Running Into Love - Aurora Rose Reynolds - E-Book
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Running Into Love E-Book

Aurora Rose Reynolds

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Beschreibung

Wenn die Liebe einem ganz unerwartet im Weg steht ... Fawn Reed hat schon einige Frosche geküsst und weiß inzwischen, dass ihr Traumprinz nicht existiert. Daher beschließt sie, ihr Leben ab sofort allein zu verbringen – bis sie in Levi Remont hineinrennt. Einen ziemlich attraktiven Detective der Mordkommission, der gerade erst nach New York gezogen ist. Während sich ihre Wege wiederholt auf ziemlich humorvolle Weise kreuzen, fragt sich Fawn immer öfter, wie lange sie sich dem Unausweichlichen noch entziehen kann. Und ob sie den perfekten Mann nicht doch bereits gefunden hat ...

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Seitenzahl: 366

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Inhalt

Titelseite

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

Epilog

Danksagung

Die Autorin

Memorize: Erinnere Dich

Stumbling Into Love

Ohne Titel

© Die Originalausgabe wurde 2017 unter dem

Titel RUNNING INTO LOVE von Aurora Rose Reynolds, in Zusammenarbeit mit Bookcase Literary Agency veröffentlicht.

© 2020 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8712 Niklasdorf, Austria

Aus dem Amerikanischen von Friederike Bruhn

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: © Sara Eirew

Korrektorat: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903278-39-4

ISBN-EPUB: 978-3-903278-40-0

www.romance-edition.com

Für meinen Sohn und meinen Ehemann

Ich hebe den Blick vom Bürgersteig und runzle die Stirn, als ich eine Frau auf mich zurennen sehe. Sie hat ihre Augen geschlossen und wedelt mit den Armen in der Luft herum.

Heiliger, was zur Hölle macht sie da? Ohne eine Chance zu haben, ihr auszuweichen oder mich darauf vorbereiten zu können, rennt sie ungebremst in mich hinein und wir gehen beide stolpernd zu Boden. In dem Bemühen, sie nicht unter meinem Gewicht zu begraben, versuche ich, uns in letzter Sekunde herumzurollen. Ich schaffe es aber nur halb, sodass wir beide mit der Seite aufprallen und noch ein kleines Stück über den Asphalt rutschen.

Stöhnend hieve ich mich auf die Knie, beuge mich über die Fremde und betrachte sie von Kopf bis Fuß. Sie ist klein, viel kleiner als ich, sodass ich sie ohne große Mühe unter mir zerquetschen könnte. Hoffentlich habe ich das nicht bereits getan.

»Babe.« Ich warte darauf, dass sie die Lider öffnet, und als sie es tut, bin ich wie betäubt. Sie ist ungewöhnlich schön. Ihr Anblick erinnert mich an eine Fee. Ihr blondes Haar besteht aus einer wilden Lockenmähne. Ihr Gesicht wirkt weich, sie hat eine kleine Nase und ihre Lippen weisen eine Form auf, die ich gern noch genauer untersuchen würde. Ihre Augen sind außergewöhnlich. Die Farbe erinnert mich an den alten, heruntergekommenen Pick-up, den ich einst besessen habe – sein Grün war verblichen und an mehreren Stellen abgeblättert, sodass darunter Schichten aus Silber und Blau zum Vorschein kamen. Ich habe diesen Truck geliebt.

Als ich den Blick der Fremden auf mir spüre, schüttle ich den Kopf und zwinge mich dazu, den Bann zu brechen, mit dem sie mich kurzzeitig belegt zu haben scheint. »Geht es dir gut?«, frage ich. Sie starrt auf meine Lippen und zieht die Stirn kraus. »Himmel, müssen wir dich zu einem Arzt bringen?«, hake ich nach. Sie hebt ihre Hand, legt einen Finger auf meine Lippen und zieht die Brauen zusammen. »Glaubst du, du kannst dich bewegen, oder soll ich einen Krankenwagen rufen?«

»Redest du mit mir?«

Ihre Frage überrascht mich, weshalb ich meinen Blick über ihr Gesicht hinunter zu ihrem Hals wandern lasse, wo ich das Kabel ihrer Kopfhörer entdecke. Mir wird klar, dass noch immer Musik in ihren Ohren dröhnt und sie mich nicht hören kann. Ich will nach dem Kabel greifen, stoße jedoch einen Moment später ein Ächzen aus, als sie mir in den Bauch boxt und mit dem Knie zwischen die Beine zu treten versucht, wobei sie ihr Ziel nur knapp verfehlt. »Was zum Teufel ...?«, knurre ich.

Die Frau windet sich wie eine Furie unter meinem Körper und schreit aus Leibeskräften »Hilfe! Feuer!«, was die Leute um uns herum veranlasst, ihre Schritte zu verlangsamen und zu überprüfen, was los ist.

»Heiliger!« Endlich bekomme ich das Kabel zu fassen und ziehe daran, was die Stöpsel aus ihren Ohren befördert. Sie hört auf, sich zu wehren. »Bist du verrückt?«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, woraufhin sie mein Gesicht mustert. Dann fällt ihr das Kabel in meiner Hand auf.

»Oh, verdammt. Oops!«, keucht sie und bedeckt ihr Gesicht mit den Händen.

Oops? Meint sie das ernst?

»Was zur Hölle stimmt nicht mit dir?«, frage ich, und sie lässt die Hände sinken. Als ich mich ein wenig zurücklehne, fällt ihr Blick auf meine Bauchmuskeln. »Tinker Bell, kannst du dich mal für eine Minute auf das Hier und Jetzt konzentrieren?«, knurre ich, bereit, ihr gleich den hübschen, schlanken Hals umzudrehen.

Sie reißt sich von meinem Oberkörper los, sieht sich um und ihre Wangen werden rot. »Alles ist in Ordnung. Die Show ist vorbei, Leute.« Während sich die Fremde aufsetzt, wedelt sie mit der Hand in Richtung der Menschentraube, die sich um uns gebildet hat. Dann richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf mich und deutet auf meine Brust. »Und du, nenn mich nicht Tinker Bell!«

»Du blutest«, informiere ich sie und komme auf die Beine. Als sie das Blut an ihren Knien erblickt, verzieht sie das Gesicht. Ich will nicht denken, dass sie süß aussieht, wenn sie so guckt, kann aber nichts dagegen tun.

»Widerlich.« Sie steht auf, ohne meine Hand zu beachten, die ich ihr zur Hilfe anbiete.

Ich trete einen Schritt zurück und will sie erneut fragen, was mit ihr nicht stimmt. Doch als sie sich das Top über den Kopf zerrt und obenrum nur noch in einem Sport-BH vor mir steht, bleibt mir die Spucke weg. Beim Anblick ihres zierlichen Körpers regt sich mein Schwanz. Offensichtlich bin ich nicht der Einzige, der sie abcheckt; ein paar andere Männer bleiben ebenfalls stehen, um sie anzustarren. Absurderweise bringt diese Tatsache meine Wut zum Überkochen.

»Nimmst du mich gerade auf den Arm? Zieh dein Top wieder an! Was zur Hölle stimmt nicht mit dir?« Ich mache einen Schritt auf sie zu und hole mein T-Shirt aus meiner hinteren Hosentasche hervor, in die ich es vor meiner Laufrunde gestopft habe. »Nimm das hier«, verlange ich und halte ihr mein Kleidungsstück hin, doch sie nimmt es nicht an.

»Nein danke.«

»Du musst ernsthaft verrückt sein. Wer kommt auf die Idee, mit geschlossenen Augen durch die Gegend zu rennen?«

Sie hebt den Kopf. Erneut bleibt ihr Blick an meinen Bauchmuskeln hängen, ehe sie ihn langsam nach oben wandern lässt und mich direkt ansieht. »Warum bist du mir nicht ausgewichen, wenn dir klar war, dass ich nichts sehen konnte?«, fragt sie, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Knie lenkt, was mich nur noch wütender macht. Es sollte völlig unbedeutend sein, aber mich nervt unglaublich, dass sie mich ignoriert.

»Du musst eine waschechte Blondine sein«, stoße ich hervor, doch sie reagiert auf meine Provokation nicht wie erwünscht.

»Und du musst ein waschechter Mistkerl sein«, gibt sie zurück, den Blick noch immer auf ihr Knie geheftet.

Während ich dastehe und diese Frau anstarre, realisiere ich, dass ich mir ernsthaft den Kopf angeschlagen haben muss, da ich unbedingt ihre Aufmerksamkeit bekommen möchte. Was zum Teufel stimmt nicht mit mir? Ohne sie zu kennen, steht außer Zweifel, dass sie dem Wort Schwierigkeiten eine ganz neue Bedeutung gibt. »Lauf in Zukunft besser mit offenen Augen durch die Welt«, knurre ich, wütend auf mich selbst. Ich muss mich von ihr entfernen, ehe ich noch etwas wirklich Dummes mache.

Wie diese verrückte Frau zu küssen.

»Lauf in Zukunft besser mit offenen Augen durch die Welt«, äfft mich eine spöttische Stimme nach.

Ruckartig drehe ich mich in ihre Richtung und sehe, wie sie angesichts meiner Worte die Augen verdreht.

»Das habe ich gesehen«, gebe ich wie ein verdammter fünfjähriger Hosenscheißer kund.

»Gut.« Sie zuckt mit den Schultern und in mir macht sich Frustration breit. Noch nie in meinem ganzen verfluchten Leben war ich so erregt und genervt zugleich. »Ich dachte, du würdest einen Abgang machen.« Sie zieht eine Braue in die Höhe, und ein Muskel in meinem Kiefer beginnt zu zucken.

»Den mache ich auch.« Ich drehe mich um und setze mich in Bewegung, bevor ich etwas noch viel Verrückteres tue – wie diese Frau über meine Schulter zu werfen, ihren verrückten Hintern zu mir nach Hause zu schleppen und es ihr zu besorgen, bis sich keiner von uns mehr bewegen kann.

Als ich den Ausgang des Parks erreiche, spüre ich etwas gegen meinen Oberschenkel schlagen und bemerke, dass ich noch immer ihre Kopfhörer bei mir habe. Mit einem frustrierten Ächzen schiebe ich sie in meine Tasche und sehe auf die Uhr. Die Leute vom Umzugsunternehmen werden in wenigen Minuten bei mir zu Hause eintreffen. Selbst wenn ich es wollte, hätte ich keine Zeit, ihre Besitzerin zu suchen, um die Kopfhörer zurückzugeben.

Fawn

»Warum sind die heißen Typen immer die größten Mistkerle?« Angewidert schüttle ich den Kopf und reiße mich vom Anblick des heißen, obenrum nackten Mannes los, der mit großen Schritten davonjoggt. Als ich meine Lider nach dem Sturz aufschlug und ihn über mir sah, dachte ich zuerst, ich würde halluzinieren. Das Licht der Sonne umgab ihn wie einen Heiligenschein und ließ ihn aussehen, als hätten ihn die Götter persönlich auf die Erde geschickt. Üppiges dunkles Haar fiel ihm in die Stirn und golden gesprenkelte Augen mit dichten, dunklen Wimpern betrachteten mich von Kopf bis Fuß, was ein warmes und schwindelerregendes Gefühl in meinem Inneren hervorrief. Dann sah ich, wie sich seine Lippen bewegten, wie in einem seltsamen Traum, und ich fragte ihn, ob er mit mir reden würde. Wahrscheinlich hätte ich nicht gleich annehmen sollen, dass er mich anfassen wollte, als er nach meinem Musikkabel griff. Aber woher hätte ich wissen sollen, dass er mir nicht doch ans Leder wollte? Bei diesem Gedanken schüttle ich den Kopf und hinke zu einer der Bänke am Wegrand, um mich darauf niederzulassen.

Als ich mein geliebtes iPhone aus der Tasche meines Sport-BHs ziehe, seufze ich, da ich bemerke, dass meine Kopfhörer fort sind. Ich stehe wieder auf und wandere umher, um festzustellen, ob der Typ sie vielleicht irgendwo in der Nähe auf den Boden fallen gelassen hat. Dann sehe ich in die Richtung, in die Mr Hot Guy verschwunden ist, und überlege, ob ich versuchen soll, ihn einzuholen. Ich komme zu dem Schluss, dass ich keine weitere Konfrontation will – mein Ego würde das nicht verkraften –, und mache mich in langsamem Tempo auf den Heimweg.

Dort eingetroffen, sehe ich einen großen Umzugswagen vor dem Haus, dessen Heckklappe geöffnet ist. Zwei Typen sitzen auf Umzugskisten darin. Diva, die in dem Appartement gegenüber von meinem gelebt hat, ist bereits vor einem Monat aus- und mit ihrem Verlobten zusammengezogen. Vermutlich bekomme ich nun endlich einen neuen Nachbarn. Mitten auf der Treppe bleibe ich abrupt stehen. Unter keinen Umständen kann ich so ein Pech haben.

Mr Hot Shirtless Guy aus dem Park steht vor der Tür zu Divas leerem Appartement und redet mit zwei Männern, die eine große Ledercouch tragen. Ich mache mich klein und versuche, ungesehen an der geöffneten Wohnungstür vorbeizukommen. Dass es mir nicht gelungen ist, weiß ich, als ich ihn fragen höre: »Stalkst du mich etwa?«

»Das hättest du wohl gern.« Ich funkle ihn böse an, während ich meinen Schlüssel aus meinem Sport-BH ziehe und zu meiner Appartementtür gehe, um sie aufzuschließen.

»Das machst du ziemlich gern, nicht wahr?« Er verengt die Augen, was mir ein Lächeln entlockt, woraufhin er nur noch finsterer dreinschaut.

»Man sieht sich, Nachbar.«

Lachend, aber mit wild klopfendem Herzen, schließe ich hinter mir die Tür, als ich eine Stimme draußen im Flur etwas von einer heißen Nachbarin sagen höre, bevor eine andere Stimme Halt gefälligst die Klappe donnert. Ich muss grinsen, ehe ich meinen Blick durch den Raum wandern lasse. Ich bin ziemlich stolz auf mein kleines Nest. Mein Appartement gilt nach New Yorker Standards als groß, da ich zusätzlich zu meinem Schlafzimmer noch einen kleinen, separaten Bürobereich habe, den man als zweites Schlafzimmer werten könnte. Die Küche befindet sich zu meiner Rechten und verfügt über eine Theke, die den Kochbereich der Länge nach vom Wohnzimmer abtrennt. Vier schwere Barhocker aus Metall mit hohen Lehnen, jeder in einer anderen Farbe, stehen davor – einer in Rostrot, einer in Hellblau, einer in leuchtendem Gelb und einer in verwittertem Grün. Das Wohnzimmer, in dem ich die meiste Zeit verbringe, ist mit einer Wildledercouch ausgestattet, auf der sich mehrere farblich zu den Barhockern passende Kissen tummeln. Über dem Sofa hängt das Bild einer Topfpflanze. Im Schlafzimmer stehen Möbel, die ich schon früher besaß: ein Doppelbett mit einem eleganten schmiedeeisernen Rahmen, eine große weiße Kommode sowie ein Beistelltisch mit einer Glasplatte und einer Metallumrahmung, den ich auf dem Flohmarkt entdeckt habe. Über dem Bett hängt eine Fotografie vom Ozean, die ich gemacht habe, als ich ungefähr fünfzehn war. Meine Mom hat mir diese vergrößerte Version vor ein paar Jahren zu Weihnachten geschenkt. Das Bild erinnert mich an mein Zuhause, passt aber auch zu der Nachttischlampe, die mit Sand vom gleichen Strand und selbst gesammelten Muscheln gefüllt ist. Der blaugrüne Überwurf und die gleichfarbige Bettwäsche lassen den Raum aussehen, als läge er am Meer, dem Ort, den ich so liebe.

Ich löse mich von der Wohnungstür, gehe zur Couch und lege mich hin. Dann schließe ich für ein paar dringend benötigte Minuten der Ruhe die Augen.

Als ich spüre, wie eine feuchte, raue Zunge über meine Wange leckt, muss ich lächeln. »Hey, Baby«, begrüße ich mein Mädchen und streichle mit einer Hand durch ihr Fell, während ich die Lider wieder aufschlage. Angesichts ihrer Größe würde man niemals denken, dass Muffin erst zehn Monate alt ist. Mein Irischer Wolfshund hat als Welpe nur knapp vier Kilogramm gewogen, jetzt sind es zweiundfünfzig. »Du hast die Joggingrunde heute einfach verschlafen, Mädchen«, sage ich und setze mich auf, um Platz für sie zu machen, bevor sie neben mich auf die Couch klettert. »Mama hat sich im Park mit einem heißen halbnackten Typen angelegt«, erzähle ich ihr, und sie leckt mir ein weiteres Mal über die Wange. Ich umfasse ihren Kopf mit beiden Händen und sehe in ihre braunen Augen. »Nächstes Mal schleife ich dich mit, ob du willst oder nicht.«

Wau.

»Pech gehabt, nächstes Mal kommst du mit«, erwidere ich auf ihr Bellen hin, das ich als Nein interpretiert habe. Als ich mich heute Morgen zu meiner Joggingrunde aufmachte, wollte Muffin partout nicht das Bett verlassen. Sie ist stur wie ein Esel, wenn sie etwas nicht will. Das einzige Mal, als ich versucht habe, mit ihr gegen ihren Willen spazieren zu gehen, endete für uns beide unschön. Was bedeutete, dass ich meinen damals fast zweiunddreißig Kilogramm schweren Junghund im Regen ganze zwei Blocks nach Hause tragen musste.

»Ich komme«, rufe ich, als plötzlich jemand gegen meine Tür hämmert. Ich stehe auf und gehe durch den Raum, um zu öffnen. Auch ohne einen Blick durch den Spion weiß ich bereits, wer vor meinem Apartment steht. Ich lege Muffin eine Hand auf den Kopf, um sie zurückzuhalten, und sehe zu ihr runter. »Sei lieb«, befehle ich, und mit einem Schnauben setzt sie sich hin. Sie mag Männer nicht im Geringsten. Einen meiner Freunde hat sie mal in einer Küchenecke festgehalten, als er mitten in der Nacht etwas Wasser holen wollte. Am nächsten Morgen habe ich ihn schlafend auf der Anrichte gefunden. Danach hat er es abgelehnt, noch einmal meine Wohnung zu betreten, was das Ende unserer Beziehung bedeutete, da ich mich wiederum weigerte, bei ihm Sex zu haben, während seine Mom im Zimmer nebenan schlief.

Schwungvoll öffne ich die Tür und nehme meinen neuen Nachbarn in Augenschein, der aussieht, als hätte er innerhalb der letzten zehn Minuten eine Dusche genommen. »Was kann ich für dich tun?« Seine Haarspitzen sind noch immer feucht und er riecht nach Seife und einem dunklen, faszinierenden Parfum. Ich komme nicht umhin, festzustellen, dass er in einem weißen T-Shirt, nahezu schwarzen Jeans und schwarzen Boots genauso heiß ist wie vorhin in obenrum nacktem und verschwitztem Zustand.

»Hast du überhaupt durch den Spion geguckt?«, knurrt er und mein Blick schnellt abrupt nach oben, um seinem zu begegnen.

Kleine Fältchen umrahmen seine Augen, und ich frage mich, ob ich ihm die Worte meiner Mom unter die Nase reiben soll, die ich so oft zu hören bekomme. »Liebes, hör auf, die Stirn zu runzeln und so missbilligend dreinzuschauen. Du weißt, dass das vorzeitig Falten hervorruft. Du möchtest doch nicht wie deine Tante Lizbeth aussehen, oder?«

»Ich wusste, dass du es bist.« Ich zucke mit den Schultern und behalte die Aussage bezüglich der Falten für mich, da ihn diese vermutlich ohnehin wenig beeindrucken würde.

»Woher?«

»Woher was?«

»Woher wusstest du, dass ich vor deiner Tür stehe?«

»Erst einmal würde niemand sonst, den ich kenne, gegen meine Tür hämmern, als wäre er die Polizei höchstpersönlich. Darüber hinaus erwarte ich keinen Besuch, also habe ich alles auf eine Karte gesetzt und wild drauflosgeraten. Bist du hier, um mir meine Kopfhörer zurückzugeben?«, frage ich und strecke ihm meine Hand entgegen.

»Was zur Hölle ist das für ein Ding?«, fragt er statt einer Antwort, als er Muffin erblickt, die sich an mir vorbeizudrängeln versucht, um zu ihm zu gelangen.

»Das ist ein Huhn. Hast du jetzt meine Kopfhörer oder nicht?«

»Bist du immer so eine Nervensäge?«

»Bist du immer so ein Arsch?«

Kopfschüttelnd lässt er die Kopfhörer in meine Hand fallen.

»Danke.« Ich lächle, als er sich mit der Hand durch das Haar fährt, während er erst mich ansieht, um dann unschlüssig seinen Blick durch den Raum schweifen zu lassen.

»Brauchst du sonst noch etwas? Mehl, Zucker, mein erstgeborenes Kind?«

»Du bist seltsam«, lässt er mich wissen, bevor sein Blick über meine Brust zu meinem Bauch wandert, was dafür sorgt, dass meine Haut zu prickeln beginnt und sich mein Magen zusammenzieht. Ich realisiere, dass ich obenrum noch immer nur einen Sport-BH trage.

»Danke.« Wieder lächle ich – oder versuche es zumindest –, bevor mich mein Hund aus dem Weg schiebt. »Muffin, nein!«, rufe ich, als sie an meinem neuen Nachbarn vorbeirennt, um über den Flur und in sein Appartement davonzustürmen. Ich eile ihr nach und finde sie auf seiner Couch liegend vor, als gehöre dieser Platz bereits ihr.

»Muffin, komm her«, knurre ich und deute auf den Boden zu meinen Füßen. Sie hebt kurz den Kopf, ehe sie ihn wieder ablegt und die Augen schließt. »Muffin, möchtest du ein Leckerli?«, frage ich, woraufhin sie die Lider wieder öffnet, sich aber noch immer keinen Zentimeter vom Fleck bewegt.

»Sie ist ja richtig gut erzogen«, meint mein neuer Nachbar schmunzelnd, und sofort fangen meine Wangen an, zu glühen.

»Das hier tut mir sehr leid«, sage ich und versuche, mein rotes Gesicht vor ihm zu verbergen.

»Levi.«

»Wie bitte?«, frage ich nach und drehe meinen Kopf in seine Richtung.

»Ich heiße Levi.«

»Oh«, murmle ich und denke, dass Mr Hot Shirtless Guy besser zu ihm passt. Aber ich nehme an, dass Levi ebenfalls okay ist.

»Das wäre jetzt der Zeitpunkt, wo du mir deinen Namen verrätst.« Erwartungsvoll zieht er eine Braue in die Höhe.

»Fawn«, sage ich kaum hörbar.

»Was?« Er runzelt die Stirn und tritt einen Schritt näher.

»Ich heiße Fawn – wie das Rehkitz auf Englisch.« Ich seufze, weil ich den Umstand hasse, dass mich meine Eltern nach einem Tier benannt haben, das oft von Autos angefahren oder von Jägern erschossen wird.

»Fawn«, brummt er, während er meinen Anblick noch einmal in sich aufnimmt. Mir wird bewusst, wie nah wir beieinanderstehen und wie sehr ich mich zu ihm hingezogen fühle, auch wenn ich das nicht sollte. Ich kenne Männer wie ihn und weiß, dass sie immer nur zu einer Sache führen – Herzschmerz.

Okay wow, Zeit, zu gehen. Gedanklich verpasse ich mir eine Ohrfeige und trete an Muffin heran, bereit, sie zur Not hinauszutragen.

»Sie heißt Muffin?«, fragt er, als ich an ihren Beinen ziehe, in dem Versuch, sie von der Couch zu bekommen.

»Ja«, bestätige ich und funkle die Gute finster an, als sie ihre langen Hundebeine unter ihren Körper zieht und ihren Blick abwendet.

»Muffin, komm«, sagt Levi mit einem Fingerschnippen, woraufhin mein Hund sofort den Kopf hebt, von der Couch springt und sich vor ihn stellt. »Sitz«, befiehlt er, und sie setzt sich tatsächlich hin.

»Verräterin.«

»Du bist ein gutes Mädchen«, lobt er und geht auf sie zu. Ich erwarte, dass das der Moment ist, in dem sie ihr wahres Ich zeigen und versuchen wird, ihn zu attackieren. Aber natürlich liege ich voll daneben – sie bleibt ruhig und lässt sich von ihm streicheln. »Du musst einfach nur der Anführer sein«, erklärt er mit einem unglaublich selbstzufriedenen Grinsen, während sich mein Mädchen schwanzwedelnd an ihm reibt. So viel dazu, dass Hündinnen mit dem weiblichen Ehrenkodex vertraut sind.

Okay, ich bin ganz offiziell eifersüchtig auf meinen Hund. »Sie mag dich«, flüstere ich schockiert, als sie ihm die Handfläche ableckt.

»Die meisten Frauen mögen mich.« Levi grinst erneut, und ich verdrehe die Augen, auch wenn ich mir sicher bin, dass das zutrifft. Die meisten Frauen fühlen sich zu Mistkerlen hingezogen – das liegt in der menschlichen Natur.

»Lass uns gehen, Muffin.« Auffordernd klopfe ich mit den Händen gegen meine Oberschenkel. Die Hündin sieht mich an, dann jedoch zurück zu Levi.

»Na komm, Mädchen, lass uns gehen«, fordert Levi sie auf und wendet sich zur Tür.

»Ja, die Anführer-Sache klappt ja wahnsinnig gut. Das solltest du mir aufschreiben«, spotte ich, als der Hund zurück auf die Couch klettert und sich wieder hinlegt.

Seufzend betrachtet Levi Muffin und fährt sich erneut mit der Hand durch das Haar. »Warum holst du ihr nicht ein Leckerli und ich warte hier auf dich?«, schlägt er vor.

Ich nicke, ehe ich in mein Appartement gehe, mir eine Belohnung aus dem großen Glas in der Küche schnappe und zurück in Levis Wohnung eile. »Muffin! Leckerli!«, rufe ich, als ich durch die Tür trete, verschränke aber beim Anblick von Levi die Arme und starre ihn an. Er hat sich über Muffin gebeugt, streichelt ihr den Bauch und spricht mit ihr, als wäre sie ein kleines Kind. »Sie wird nicht wegwollen, wenn du das weiterhin machst.«

»Wenn ich nicht zur Arbeit müsste, würde ich sagen, dass sie bleiben kann, aber ich muss in Kürze los.« Er krault sie noch ein letztes Mal, bevor er auf seine Uhr sieht.

»Was machst du beruflich?« Ich halte Muffin den Leckerbissen ganz nah vor die Schnauze und ziehe ihn zurück, als sie danach schnappt, hoffend, dass sie ihm folgen wird – was sie aber nicht tut.

»Ich bin Detective beim NYPD.«

»Nun, dann vielen Dank für deinen Einsatz.« Ich lächle, ehe ich in sanfterem Tonfall fortfahre: »Mein Dad ist Detective in Long Island, daher weiß ich, wie schwierig euer Job sein kann.«

»Es ist viel zu tun, aber auch sehr erfüllend«, stimmt er zu. »Wo arbeitest du?«, fragt er, während er beobachtet, wie ich Muffin noch immer mit dem Leckerli von der Couch zu locken versuche.

»Hustler an der West Fifty-Four Street«, antworte ich, ohne eine Miene zu verziehen.

»Danke für deinen Einsatz.« Er zwinkert mir zu, und ein Lachen schießt meinen Hals hinauf. Ich werfe den Kopf in den Nacken und lache herzhaft los. »Was machst du wirklich?«, hakt er leise nach, als ich mich wieder beruhigt und die Tränen unter meinen Augen fortgewischt habe.

»Ich bin Lehrerin und unterrichte eine fünfte Klasse.« Ich lächle, stoße aber einen frustrierten Seufzer aus, als Muffin mir das Leckerli aus den Fingern schnappt und mit einem Happs verschlingt.

»Gefällt dir dein Job?« Levi grinst wegen Muffin, die gerade so weit näherrobbt, dass sie ihren Kopf unter seine Hand schieben kann, damit er sie wieder streichelt.

»Ich liebe ihn«, antworte ich ohne Umschweife. »Mir ist bewusst, das klingt kitschig, aber es gibt nichts Schöneres als den Ausdruck im Gesicht eines Kindes, wenn es etwas Neues lernt.« Etwas in Levis Ausdruck verändert sich, und plötzlich sieht er mich mit einer Weichheit an, die meinen Magen flattern lässt.

Als ich diesen Blick sehe, wird mir klar, dass ich hier verschwinden muss. Sonst komme ich noch in Versuchung, meinen kürzlichen Entschluss, einem Kloster beizutreten, zu überdenken. Dating genieße ich nämlich ungefähr genauso sehr wie mein monatliches Brazilian Waxing.

Die ganze Ausgeh-Szene hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Während man jemandem früher einfach sagen konnte, dass man ihn mag und gern mit ihm Zeit verbringen würde, ist die Lage heute wesentlich komplizierter. Man muss nach links swipen, nach rechts swipen, anrufen, nicht anrufen, schreiben, nicht schreiben, Interesse zeigen, Desinteresse zeigen, Sex haben, keinen Sex haben – dieser ganze Kram löst in mir Verwirrung und Überforderung aus. Bei meinem letzten Date hat mich der Kerl ganz offen mit einer Frau verglichen, mit der er sich getroffen hatte. Es wirkte, als würde er im Kopf eine vergleichende Excel-Tabellenkalkulation durchführen, während ich ihm direkt gegenübersaß. Er hat mich sogar allen Ernstes nach meiner Jeans- und meiner Schuhgröße gefragt. Ich war überrascht, dass er nicht auch noch die Ergebnisse meines Hochschulzulassungstests und die Summe auf meinem Bankkonto wissen wollte. Als ich nach diesem Date nach Hause kam, war mir klar, dass ich fertig mit diesen Verrücktheiten war. Ich beschloss, mein Leben lieber allein zu verbringen, als mir von anderen Menschen das Gefühl vermitteln zu lassen, ich sei unzureichend.

Innerlich darum betend, dass sie mein nächstes Angebot annehmen wird, sehe ich Muffin an. »Möchtest du einen Spaziergang machen?« Mit einem aufgeregten Bellen springt sie vom Sofa und verlässt durch den Spalt der geöffneten Tür Levis Appartement. »Endlich«, murmle ich und drehe mich wieder zu ihm um. »Danke, dass du so entspannt mit der Situation umgegangen bist.«

»Kein Problem.« Er sieht mich freundlich an, und erneut beginnt mein Magen, zu flattern.

»Es war schön, dich kennenzulernen.«

»Bis demnächst, Fawn«, sagt er in rauem Tonfall, was in mir ein Kribbeln an gewissen Körperstellen auslöst.

»Bis demnächst, Nachbar.« Ich bedenke ihn mit einem albernen Salut und mache mich auf den Weg in mein Appartement, wo ich mir einen Hoodie aus dem Garderobenschrank sowie Muffins Leine schnappe. Ich führe meine Hündin die Stiegen hinunter und lächle, als Levi uns schmunzelnd vom Fuß der Treppe aus grüßt.

»Bist du sicher, dass du mich nicht verfolgst?«, fragt er, bevor wir bei ihm ankommen.

»Definitiv.« Ich schnaube, ehe ich mich an meine Manieren erinnere. »Danke.« Mein Lächeln wird breiter, als er uns die Haustür aufhält und uns als Erstes nach draußen treten lässt. Offenbar verfügt der Herr zumindest über einen Rest an guten Umgangsformen.

Abwartend, in welche Richtung Levi gehen wird, sehe ich nach links und rechts, sodass Muffin und ich uns in die entgegengesetzte Richtung aufmachen können. »Wo musst du lang?«, frage ich schließlich und gebe mein Unterfangen auf. In der Nähe unseres Gebäudes gibt es zwei U-Bahn-Stationen, und je nachdem, in welchem Revier er arbeitet, könnte er sowohl die eine als auch die andere nehmen.

»Hier lang.« Er nickt nach rechts.

»Wie schade, wir gehen in die andere Richtung.« Ich deute mit dem Kopf nach links. »Pass bei der Arbeit auf dich auf.«

Ein langsames Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus, so als amüsiere ihn etwas. Er streichelt Muffin einmal kurz über den Nacken, ehe er mir wieder in die Augen sieht. »Bis dann, ihr beiden.«

»Bis dann.« Ich winke und ziehe Muffin hinter mir her den Bürgersteig entlang. Als ich die Hälfte des Blocks hinter mir gelassen habe, kann ich nicht widerstehen, noch einmal über meine Schulter zu blicken. Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange, um meine Emotionen unter Kontrolle zu behalten, als ich sehe, dass Levi noch immer an dem Platz steht, wo ich ihn zurückgelassen habe. Er hat die Arme verschränkt und nickt mir kaum merklich zu, während sich sein Blick in meinen bohrt.

Erschrocken reiße ich mich von seinem Anblick los. »Ich stecke metertief in Schwierigkeiten«, flüstere ich. Muffin quittiert meine Worte mit einem unaufgeforderten Bellen.

»Ich finde, wir sollten uns für Halloween verkleiden und heute Abend ausgehen. Das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht«, beschwert sich meine Schwester Mackenzie, bevor sie sich neben Muffin auf die Couch plumpsen lässt, die diese Gelegenheit nutzt, um ihr das Gesicht abzulecken.

»Wir sind letztes Jahr sehr wohl ausgegangen«, murmelt meine kleine Schwester Libby und sieht stirnrunzelnd auf ihr Handy.

»Ja, in einen der doofen, versnobten Clubs. Die ganze Nacht war stinklangweilig«, erwidert Mac und sieht Libby böse an, die ihr Handy sinken lässt und genauso finster zurückfunkelt.

Wenn ich nicht mit Sicherheit wüsste, dass wir Schwestern sind, würde ich denken, dass man uns bei der Geburt vertauscht hat. Wir sind alle so unterschiedlich. Mackenzie, besser bekannt als Mac, ist die Älteste von uns und ist ein richtiger Wildfang. Okay, ein Wildfang, der in gestyltem Zustand aussieht wie ein Model. Mac hat langes, natürlich rotes Haar und große grüne Augen, genau wie unser Dad. Unser Nesthäkchen Libby ist mit ihrem dunkelbraunen Haar, das in der Mitte ihres Rückens endet, und ihren kristallblauen Augen die Schönheitskönigin von uns dreien – sie sieht aus wie unsere Mom auf ihrem Highschool-Prom-Foto. Und dann bin da noch ich, das klassische mittlere Kind und der Nerd, mit unzähmbaren blonden Locken und Augen in einem seltsamen Blau, das mehr an das Grau eines Flusses als an Libbys Augenfarbe erinnert. Unsere Eltern rätseln noch immer, wie das Blond meiner Locken zustande kommen konnte, und es gibt diesen Running Gag in unserer Familie, wonach meine Züge denen des Postboten ähneln. Das alles wäre lustig, wenn es nicht tatsächlich ein wenig zuträfe.

»Ich wollte mir etwas beim Chinesen bestellen, Hocus Pocus gucken und Süßigkeiten verteilen«, werfe ich ein, wohlwissend, dass mir wahrscheinlich keine von ihnen zuhören oder sich darum kümmern wird, was ich gern möchte, obwohl sie sich beide dazu entschlossen haben, heute Abend zu mir zu kommen. Während meine Schwestern liebend gern auszugehen, genieße ich es, meine Abende im Pyjama zu verbringen.

»Du willst immer zu Hause bleiben«, sagt Libby vorwurfsvoll, und Mac nickt zustimmend.

»Daran ist nichts falsch«, grummle ich leise zu meiner Verteidigung.

»Nein, es ist nichts falsch daran, zu Hause zu bleiben ... gelegentlich ... aber du würdest deine Wohnung niemals verlassen, wenn du nicht müsstest«, stellt Libby klar, wirft ihr Handy auf den Couchtisch und betrachtet mich. Sie kann kaum ihre Enttäuschung darüber verbergen, dass ich nicht wie sie bin und mir mein äußeres Erscheinungsbild unwichtig ist. Sie lässt ihren kristallblauen Blick von meinem Pferdeschwanz zu meinem T-Shirt wandern, auf dem steht, dass ich zur Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei gegangen bin, und weiter zu meiner abgewetzten Jeans und meinen abgetragenen roten Espadrilles, von denen ich mich nicht trennen kann. »Wann hattest du das letzte Mal ein Date?«

Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und hebe abwehrend die Hände. »Nein, vergiss es. Ich werde mich von dir nicht wieder mit jemandem verkuppeln lassen.« Das Wieder schreie ich förmlich, und sie verzieht das Gesicht, als würde ich übertreiben. Das erste und einzige Mal, dass ich mich von ihr habe verkuppeln lassen, war ein Desaster. Der Typ war ein Schauspieler, der sich selbst als Gottes Geschenk an die Frauen betrachtete.

»Du hast Phil ja nicht mal eine Chance gegeben.«

»Zu Fawns Verteidigung: Phil braucht wirklich jede Menge Aufmerksamkeit«, klinkt sich Mac ein und erntet dafür einen missbilligenden Blick von Libby.

»Er ist ein netter Mann«, verteidigt sie ihren Freund.

»Er hat mich während des Abendessens gebeten, meinen Taschenspiegel zu benutzen«, knurre ich.

»Na und, was ist daran falsch? Vielleicht steckte etwas zwischen seinen Zähnen.« Sie macht eine wegwerfende Handbewegung.

»Ja, das habe ich auch gedacht, bis er mein Puder benutzt hat und meinte, das Licht würde seine Haut so glänzen lassen.«

Mac beginnt zu kichern und Muffin baut sich schwanzwedelnd über ihr auf, weil sie annimmt, sie wolle spielen.

»Er ist ein Schau–spieler«, betont Libby, als würde diese Tatsache allein rechtfertigen, dass ein Mann das Make-up einer Frau benutzt. Immerhin ist es nicht einmal unter Frauen in Ordnung, ohne zu fragen, fremdes Make-up zu benutzen.

»Tja, dann streiche Schauspieler von der Liste«, grummle ich.

»Was für Männer interessieren dich denn?«, fragt Libby, und aus einem unerfindlichen Grund kommt mir der heiße Detective von nebenan in den Sinn. Doch diesen Gedanken schiebe ich beiseite, da ich die letzten beiden Wochen über jeglichen Kontakt mit ihm vermieden habe – was so weit ging, dass ich mich in meinem Schlafzimmer versteckt habe, wenn er an meiner Wohnungstür geklopft hat.

»Ich konzentriere mich derzeit auf die Arbeit, daher habe ich nicht wirklich Zeit für Dates«, lüge ich und sehe, wie meine Schwester die Stirn runzelt.

»Du hängst nicht immer noch an Jason, oder?«, fragt Mac, und mir dreht sich der Magen um.

»Gott, nein!« Ich brülle diese Worte beinah. Jason war mein letzter richtiger Freund, und er war ein absoluter Mistkerl. Keine Ahnung, was ich an ihm gefunden habe. Er ist jedenfalls der Grund, weshalb ich beschlossen habe, vorsichtiger zu sein, wenn ich mich mit jemandem treffe, und mich vor gutaussehenden Männern in Acht zu nehmen.

»Weißt du was, Mac? Du hast wahrscheinlich recht. Wir sollten ausgehen«, erklärt Libby und sieht mich geradewegs an.

Ich rolle mit den Augen und blicke zu Mac, die von einem Ohr zum anderen grinst. »Prima, lasst uns ausgehen. Was könnte uns schon Schlimmes passieren?« Ich zucke mit den Schultern, wohlwissend, dass sie nicht aufgeben werden. Also kann ich auch gleich mitkommen und werde hoffentlich früh genug wieder zu Hause sein, um zumindest noch Hocus Pocus zu schauen.

»Super. Wie es der Zufall so will, habe ich auch ein paar Kostüme mitgebracht.« Mac springt auf und eilt zur Wohnungstür, um die große Tasche hochzuheben, die sie nach ihrer Ankunft dort abgestellt hat.

»Du hast ganz zufällig ein paar Kostüme mitgebracht?«, hake ich nach.

Mac grinst, ehe sie ihre Tasche ins Schlafzimmer hinüberträgt. Libby und ich folgen ihr und setzen uns auf die Kante meines Betts, als sie beginnt, die Kostüme hervorzuziehen. »Dieses Kleid ist für dich.« Lächelnd reicht sie Libby einen roten Stofffetzen, der mehr wie ein Tube-Top als ein Kleid aussieht. »Und das hier ist für dich.« Als ich Mac das Teil aus der Hand nehme, bemerke ich, dass es dem von Libby gleicht, nur ist es dunkelblau. »Und das ist meins.« Amüsiert hält sie vor sich ein weißes Stoffstück in die Höhe.

»Das ist ein Kleid?«, vergewissere ich mich skeptisch und betrachte das Ding eingehend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mehr als nur einen wichtigen Teil meiner Weiblichkeit zugleich bedecken kann. Ich werde mich wohl entscheiden müssen, ob ich lieber etwas oben- oder untenrum offenbaren möchte.

»Als was genau verkleiden wir uns?«, will Libby wissen und dehnt das Material ihres Stoffes.

»Nutten.« Mac lächelt stolz.

»Nutten?«, wiederhole ich.

»Im Jack’s findet heute eine Party unter dem Motto Zuhälter und Nutten statt, also gehen wir als Nutten.«

»Kann ich nicht lieber ein Zuhälter sein?«, frage ich, trete auf das Kleid und ziehe gleichzeitig daran, in dem Versuch, es länger zu machen. Stattdessen schnellt es zurück und schlägt mir ins Gesicht.

»Du wirst keinen Mann abbekommen, wenn du als Zuhälter verkleidet bist.« Libby verdreht die Augen, als wäre es völlig unverständlich, dass ich dieses Kleid ablehne, das nicht mal einer meiner Fünftklässlerinnen passen würde.

»Ich will keinen Mann, und selbst wenn das der Fall wäre, würde ich keinen wollen, der mich begehrt, weil ich als Prostituierte verkleidet bin.« Ich seufze, lasse mich rücklings auf mein Bett fallen und starre zur Decke hinauf. Warum hat Gott mir keine Brüder geschenkt?

»Ich kümmere mich um dein Make-up«, zwitschert Libby fröhlich, und ich stöhne in meine Hände, mit denen ich mein Gesicht bedeckt habe.

»Na komm schon, das wird Spaß machen«, ermuntert mich Mac und zieht an meinen Armen. Ich werfe ihr einen letzten bösen Blick zu, ehe ich aufgebe und mich von ihr in die Höhe und ins Badezimmer zerren lasse. Ich betrachte mich im Spiegel, seufze ein weiteres Mal und löse das Haargummi, das meine blonde Mähne gebändigt hat. Meine Frisur mutet tatsächlich wie die entfesselte Mähne eines Löwen an einem Bad-Hair-Day an.

»Das ist der perfekte Look.« Libby lächelt mich im Spiegel an, während ich die Stirn runzle und mich weiter betrachte. Sie stellt ihr Make-up-Täschchen auf der Badezimmeranrichte ab und zielt mit einer Dose Haarspray in meine Richtung.

»Aufhören.« Ich huste, als sie sprüht und sprüht, bis ich ihr endlich die Spraydose entreißen kann. Jetzt sehe ich aus, als hätte ich einen Afrolook und bräuchte dringend mal wieder eine Haarkur.

»So, nun lass uns dein Make-up machen.«

Ich sehe meine Schwester im Spiegel an und schüttle verneinend den Kopf. »Ich werde mein Make-up einfach selber auflegen.«

»Wann hast du das letzte Mal Make-up getragen?«

»Ich trage jeden Tag welches.«

»Du nimmst Mascara.«

»Mascara ist Make-up«, verteidige ich mich, während Libby den Klodeckel runterklappt und mich dazu nötigt, mich zu setzen.

»Mach deine Augen zu.« Mit einem tiefen Seufzer schließe ich die Lider und gestatte ihr, mich zu schminken.

Dass mein Einverständnis ein riesiger Fehler war, stelle ich ein paar Minuten später fest, als ich aufstehe und mich im Spiegel begutachte. »Hättest du mich nicht wenigstens wie eine Edelprostituierte stylen können?« Schmollend betrachte ich mein Spiegelbild. Der blaue Lidschatten allein wäre noch nicht so schlimm, doch die Kombination mit dem schwarzen Kajal, dem grellrosa Lippenstift und dieser Frisur verleiht mir das Aussehen einer Zwanzig-Dollar-Nutte aus dem Jahr 1989.

»Was soll ich sagen? Ich bin gut in dem, was ich tue.« Lächelnd trägt Libby etwas pinkfarbenen Lidschatten auf ihre eigenen Lider auf.

»Das wird in einer Katastrophe enden«, prophezeie ich ihr, woraufhin Mac mir ihren Ellenbogen in die Rippen bohrt.

»Oh, hör schon auf. Das wird witzig, du wirst schon sehen.« Sie grinst und zwängt sich in ihr sogenanntes Kleid.

»Wird Edward zufällig da sein?«, frage ich, und sie errötet, was für mich Antwort genug ist.

»Er hatte heute ein Baseballspiel, aber die Jungs tauchen für gewöhnlich danach dort auf.« Mac zuckt mit den Schultern, als sei ihr das egal, aber ich weiß, dass das eine Lüge ist. Edward ist der ehemalige Physiotherapieklient meiner Schwester und ihr absoluter Schwarm. Doch er behandelt sie wie einen von seiner Jungs, was sie wahnsinnig macht. Er vermittelt nicht den Eindruck, dass er überhaupt weiß, dass sie eine Frau ist – was bedeutet, dass er völlig blind und ein Idiot sein muss.

»Du verkleidest dich wie eine Nutte, um herauszufinden, ob er bemerkt, dass du tatsächlich eine Frau bist?«

Sie kaut auf der Innenseite ihrer Wange herum und zuckt wieder mit den Schultern.

»Lass sie in Ruhe. Immerhin probiert sie es«, sagt Libby ein wenig schnippisch und sucht meinen Blick im Spiegel.

»Ich will doch einfach nur wissen, auf welche Art von Nacht ich mich gefasst machen muss«, gebe ich ebenso schnippisch zurück.

»Geh einfach und zieh dein Kleid an.« Libby schiebt mich durch den Türrahmen und nimmt dann Macs Hand, um sie ins Badezimmer zu ziehen und auf den Toilettendeckel zu bugsieren. Innerlich seufzend gehe ich in das Schlafzimmer und nehme den Hauch von nichts vom Bett. Ich besitze Tanktops, die länger sind, ist mein erster Gedanke. Ich kicke mir meine roten Espadrilles von den Füßen und entledige mich meiner Jeans, ehe ich mein Oberteil ausziehe und mir das Kleid über den Kopf ziehe. Als ich den Stoff so weit wie möglich nach unten zerre, schnappt das Kleid sofort wieder in seine Ursprungslänge zurück, die knapp unter meinem Hintern endet, was mich ergeben aufseufzen lässt. Ich beuge mich dem Look und gehe zu meinem Schrank, wo ich ein Paar Stiefel und einen langen Mantel hervorkrame, mit dem ich das ganze peinliche Ensemble verdecken möchte.

»Seid ihr Amerika?«, fragt uns der Fahrer mit starkem spanischem Akzent, als wir drei uns zwanzig Minuten später auf die Rückbank des Taxis quetschen.

»Eigentlich sind wir Prostituierte«, kläre ich ihn auf, ohne eine Miene zu verziehen, wodurch ich mir einen Stoß in die Rippen von Libbys Ellenbogen einfange, was ich gleich wieder zurückgebe.

»Amerikanische Prostituierte?«, hakt er nach und sieht uns über seine Schulter hinweg an.

»Ja, amerikanische Prostituierte.« Mac lacht und Libby seufzt.