ihren Gothic-Kleidungsstil und an ihre teilweise sehr schroffe Art gewöhnt.

»Es gibt bestimmt unendlich viele Kinder, die Santa im Laufe seiner Karriere zu Weihnachten hochgradig enttäuscht hat, weil er ihnen nicht die gewünschten Geschenke gebracht hat«, schlug sie trocken vor.

Ich musste unfreiwillig grinsen, und auch Bryan schmunzelte.

Igor knallte zwei Teller vor Mac und mir auf den Tisch.

»Essen«, verkündete er schroff, während er zwei weitere Teller für sich und Bryan holte.

Der muskelbepackte Russe war meist sehr wortkarg, aber hinter seinem rauen Äußeren verbarg sich ein verlässlicher Mensch.

Auch wenn ich noch nicht lange in dieser Wohngemeinschaft lebte, hatte ich mich schnell an meine Mitbewohner und ihre Eigenarten gewöhnt. Neben Bryan, Igor und Mac war da noch Kyle, eine Reinkarnation von McDreamy aus der amerikanischen Krankenhausserie „Grey’s Anatomy“. Nur der Gedanke an ihn ließ mein Herz einen kleinen Hüpfer machen. Und ebenso wie der Schauspieler Patrick Dempsey seinem Charakter Dr. Derek Shepherd eine geheimnisvolle Unnahbarkeit verlieh, war auch Kyle mir bisher ein Rätsel geblieben.

»Kommt Kyle nicht?«, fragte ich in die Runde.

»Der hat sich für die nächsten Tage abgemeldet. Ist irgendwo im Norden unterwegs«, antwortete Bryan.

Offenbar war nicht nur ich ausgehungert, auch meine Mitbewohner machten sich über die leckeren Nudeln her. Eine Zeit lang war nur das Geklapper unseres Bestecks zu hören. Ich schaute auf Kyles leeren Platz und bedauerte, dass er nicht da war.

Kyle arbeitete als Requisiten- und Location Scout für Film und Fernsehen und war daher viel in Kanada unterwegs. Seine ehemalige Freundin Norah hatte ursprünglich in meinem Zimmer gewohnt. Doch sie war vor über einem Jahr Hals über Kopf verschwunden, und seitdem wusste niemand, was mit ihr geschehen war oder wo sie sich aufhielt. Er hatte damals seine Arbeit als Sozialarbeiter aufgegeben und war zu der Filmgesellschaft gewechselt. Mac vermutete, dass diese neue Arbeit ihm auf zweierlei Weise hilfreich war: Erstens musste er sich nicht ständig in Kitchener aufhalten, wo ihn vieles an Norah erinnerte, und zweitens konnte er so das ganze Land bereisen, immer in der Hoffnung, sie vielleicht irgendwo zu finden oder zumindest auf eine Spur von ihr zu treffen.

»Wer hat entdeckt, dass Santa seinen Engeln in den Himmel gefolgt ist?« Mac schaufelte die restlichen Nudeln in ihren Mund.

»Ich.« Ich stellte mein Wasserglas ab.

»Echt jetzt?« Bryan runzelte die Stirn.

»Gehört das neuerdings zu deinen Hobbys?« Mac setzte sich gerade hin und zeigte ein affektiertes Lächeln. »Hallo, ich heiße Linn. Ich mache Stepptanz und finde für mein Leben gern Leichen.«

Igor zog seine buschigen Augenbrauen zusammen und fixierte Mac.

»Das Abendessen ist zur Entspannung da«, zischte er.

Mac lehnte sich zurück in ihren Stuhl. »Ich bin total entspannt. Leckeres Essen, Small Talk über Hobbys. Ist ja nicht meine Schuld, dass Linn ständig über Tote stolpert.«

»Mac«, mahnte Bryan. »Ist gut jetzt.« Er wandte sich an mich. »Wer war dieses Jahr Santa?«

»Hank Myers.«

»Sagt mir nichts.« Mac schaute unsere männlichen Mitbewohner an. Igor ignorierte sie, während Bryan sich am Kinn rieb.

Ich kratzte den letzten Rest der köstlichen Käsesauce mit Nudeln von meinem Teller.

»Marianne hat erzählt, dass er früher ein sehr erfolgreicher Anwalt in KW war und ...«

»Moment«, warf Bryan ein. »Der Myers, der in diesen Anlagebetrug verwickelt war? Mit Ferienwohnungen in Florida?«

Ich legte mein Besteck zur Seite. »Davon weiß ich nichts. Offenbar war er ein Überflieger an guten Taten: Er hat kostenlos Immigranten beraten, half regelmäßig in der Suppenküche und engagierte sich für vernachlässigte Jugendliche.«

»Ein echter Santa Claus.« Igors Stimme klang tonlos.

»Aber seine blütenreine Weste muss mindestens einen Schmutzfleck gehabt haben, denn sonst wäre er wohl nicht ermordet worden«, wandte Mac ein.

»Rainer vermutet, dass es der Messerschleifer vom Weihnachtsmarkt war«, berichtete ich.

»Ist das nicht zu einfach?« Bryan schob seinen leeren Teller von sich weg. »Der Typ schnappt sich eines seiner Messer und ersticht den Weihnachtsmann?«

Mac hob den Zeigefinger. »Klassische Affekthandlung. Unterdrückte Emotionen haben sich in dem Mann aufgestaut. Er sieht Santa auf dem Markt, greift sich ein Messer aus seinem Sortiment und bamm«, sie ließ ihre rechte Faust auf die linke Handfläche knallen, »aus die Maus. Oder besser gesagt – aus mit Santa Claus.«

»Nachtisch?« Igors Stimme klang schroff.

»Was gibt es denn?«, wollte Bryan wissen.

»Crème brûlée.«

Mac gab einen kleinen Aufschrei der Entzückung von sich. »Da fragst du noch? Her damit!«

Während Igor aufstand und mit einem kleinen Gasbrenner hantierte, um der Süßspeise die charakteristische Karamellkruste zu verpassen, wandte Mac sich an mich.

»Versprich mir, dass du Bas bei eurem Date darüber aushorchst. Ich find den Fall spannend.«

»Er hat für morgen abgesagt.«

Mac zog eine Augenbraue hoch. »Was? Wieso?«

Bryan rollte mit den Augen. »Weil er Polizist ist.«

Mac verschränkte die Arme vor der Brust. »Was hat das mit Linns Abendessen zu tun?«

Bryan lehnte sich vor und sprach so langsam, als würde er einem Kleinkind die Figuren der Sesamstraße vorstellen. »Jemand hat Santa umgebracht. Die Polizei ermittelt. Sie brauchen jeden Mann. Auch Bas.«

»Aber essen müssen Polizisten auch«, verteidigte Mac sich. »Außerdem ist der Typ tot, während Linn und Bas leben und schon seit Wochen umeinander herumeiern.«

»Dann kommt es auf einen Abend mehr auch nicht mehr an.« Bryan setzte sich aufrechter hin, als Igor vier Schalen auf den Tisch stellte, und vollführte einen kleinen Trommelwirbel mit den Fingern auf dem Tisch. »Alter, sehr geil.« Er zog eine Schale zu sich heran.

Auch Mac griff nach einer Schale und durchbrach mit ihrem Löffel knackend die goldig-braune Zuckerkruste.

»Lecker«, kommentierte sie zwischen zwei Bissen.

Igors Crème brûlée lenkte auch mich von dem trüben Gedanken ab, dass Bas und ich noch kein neues Date abgemacht hatten.

»Kann ich euch mal etwas wegen Weihnachten fragen?«

Meine Mitbewohner blickten mich an.

»Schenken wir uns gegenseitig etwas, oder macht ihr das nicht?«

»Weihnachten ist eine kommerzielle Eskalation.«

»Mac will damit sagen, dass wir uns innerhalb der WG nichts schenken«, versuchte Bryan ihre harschen Worte zu entschärfen.

»Gut zu wissen.«

Da ich zu Weihnachten schon lange keine Geschenke mehr mit meiner Familie austauschte, würde ich mich dieses Jahr offenbar auch nicht in das Kaufgetümmel stürzen müssen. Frank und seiner neuen Liebe Mark würde ich eine Karte schicken. Und für meine Freundin Kamryn und Bas hatte ich jeweils schon eine Kleinigkeit gekauft.

Entspannt lehnte ich mich an die Rückenlehne und ließ mir einen Löffel Crème brûlée auf der Zunge zergehen. Ich freute mich auf eine ruhige Vorweihnachtszeit. Wenn Bas erst mal den Mörder von Hank Myers gefasst hatte, würde alles ganz idyllisch werden. Da war ich mir sicher.

Kapitel 4

Am Montagmittag bediente Marianne die Kunden, während ich die Brötchenkörbe neu bestückte.

»Eine Ovaltine und ...«

Ich drehte mich um und lächelte Kamryn an.

»Du bist die einzige Kundin, die Ovomaltine, ich meine Ovaltine«, verbesserte ich mich und benutzte den englischen Namen des Getränks, »trinkt.«

Meine Freundin pustete sich eine ihrer langen roten Locken, bei deren Anblick selbst die kleine schottische Prinzessin Merida aus dem Animationsfilm „Brave“ erblassen würde, aus dem Gesicht.

»Glaub ich nicht, sonst hätte Rainer das schon längst aus dem Angebot genommen. Kannst du eine Pause machen?«

Bevor ich fragen konnte, sagte Marianne: »Kann sie. Noch etwas zu essen?«

Kamryn deutete auf die Auslage. »Was sind das für weiße Dinger, die aussehen wie Schneebälle?«

»Na, hör mal! Glaubst du allen Ernstes, ein deutscher Schneeball wäre so unförmig?« Ich zog die Schultern zurück und streckte die Brust vor. »Alle Schneebälle in Deutschland haben den gleichen Durchmesser. Es gibt eine DIN-Norm dafür.«

Kamryn kicherte. »Sorry, das hätte mir natürlich klar sein müssen. Und wer bei einer Schneeballschlacht mit größeren oder kleineren Bällen wirft, wird disqualifiziert?«

»Das ist Stollenkonfekt«, unterbrach Marianne unseren freundschaftlichen Schlagabtausch.

»Wie der Weihnachtsstollen, den ihr immer im Winter backt?«

»Ja. Dies sind Ministollen mit der perfekten Größe, um sie mit einem Bissen zu erledigen.«

»Ich hätte gerne zwei. Oder lieber drei.«

Während Marianne Kamryns Bestellung fertig machte, brachte ich das leere Backblech zurück in die Backstube. Rainer saß in sich zusammengesunken auf einem Stuhl und rieb sich die Augen.

»Alles klar?«, fragte ich ihn.

Er hob den Kopf, und mir fielen seine dunklen Ringe unter den Augen auf.

»Ist gerade ein wenig anstrengend.«

Nachdem sein angestellter Bäcker nach Toronto gezogen war, stand Rainer seit einem halben Jahr morgens allein in der Backstube. Sechs Tage die Woche backte er Brote, Brötchen und anderes Gebäck ohne Hilfe. Seit drei Wochen hatten wir zu den sonst üblichen Angeboten typisches deutsches Weihnachtsgebäck und Plätzchen im Angebot. Die leckeren Weihnachtssachen waren an manchen Tagen so begehrt, dass sie innerhalb von zwei Stunden ausverkauft waren. Kein Wunder, dass er so fertig aussah.

»Soll ich mal früher kommen, um dir zu helfen?«, bot ich an.

Rainer winkte ab. »Ich brauche jemanden, der sich auskennt. Nichts gegen dich, aber ich habe keine Zeit, dich anzulernen.« Er fuhr sich mit der Hand durch die kurzen grauen Haare. »Marianne hatte letzte Nacht Albträume wegen Hank. Daher bin ich heute Morgen schwer aus dem Bett gekommen.«

»Warum nimmt sie das so mit? Ich dachte, ihr kanntet ihn nur flüchtig.«

»Marianne hasst Messer. Wenn im Fernsehen die Typen ein Magazin nach dem anderen leerschießen, dann zuckt sie nicht mit der Wimper. Aber lass einen Bösewicht dabei sein, der mit einem Messer kämpft, und sie vergräbt sich unter der Decke.«

»Kann ich verstehen. Erschießen kann man jemanden auf Distanz, das ist eher wie ein Videospiel. Aber um jemanden zu erstechen, muss man ganz nah ran. Voller Körperkontakt. Und eine Kugel macht ein Loch, aber ein Messer kann man noch so richtig im Körper hin- und herdrehen ...«

»Sag so was bloß nicht zu Marianne! Sonst lässt sie mich gar nicht mehr schlafen!«, bat Rainer.

Als ich mich mit einem Tee zu Kamryn an den Tisch setzte, lagen nur noch ein paar Puderzuckerkrümel auf ihrem Teller.

»Was ist mit dem Stollenkonfekt passiert?«

Kamryn machte ein unschuldiges Gesicht. »Ist nicht meine Schuld, dass dein Chef so leckere Sachen backt.«

Mein Blick fiel auf ihren Presseausweis, der aus ihrer Handtasche ragte.

»Warst du bei der Pressekonferenz der Polizei?«

»Es ist eine für heute Nachmittag angesetzt worden.« Kamryns Augen forschten in meinem Gesicht, und ich wurde rot. »Lass mich raten: Ist es Bas oder der tote Weihnachtsmann, der dich interessiert?«

Bei der Erwähnung von Bas’ Namen spürte ich ein leichtes Flattern im Bauch.

»Da du heute Abend ein Date mit Bas hast, tippe ich auf den Toten. Stimmt’s?«