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Gute Mädchen sagen danke schön, böse flüstern 1000 heiße Worte ... der Dirty-Talk-Ratgeber von Bestseller-Autorin und "Sex-Päpstin" Anne West Jenseits der Stille beginnt die Leidenschaft. Die Autorin des Bestsellers »Gute Mädchen tun's im Bett - böse überall« macht Lust auf Liebesgeflüster und andere sinnliche Spielarten für ein erfülltes Sexleben: lustvoll, mutig, experimentierfreudig. Eine Anleitung nicht nur für Frauen, sich auf Entdeckungsreise in die weiten Gefilde der (verbalen) Lust zu begeben.
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Seitenzahl: 426
Anne West
Sag Luder zu mir
Dirty Talk for Beginners
Knaur e-books
Gute Mädchen sagen danke schön, böse flüstern 1000 heiße Worte. Denn jenseits der Stille beginnt die Leidenschaft. Anne West bringt die Sextipps fürs 21. Jahrhundert: lustvoll, mutig, experimentierfreudig und sehr sinnlich. Eine Anleitung nicht nur für Frauen, sich auf Entdeckungsreise in die weiten Gefilde der (verbalen) Lust zu begeben.
Ende der Siebzigerjahre machten zwei Auswanderer aus Italien mit einem Riesenstudienschinken über den Abschied vom Mythos Mann in den USA Furore. Unter anderem wurde dort angeblich auch ein für alle Mal – bei viertausend Befragten durchaus repräsentativ und noch nicht verschreckt von Shere Hite – damit aufgeräumt, dass Männer in punkto »Vorspiel nach weiblichem Geschmack« keine Ahnung/keine Lust/kein Interesse/nicht genug Ausdauer haben.
Ich sach mal: Wer den Abstand zwischen ausgestrecktem Daumen und abgespreiztem kleinem Finger vehement und über Jahre mit einem pseudodreckigen Grinsen als dreißig Zentimeter bezeichnet – der wird auch weiterhin behaupten, fünfundvierzig Sekunden Fummeln sei ein Vorspiel.
Davon mal abgesehen haben Vorspiele, die sich als Vorworte verkleiden, sowieso wenig Sinn; es geht noch nicht richtig zur Sache, aufhören könnte man auch noch ohne weiteres, und so doll wie damals Petting ist es heute eh nicht mehr. Warum können es Autoren also nicht lassen, ein Vorwort zu verfassen? Und was hat das damit zu tun, dass fünfundvierzig Sekunden Vorspiel angeblich zu wenig sind; manche spucken schließlich einfach nur in die Finger?
Vorspiele und Vorworte haben eines gemeinsam: Sie können wahnsinnig unbefriedigend ausfallen und sind teilweise so nutzlos wie ein drittes Bein. Anheizen und dann doch nicht Klartext reden, sich bei hunderten von Leuten in vorauseilendem Gehorsam bedanken (»Ich danke heute meiner Mutter, meinem Onkel Phil, meiner kleinen Schwester, meiner Englischlehrerin, meinem ersten Spontanfick und meinem Goldfisch …«) und dann letztlich doch einsehen, dass die Geschichte endlich anzufangen hat.
Okay, ich lasse den Dank weg und fang mal an. Aber dann lass ich auch die Story von meinem Lektor und mir weg, der mir einen Riesenschreck damit einjagte, als er eine zweite Anne West verlangte und ich vermutete, ich müsste den Sex neu erfinden. Hatte ich denn nicht alles gesagt, was ich wusste oder zusammengetragen hatte? Und war es in den paar Jahren wesentlich mehr geworden? Nö, meinte ich verzweifelt, das reicht nicht mal für zwei Seiten Großdruck, nebenbei musste ich arbeiten, mich neu verlieben, frisch und blutend trennen, für Freunde Geburtstagspartys ausrichten, umziehen, abnehmen, zunehmen, wieder abnehmen, nochmals umziehen und konnte nicht dauernd dröhnend stöhnend durch die Betten toben. Also, keine spannende Geschichte, nur das Leben, das so subjektiv ausfällt, dass man die Wahrheit dahinter gar nicht ahnt.
Ich lass auch die unsägliche Story weg, in der es mich jedes Mal zu Lachanfällen hinriss, sollte ich auch nur den Ansatz eines Koitus beschreiben. Ich konnte einfach nicht länger über Sex tradieren und verlegte mich auf Food-und-Fun-Themen. Selbst als Gerichtsreporterin oder Fresstante quiekte ich bei zweideutigen Begriffen wie »Sackgasse« oder »Verlorene Eier« so übertrieben neckisch, dass die Kollegen mir ein Einzimmerbüro im Keller einrichteten und ich nur nachts arbeiten durfte, wenn das Gequieke keinen aus seinem Büroschlaf riss.
Keine Details gibt es auch von der Story, in der ich auf Grund der angeblich selbstverliebten Art, Geschichten zu schreiben, vor den Pranger geschleift und verbal gesteinigt wurde. Hey! So viele Menschen drehen pausenlos ihre eigene Moral durch den Fleischwolf, und ich habe doch nur das Papier malträtiert. Das hinderte die Meute aber nicht daran, mir mit Plakaten und Spruchbändern im Parkhaus aufzulauern und mir entgegenzuschmettern, dass sie alles schon wussten, was ich jemals zu Papier gebracht habe und jemals zu Papier bringen würde! Okay, sagte ich dann jedes Mal, ist gut, ich denke mir was Neues aus, kein Problem, es ist noch nicht alles gesagt, wartet nur ab, wenn ich euch was über Hodenspanner, Harnröhrenbisse und heiße Worte erzähle.
Nun sitze ich hier an meinem Klavier, rauche und schaue und denke an das Parkhausversprechen. Ich werde es brechen und nichts über Hodenspanner erzählen, da ich mit SM immer noch keine leibhaftigen Erfahrungen habe und sich so selten jemand dazu hinreißen lässt, mir seine Gelüste zu beichten. Schade.
Weiterhin halte ich an der bescheidenen Ansicht fest, dass jede Beziehung noch mehr Spaß machen würde, wenn die Leute täten, was ihnen Spaß macht, ohne dass sie sich zwingen müssen oder gezwungen werden. Aber das scheint kein Problem zu sein, das sich erledigen könnte, indem man diese schlichte Wahrheit einfach mal umsetzt – die Sprachlosigkeit und die Unfähigkeit, eine Partnerschaft so lang wie möglich aufrechtzuerhalten, wirken dem entgegen.
Die ???Halbwertszeit einer Beziehung ist ja teilweise kürzer als die von Hela-Ketchup, und der ist immerhin drei Jahre haltbar, obwohl sie die Konservierungsstoffe rauslassen. Und die Lieben werden immer kürzer! Was früher nebeneinander stattfand – fester Freund, Spielhascherl und Gelegenheitsflirt –, reiht sich heute wie eine Reihe von schlechten Tagen hintereinander. Kaum hat man sich aneinander gewöhnt, geht die ganze Kiste wieder auseinander, und das Spiel beginnt von neuem, bis es immer weniger Auswahl und immer weniger Freude gibt. Und das Warten – Warten auf den richtigen Menschen, oder wenigstens auf den halb richtigen, der es mit einem aushalten kann, auch wenn man mit der Zeit schon recht unausstehlich geworden ist –, dieses Warten und Testen und Gucken und Probieren schlaucht ganz schön. Wir schleppen mehr und mehr moralischen Ballast mit uns rum, jede Enttäuschung lässt uns trudeln. Was haben die Leute eigentlich früher gemacht, als noch Geld das Wichtigste war und nicht der Lebens-, Liebens-, oder Leidensgefährte? Müssen die Zeit gehabt haben. Wahrscheinlich wurde von denen die neue Rechtschreibung erfunden.
Oder was soll man sonst davon halten, wenn sich alle naslang wer auseinander lebt, sich trennt und die Medien mit Argusaugen beobachten, wen das Liebeskarussell wohin spült? Wieso sonst sind in meiner Generation Zehnjahrespaare so selten wie ein Sechsmarkschein? Unsere Eltern haben es alle irgendwie fünfunddreißig oder mehr Jahre miteinander ausgehalten. Und wir – heiraten früh, trennen uns früh, heiraten mehrmals. Und beklagen uns.
Schluss mit der Klagemauer. Auch in unserem Alter ist Anstrengung der Mühe wert (auch wenn wir nie etwas gehabt haben, für das es sich lohnte; oder waren Sie, der Sie nun Anfang dreißig sind, mal für irgendwas auf der Straße, oder haben Sie jemals mit politischen Argumenten um Taschengeld gekämpft? Na? Unsere Altersgenossen sind Erntekinder, und die, die nachfolgen, erst recht, aber eine Ausführung spare ich mir jetzt, ich will nicht wieder in Parkhäusern überfallen werden); und jeder, der Selbstverwirklichung leben will, sollte wissen, dass er nur das verwirklichen kann, was in ihm steckt, nicht aber über die Grenzen des Bestehenden hinaus. Soll heißen: Sie werden nicht mehr sein, als Sie sind, aber seien Sie erst mal Sie selbst.
Um sich selbst kennen zu lernen, ist Kommunikation nach innen und nach außen erste Pflicht. Es gibt Zeiten, da sollten Sie nur mit sich selbst reden. Und es gibt die Zeit, in der Sie das Maul aufmachen und mit der Umwelt in Kontakt treten sollen. Und dann gibt es noch die besonderen Stunden, in denen Sie so reden, wie Sie es niemals auf der Straße hören werden. Aber wozu sonst leben wir, wenn es nicht ab und an ein bisschen schmutzig und verboten zugeht? Etwa um zu lamentieren?
Also leben wir und reden wir, spielen mit Worten, die aus uns selbst entspringen, ohne dabei geschwätzig zu sein. Auch wenn es so verdammt sozialpädagogisch daherkommt: Reden ist Pflicht in einer funktionierenden Liebe. Machen Sie den Mund auf, wenn Ihnen was nicht passt. Lernen Sie zuzuhören, wenn der andere redet. Verpflichten Sie sich selbst, nicht anderen von den Macken Ihres Liebsten oder Ihrer Fee vorzujaulen, sondern sprechen Sie mit dem Menschen, den es angeht. Lernen Sie einzusehen, dass irgendwann auch Reden nichts mehr nützt. Schmeißen Sie Ihre Mobiltelefone weg, und kommunizieren Sie Auge in Auge, dicht an dicht. Wählen Sie Worte sorgfältig, nicht als Waffe – wie das geht und warum das so sein muss, werden Sie hoffentlich auf den kommenden Seiten erfahren. Und weil das Leben auch mal schön sein muss, sagen Sie auch mal Luder zu ihr oder Superlover zu ihm. Worte sind nicht zurückzunehmen, also drehen Sie die Moral um, und geben Sie Worte, Gedanken, Hoffnungen, Wünsche weiter. Warten Sie nicht darauf, bis man Sie anspricht.
Legen wir uns also hin und flüstern und tüstern und spielen etwas vor, was wir gern sein möchten, und schon haben wir ein äußerst beredtes Vorspiel, eines, das noch nicht mal ein Vorwort ist. Hören wir auf, sprachlos die Kunst der Liebe zu pflegen, ziehen wir uns mit einem Menschen zurück, der offenen Ohres und Herzens ist, und machen ihn an, bis die Geilheit aus den Ohren kommt.
Sag mir was Schmutziges.Über die Schwierigkeit, hemmungslos erotischen Blödsinn zu erzählen
Als er zum ersten Mal raunte: »Bück dich, du Luder«, fiel ich vor Lachen fast vom Sofa in die Pralinen. Es tut mir heute noch ganz schrecklich Leid, aber das kam zu unerwartet, zu bemüht und erinnerte mich an Pornos, in denen Frauen immer spitze Stöckelschuhe im Bett tragen und Lipgloss auf dem Mund und sich verwundert und ängstlich umschauen, wenn der Kerl sie von hinten nimmt. Achten Sie mal drauf: Der Gesichtsausdruck ist oft geprägt von: »Hey, hallo, was passiert denn da? Ooohh, was ist das? Hmm, es ist gut, aber was macht das Schwein da?«
Es ist so was von klar, was er da macht.
Und es scheint so was von unklar, warum Verbalerotik, was den Überwindungsgrad betrifft, gleich nach Bungeejumping oder ähnlichen Mutproben kommt. Eigentlich eine Frechheit, dass nach diversen Umfragen jeder zweite Kerl wünscht, dass die Dame mal deutlich schmutzige Sachen äußert. Oder was sie will und wie sie es will. Ohne Maulsperre und möglichst im attraktiven Summ-Gesäusel auf tiefster Tonspur vorgetragen. – Hilfe, wie geht das? Die meisten von uns sind nun mal nicht als Gurrgurus auf die Welt gekommen, und diverse sprachliche Eigenheiten, die sich aus der Geburtsregion begründen, sind auch nicht gerade hilfreich. (»Stesch mir deine kleine Wurschtpaledde in meine scheckschy Schlitzsch, du Gloggentiescher.«) Ganz abgesehen davon, dass selbst abgebrühtesten Sexperten mal das Wort von F bis A im Halse stecken bleibt und sich die Dinge, so wie sie nun mal heißen, schlecht als sexy Bettgeflüster eignen. (»Presse deinen Penis fest zwischen meine Brüste und berühre gleichzeitig meine Vagina.«) Wow. Sextechniken, VHS, Grundkurs. Diesmal mit Partnertherapeutin Inge W. aus C.-R. Bitte bringen Sie geeignete Handtücher und Aufnahme-/Abspielgeräte mit.
Das größte Pflaster auf den Lippen: Scham. Peinlichkeit. Das Brr.
Der Partnertherapeut Klaus Heer aus Bern erklärt das Brr mit jenen Gehirnwindungen, die sich schwer tun, auf sprachlicher Schmuddelebene herumzutollen, und uns stattdessen die rote Karte präsentieren, soll’s mal schmutzig werden. Die so genannte Broca-Windung steuert unsere Sprachmotorik, und in Untersuchungen flackert und flimmert sie nervös und orangerot auf dem Monitor, wenn das Horizontale ins Verbale übersetzt werden soll.
Und schon kommen wir ins Stottern, auch wenn es sich nur um die klare Anweisung handelt »Bitte leck mir meine Eier«. Ganz abgesehen von lustvollen Bekenntnissen, die direkt das beschreiben, was so gut tut. Dann heißt es lieber: »Nimm mich fest« (in die Arme?), »Schieb ihn mir rein« (den Toast in den Mund?), »Nimm ihn in den Mund« (den Lutscher?) oder »Mach’s mir, besorg’s mir«. Ich spare mir jetzt Kommentare auf diese Spitzenpornomonologe. »Ihn«, »sie«, »es« – Umschreibungen, die jeder kennt und an denen sich niemand die Zunge verbrennt. Wieso die Dinge beim Namen nennen, wenn’s auch so geht?
Selbst ich musste mir sagen lassen, dass ich in Gute Mädchen tun’s im Bett, böse überall zu oft blumig umschrieb, was doch ganz deutlich als Schwanz, Muschi, Arsch oder Brüste tituliert werden könnte. Okay, okay, dafür hatte ich viel Spaß mit der Suche nach neuen Wörtern für Gartenschlauch und Lustgrotte. Außerdem war ich jung und brauchte das Geld, und die Seiten füllen sich ja schließlich nicht von selbst. (Übrigens sind mir achtundsiebzig Umschreibungen für »masturbieren« bekannt. Seien Sie froh, dass ich damit nicht auch noch Zeilen schinde.)
Umschreibungen und die konsequente Benutzung von unbestimmten und bestimmten Artikeln (»Wow, ist der aber groß!« Der? Der Abstand zwischen Arm und Reich? Der Kastenwagen? Doch nicht etwa der Penis im erigierten Zustand? Oder: »Du bist mir ja eine!« Eine? Eine was – Frau? Schlimme? Ludrige kleine geile Betthäsin? Oder was?) scheinen die Standardfremdsprache im Bett zu sein. Übrigens fast nur bei den Deutschen: Amerikaner und Engländer sind die lebhafteren Dirtytalker; aber kein Wunder, im normalen Straßensprachgebrauch lautet eh jedes zweite Wort »fuck you«. Die haben wahrscheinlich auch nicht so was Rotflimmerndes, Behinderndes wie diese verklemmten Broca-Windungen, aber wer weiß das schon. Während es also mit einem Briten oder Ami von »suck my dick« und »lick my pussy« nur so wimmelt, bleiben wir lieber bei den gedehnten Vokalen »oh«, »ah«, »ja«.
Kann man ja auch so weitermachen, keine Frage.
Nur: Haben Sie schon mal auf Ihren eigenen Porno im Kopf gehört? Was da passiert, wenn Sie mit sich und Ihrer Hand allein unter der Bettdecke sind? Schweigen da die Heerscharen von Footballspielern, blonden Sirenen, dickeirigen Mopedgangs, großschwänzigen Männern aus südlichen Kulturkreisen oder die neue sexy smarte Kollegin aus dem dritten Stock? Oder sagen sie Dinge wie »Mach die Beine breit, zeig mir deine Möse«, »Lass mich dein Sklave sein, und du bist die Göttin meiner Lust«, »Ich liebe es, deinen Atem an meinem Schwanz zu spüren« oder gar »Wenn ich an meinen Lippen lecke, schmecke ich deine Geilheit«, oder vielleicht auch »Schrei nur, es wird dich niemand hören«?
Natürlich kann es sein, dass die gute Erziehung solche eindeutigen Wörter mit einem »Piiiiep« überblendet oder einen schwarzen Balken drüberlegt, man kennt ja die Theorie, wonach alles in der Kindheit liegt, selbst wenn man nur vom Nachttopf gefallen ist. Nach dieser Erklärung sind Eltern, Großeltern, Vormünder und sonstige Leute, die damals erwachsen waren, als wir noch nicht mal an die Klingel reichten, schuld an unserem asexuellen Vokabular und der Unfähigkeit, sexy über unser Triebleben zu plaudern. Jenes Wort ist bäbä, dieses sagt man nicht, das nimmt man nicht in den Mund. (Oha, daraus könnte sich die Anti-Oral-Theorie entwickeln lassen … aber lieber nicht.) Kaum war also ein neues tolles Wort gelernt (wie »geil« oder »Möse« oder »Pimmel« oder »Strapse« oder »bumsen« oder »blasen« oder …), auf das garantiert eine heftige Reaktion folgte, wurde es verboten und geächtet. Diese Ächtung pflanzte sich uns tief ins Unterbewusstsein, so dass wir jetzt als selbstverantwortliche Erwachsene stumm und stupide daliegen und selbst banalste Sachen wie »Knabbre bitte an meiner Harnröhre« verschweigen lassen (zum Thema Harnröhrenbisse sollten wir bei Gelegenheit auch noch kommen – lauter Dinge, die Männer und Frauen antörnen …).
Die Folge: Selbst unter Gleichaltrigen wurde es peinlich, wenn diese neuen tollen Wörter benutzt wurden. Und da Kinder irgendwann groß sind, neue Wörter alt werden, aber die Peinlichkeit bleibt – bums, tja, da heißt es lieber »Schieb ihn mir rein« als »Steck deinen Schwanz in meine Muschi so weit es geht«. Schockiert? Nein, doch nicht wirklich. In Büchern darf man zwar auch nicht alles straflos schreiben oder überdeutlich beschreiben, wenn man nicht unter dem Ladentisch gehandelt werden möchte, aber zumindest mehr als das, was Chefredakteure üblicherweise tolerieren, weil sie sonst Ärger mit dem Herausgeber, dem Verleger, dem verlagseigenen Anwalt und der Aufsicht zum Schutz der Jugendlichen bekommen. Ganz zu schweigen von den Stammlesern des Blatts, die bereits bei einer harmlosen Regieanweisung wie »Scheu dich nicht, an meinem Ozelotsuspensorium zu saugen« achtzehnseitige Leserbriefe verfassen, um ihrer Empörung über den Verfall der Sitten Luft zu machen. Ja, das gilt auch für aufklärerische Magazine wie das einstige Orgasmusorgan Cosmopolitan oder das Magazin für die vivi@n von heute (das längst eingestellt ist, kein Wunder; typischer Interruptusjournalismus: Immer, wenn’s spannend wurde, hörte der Artikel einfach auf). Jedes Heft zeigt zwar gern, was es Neues gibt, aber spätestens bei der Beschreibung dessen, was da so toll ist, zwingt die Oberflächlichkeit uns in die Knie.
Dann wird verbale Erotik umschrieben mit »Geben Sie Ihrem Kopfkino mehr Stimme« oder »Sagen Sie ihm, was Sie sich von ihm wünschen«. Ja, gerne, aber wie denn? »He, Baby, ist dein Ballermann auch geladen«? »Warum schaust du mich so an – lass mich raten, du willst Sex«? »Hm, ich wünschte, du wärst eine unersättliche Zugbegleiterin und ich der dominante Schaffner«??? »Mach’s mir superscharf mit deinen Sex-Lippen«???
Nei-ein! Kann nicht! Geht nicht! So schon gar nicht! Und »Komm schon, Baby, zeig’s mir« oder »Oh, ja, das ist so geil« will ich auch nicht!
Aber wie sonst? Wie soll man schmutzige Wörter mit schönen Ideen koppeln, wie soll sich selbst der gemeinste Fäkalausdruck so kombinieren lassen, dass es anmacht, ohne zu beleidigen, was soll man überhaupt kommentieren – was man will, was man mag, was man braucht? Oder? Vielen geht es doch so: Dabei und erst recht darüber zu reden ist mir peinlich, ich könnte mich lächerlich machen oder er könnte mich verachten, weil ich triebhaft wäre. Oder: Sie könnte es abstoßend finden, wenn ich ordinär werde, oder über mich lachen, weil es sich so verdammt romantisch oder gestelzt anhört oder wie frisch aus dem Junge-Novizinnen-splitternackt-Porno übernommen. Dann lieber beim »Jaa« und »Ooohh« und »Hmm« und »Gut« und »Weiter« und »Hör nicht auf« bleiben, da weiß doch jeder, was gemeint ist.
Auch gut.
Besser aber: Beginnen.
Es ist wirklich nicht schlimm oder schwer; je weniger Sie überhaupt daran denken, »verbotene« Begriffe zu benutzen, desto einfacher wird es. Die einzige Voraussetzung ist: Sie verabschieden sich von den Drehbüchern der Pornoindustrie und dem Gequassel der Sexblätter, und das Wort »verboten« wird verboten. Die deutsche Sprache ist zwar beschränkt in ihrem zärtlichen Vokabular (allein in Russland kennt man sieben verschiedene Ausdrücke für den Mund einer Frau) und zwingt uns oft, dieselben Wörter zu benutzen. Auch sind wir nicht gerade Meister im Fabulieren, da sich bestimmte Begriffe festgesetzt haben und wir erst minutenlang nachdenken müssen, bevor wir ein Wort für unsere Genitalien gefunden haben, das weder abschätzig noch derb noch blöde klingt.
Wie also den Anfang wagen? Wie über das Nachdenken und die Sprachblockade hinausstoßen? Am besten versuchen Sie es erst mal mit zärtlichem Liebesgeflüster, um überhaupt das Quatschen davor, währenddessen und vor dem nächsten Mal zu üben. Natürlich ist der nächste Schritt, Dirty Talk, kein Handwerk, das sich garantiert wie Butterkuchenbacken lernen lässt; und einen Punkt-für-Punkt-Plan gibt es auch nicht, und zwar schon allein deshalb nicht, weil – einmal abgesehen von den zwölf Tierkreiszeichen – jeder Mensch doch irgendwie eigen ist und seine ganz persönlichen Hemmungen pflegt. Leider gibt es auch wenige einschlägige Vokabelbücher, die Sie durchpauken könnten – außer vielleicht das Penis-pur-Buch für drölfzig andere Bezeichnungen für den lütten Kollegen oder diverse Abhandlungen im Internet für die Linguistiker unter uns, die wissen wollen, was »Komm auf mein Rohr« auf Bengal heißt. Sonst rate ich zu japanischen und chinesischen Liebesgedichten: Ihre Umschreibungen für allerlei Unterleibliches sind kaum zu übertreffen.
Außerdem kommt es ganz auf den Menschen an, der da flüstert oder dem Sie was zu sagen haben: Während Sie es dem einen Kerl zum Beispiel unter Garantie glauben, wenn er heiser in Ihr Ohr keucht, wie sehr ihn Ihr Geruch zwischen den Schenkeln anmacht, würden Sie bei einem anderen doch eher dezent in sich hineinlächeln. Und wenn es der einen gefällt zu hören, wie geil es ihn macht, wenn sich ihr nackter Hintern vor einem Spiegel hin und her bewegt, wird die Nächste ihm eine dafür schallern, dass er sie auf die Knie zwingen will, um den Einblick zu genießen. Und wenn einer völlig hingerissen davon ist, dass er »das Schmatzen deiner Muschi hören kann«, labert der andere vielleicht die ganze Zeit und kriegt das lustvolle Geräusch gar nicht mit.
Wie auch immer, am besten beschreiben Sie einfach das, was Sie gerade tun oder erleben und was es in Ihnen auslöst. Und es ist völlig okay, wenn Sie dabei ganz normale Sachen sagen wie: »Das ist gut«, »Das ist schön«, »Das macht mich an«, »Davon will ich mehr«. Vergessen Sie’s zu behaupten, dass Sie Glöckchen klingeln hören oder im siebten Himmel schweben. Das ist Blabla.
Kurze Zwischenfrage: Muss Dirty Talk eigentlich sein?
Nicht immer. Gern öfter. Man muss sich keine Spielgeräte kaufen oder in Strapsen vor dem Spiegel steppen, sondern vielleicht nur etwas mehr lesen, um auf andere Ideen zu kommen, wie man etwas ausdrücken kann oder in welcher Situation man was wie flüstern oder stöhnen kann, oder was es nicht alles für vergessene Wörter gibt. Und es ist berauschend, es kostet nix, und eine Beziehung wird dadurch spannender, dauerhafter, wabert nicht irgendwo zwischen familiärer Routinevögelei und freundschaftlichem Einheitsbrei herum. Wenn ich ab heute darauf verzichten müsste, dass mein Liebster mir aufregende Dinge sagt, dann würde der Sex um ein Drittel langweiliger; welche Folgen es für die Liebe hätte, weiß ich nicht, da viele seiner kleinen ludrigen Spitzfindigkeiten ein so intimes Gefühl bei mir hinterlassen, dass ohne diese lustvollen Äußerungen das Besondere fehlen würde.
Schade nur, dass die deutsche Sprache manchmal so hölzern ist, so eingeengt in ein schmales Vokabular – was allerdings daraus resultiert, dass es manche Wörter eben deshalb nicht gibt, weil wir nicht die Empfindungen dazu kennen. Was ist ein »Hype«? Wie bekommt man einen »Flow«? Was zum Teufel heißt »Hit me with your laserbeam«?
Diese kulturellen Erscheinungen gibt’s nicht bei uns, und uns fehlen viele Verben, um Abstufungen von Handlungen auszudrücken, wie zum Beispiel im Englischen, wo »to hit« oder »to spank« »hauen« bedeutet, aber das eine mehr, das andere weniger. Englisch oder Französisch haben unzählige Facetten und einfach einen sexy Klang, was uns deutsche Radebrecher aber nicht daran hindern sollte, die Sprachen einfach zu mischen. Wenn wir der deutschen Sprache einen Pariser überziehen, um unsere züchtige Leitkultur vor der Ansteckung mit Anglizismen zu schützen, wird sie unfruchtbar. Bloß keine Aufregung also, lasst uns alle Worte benutzen, die wir kennen – im Bett und überall.
Es gibt diverse Paare, die ich nach ihren Penis-Plaudereien ausspioniert habe, die Sprachen mischen, um sich gegenseitig anzuturnen (wieder ein fremdländisches Wort, herrje). Dabei kam raus: Viele Frauen mögen die Kuschelvariante des schmutzigen Sprechens (»schmutziges Sprechen« statt »Dirty Talk«: »Sag es deutsch«, habe ich da meinen Chef Nummer vier im Ohr …). Sie mögen Sachen wie »Deine Schamlippen schmecken wie Milch, deine Haut duftet nach Sonne und salzigem Meer, deine Hände auf meiner Haut zu spüren macht mich süchtig nach dir«; während Männer deutlichen Anweisungen und Kommentaren nicht abgeneigt zu sein scheinen: »Nimm meine Brustwarzen zwischen deine Finger und dreh sie fest, leck mich langsamer, spritz mir ins Gesicht.« Deutlich. Nicht unbedingt zärtlich, aber was macht das schon? Es gibt eine Zeit für Kuscheln, und es gibt eine Zeit zum Ficken. Die Teilnehmer an beiden Aktionen können dieselben sein, wozu sind wir schließlich Menschen? Zum Gleichbleiben und Gleichmachen?
Also, macht es was, wenn Männer direkt sind?
Viele Frauen sind in ihrer Kommunikation eher auf diplomatisches Umschreiben gepolt (das liegt am Gehirn, sogar an ganzen Hälften statt nur an ein paar Zellen): »Könntest du vielleicht … ich glaube, dass …, sollten wir nicht mal …, was hältst du davon, wenn …« Diese im Alltag taktisch klugen Fallstricke haben im Bett Knebelwirkung, zumindest auf viele Männer (sagen die Männer). Okay, auf fast alle.
Konsequenz: Sag es, Mädchen, sag, was du willst, und wenn er den Kopf schüttelt, dann war’s halt nix, fertig.
Wenn’s so easy wäre, würden wir es längst tun, nicht wahr?
Aber warum törnt es Männer nicht allzu sehr an, wenn wir Frauen ihnen so ähnliche Sachen sagen, wie wir sie uns zu hören wünschen? Wir möchten erst in Sicherheit gewiegt werden (wie schön wir sind, wie lecker wir schmecken, wie herrlich wir riechen, wie gut sich alles anfühlt, wie wunderschön der Blick zwischen unsere Schenkel für ihn ist, wie erregend es ist, wenn sich der Rock über die Hüften schmiegt), um dann umworben (»Lass mich deine Brüste küssen, lecken, beißen, deine Beine spreizen, streicheln, schmecken, deinen Nabel bewundern, berühren, einfach nur unter dir liegen und unter deinen Rock schauen, wie sich deine Schenkel bewegen und sich der Slip an deiner Muschi reibt«) und angemacht zu werden (»Ich will dich, dein Stöhnen zu hören ist das Schärfste, was es gibt, bitte, lass mich deinen Slip zur Seite schieben, lass mich dich schmecken, bitte, dreh dich um, oh Gott, wenn du das sehen könntest, es sieht so geil aus, du bist meine Qual, dir gehört meine Sehnsucht, mein Schwanz gehört nur dir, du bist mehr, als ich mir je hab träumen lassen, bitte, ja, spiel ein wenig an dir herum …«).
Kerle brauchen diese Sicherheit und diese stufenartigen Steigerungen in den wenigsten Fällen. Zumindest nicht so massiv, ich möchte ja nicht abstreiten, dass sie sich über ein »Du riechst gut« nicht auch freuen, haben sie dann doch das korrekte Eau de Toilette erstanden. Aber Kommentare, wie sie uns Frauen gelöster machen, machen Männer nicht unbedingt an oder bauen Hemmungen bei ihnen ab, wie es bei uns überselbstkritischen Frauen der Fall ist. Wir machen uns ja schon Gedanken, wenn es erst eine Woche her ist, dass wir die Beine rasiert haben, oder der Lack von den Fußnägeln blättert und wie das wohl aussieht.
Das sieht er gar nicht. Nicht aus Desinteresse, sondern weil für ihn mehr Mund und Muschi spannend sind. Sorry, aber wenn ihm die Frau gefällt, dann sind Kleinigkeiten wie Piekshaare oder blättrig bunte Nägel Marginalien.
Zurück zum Thema: Dirty Talk – wobei: Hört sich schmutzig an, was er ihr eben gesagt hat, um sie stufenweise anzumachen? Nein, es hört sich schön an und war doch ganz einfach, und derbe Ausdrücke sind auch nicht gefallen, die Broca-Boy irritieren könnten. Nichts, was ein schlimmes Wort hätte sein können. Dirty Talk hat nicht immer was mit Sprechen oder einer vor Zweideutigkeiten triefenden Unterhaltung zu tun. Es ist mehr ein Flüstern, Keuchen, Murmeln, Zischen nah am Ohr des anderen als ein Gespräch im normalen Kaffeehauston. Es muss nicht immer Antworten geben auf Kommentare des Partner (»Ich bums dich!« – »Ja, bums mich.«; »Du bist so schön.« – »Ja, du auch.«), und dabei in die Augen schauen muss sich auch niemand. Genießen und betören – beides ist einfacher mit geschlossenen Augen, vor allem für Beginners.
»Aber was soll ich denn nun sagen?« Ihren ungeduldigen Zwischenruf kann ich bis Hamburg hören, meine Güte! Nur ruhig, Erklärungen laufen hier unter Vorspiel, und das kann übrigens auch im Café im leisen Gesprächston ablaufen. So nach dem Motto: »Wie du da so sitzt, möchte ich am liebsten auf die Knie gehen, dir den Slip zur Seite schieben und mit meiner Zunge an deinem Kitzler spielen«, oder: »Schick den Kellner weg und hol deinen Schwanz raus, damit ich ihn anfassen kann.«
Natürlich geht es auch weniger drastisch, etwa: »Wenn du dir über die Lippen leckst, denke ich daran, wie sich deine Zunge auf meiner Haut anfühlt.«
Nicht lachen dabei! Lächeln, ja, so ein unschuldiges, aber dennoch leicht wissendes Lächeln und ein Augenaufschlag dazu oder ein beiläufiges Streicheln der Teetasse – um dann wieder auf ein anderes Thema zu kommen.
Im besten Fall kommt ein »Du Miststück!« zurück, das mit einem »Aber gerne« oder »Am liebsten deins« pariert werden kann. Kommt gar nichts – macht ja nichts, wenn Sie bisher immer anständig Konversation betrieben haben, könnte so ein hinterhältiger Überfall aus dem Niedrigniveau leicht irritieren.
Wo wir gerade bei Irritationen sind: Niemand kann zur schlüpfrigen Wortwahl überredet werden – der Hammer ist wohl immer noch, wenn es im dicksten Clinch plötzlich heißt: »Sag mir was Schmutziges!« Da fiele mir auch nix ein außer Spülwasser. Oder: »Besorg’s mir, du geile Sau«, was aber definitiv aus GV-Filmen geklaut ist. Deswegen werden Kommandos wie »Sag’s mir, wie ich’s dir besorgen soll« oder »Sag mir, wie’s dir gefällt« nicht zur enthemmten Luder-Linguistik führen. Wer was hören will, muss selbst mit Wörtern umgarnen. Und nicht erwarten, dass der andere bei der nächsten Atempause mitzieht und ein Feuerwerk an verschlungenen Sexy-Talks loslässt.
Wie auch immer – Sie brauchen noch nicht einmal besonders viel Glück, um an jemanden zu geraten, der auf verbale Vor- und Zwischenspiele steht. Zuhören ist ein Genuss, mit dem Flüstern heißer Worte sieht es schwieriger aus. Viele Männer wünschen sich Frauen, die lecker flüstern können – und wir Mädchen finden das genauso klasse, echt – solange es persönlich ist und sich der Kerl was einfallen lässt, damit wir überzeugt sind, er erzählt das nicht jeder … Aber die Chance, etwas grundsätzlich Falsches zu tun, ist bei Spanking mit der Haarbürste um ein Vielfaches größer.
Das allereinfachste, um ein bisschen in Schwung zu kommen und die Zunge für die wirklich verruchten Sprüche zu ölen, ist zu Anfang, das an dem anderen zu beschreiben, was man mag. Was man gern anfasst, was man sich gern ansieht. Das kann beim Haar anfangen und damit enden, wie herrlich obszön und betörend oder einfach nur geil es aussieht, wenn sich die Schamlippen durch den Slip drücken, wenn sie sich nach vorne beugt, und dass er sich bei diesem Anblick dauernd einen runterholen könnte. Oder dass sie sein Stöhnen derart anmacht, dass sie noch Stunden später feucht wird. (Übertreibungen sind übrigens so was von erlaubt, dass es kracht.) Was Sie sehen, was Sie fühlen, was Sie hören – das ist der Grundstein. »Dich auf mir zu sehen ist so gut, dass ich es öfter sehen will.« »Wie du stöhnst, wie du dich bewegst, wie du mich anschaust, wenn ich in deinem Mund kreise – du glaubst gar nicht, wie gierig mich das nach dir macht.« »Deinen Atem auf mir zu spüren macht mich rasend.« »Du siehst so lecker aus, ich muss dich küssen.« Und alle diese langen schwierigen Sätze sollen gar nicht im heftigsten Clinch heruntergerasselt werden. Sie können hinterher geflüstert werden oder wenn Sie beide aneinandergeschmiegt unter der Decke liegen und noch nicht wissen, ob jetzt noch was läuft oder nicht. Oder beim Ausziehen. Oder auf der Stehparty bei Freunden, um ihm ein Lächeln zu entlocken.
Wenn bis jetzt Ihr ganz persönlicher Kick noch nicht dabei gewesen sein sollte, steigt die Chance, dass etwas Ihre, seine oder ihre Zunge lockert, auf den folgenden Seiten sicher noch – und wie es sich für traditionelle und romantische Menschen (dazu gehören wir eigentlich alle, auch wenn wir es nicht ahnen) gehört, beginnen wir …
Nichts ist aufregender als der Moment, bevor sich die Lippen zum ersten Mal berühren. Dieses Zögern, dieses »Soll ich …?«, »Will sie es …?«, »Darf ich …?« kann prickeln, aber auch verunsichern, und zu oft bleibt der allererste Kuss nur ein Traum.
Sehen Sie das unsichere Flackern in den Augen Ihres Gegenübers? Sie sind sich nah, ganz nah, und die ganze Zeit war schon diese Stimmung da, als Bekanntschaft in Begehren umschlug.
Der Klassiker. »Ich will dich küssen« ist nahezu ungeschlagen, aber seine Varianten können verunsichern: »Warum küsst du mich nicht?« etwa. Antworten oder küssen? Küssen ist besser, aber eine gute Antwort könnte lauten: »Weil ich nicht genug davon bekomme, dich anzusehen, bevor ich dich anfasse.« Auch die offensive Frage: »Willst du mich küssen?«, passt nicht zu allen Menschen, sie gerät leicht zu hektisch, beleidigt, arrogant und so was von eingebildet. Sie passt, wenn Menschen bereits ein wenig vertraut miteinander sind – und trauen Sie sich mal, die Frage zu stellen! Ich habe mir bereits ein »Wieso das denn?« und »Nee, wieso?« eingefangen. Bitter. Ich war ganz schön verwirrt, weil ich wirklich geglaubt hatte, der Moment wäre perfekt. War er nicht – es war mittags in einem belebten In-Lokal an den Hamburger Deichtorhallen, und er offenbar der Oberklotz. Ich gebe zu, ich habe es nicht noch mal versucht.
Der Vorstoß. »So wie du mich anschaust, könnte man meinen, ich darf dich jetzt küssen.« Ist doch niedlich, oder? Entweder es kommt ein Lächeln und gar nichts, oder es kommt ein Kuss, oder es kommt ein »Später, vielleicht«, und das »Später« dürfte ziemlich bald sein. – Wie gesagt, wir gehen hier nicht von der perfekten Kuss-Anmache aus, sondern von der Situation, dass es passieren wird, dass Sie es im Gefühl haben, dass sich was anbahnt.
Das Geständnis. »Ich träume seit Tagen davon, von deinen Lippen zu kosten, sie zu saugen, zu küssen, mich in einem Kuss mit dir zu verlieren. Bitte, komm her, küss mich. Lass mich dich schmecken.« Nett wäre, wenn Sie bei einer derartigen Tirade die Lippenkonturen des Gegenübers nachfahren, mit dem Finger, vielleicht angefeuchtet, vielleicht auch nicht, und wenn das Objekt der Kussbegierde leicht den Mund öffnet, mit dem Finger hineinfahren, gerade so eben, dann wieder heraus, und jetzt – ziehen Sie den Kopf an sich heran und küssen! Erst zart wie ein Flügelschlag, die Zunge kommt erst viel später, wenn sie um den Mund herum gefahren ist. Wenn sich zwei Zungenspitzen treffen, dann vorsichtig, sanft, langsam – wir wollen keinen Riesenlappen im Hals. Nach der Zunge das Saugen an der Unterlippe … ach, was rede ich vom Küssen. Es ist das Beste, was Erotik zu bieten hat, und so unheilschwanger voll gestopft mit möglichen Fehlern, dass man es schriftlich nicht beibiegen kann.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: ein einziges Wort: »Mehr!«, leicht geflüstert, mit einem tiefen Blick in die Augen des Gegenübers, gefolgt von erneutem Küssen.
Oder ein kompletter Satz, in den geschickt Komplimente – aber keine Bewertung! – verpackt sind wie: »Schmeckst du überall so gut?«, »Wusstest du, dass meine Sehnsucht jetzt noch größer geworden ist?«, »Wann gibt’s mehr davon?« oder vielleicht auch: »Von diesen Lippen werde ich heute Nacht träumen.«
Und nun trennen Sie sich und fahren mit Herzklopfen nach Hause. Ist es nicht schön zu leben? Das ist die prickelndste Phase nach dem ersten, ersehnten, gelungenen Kuss und …
»Wir werden uns achtundvierzig Stunden lang einschließen und das Telefon ausstöpseln. Vielleicht stehen wir ab und zu auf, um zu essen oder zu rauchen oder was zu trinken. Aber ich werde nicht eher die Tür aufmachen, bis ich deinen Körper wieder und wieder genossen habe, dein Stöhnen gehört, deine Lippen gespürt habe und meine Zunge jeden Winkel an dir erforscht hat.«
Nette Vorstellung, das. Vor allem vor dem ersten Mal ist Dirty Talk ein Geschenk. Vorstellungen, Fantasien, Versprechungen, lustmachende Anmache.
Achtung, interruptus!
Gerade fällt mir wieder einer ein, der sich zwar selbst auch Paartherapeut nennt, aber Dirty Talk gleich in Verbindung mit Fäkalausdrücken, kraftvollen bis abscheulichen Begriffen und überhaupt als zu wenig wonnig in Verbindung bringt.
Hallo! Sind wir uns klar über die Definition von »dirty« und von »talk«? Kann es sein, dass es ein Sammelbegriff ist für Liebesgeflüster an und für sich, dass es von hart bis zart, von derb bis dämlich, von verliebt bis verrucht reichen kann? Ja, kann es, und nun zurück ins Funkhaus.
»Danke Schatz, dass du auf meinen schwarzen Slip gespritzt hast, Du kleine, verdorbene Sau, und auch noch von hinten.«
Ein wenig Maledictio, also Schweinkram, zu reden, hat nicht grundsätzlich was mit abgrundtief schlechten Metaphern für Geschlechtsteile zu tun – Schwengel, Lümmel, Dose, Schnecke, das F-Wort spare ich aus. Und es hat erst recht nichts mit dem Jargon der Pornoindustrie zu tun, in der schwanzgeile Hurenlöcher gestopft werden oder megaharte Rammböcke in anderer Leute Ärsche gebraucht werden.
Meine Güte, selbst meine Finger streiken, während ich so was schreibe – bin ich jetzt ein Spießer? Nee, wahrscheinlich nicht, aber ich bin doch eher für mehr Gefühl und weniger Hardcorevokabuklar. Irgendwas zwischen Abscheu und Unverständnis wecken derartige Direktheiten in mir. Nein, lassen wir das mal. Die Menschheit distanziert sich eh schon mehr und mehr vom Gefühl, da muss ich nicht auch noch nachhelfen und unoriginelles Vokabular liefern, das so beliebig wie gefühllos ist. Lass uns lieber wieder zur attraktiven Mischung zwischen Schreck! und Schööön! greifen.
Bitten und flehen, versprechen und drohen, verheißen und verwirren – all das und noch viel mehr gehört in diese Gespräche hinein, die Stunden, Tage, Wochen ausfüllen können. Die Kunst des Zögerns – vom Küssen übers Necking übers Petting und dann noch lange nicht die Versenkung – ist dabei genauso prickelnd wie die Wahl der Worte. Man muss nicht immer gleich miteinander ins Bett hüpfen und sich gegenseitig vorspielen, was man alles drauf hat. Auch was man alles bisher schon angestellt hat, sollte nicht Thema dieser Anwärmunterhaltungen sein – zu einem Abklatsch der Matchcodes soll das ja nicht mutieren: »Ich hab schon mal mit zwei Frauen.« – »Ich auch.« 2 Punkte. »Ich hab schon mal anal.« – »Ich nicht.« 5 Minuspunkte. »Ich hab schon mal mit nem Fremden im Zug.« – »Ich auch.« Gleichstand. »Ich hab schon mal auf der Waschmaschine.« – »Ich auf zweien.« 10 Punkte …
Was den Reiz ausmacht – kosten Sie ihn lange aus, das erste Mal kommt jeweils nur einmal –, sind die Vorstellungen, wie es miteinander sein wird.
Vielleicht so: »Ich werde einfach nur neben dir liegen, dich anschauen, dich begehren, deinen Duft atmen. Erschrick nicht, wenn ich plötzlich über dir bin und meine Lust an dir auslasse, ohne Rücksicht auf dich, dich einfach nehme, und erst beim zweiten Mal alles versuche, um dich stöhnen zu hören. Ich weiß, die Gier nach dir ist so groß, und sie wird wachsen, wenn ich dich das erste Mal geliebt habe …«
Oder ein bisschen geflunkert, vielleicht auch aus tiefstem Bedürfnis: »Ich will mit dir schlafen, will Sachen machen, die ich noch nie gemacht habe, will schlimm und süß und lüstern sein. Du machst mich so an, dass meine Fantasie mit mir durchgeht. Ich will es schnell, hart, ich will dich schwitzen sehen … und dann möchte ich es ganz langsam, innig, Haut an Haut, Mund an Mund, deine Hände auf mir. Ich will dich anschauen, wenn ich komme.«
Ganz anders: »In Gedanken habe ich schon hundertmal mit dir geschlafen. Wenn ich mich berühre, sehe ich dich vor mir, kniend, dein Kopf zwischen meinen Beinen. Dann über mir, auf mir, ich rieche dich, fühle dich, auch wenn du nicht da bist. Und wenn ich dann die Augen schließe und komme, dann bist du ganz dicht bei mir und hältst mich fest.«
Ein paar Wünsche, nett verpackt: »Wenn ich daran denke, wie es sein wird, wenn du mir in den Slip fährst, sanft, mit feuchtem Finger, meine Lippen öffnest, die Nässe spürst, es hinauszögerst, in mich zu dringen … mich dabei küsst, so sehr, als wäre es die letzte Nacht, dann will ich mehr ???vor dir, bald. Ich kann es kaum ertragen, auf dich zu warten.«
Das kann auch so lauten: »Ich stelle mir vor, wie du mit deinem wunderschönen Körper vor mir stehst, dich ausziehst, und ich darf nur zuschauen, dich erst berühren, wenn ein Kuss von dir meine Sehnsucht erlöst … ich werde mich tief in dich hineingraben, so tief, wie ich es mir seit Wochen wünsche, wenn ich nur deine Stimme am Telefon höre.«
Die Kunst dabei ist das Persönliche. Es muss nicht immer auf Vergleiche hinauslaufen – »So wie dich habe ich noch keinen Mann begehrt« –, das hört man zwar gern, aber ist es nicht etwas quarkig? Sollte es nicht etwas mit seinen Händen, ihrem Mund, seinen Lippen, ihrer engen Combathose zu tun haben? Sollte es nicht lieber so sein, dass man sagt: »Wenn ich dich erst aus diesem lästigen Stück Textil geschält habe, werde ich dir zeigen, was meine Hände mit dir anstellen.« (Ein bisschen Selbstüberschätzung ist okay.) Oder: »Irgendwann werde ich dich bitten, genau dieses Kleid anzubehalten, nichts darunter, und ich werde dich so wild und zärtlich lieben, wie ich es mir jetzt schon wünsche.« Vielleicht auch: »Kannst du dir vorstellen, wie geil es mich macht, deinen Po zu sehen, wie er sich in dieser Hose hin und her bewegt? Du weißt doch genau, wie es mich anmacht … Du Miststück. Komm her, küss mich, lass mich dich anfassen …«
»Danke, das war schön.« Ach, je! Direkt danach zu plappern hat wenig Sinn, wenn Sie beide noch bebend und zitternd und ein wenig unsicher daliegen oder bereits wieder nach den Klamotten nesteln, weil es sich halt auf dem Rücksitz des Wagens Ihres besten Freundes ergeben hat. »Du warst gut« oder »War ich gut?« oder »War’s gut für dich?« sollte schlechten Filmautoren vorbehalten sein, die solche Phrasen besonders unsympathischen Filmcharakteren in den Mund legen. Klar, es kann Sie verunsichern, vielleicht sind Sie sich nicht sicher, ob es dem anderen gefallen hat, oder Sie sind selbst etwas enttäuscht oder nicht gekommen oder hatten Angst, irgendwas falsch zu machen oder missverstanden zu haben. Das erste Mal ist selten so gut wie die folgenden Begegnungen. Es wird mit der Zeit immer »besser« – wobei »besser« nichts mit der Zahl der Stellungen, Orgasmen oder Minuten zu tun hat, sondern einfach damit, dass Unsicherheit und Hektik vom Wissen abgelöst wird, was dem anderen gut tut. Wäre nett, wenn Sie einfach noch mal loslegen, ja, direkt danach, bevor sich lang getrennt wird. Am besten in derselben Nacht – deswegen plädiere ich als Langweiler und Im-Bett-Sex-Haber beim ersten Mal ja auch für:
nicht betrunken sein,
b)im Bett – und zwar nicht auf dem des Gastgebers der Party, und
c)ein bisschen gemeinsam verbrachter Zeit am Nachmittag vorher, um die Sache in Schwung zu bringen – mit gestohlenen Küssen, wenn der Kellner wegschaut, oder intimen Berührungen, wenn der Kinosaal ganz dunkel ist; oder mit von der Sonne gekitzelter Haut, mit einem Sommerkleid, das an den Hüften klebt, mit vom Wind geneckten Brustwarzen, mit seiner Hand so warm in ihrer, und sein fester Händedruck lässt davon träumen, wie es sich anfühlt, wenn er ihre Beine das erste Mal auseinander drückt …
Also, gehen wir davon aus, es ist Nacht, Sie haben’s getan, Sie haben alle Zeit der Welt. Zeit, um einzuschlafen, leise miteinander zu flüstern, sich eine Zigarette oder einen Orangensaft zu teilen oder glitschigen Seifensex unter der Dusche zu veranstalten. Wenn Sie jetzt flüstern, dann tun Sie es, aber lassen Sie das Thema »miteinander schlafen« erst mal ’ne Viertelstunde beiseite.
Anstatt »danke« zu sagen (was irgendwie auch charmant ist, wenn er irgendwann an der Tür steht und gehen muss und sie noch mal an sich zieht; aber auch wirklich erst dann, und niemals sollte sie es sagen. – Warum? Sie hat ihm Gunst erwiesen, wollen wir das doch mal festhalten. Es gibt Dinge im Leben von Mann und Frau, die so bleiben sollten, wie sie sind; dazu gehört, dass er nicht nimmt, sondern bekommt. Und dafür sagt er danke, nicht wir.) Also, langer Klammersatz, der aus der Zeit stammt, als ich mit einem Klammertornister durch die Gegend hetzte.
Ich fang noch mal an: Anstatt »danke« zu sagen, lässt sich Dankbarkeit für die wohligen Momente auch anders ausdrücken. Zum Beispiel so: »Dich zu spüren war mehr als die Erfüllung aller Sehnsüchte.« Oder so: »Dich geliebt zu haben ist mehr, als dich nur zu lieben.« Oder, ein Klassiker: »Ich umarme dich mit meinen Augen, auch wenn du mich nicht spürst.«
Man kann es auch direkter ausdrücken: »Du bist wunderschön, wenn du kommst.« – »Du bist das wildeste, zärtlichste, geilste Luder, was ich immer lieben wollte.« – »Deine Hände machen mich wahnsinnig … komm, leg sie noch mal hierhin. Ja, genau da, wo du mich eben noch vollgespritzt hast. Spürst du die Hitze? Gefällt sie dir? Mach weiter, lass deinen Daumen da, genau dort, dring in mich ein, bleib so …«
Und um sich verbal ein wenig für die Fortsetzung vorzuglühen, ist das Spiel mit neckischen – »Komm, ich zeig dir eine Stelle, die du noch nicht kennst.« – wie auch mit eindeutigen – »Komm, dreh dich um, zeig mir deinen Po, biete dich mir noch mal an, lass dich anschauen, schmecken, begehren.« – Initiativsätzen erprobt.
Es drängt sich für eine Frau natürlich die Frage auf: Muss ich etwa alles tun, was er mir sagt? Schieb den Slip zur Seite, bück dich, spreiz die Beine, zieh den Rock hoch, lieb mich nur mit halterlosen Strümpfen, nimm ihn in den Mund, setz dich auf mein Gesicht, zeig mir deine Scham?
Nun – macht es Sie an? Dann ja. Ohne viel Geziere und Huch und Nein und schreckhaftes Verweigern. Wenn Sie unsicher sind – ganz gleich, aus welchem Grund –, dann winden Sie sich raus mit »Heute nicht« oder »Vielleicht später« oder »Zeig mir lieber, was du da in deiner Hose hast«.
Wie, rauswinden? Ist das nicht ein bisschen feige? Ja, mag sein – aber wollen Sie jetzt, in dieser Situation, eine Diskussion vom Zaun brechen, die eh nichts bringt, weil sein Blut im Schwanz und nicht im Hirn steckt? Danach, wenn Sie allein sind, können Sie immer noch in Ruhe überlegen, warum Sie sich nicht vorgebeugt haben und ihn den kleinen schwarzen Slip haben anschauen lassen – oder eben den mit den Ringelblümchen, den Sie ihm nicht zeigen wollten. Übrigens stehen viele Männer auf Blümchenslips, auch Weiß macht Vati heiß, es muss nicht immer das Superspitzenprogramm an Dessous sein, echt nicht!
So, und wenn Sie mal in Stimmung sind, reden Sie mit ihm über die Wünsche, die er da äußert. Sagen Sie ihm, dass Sie Zeit brauchen, wenn Sie es nicht gewohnt sind, dass ein Mann sich bestimmte Dinge wünscht, zu sehen, zu spüren, zu erfassen wünscht. Andersherum ist es ja auch so – für Männer ist es genauso erstaunlich, wenn sie einer Frau begegnen, die fordert. Die sich bestimmte Dinge wünscht, wie: »Beschäftige dich doch mal länger mit meiner Muschi, bevor du ihn reinsteckst.« Oder: »Feuchte deinen Schwanz mit deinem Speichel an, bestreich ihn, lass mich dabei zuschauen, wie du dich vorbereitest, mich zu bumsen.« Uups!, wird sich so mancher fragen, soll ich? Soll ich nicht? Und, wenn ja, wie soll ich, damit es ihr gefällt?
Deswegen ist die Äußerung von Wünschen und Ideen eine Frage der Zeit und des Vertrauens; vom Umsetzen ganz zu schweigen. Sie müssen nicht in der ersten Nacht alles miteinander erleben; aber Sie können sich, wenn sich abzeichnet, dass es nicht nur bei einer Nacht bleiben wird, auf die nächsten freuen.
So viel zum Tun oder Lassen. Ich bin im Zweifelsfall immer für Tun, weil Sie sonst nie erfahren werden, ob es Ihnen Spaß macht oder nicht. Und wenn Sie befürchten, er wird nachher rumerzählen, was für ein notgeiles Luder Sie doch sind, die alles mit sich machen lässt – nun, falls Sie es je erfahren sollten, rächen Sie sich. Aber seien Sie sich einer Wahrheit stets bewusst: Männer reden zwar gern über Frauen, aber selten über ihre echten, wirklichen Erfahrungen. Allgemeinplätze sind inzwischen so verbreitet, dass ihm die wenigsten glauben werden, dass ausgerechnet er das Glück hatte, mit einer willfährigen Geliebten zusammen zu sein – wer hat schon so viel Glück verdient? Und wenn er es erzählt – spätestens der Nächste, der es bei Ihnen versucht, wird wiederum ganz andere Erfahrungen machen, denn schließlich schlafen Sie nur mit jenen, auf die Sie Lust haben, und lassen sich nicht einfach so beschlafen. Die Wahl haben Sie immer; und wenn es sich summiert – das geht nur Sie etwas an.
Wie war das also mit dem Vorglühen?
»Es sieht bestimmt gut aus, wenn ich dir auf deinen schwarzen Slip spritze.« (Eindeutig einer meiner Favoriten, Sie haben’s erraten.) Hallo! Bitte sagen Sie jetzt nicht, das geht ja nie wieder raus! So spießig mäkeln könnse, wenn er sich mit der Ado-Gardine den Schniedel abwischt. Natürlich, wenn Sie irgendwas ekelt oder befremdet, dann biegen Sie es verbal ab – so nach dem Motto: »Slip ist heute tabu, wie wär’s stattdessen auf meinem nackten Po?« Aber Worte sind zum Spielen da und Waschmaschinen zum Waschen, also legen wir mal die urdeutsche Verklemmtheit ab und widmen uns den kleinen Dingen zwischen Morgendämmerung und Nachmittagssex. Kleine Appetithappen ohne große Vorwarnung sind so schön wie ein Nachmittag an der See, wenn man genau weiß, dass morgen auch noch ein freier Tag ist.
»Ich muss immer wieder daran denken, wie du ihn dir einfach nimmst und ihn dir reinsteckst.« Hmm, dachte ich das erste Mal bei diesem Kommentar, gefalle ich mir in der Rolle der Nehmenden? Ein Return half mir über die Verlegenheit hinweg, die das Wort »reinstecken« hinterließ (je älter ich werde, desto mehr sehne ich mich nach gefühlvollen Umschreibungen, auch wenn ich Eindeutigkeiten zu schätzen weiß), und ich schickte ein »Wenn du lieb bist, darfst du dich heute hinlegen, deine Hose aufknöpfen und dabei zusehen, wie ich es ganz langsam mache« übers Netz. Aber ungewohnt war es schon, und das Spiel mit der Offenheit ist immer noch eins, an dem wir glauben uns die Zunge verbrennen zu können.
Doch wen interessiert schon meine Biochemie? Ich wollte von anderen Frauen und Männern wissen, wie sie für die mündliche Zwischenprüfung sorgen. Hier die Ergebnisse:
Die einen lassen sich zärtlich-erotische Kosenamen geben wie »Lutschbonbon«, »Miststück«, »Liebesluder« oder benennen ihren Liebsten mit Begriffen wie »Muschiverführer«, »Loverboy«, »süßer, schmutziger Brustwarzensauger«. Oh, là, là. Sie hinterlegen geheime Briefchen im Portemonnaie oder in der Unterwäsche, auf denen zarte Bekenntnisse (»Denk ich an dich, werden meine Knie weich und meine Nippel hart«) oder lüsterne Fantasien verzeichnet sind wie »Chérie, meine kleine blühende Blume der Wollust, warte nur, bis ich dich zu fassen kriege und deinen Saft lutschen werde«. Sie schicken sich E-Mails, in denen sie ihren letzten Abend verklärt nachzeichnen oder davon träumen, was alles passieren würde, wenn sie beide Fremde wären. Wo sie es dann täten und wie, was sie anhätten, wie sie es genießen würden, dem anderen die erdenklichste Lust zu bescheren.
Ich weiß, dass mit den Jahren (glücklich das Paar, das es in der heutigen Emotionenwegwerfzeit wirklich auf Jahrzehnte bringt) die eingespielte Routine, was dem anderen gut tut, die Nähe, das Aneinandergewöhnen solche Spielchen als weltfremd erscheinen lassen. Warum sollte etwas, was sich so ergeben hat, so eingespielt ist, so unkompliziert geworden ist, noch mal neu überdacht werden? Weil wir Menschen mit dem Älterwerden nicht an Lust verlieren. Klar, das Übereinanderherfallen hat sich nach zwei Jahren oft bereits erledigt, aber es ist doch wohl nicht vom Alter abhängig, ob man sich wie eine Unschuld vom Lande, eine verruchte Dirne, ein wollüstiger Macho, ein schwanzgeiler Unersättling benimmt. Unter sich, zu zweit, als gemeinsames Geheimnis. Zwei Sachen im Leben hören nie auf: Lernen und Spielen. Damit kann man auch nach zwanzig Jahren wieder beginnen.
Miteinander zu lachen verbindet mehr, als miteinander auf dem Glotzensofa zu hocken und sich gegenseitig Chips wegzufressen. Gut, manche Leute ziehen das eindeutig dem Sex vor, weil der andere beim Fernsehen einschläft, und dann … nun, dann muss man selber nicht wieder den Erotikkasper spielen. Gibt es alles, meine Damen, meine Herren, das ganze Sich-drum-herum-Drücken, weil der andere mit aller Selbstverständlichkeit nimmt und nimmt und nimmt und auf Initiativen zwar reagiert, aber niemals selbst angerobbt käme.
Okay, lassen Sie uns davon ausgehen, dass beide prinzipiell keine Drückeberger sind. Und zurück zum Lachen: Manchmal hilft es schon, in einen anderen Akzent abzuweichen, zum Beispiel einen kleinen Tick Französisch beizumischen. Das hört sich dann irgendwie so niedlich und gleichzeitig auf verspielte Weise verführerisch an: »Na, du mein kleines schmutziges Mädschen, ma Petite, ma Chérie, komm ’er, isch roll disch in den Teppisch, oder besser, mit dir über den Teppisch …« Gefolgt von unvermeidlicher Knutscherei oder einem Handkuss, der sich auswächst zu einem Armkuss, einem Züngeln in der Ellenbeuge, einem Halsschnüffeln und einem heißfeuchten Spiel der Lippen in der Schlüsselbeinkuhle, einem gehauchten: »Komm zu mir, Chérie, isch mach disch glücklisch, gib mir deine kleine Popo und deine wilde Pfirsischmündschen …«