Albert Thiele
SAG ES STÄRKER!
Das Trainingsprogramm für den verbalen Schlagabtausch
Campus Verlag Frankfurt/New York
Über das Buch
Das Arbeitsleben ist kein Ponyhof: Wer als Manager Entscheidungen trifft, macht sich nicht nur Freunde. Wie wehrt man sich gegen verbale Angriffe, spitzfindige Fangfragen und hinterhältige Psychotricks? Der Managementtrainer Albert Thiele bietet praxiserprobte Werkzeuge und unterhaltsame Beispiele, um unfaire Angriffe abzuwehren, die eigene Schlagfertigkeit zu fördern und sich gegen manipulative Spielchen zu schützen. So entwaffnen Sie Rechthaber, Alphatiere und andere Verbalaggressoren!
Über den Autor
Albert Thiele ist einer der führenden Dialektiktrainer Deutschlands. Er coacht Topführungskräfte in Sachen Rhetorik, Präsentation und Medientraining (unter anderem mit Helmut Rehmsen und Ulrich Kienzle).
Inhalt
Vorwort
Offene und verdeckte Angriffe im Alltag
Typische Muster in der Kommunikation
Was heißt Kampfdialektik?
Was heißt Manipulation?
Unfaire Aktionen bergen ein hohes Risiko
Wichtig für den Erfolg: Die richtige Dosis Stress
TEIL 1: GRUNDLAGEN FÜR DEN VERBALEN SCHLAGABTAUSCH
Im Überblick: Sieben Grundregeln für starke Konter
Persönliche Voraussetzungen für souveränes Argumentieren
Selbstvertrauen und Stressresistenz – die innere Haltung
Selbstsicher auftreten – die äußere Haltung
Das Wichtigste: Überzeugende Botschaften
Soziogramm: Verbündete und Gegner kennen
TEIL 2: KONTERSTRATEGIEN FÜR DEN VERBALEN SCHLAGABTAUSCH
Strategien gegen offene Angriffe
Angriffe auf Ihre Person stoppen
Mit Wutausbrüchen gelassen umgehen
Angriffe auf Ihre Argumentation richtig kontern
Manipulierende Fragen ins Leere laufen lassen
Strategien gegen Macht- und Dominanzgebärden
Verbale Dominanz in Besprechungen und Diskussionen
Mit dominanter »Begleitmusik« bei Präsentationen umgehen
Im Zweiergespräch auf Augenhöhe bleiben
Nonverbaler Dominanz selbstsicher begegnen
Ein Plädoyer für maßvolle Dominanz
Ergänzende Tipps für weibliche Führungskräfte
Strategien gegen manipulierte Botschaften
Gefälschte Argumente als Bluffs durchschauen
Wie Sie Blendern auf die Schliche kommen
Verdeckte Angriffe und üble Machtspiele abwehren
So überstehen Sie Stresstests
Partisanentechnik schnell unterbinden
Wie Sie auf Drohungen kalkuliert reagieren
Demontage als Machtspiel zurückweisen
Wehren Sie sich gegen Sisyphus-Aufgaben
Lob als Taktik durchschauen
Kleinmachen und dann aufbauen gilt nicht
Starke Reaktionen bei anstrengenden Zeitgenossen
Lernen Sie Nein zu sagen bei Wünschen und Forderungen
Beenden Sie Monologe ohne Punkt und Komma
Geben Sie Rechthabern höflich Kontra
Lenken Sie Gespräche mit Moralaposteln gekonnt
Weisen Sie indiskrete Fragen höflich und bestimmt zurück
TEIL 3: IHR TRAININGSPROGRAMM FÜR DEN TRANSFER
Wie Sie nachhaltige Verhaltensänderungen erreichen
Schritte für Ihr individuelles Training
Mit Begeisterung neue Erfahrungen machen
Materialien zum Selbstlernen
Negative Glaubenssätze
Positive Glaubenssätze
Übungen zur Fünfsatztechnik
Die sechs wichtigsten Fünfsatzstrukturen
50 Übungsthemen zur Fünfsatztechnik
Angreifbare Weichmacher und Füllwörter
Formulierungsbeispiele für Brückensätze
Übungen zur Stimmbildung
Lösungsvorschläge zu den Übungen
Literatur
Register
Vorwort
In Zeiten von Veränderungsprozessen und Umstrukturierungen, von Fusionen und Standortverlagerungen, von Kostensenkung und Personalabbau kommt es häufig zu Auseinandersetzungen, bei denen Partnerschaftlichkeit und Fairness auf der Strecke bleiben. Die Beteiligten kämpfen mit harten Bandagen. Dominanzrituale haben Konjunktur, Machtspiele prägen den Diskurs. Je schwieriger die Zeiten und je umkämpfter die Themen, desto größer der Anteil unfairer Tricks und Winkelzüge. Wie können Sie sich bestmöglich gegen aggressive und manipulative Taktiken schützen? Wie können Sie stärker argumentieren? Das ist das zentrale Thema dieses Buches und aktueller denn je.
Im Mittelpunkt dieses Ratgebers stehen Strategien, mit denen Sie harte Kampfdialektik, bösartige Machtspiele und verdeckte Manipulation erkennen und wirksam kontern können. Damit ist Sag es stärker eine Ergänzung und Weiterführung zu meinem Titel Argumentieren unter Stress aus dem Jahr 2006. Es sind vor allem solche unfairen und manipulativen Taktiken berücksichtigt, die Führungs- und Fachkräfte in unseren Seminaren und Coachings als besonders schwierig, stressig und psychologisch belastend beschrieben haben und die in der Literatur bisher unzureichend behandelt wurden.
Dieses Buch wendet sich an Führungs- und Fachkräfte, die manipulative Taktiken schneller durchschauen wollen und den Wunsch haben, überlegen und souverän mit potenziellen Aggressoren und nervigen Zeitgenossen umzugehen. Das bietet Ihnen der Ratgeber:
Sie lernen eine vierstufige Konterstrategie kennen, die es Ihnen erlaubt, bei allen Varianten persönlicher Angriffe flexibel und angemessen zu deeskalieren. Die Erfolgsgarantie: Ein breites Spektrum an Brückensätzen.
Er zeigt Ihnen, wie Sie mit Alphatieren auf Augenhöhe bleiben und durch offensive Argumentation die Initiative übernehmen.
Sie profitieren von aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung, um im verbalen Schlagabtausch souverän und gelassen zu bleiben, Botschaften beim Zuhörer zu verankern und das eigene Argumentationsverhalten sowie die zugrunde liegenden Einstellungen wirksam zu verändern.
Ein praxisnahes Trainingsprogramm bereitet die erfolgreiche Anwendung der Strategien im Alltag vor.
Wie bei den Kampfkünsten geht es auch bei der Kunst der Argumentation (Dialektik) darum, sich zunächst das relevante Know-how anzueignen, es durch stetiges Üben zu festigen und dann in gekonnter Weise anzuwenden und weiterzuentwickeln.
Wer Willenskraft und Begeisterung mitbringt, kann es bei der Vervollkommnung seiner Dialektik zum »schwarzen Gürtel«, dem höchsten Grad der Meisterschaft, bringen. Lassen Sie sich durch die Lektüre dieses Buches und die vielfältigen Übungsangebote dazu inspirieren, sich diesem Ziel Schritt für Schritt zu nähern.
Die Kunst des Argumentierens verlangt aber weit mehr als die Anwendung von Techniken. Deshalb werden auch die innere Haltung, das äußere Auftreten sowie alle übrigen informationsbegleitenden Botschaften berücksichtigt, die das Selbstbewusstsein und die Ausstrahlung von Souveränität maßgeblich beeinflussen.
Im einleitenden Kapitel geht es um die Präzisierung der Grundbegriffe »Kampfdialektik« und »Manipulation« sowie um die Erkenntnis der Hirnforschung, welche Dosis Stress optimal ist für starkes und gelassenes Argumentieren.
Im Teil 1 des Buches lernen Sie grundlegende persönliche Voraussetzungen für den verbalen Schlagabtausch kennen. Mithilfe dieses Schutzprogramms gelingt es Ihnen, alle Varianten unfairer Angriffe emotional auf Distanz zu halten und das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Das Basiswissen erleichtert es Ihnen zudem, in Ihrer sachlich orientierten Überzeugungsarbeit eine gute Figur zu machen.
Teil 2 erörtert im Einzelnen, welche unfairen Mittel für Kampfdialektik und Manipulation typisch sind und wie Sie sich konkret damit auseinandersetzen können. Sie lernen Strategien kennen, mit denen Sie offene Angriffe auf Ihre Person, auf Ihre Argumentation und auf Ihre Formulierungen parieren können.
Anschließend geht es um verbale und nonverbale Kampf- und Dominanzgebärden in der Managerkommunikation. Sie erfahren, welche Reaktionen bei verbalen Machtspielen Erfolg versprechen und welches Maß an Dominanz für den Führungserfolg vertretbar ist.
Die folgenden Kapitel behandeln verdeckte manipulative Taktiken. Sie finden Ratschläge, was Sie tun können, wenn jemand blufft oder blendet, und wie Sie sich gegen Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzte zur Wehr setzen, die Sie durch verdeckte Angriffe und Psychotricks kleinhalten, beschädigen oder übervorteilen wollen.
Das Schlusskapitel dieses Teils stellt Ihnen Reaktionsmöglichkeiten für den Umgang mit Moralaposteln, Rechthabern und anderen anstrengenden Zeitgenossen vor, die Ihnen durch ihr Verhalten auf die Nerven gehen.
Teil 3 des Buches enthält Empfehlungen für Ihr persönliches Trainingsprogramm. Ziel ist es, die Abwehr kampfdialektischer und manipulativer Angriffe zu üben und Ihre Fähigkeit zur offensiven Argumentation zu verbessern. Sie finden hier eine differenzierte Zusammenstellung von Brückensätzen und schlagfertigen Formulierungen sowie Lösungsvorschläge zu den Übungen des Buches. Der Ratgeber Sag es stärker und mein früheres Buch Argumentieren unter Stress ergänzen sich und bieten zusammen einen umfassenden Schutz von unfairen Zeitgenossen und Manipulatoren. Beide Bücher stützen sich auf kommunikative und rhetorische Grundlagen. Unvermeidliche inhaltliche Überschneidungen habe ich auf ein Mindestmaß beschränkt, indem die betreffenden Stellen kurz gehalten und durch neue Erkenntnisse und Erfahrungen angereichert wurden.
Drei Hinweise zum besseren Verständnis der Ausführungen:
Dieser Ratgeber konzentriert sich auf diejenigen Szenarien, die in der beruflichen Praxis besonders häufig sind und für die es an tauglichen Strategien zur Deeskalation mangelt.
Das Buch ist modular aufgebaut. Sie können sich daher bei Bedarf einzelne Kapitel ohne Rücksicht auf die Reihenfolge herausgreifen und durcharbeiten.
Um die Lesbarkeit zu verbessern, ist durchgängig die männliche Sprachform gewählt (Manager, Mitarbeiter, Zuhörer usw.), mit der stets beide Geschlechter gemeint sind.
Mein Dank gilt den Journalisten Michael Bechtel und Tim Farin, die wesentlich zur Verbesserung von Lesbarkeit und Stil des Buches beigetragen haben. Bei meinem Trainerkollegen Bernd Gerbecks bedanke ich mich für seine Anregungen zum 4-I-Modell und zu den Praxisbeispielen. Schließlich geht mein Dank an den Journalisten Florian Vollmers und alle Mitglieder des Trainerteams für die zahlreichen Verbesserungsvorschläge im Detail. Zu guter Letzt gilt mein besonderer Dank meiner Lektorin Juliane Wagner.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen dieses Ratgebers!
Düsseldorf, September 2012
Dr. Albert Thiele
Offene und verdeckte Angriffe im Alltag
Sicher kennen Sie unangenehme, stressige und nervige Situationen in der täglichen Kommunikation. Im beruflichen Alltag sind das oft Auseinandersetzungen mit Zeitgenossen, die wir als schwierig empfinden. Denken Sie an dominante, cholerische und aggressive Gesprächspartner, denken Sie an nervtötende Besserwisser und Vielredner, denken Sie an rhetorisch versierte Blender, die schwer zu durchschauen sind. Darüber hinaus gibt es Reizthemen oder bestimmte Verhaltensweisen, die uns in Rage bringen können. Das beginnt bei Angriffen mit manipulierenden Fragen, geht über extreme emotionale Szenarien, Verunsicherung durch herabsetzende Killerphrasen und Rechthaberei bis hin zu Techniken der psychologischen »Kriegsführung«.
Die meisten dieser Taktiken sind relativ schnell zu erkennen. Schwieriger ist es, wenn manipulative Spielarten mit verdeckten Mitteln wie Täuschung und Irreführung verwendet werden, um sich durchzusetzen. Sie sind deshalb gefährlicher, weil sie auf den ersten Blick nicht zu durchschauen sind, was die Verteidigung erschwert.
Typische Muster in der Kommunikation
Aus meiner langjährigen Arbeit als Managementtrainer und Coach weiß ich, dass viele von Ihnen bei unfairen Angriffen, Manipulationen und Psychotricks an diese und ähnliche Situationen denken:
1. Angriffe auf Ihre Person: Der Angreifer will Ihre Glaubwürdigkeit, Kompetenz oder Reputation erschüttern. Das äußert sich in Formulierungen wie: »Das glauben Sie doch selbst nicht, was Sie da sagen«, »Selten habe ich ein so dummes Zeug gehört«, »Sie sind ein Erbsenzähler«.
Eine extreme Form von Angriffen auf Ihre Person liegt vor, wenn cholerische Wutattacken mit Drohungen gekoppelt werden, zum Beispiel: »Und wenn Sie das nicht so machen, wie ich es will, wird das drastische Konsequenzen für Sie haben.«
Was können Sie tun, um sich in derartigen Situationen nicht emotionalisieren zu lassen?
2. Dominanz in Besprechungen und Diskussionen: Dominante Alphatiere nehmen sich häufig das Recht, in Gesprächen ungefragt dazwischenzufunken – aus taktischen Gründen, bei vermeintlich schwachen Argumenten oder bei längeren Wortbeiträgen der Gegenseite. Sie setzen Killerphrasen ein (»Das läuft in der Praxis nicht« oder »Sie sind ein begabter Theoretiker«), stellen kritische Fragen (»Was soll das bringen?« oder »Wo liegt der Mehrwert für uns?«) oder werten gegnerische Argumente ab durch Formulierungen wie: »Ihre Ausführungen betreffen eher einen Randaspekt«, »Wo es zukünftig langgeht, bestimme immer noch ich«.
Wie würden Sie auf solche Dominanzfloskeln reagieren?
3. Stresstests: Wer neu in einem Unternehmen oder einer Position ist, wird von seinen Kollegen häufig einer Feuerprobe unterzogen. Die Etablierten wollen wissen, wie der Neue tickt: Ist er nur nett oder hat er auch Biss? Hat er überhaupt Branchenkenntnis? Wie vertraut sind ihm die Details der Produktpalette? Wie können Sie solche Stresstests unbeschadet überstehen?
4. Täuschungen und Halbwahrheiten: Ihr Gegenüber beeindruckt durch sicheres Auftreten und geschliffene Rhetorik. Er zieht alle manipulativen Register, um Sie für sein Angebot zu gewinnen. Auf den ersten Blick würden Sie nicht vermuten, einem Blender und Manipulator gegenüberzusitzen. Wie können Sie sich dagegen wappnen, einem Gesprächspartner auf den Leim zu gehen, der sympathisches Auftreten verknüpft mit fingierten Beweismitteln, mit Halbwahrheiten und Täuschungen?
5. Rechthaberei: Jeder kennt in der täglichen Kommunikation Zeitgenossen, die offenbar ein »Ich habe Recht«-Gen besitzen – egal, ob sie über Klimawandel, die Eurokrise oder das beste Restaurant im Stadtzentrum diskutieren. Rechthaber stigmatisieren häufig andere Meinungen mit Formulierungen wie »Du hast keine Ahnung«, »Du musst dich mal sachkundig machen«, »Totaler Blödsinn, was du da von dir gibst«. Wie würden Sie mit dieser Art von Kampfdialektik umgehen?
6. Kampf um die Rangordnung in Diskussionen: Dieser läuft unterschwellig in jeder Besprechung und in jeder Verhandlung ab. Durch positive Aktivität können Sie den eigenen Status fördern und Kompetenzsignale setzen. Eine Seminarteilnehmerin, die oft an männerdominierten Meetings teilnimmt, formulierte Ihren Lernwunsch einmal so: »Was kann ich tun, um zu Wort zu kommen und mein Wort zu behaupten? Was kann ich tun, damit mein Argument von der Gruppe weiterverfolgt wird? Was muss ich beachten, um mir auch bei Statushöheren Respekt zu verschaffen?« Welche Möglichkeiten haben Sie, um den eigenen Rang zu behaupten und zu verbessern?
7. Nervige Moralapostel: Ein Aktivist zielt darauf, Sie durch das folgende moralisierende Statement in eine Rechtfertigungsposition zu bringen: »Es ist ethisch nicht in Ordnung, dass in Afrika täglich Tausende von Kindern elendig krepieren, weil das Geld fehlt, während Sie als hochbezahlter Manager dieses teure Auto fahren, ein exklusives Haus in bester Lage besitzen und die teure erste Klasse bei Langstreckenflügen nutzen. Ist es nicht höchste Zeit, die materiellen Ansprüche zugunsten der Ärmsten der Armen zu reduzieren?« Wie würden Sie die moralische Anklage in einen sachlichen Diskurs überführen?
Das sind typische Muster von Kommunikation, die uns im Alltag oft ärgern. Strategien zum Umgang mit diesen und ähnlichen Situationen werden im Teil 2 des Buches entwickelt. Zum besseren Verständnis möchte ich zunächst zwei Schlüsselbegriffe präzisieren, die in den folgenden Kapiteln immer wieder auftauchen: Kampfdialektik und Manipulation.
Was heißt Kampfdialektik?
»Kampfdialektik« ist die Kunst, im verbalen Schlagabtausch mit allen Mitteln Recht zu bekommen und die eigene Meinung durchzusetzen – auch unter Einsatz boshafter und ethisch bedenklicher Taktiken. Leitsätze kampfdialektischer Machtspiele sind: »Ich habe Recht und du hast Unrecht. Ich werde dir zeigen, dass meine Sicht der Dinge überlegen ist. Ich werde die Schwachstellen und Unzulänglichkeiten deiner Argumentation schonungslos aufzeigen.«
Der Kampfdialektiker will Sie in Rede und Gegenrede schlecht aussehen lassen, Ihre Souveränität beschädigen und Sie in eine unterlegene Position manövrieren. Die Verbalattacken sollen Sie unter Druck setzen, damit Sie die Kontrolle verlieren, Fehler machen und Ihre eigenen Interessen nicht mehr wirkungsvoll verfolgen können. All dies bringt den Angreifer in eine komfortable Lage: Er beherrscht die Situation und hat leichteres Spiel mit Ihnen.
Zum Repertoire der Kampfdialektik gehören zum Beispiel diese unfairen Taktiken:
bösartige und verletzende Angriffe auf die Person;
pauschale Abwertung und Stigmatisierung der gegnerischen Argumente sowie einseitige und übersteigerte Kritik;
inszenierte Wutausbrüche, Drohungen und taktische Emotionalisierung der Diskussion als Mittel der psychologischen Einflussnahme;
kritisches Fragen, um den Gesprächspartner in Beweisnot zu bringen und zu verunsichern;
Regelverletzungen und Störungen, um den sachbezogenen Diskurs zu behindern oder zu blockieren.
So wie die Kampfdialektik hatte schon die Sophistik der griechischen Antike das Ziel, in der rhetorischen Auseinandersetzung die eigene Machtposition zu erhalten. Die Eristik (unfaire Dialektik) wurde als Kunst des Streitgesprächs und des Disputierens entwickelt mit dem Ziel, im Disput auch dann Recht zu behalten und zu gewinnen, wenn man objektiv die schwächeren Sachargumente hatte oder im Unrecht war.
Während die Kampfdialektik alles dem persönlichen Augenblickserfolg unterordnet, geht es in der Frieddialektik (faire Dialektik) um die Kunst, andere zu überzeugen, Sachprobleme im Dialog zu lösen und die Wahrheit im Diskurs zu finden. Die Beteiligten gehen fair miteinander um, das heißt, sie argumentieren sachbezogen und zielgerichtet, legen eine konstruktive und partnerschaftliche Grundhaltung an den Tag und gehen mit anderen Meinungen wertschätzend um.
Was heißt Manipulation?
Unter »Manipulation« verstehen wir die bewusste und gezielte Beeinflussung oder Lenkung von Menschen. In der täglichen Kommunikation wird dieser Begriff überwiegend negativ verwendet. Wer manipuliert, will im Allgemeinen die eigenen Interessen und Ziele durchsetzen. Der unfaire Akteur akzeptiert Nachteile für den Manipulierten bewusst oder führt sie gezielt herbei, er nimmt billigend in Kauf, dass die Entscheidungsfreiheit des Gegenübers durch seine manipulative Handlung eingeschränkt wird.
Manipulative Tricks und Winkelzüge werden verdeckt eingesetzt und sind daher oft nur schwer zu durchschauen. Denken Sie etwa an Gesprächspartner, die
schwache Argumente durch Halbwahrheiten, irreführende Zahlen oder durch andere fingierte Beweismittel künstlich verstärken;
andere Menschen durch gezielte Appelle an Gefühle und Werthaltungen unter Druck setzen;
nonverbale Mittel der Beeinflussung wie Droh- und Dominanzgebärden einsetzen, um beim Gegenüber Unterlegenheitsgefühle zu erzeugen;
durch Bluffen und Blenden versuchen, die eigene Kompetenz und Autorität größer erscheinen zu lassen, als sie ist;
den eigenen Sympathiewert fördern wollen durch (vermeintliche) Gemeinsamkeiten mit dem Gegenüber.
Im Folgenden wird der Begriff Manipulation so weit gefasst, dass er die Gesamtheit der unfairen Methoden zur Beeinflussung und Lenkung von Menschen umgreift. Dazu werden hinterhältige Spielarten der Kampfdialektik ebenso gezählt wie Psychotricks und Machtspiele, die hinter den Kulissen stattfinden.
Die manipulativen Methoden haben ein gemeinsames Ziel: Sie wollen die Gefühlslage des Angegriffenen beeinflussen. Die emotionalen Zentren im Gehirn des Widersachers werden gezielt angesprochen, um dort bestimmte emotionale Reaktionen zu provozieren.
So gibt es »Spiele mit gezinkten Karten«, die beim Opfer positive Gefühle wecken sollen. Denken Sie an vergiftetes Lob oder an manipulative Präsente, die beim Beschenkten ein Gefühl der Verpflichtung erzeugen sollen.
Die meisten Manipulationstechniken sind darauf gerichtet, den Angegriffenen unter Druck oder in eine Stresssituation zu bringen. Dieser soll die Kontrolle verlieren, in die Defensive geraten und Fehler machen.
Inwieweit Mittel der Kampfdialektik und Manipulation ihre Ziele erreichen, hängt zum einen von der Persönlichkeit des Angegriffenen und seiner psychischen Disposition ab, also davon, ob er eher ängstlich oder eher stressresistent ist. Hinzu kommt die Frage, über welches dialektische Repertoire und welche kommunikativen Fähigkeiten der Angegriffene verfügt. Vor allem aber geht es um das Bewusstsein für diese Vorgänge. Wer manipulative Attacken frühzeitig wittert, wird sich besser schützen können. Dieses Buch hilft Ihnen dabei, diese Winkelzüge zu erkennen und Schaden möglichst abzuwenden.
Unfaire Aktionen bergen ein hohes Risiko
Wer gewinnen will, sollte lernen, auf den Sieg zu verzichten! Denn: Wenn du immer siegst, wirst du verlieren – und zwar deine Mitmenschen und deine Kollegen. (vgl. Lay 2003)
Manipulative und eristische Taktiken mögen zwar kurzfristig Erfolg bringen. Sie bergen aber auch erhebliche Risiken – für die emotionale Beziehung zum Gegenüber genauso wie für die eigene Reputation. Was bringt es Ihnen, wenn Sie einen Menschen zum Beispiel durch herabsetzende Floskeln oder schlagfertige Attacken in einem Meeting demütigen oder zum Schweigen bringen? Der Augenblickserfolg mag sich zunächst anfühlen wie ein Triumph; oft erweist er sich jedoch schnell als teuer erkauft. Denn Sie haben sich einen Feind gemacht, der die Faust in der Tasche ballt, auf Vergeltung sinnt und zu einem negativen Multiplikator wird. Auch bei den Zeugen einer solchen Szene sammelt der Aggressor kaum Sympathien.
In der Regel lohnt es sich nicht, das Selbstwertgefühl eines Teammitglieds anzugreifen. Besser fahren Sie mit einer Überlegenheit, die den anderen das Gesicht wahren lässt.
In diesem Sinne ist Dialektik die Kunst zu gewinnen, ohne zu siegen. Wer das Repertoire der Kampfdialektik beherrscht, wäre womöglich in der Lage zu siegen. Aber wer auf Fairness setzt, verzichtet darauf, den anderen kleinzumachen und zu deklassieren, um sich nicht ohne Not Feinde zu schaffen. Zweifellos ist diese Strategie für die eigene Reputation die bessere Variante.
Wer subtile Manipulationstechniken einsetzt, sollte zudem bedenken, dass ein Vertrauensverlust unvermeidbar ist, wenn das Gegenüber die manipulative Spielart durchschaut. Die Beziehung wird belastet oder gar zerstört. Wenn Sie ein vertrauensvolles Miteinander aufbauen wollen, ist dies nicht vereinbar mit hinterhältigen Taktiken. Im Gegenteil: Wer so übervorteilt wurde, verbindet Frustration, Ärger und Enttäuschung nachhaltig mit dem Verursacher.
Darüber hinaus führt der regelmäßige Einsatz manipulativer Techniken auf Dauer dazu, dass Souveränität und Gelassenheit leiden. Es geht zwangsläufig mit beträchtlichen »kognitiven Dissonanzen« einher, wenn jemand im beruflichen Alltag – etwa in Mitarbeitergesprächen oder im Kundenkontakt – ständig von fairem und partnerschaftlichem Dialog spricht und gleichzeitig ethisch bedenkliche manipulative Werkzeuge einsetzt, um seine Ziele zu erreichen.
Leidenschaftlich argumentieren im Interesse der Sache
In kontroversen Auseinandersetzungen soll es durchaus leidenschaftlich, engagiert und kämpferisch zugehen. Solange der Schlagabtausch nicht abgleitet in Polemik und Unfairness, können auch starke Emotionen im Spiel sein. Dies ist sozusagen die harte Variante der Frieddialektik. Fair ist eine Argumentationstaktik dann, wenn man die gleiche Taktik auch seinem Gegenüber zubilligen würde.
Wenn sie nach einem Entscheidungskriterium suchen, was zulässig ist und was nicht: Fragen Sie sich einfach, ob Sie einverstanden wären, wenn Ihr Gegenüber diese Taktik Ihnen gegenüber anwendet.
Das Gebot der Fairness ist durchaus vereinbar mit harten Angriffen auf die gegnerische Position. Nehmen Sie kontrovers geführte politische Debatten, wo Angriff und Abwehr, wo Speer und Schutzschild zur Grundausstattung der Redner gehören. Auch Humor und Schlagfertigkeit zählen zu den rhetorischen Stilmitteln. Dabei muss jeder Redner selbst die Entscheidung treffen, wie weit er bei den Angriffen der gegnerischen Position gehen will. Es fällt leichter, Ratio und Emotionen im Diskurs auszubalancieren, wenn Sie sich an dem Grundsatz orientieren, den Roger Fisher und andere (2009) in Das Harvard-Konzept propagieren: Vertritt konsequent und mutig deine Argumente und beachte gleichzeitig die emotionalen Bedürfnisse der Beteiligten. Ihre Chancen hierfür stehen gut, wenn Sie auch in schwierigen Situationen gelassen bleiben.
Wichtig für den Erfolg: Die richtige Dosis Stress
Der Angegriffene erlebt unredliche Attacken vor allem dann als stressig und bedrohlich, wenn er wenig Selbstvertrauen hat, die zugrunde liegenden Taktiken nicht durchschaut und die eigenen rhetorischen Fähigkeiten für die erfolgreiche Bewältigung dieser Situation als unzureichend einschätzt.
Vorsicht: Kontrollverlust durch Stressreaktion
Sie sind besser gewappnet gegen Kampfdialektik und Manipulation, wenn Sie die psychologischen Mechanismen erkennen und verstehen, die Sie unter Druck setzen oder gar mundtot machen sollen. Was läuft in unserem Gehirn ab, wenn wir zum Ziel einer boshaften, dominanten oder cholerischen Attacke werden?
Abbildung 1 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Souveränität und Stresslevel.
Die horizontale Achse bildet das subjektiv erlebte Stress- oder Erregungsniveau auf einer Skala von 0 bis 10 ab. Die rechte Seite der Glockenkurve zeigt, dass bei einem erhöhten Stressniveau die Souveränität sinkt. Die linke Seite zeigt, dass eine geringe Anspannung mit entsprechend wenig Stress ebenfalls zulasten der Souveränität geht. An einem Beispiel heißt das: Müde oder körperlich angeschlagene Mitarbeiter argumentieren mit wenig Engagement und Begeisterung, was bei den Zuhörern einen unsicheren und gehemmten Eindruck hinterlässt.
Ein mittlerer Stresslevel (grau hinterlegter Bereich) bietet die besten Voraussetzungen für Souveränität und Gelassenheit. Die Hirnforschung geht davon aus, dass ein mittleres Erregungsniveau für Bestleistungen optimal ist. Hier haben Sie die richtige Dosis Stress, um aufmerksam und präsent zu sein, gekonnt zu argumentieren und unfaire Angriffe überlegt abzuwehren.
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Abb. 1:Abhängigkeit von Stresslevel und Souveränität
Gefährlich wird es, wenn Sie auf unfaire Angriffe, Reizthemen oder andere manipulative Taktiken sehr schnell und unreflektiert anspringen und dadurch in einen erhöhten Erregungszustand (Stressreaktion) geraten. Ein Stressniveau von 8 bis 10 (schraffierter Bereich) hat zur Konsequenz, dass Sie sich in die Enge getrieben fühlen und die Kontrolle verlieren.
Beispiel: Als Personalentwickler präsentieren Sie vor dem Führungskreis Ihres Unternehmens ein neues Coaching-Konzept. Die ersten Minuten laufen wie geplant. Die Zuhörer folgen Ihnen aufmerksam. Sie haben ein gutes Gefühl. Sie agieren im optimalen Bereich. Wie aus heiterem Himmel startet der dominante Vertriebsleiter plötzlich einen Angriff: »Totaler Schwachsinn, Ihr sogenanntes Coaching-Konzept. Das ist ein einziger Zeitfresser für meine Vertriebsmannschaft. Ich ziehe da nicht mit.« Jetzt ist die Gefahr groß, dass Sie in eine Stressreaktion (Stresslevel 8 bis 10) katapultiert werden, die Kontrolle verlieren und in psychologischen Nebel geraten.
Persönliches Stressmanagement zielt darauf, zu schnelles Anspringen auf Reizthemen oder Angriffe zu vermeiden und nicht in eine Stressreaktion zu geraten. Details hier finden Sie in Teil 1 des Buches, im Abschnitt »Selbstvertrauen und Stressresistenz«.
Wie kommt es zu dieser Reaktion im Gehirn?
Die Killerphrase »totaler Schwachsinn« kann zusammen mit der dominanten Attitüde des Vertriebsleiters dazu führen, dass Ihrem emotionalen Gehirn eine Bedrohung gemeldet wird. Achtung: Gefahr! In Bruchteilen von Sekunden löst das limbische System eine Kaskade von Reaktionen aus: Der Puls rast, der Atem wird flacher, das Sprechtempo steigt, die Stimme rutscht nach oben; wir geraten ins Schwitzen, während die Gestik fahrig wird und die Mimik Unsicherheit signalisiert. Wir alle kennen diese Reaktionen, die vom Hirnstamm aus gesteuert, aber vom limbischen System angestoßen werden.
Bei dem Programm »Gefahr im Verzug« stellen sich automatisch diese Angstreaktionen ein. Unser Frontal- oder Denkhirn ist dann blockiert. Wir sind nicht mehr in der Lage, ein denk- oder handlungsleitendes Muster abzurufen. Verursacht wird dieser Prozess durch Stresshormone, die in bedrohlichen Situationen ausgeschüttet werden und unseren Körper überschwemmen.
Dieser Reiz-Reaktions-Mechanismus ist stark, wirkt aber nicht zwangsläufig.
Wir wären ihm nur dann ausgeliefert, wenn wir kein Denkhirn hätten, das Ereignisse der Umwelt einordnen, interpretieren und bewerten kann. Darin liegt die besondere Abwehrchance: Wir können eine Stressreaktion auf die verbale Attacke vermeiden, indem wir auf Distanz gehen und unsere Bewertung der Situation ändern.
Diese Umwertung des vermeintlich gefährlichen Angriffs könnte etwa in diese Richtung gehen: »Der Vertriebsleiter hat offenbar noch Einwände oder kritische Fragen. Durch Rückfragen kann ich diese in Erfahrung bringen.« Eine andere Option der Umwertung: »Er favorisiert offenbar eine andere Lösung. Ich muss den besonderen Nutzen meines Vorschlags noch deutlicher herausstellen.«
Durch diese Veränderung der Bewertung – weg von der Gefahr hin zu sachgerechtem Dialog – hemmt der Cortex die angstauslösenden Reaktionen, er nimmt also Einfluss auf die biochemischen Vorgänge im Gehirn.
Eine wichtige Erkenntnis für das persönliche Stressmanagement lautet: Durch Aktionen und Reaktionen in den höheren Bereichen des Gehirns sind wir in der Lage, die in den älteren Regionen des Gehirns ablaufenden Prozesse zu lenken und zu steuern.
Wir sind durch eine kognitive Umbewertung eines verbalen Angriffs prinzipiell in der Lage, die von den älteren Bereichen des Gehirns in Gang gesetzten Reaktionen anzuhalten und vielleicht sogar in positives Interesse umzuwandeln. Dieses würde sich darin zeigen, dass man durch Rückfragen den echten Grund für die Killerphrase in Erfahrung bringt oder es spannend findet, eine Technik der Deeskalation auszuprobieren. Durch eine positive Interpretation des Angriffs werden – wie Gerald Hüther es in Was wir sind und was wir sein könnten (2011) ausdrückt – vom limbischen System »all jene Reaktionen vom Hirnstamm aus zu einer konzertierten Aktion gebündelt, die mit Aufmerksamkeit, innerer Beruhigung, Neugier und Befriedigung einhergehen«.
Erkennen Sie Ihre wunden Punkte
Erfahrene Manipulatoren sind Meister darin, ihre destruktiven Strategien präzise auf ihre Opfer zuzuschneiden. Dabei geht es ihnen darum, den Gegner an seinem wundesten Punkt, an seiner Achillesferse anzugreifen. Solche »Fenster der Verwundbarkeit« sind Themen, mit denen wir uns stark identifizieren, die uns betroffen machen, die mit unserer persönlichen Lebenserfahrung oder unseren Überzeugungen zu tun haben. Manipulatoren analysieren bereits im Vorfeld ihre Gesprächspartner auf der Suche nach dem richtigen Auslöser, den geeigneten Reizwörtern oder sensiblen Themen, um den anderen auf die Palme zu bringen und zu emotionalisieren.
Zu den wunden Punkten, die am häufigsten attackiert werden, zählen die folgenden.
Hohes berufliches Engagement: Ein Manager identifiziert sich zu 100 Prozent mit seinem Unternehmensbereich, einem Projekt oder der Unternehmensphilosophie. Auf eine kritische Bemerkung springt er sofort an, um mit Zähnen und Klauen »sein Kind« zu verteidigen.
Schwachpunkte in der persönlichen Biografie: Jeder Mensch hat wunde Punkte, die mit seinen persönlichen, häufig schmerzhaften Lebenserfahrungen zu tun haben. Das können zum Beispiel Misserfolge in der Vergangenheit sein, Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme, verfehlte Karriereziele, Scheidung oder körperliche Gebrechen. Jedes dieser Themen ist emotional stark aufgeladen. Der Manipulator braucht nur überraschend eines dieser Reizthemen anzusprechen, um sein Opfer aus der Fassung zu bringen oder unter Druck zu setzen.
Abwertung durch stigmatisierende Allgemeinplätze: Manipulatoren setzen negativ besetzte, stigmatisierende Begriffe gezielt ein, um die Person des Gegenübers pauschal abzuwerten oder ein bestimmtes Argument anzugreifen. Da werden Controller als »Erbsenzähler« und »kleinkarierte Charaktere« bezeichnet, Vertriebsleute erhalten das Label »Selbstdarsteller mit wenig Fachkompetenz«, Banker werden als »korrupt und käuflich« und Politiker pauschal mit den Eigenschaften »machtbesessen und unglaubwürdig« stigmatisiert. Auch Ideen und Vorschläge können insgesamt verurteilt werden, was sich dann wie folgt anhört: »Six Sigma gehört zu den kurzlebigen Modeerscheinungen, für die in der Wirtschaft viel Geld verbrannt wird.« Oder: »Ihre Rollenspiele in Seminaren sind Sandkastenspiele, die mit der Realität in unserem Unternehmen nichts zu tun haben.« Oder: »Sie gehören auch zu den Gutmenschen, die naive und realitätsferne Vorschläge machen.«
Persönlichkeitsmerkmale: Der Manipulator weiß von bestimmten Eigenschaften seines Opfers, die er als »Schwächeknöpfe« drückt. Bei sensiblen und ängstlichen Gesprächspartnern reichen schon kritische Fragen, Warnungen oder Hinweise auf »dramatischen Konsequenzen«, um eine starke Verunsicherung zu erzeugen. Neigt das Opfer etwa zum Perfektionismus, wird das »Haar in der Suppe« gesucht, um den anderen in Stress zu versetzen.
Die fachliche Kompetenz: Um die fachliche Argumentation des Gegenübers zu erschüttern, erinnern Manipulatoren – mehr oder weniger direkt – an berufliche Misserfolge der Vergangenheit, an die lange Studienzeit von fast 20 Semestern oder an mangelnde Erfahrungen in einem bestimmten Fachgebiet.
Moralische Glaubwürdigkeit: Der Manipulator kann auch die Glaubwürdigkeit des Opfers angreifen, indem er – je nach Thema und Kontext – dem Angegriffenen mangelnde Fairness, mangelndes Umweltbewusstsein oder fehlendes Gerechtigkeits- oder Mitgefühl für andere Menschen unterstellt. Da moralisches, soziales und nachhaltiges Handeln insbesondere im Unternehmertum zu Schlüsselthemen geworden sind, kann er in der Regel auf eine sensible Reaktion hoffen.
Übung 1: Wunde Punkte
Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit, um zwei Fragen, am besten schriftlich, zu beantworten:
Welches sind Ihre wunden Punkte, die ein Manipulator als Ausgangspunkt für seine Angriffe nehmen könnte?
Welche Zeitgenossen bringen Sie im Alltag in Rage? Welche Knöpfe drücken sie dabei?
Was Sie tun können, um sich zu schützen, erfahren Sie in den folgenden Kapiteln. Bevor wir Konterstrategien gegen die speziellen Spielarten der Kampfdialektik und Manipulation vorstellen, lernen Sie in Teil 1 allgemeine Grundlagen zur dialektischen Selbstverteidigung und zur souveränen, offensiven Argumentation kennen.
Teil 1
Grundlagen für den verbalen Schlagabtausch
Wer die folgenden Empfehlungen beherzigt, schafft günstige persönliche Bedingungen, um unfaire und manipulative Angriffe gekonnt abzuwehren.
Zunächst lernen Sie sieben Grundregeln kennen, die Ihnen als erster starker Schutzschild gegen verbale Angriffe dienen.
Daran anknüpfend werden vier Voraussetzungen für souveränes Auftreten und Argumentieren vertiefend behandelt, die Sie in fairen wie auch in unfairen Kommunikationssituationen gleichermaßen anwenden können.
Im Überblick: Sieben Grundregeln für starke Konter
Ein Blick auf die Übersicht zeigt, dass es zunächst darauf ankommt, die eigene Wahrnehmung für potenzielle Manipulationen zu schärfen (Regel 1). Die Empfehlungen 2 bis 4 setzen darauf, bei unfairen Attacken situativ angemessen zu reagieren und die Hoheit über die Situation zu gewinnen. Sie benötigen gerade in angespannten Situationen klare Botschaften (Regel 5) und eine souveräne Personalisierung der Botschaften (Regel 6). Schließlich stärken Sie Ihre Überzeugungskraft, wenn Sie wissen, wo Ihre Verbündeten und wo Ihre Gegner sind (Regel 7).
Sieben Grundregeln auf einen Blick
Identifizieren Sie unfaire Taktiken möglichst früh.
Setzen Sie auf Sachlichkeit, Fairness und zielführende Argumentation.
Vermeiden Sie blinde Reaktionen auf Reize durch kluges Stressmanagement.
Agieren Sie, statt zu reagieren.
Nutzen Sie einfache Botschaften im verbalen Schlagabtausch.
Signalisieren Sie Stärke durch souveränes Auftreten.
Suchen Sie Verbündete für Ihre Argumentation.
Damit Sie sich schnell orientieren können, sind diese Grundregeln knapp und einprägsam formuliert. Sie werden im Folgenden jeweils vertieft.
1. Identifizieren Sie unfaire Taktiken möglichst früh
Eine erfolgreiche Abwehr unredlicher Taktiken setzt voraus, dass Sie diese vom ersten Moment an durchschauen. Seien Sie ständig auf der Hut, vor allem, wenn Sie Ihren Gesprächspartner noch nicht kennen. Einen Großteil kampfdialektischer Spielarten werden sie ohne Mühe richtig einordnen, etwa Killerphrasen, persönliche Angriffe oder Rechthaberei. Schwieriger ist es, verdeckte manipulative Taktiken wie zum Beispiel Halbwahrheiten, nonverbale Psychotricks oder subtile Angriffe auf Ihre wunden Punkte auf Anhieb zu erkennen. Genau das macht sie so bedrohlich.
Schärfen Sie mithilfe dieses Buches Ihre Wahrnehmungsfähigkeit für offene und verdeckte Manipulationen. Berücksichtigen Sie bei der Einschätzung auch die Vorinformationen über Biografie, Persönlichkeit, Verhandlungsstil und Ruf des Gesprächspartners.
2. Setzen Sie auf Sachlichkeit, Fairness und zielführende Argumentation
Wie im Kampfsport benötigen Sie bei unfairen Attacken eine gute Deckung, um den Angriff nicht an sich herankommen zu lassen, und eine gute Übersicht, um eine wirkungsvolle Gegenaktion zu starten. Als mentalen Anker können Sie das Bild einer Autobahn mit schützenden Leitplanken (vgl. Thiele 2006) benutzen, damit Sie auf dem sachlichen, fairen und zielorientierten Weg bleiben.
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Abb. 2:Mentale Autobahn mit schützenden Leitplanken
Die sachbezogene Argumentation läuft auf der grau hinterlegten Autobahn. Während Sie mit Ihrem Gegenüber ein Sachthema diskutieren, bewegen Sie sich mehr oder weniger schnell in Richtung Ziel. Sie diskutieren ja miteinander, um in der Sache weiterzukommen und ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.
Die Leitplanken links und rechts schützen den Raum des konstruktiven und sachbezogenen Miteinanders. Wie auf einer realen Autobahn müssen Sie aufpassen, dass Sie nicht »vom rechten Weg abkommen« und mit gefährlichen Hindernissen zusammenstoßen.
Gefährliche Hindernisse sind Angriffe von Kampfdialektikern und Manipulatoren. Sie bewegen sich außerhalb des abgesteckten Spielfeldes. Sie verfolgen unredliche Ziele und verletzen damit das Regelwerk der Sachlichkeit und des Fair Play. Die Angreifer wollen eine unbedachte Reaktion bei Ihnen provozieren und Sie damit vom Weg abzubringen.
Geschützt durch die Leitplanken lassen Sie den Angriff nicht an sich herankommen. Sie können mit Ihren Ausführungen einfach fortfahren oder mithilfe von Brückensätzen oder schlagfertigen Formulierungen eventuelle Attacken deeskalieren. Ihr mentales Programm könnte dabei lauten: Ich konzentriere mich ausschließlich auf das Sachthema und orientiere mich bei der Zielerreichung am Regelwerk eines partnerschaftlichen Dialogs.
3. Vermeiden Sie blinde Reaktionen auf Reize durch kluges Stressmanagement
Wenn wir auf Angriffe nicht vorbereitet sind, ist das Risiko groß, dass wir unter Druck geraten oder gar schachmatt gesetzt werden. Ihre Souveränität werden Sie nur dann verteidigen, wenn Ihr Denkhirn die Kontrolle behält und wenn Sie – wie oben erläutert – auf den vermeintlich bedrohlichen Reiz nicht unvermittelt anspringen. Zweierlei ist dazu unverzichtbar:
Halten Sie emotionale Distanz, indem Sie den Angriff selbst bewerten. Betrachten Sie zum Beispiel unsachliche Angriffe positiv – etwa als Gelegenheit zum Coaching – oder nutzen Sie das Bild der mentalen Autobahn: So hemmen Sie die angstauslösenden Reaktionen Ihres Körpers.
Nutzen Sie neben der Veränderung der Wahrnehmungsperspektive und der Umwertung die Möglichkeiten des persönlichen Stressmanagements, um durch Selbstvertrauen ein Gegengewicht zu Selbstzweifeln und Unterlegenheitsgefühlen zu schaffen. Eine gelassene und souveräne Grundhaltung ist die Basis für den Erfolg in einer verbalen Auseinandersetzung.
Weiterführende Empfehlungen zur Entwicklung einer selbstbewussten Haltung bietet der Abschnitt »Selbstvertrauen und Stressresistenz«.
4. Agieren Sie, statt zu reagieren
In Diskussionen und Besprechungen laufen unterschwellig stets Rangordnungsspiele. Durch positive Aktivität haben Sie die Chance, sich Respekt zu verschaffen und Ihren Status zu festigen oder zu erhöhen. Hier punkten Sie aus der Sicht der anderen Teilnehmer, wenn Sie sich aktiv beteiligen, sachbezogen argumentieren und wertschätzend mit anderen Sichtweisen und Auffassungen umgehen. Darüber hinaus kommt es Ihrem Status zugute, wenn Sie konstruktive Vorschläge einbringen, geschickt nachfragen und standfest Ihre eigene Position vertreten. Es geht in kontroversen Diskussionen nicht darum, von allen gemocht zu werden. Sie wollen respektiert werden, und zwar für sachkundige Beiträge, für Team- und Kompromissfähigkeit sowie für engagiertes und schlagfertiges Argumentieren.
Warten Sie nicht, bis Sie vom Moderator oder einem anderen Teilnehmer aufgefordert werden, Ihre Einschätzung einzubringen oder Fragen zu beantworten, die in Ihre Zuständigkeit fallen. Sie werden einen stärkeren Eindruck hinterlassen, wenn Sie sich aktiv um das Wort bemühen, statt nur auf Fragen anderer reagieren. Einen eigenen Wortbeitrag können Sie durch Blickkontakt und Handzeichen vorbereiten. Sie können aber auch freundlich und bestimmt bei einem Stichwort Ihres Gegenübers einhaken und das Wort ergreifen.
Je nach Risikoneigung können Sie dabei Interventionstechniken mit mäßigem oder erhöhtem Risiko nutzen (siehe Teil 2, Abschnitt »Verbale Dominanz in Besprechungen und Diskussionen«). Wenn Sie sich Respekt verschaffen und dadurch im Rangordnungsspiel aufsteigen wollen, sollten Sie jedoch auf Rechthaberei und übermäßige Dominanzgebärden verzichten. Fallen Sie anderen Teilnehmern möglichst nicht ins Wort, das steht im Widerspruch zum Regelwerk des Fair Play. Negativ wirken zudem persönliche Angriffe und Witze auf Kosten anderer, permanentes Neinsagen und Nörgeln, überlange Redebeiträge und harte Schlagfertigkeit.
5. Nutzen Sie einfache Botschaften im verbalen Schlagabtausch
Inhaltlich schlüssige Botschaften sind die Basis für eine offensive Argumentation sowie für die argumentative Selbstverteidigung. Daher ist eine sorgfältige Vorbereitung auf die Sachthemen unverzichtbar. Erarbeiten Sie am besten zu jedem relevanten Thema eine klare Kernbotschaft.
Trainieren Sie Ihre Fähigkeit, Botschaften kurz, prägnant und einprägsam zu formulieren. Reduzieren Sie ein komplexes Thema so weit, dass Sie es in etwa einer halben Minute auf den Punkt bringen. Hierbei können Ihnen gedankliche Strukturpläne helfen, wie sie die Fünfsatztechnik zur Verfügung stellt. Die Arbeit mit solchen Argumentationsmodulen bringt Ihnen doppelten Nutzen: Sie fühlen sich sicher und wissen, auf welche inhaltliche Position Sie sich zurückziehen können.
Zur erfolgreichen Überzeugungsarbeit gehört zudem, seine Ideen, Vorschläge und Angebote gegen Kritik und Einwände zu verteidigen. Hier müssen Sie Ihre Standfestigkeit und Selbstüberzeugung beweisen. Durchdenken Sie vorab, welche sachlichen Einwände und unsachlichen Angriffe möglich sind und wie Sie darauf reagieren wollen.
6. Signalisieren Sie Stärke durch souveränes Auftreten
Wenn Sie mit einem Kampfdialektiker in eine Auseinandersetzung gehen, kann dieser aus Ihrer Körpersprache und Ihrem Sprechverhalten ableiten, ob Sie ein Kontrahent auf Augenhöhe sind oder ob er leichtes Spiel mit Ihnen haben wird! Daher sollten Sie potenziellen Angreifern durch Auftreten, Körpersprache und Stimme zeigen, dass Sie sich gleichberechtigt und stark fühlen.
Dieses »Maßnehmen« ähnelt einem Ritual, das wir aus dem Boxsport kennen, nämlich dem »Staredown«. Hierbei geht es darum, dem Gegner bereits vor dem Kampf den Schneid abzukaufen, indem man durch Dominanzgebärden wie Pokerface und festen Blick zeigt: Ich bin der Stärkere! Jede Regung des Gegners wird dabei aufmerksam verfolgt, um daraus auf seine Verfassung zu schließen. Die Regel lautet: Wer zuerst den Blick senkt, hat die Nerven verloren und gilt in den Augen des Gegners und des Publikums als unterlegen.
Auf derartige nonverbale Machtspiele sollten Sie sich nicht einlassen, sondern die Situation selbstbewusst deeskalieren. Das Kapitel »Strategien gegen Macht- und Dominanzgebärden« im Teil 2 stellt geeignete Techniken vor.
Ihr Gegenüber registriert im rhetorischen Schlagabtausch, ob Sie bei Ihren Wortbeiträgen oder beim Umgang mit Einwänden, kritischen Fragen und Angriffen Unsicherheits- und Stresssignale zeigen.
7. Suchen Sie Verbündete für Ihre Argumentation
Vermeiden Sie hektische und unruhige Bewegungen sowie Verlegenheitsgesten. Mithilfe einer Videokontrolle mit Feedback eines Coaches oder eines guten Freundes können Sie Verbesserungspotenziale erkennen.
Wenn Sie in einer Gruppendiskussion Ihre Vorstellungen durchbringen wollen, ist dies allein durch die Kraft Ihrer Argumentation selten möglich. Ihre Dialektik und Ihre Fachkompetenz in Ehren – aber ohne Führungskräfte und Mitstreiter, die Ihr Vorhaben auch bei Kritik und unsachlichen Angriffen unterstützen, ist Ihr Überzeugungsversuch häufig zum Scheitern verurteilt.
Sie bringen sich taktisch in eine bessere Position, wenn Sie wissen, wie das emotionale Beziehungsgeflecht im Team aussieht, wer Ihre Verbündeten und wer Ihre (möglichen) Gegner sind. Suchen Sie sich daher statushöhere Schlüsselpersonen, Experten mit hoher Reputation oder informelle Führer als Fürsprecher. Setzen Sie alles daran, im Vorfeld einer Besprechung oder einer Präsentation – möglichst unter vier Augen – die entscheidenden Personen von Ihrer Idee zu überzeugen oder zumindest deren Sichtweise, deren Einwände und Fragen in Erfahrung zu bringen.
Stellt sich heraus, dass die Zustimmung zu Ihrer Position bei den wichtigen Entscheidungsträgern weit unter 50 Prozent liegt, spricht vieles dafür, auf solche waghalsigen Überzeugungsversuche zu verzichten oder sich mit dem Erreichen eines Minimalzieles zufriedenzugeben. Je mehr statushohe Führungskräfte auf Ihrer Seite sind, umso besser sind Ihre Erfolgsaussichten.
Persönliche Voraussetzungen für souveränes Argumentieren
Voraussetzung für eine souveräne Argumentation ist eine Reihe von persönlichen Eigenschaften. Dieses Kapitel gibt Ihnen Anregungen dafür, Ihre persönlichen Qualitäten einzuschätzen und weiterzuentwickeln. Auf dieser Basis können Sie schließlich die Konterstrategien erfolgreich einsetzen, die in Teil 2 vorgestellt werden.
Sie benötigen in der verbalen Auseinandersetzung vor allem persönliche Stärke, die dem Angreifer zeigt: Unfaire Taktiken werden an Ihnen abprallen. Diese Stärke drückt sich sowohl in einer selbstbewussten inneren wie äußeren Haltung aus. Sie müssen in der Lage sein, Argumente überzeugend zu präsentieren. Und nicht zuletzt sollten Sie fähig sein, Ihren Status in der Gruppe und das emotionale Beziehungsgefüge in Ihrem Umfeld realistisch einzuschätzen.