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Unklar ist mir, ob der Bühnenhypnotiseur mir helfen wollte oder ob er mich bewusst falsch verstanden hat. So dämlich kann man eigentlich gar nicht sein. Er hat sich erkundigt, was uns so plagt. Er würde dann schon den richtigen Spruch finden. Er hat uns allerdings gewarnt, dass das Unterbewusstsein die Angewohnheit hat, das alles wortwörtlich zu nehmen. Kann sein, dass ich mich irgendwie geringschätzig über Hypnose geäußert habe, mag auch sein, dass das Motiv Rache hier reingespielt hat, jedenfalls spuken nun jede Menge lateinischer Phrasen in meinem Kopf herum. Vermutlich wollen sie da irgendwie raus aus dem Schädel und suchen den Ausgang. Nur weil ich gesagt habe "Ich bin mit meinem Latein am Ende".
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Sag nie, dass Du mit Deinem Latein am Ende bist
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Unklar ist mir, ob der Bühnenhypnotiseur mir helfen wollte oder ob er mich bewusst falsch verstanden hat. So dämlich kann man eigentlich gar nicht sein. Er hat sich erkundigt, was uns so plagt. Er würde dann schon den richtigen Spruch finden. Er hat uns allerdings gewarnt, dass das Unterbewusstsein die Angewohnheit hat, das alles wortwörtlich zu nehmen. Kann sein, dass ich mich irgendwie geringschätzig über Hypnose geäußert habe, mag auch sein, dass das Motiv Rache hier reingespielt hat, jedenfalls spuken nun jede Menge lateinischer Phrasen in meinem Kopf herum. Vermutlich wollen sie da irgendwie raus aus dem Schädel und suchen den Ausgang. Nur weil ich gesagt habe "Ich bin mit meinem Latein am Ende". Kein Mensch braucht Latein. Ein Relikt. Ein Überbleibsel aus scheinbar gelehrter Zeit – ohne echtes Wissen; eine Ansammlung hanebüchenen Unsinns und Pseudo-Gelehrsamkeit. Kein Wunder, dass Faust da durchgedreht ist.
Nun stehe ich also inmitten eines Latein-Schlachtfeldes; und die Wörter fahren echt schwere Geschütze auf. Komme mir vor wie im Märchen – fluchbeladen – und suche nun den verdammten Zauberer, der mich davon wieder befreien kann. Sein Name hätte mir eine Warnung sein sollen: Merlink. Voll link der Typ. Er meinte, unser Gehirn sei ausgestattet mit Links und er könne die beliebig aktivieren. Mens sana in corpore sano. Man soll sich eben nie abfällig gegenüber anderen äußern – das Leben ist wie eine Bergwand, die sich verpflichtet fühlt, ein Echo an uns zurückzusenden, eine Kopie dessen, was wir so von uns geben. Homo homini lupus. Ein Wolf im Hypnotiseurs-Pelz. Er trug tatsächlich einen. Merkwürdiger Typ. Und das Sonderbarste: Keiner weiß etwa von dieser Vorführung; dabei war der Saal voll. So etwas bildet man sich doch nicht ein? Die Umrisse meiner Realität sind beunruhigend instabil, als ob das Märchenreich nach ihnen greifen würde, will alles hineinsaugen. Mir fehlen Erinnerungen, als ob in einem Museum einige Vitrinen leer stünden. Ein Geister-Museum. Verwandlung der Welt durch einige magische Sprüche? Das "Cogito ergo sum" könnte auch ein Träumender sagen, da ist keinerlei Verlass drauf.
Ich spreche mittlerweile die Leute auf der Straße an, ob sie Merlink kennen; ich ernte an diesem Tag sehr viel Schulterzucken – und es ist, als besäße ich die Kraft, Leute einen großen Bogen um mich herum machen zu lassen. Man weicht mir aus, gibt ausweichende Antworten, die ganze Welt ist auf der Flucht vor mir. Mea culpa – alles meine Schuld. Hat die Bühnenhypnose stattgefunden? Er wird seine Spuren verwischen. Triumphierend wird er vermutlich morgen vor mir stehen, ob ich dann bettle, ihn anflehe um Entzauberung, die nur er zu leisten vermag. Hat man es nicht jeden Tag mit Merlinks zu tun? Einflüsterungen, Versuche, das Selbst in den Wahnsinn zu stürzen? Diese lächerliche Fassade 'Realität' zerbirst unter diesem Ansturm; man sieht es mit Staunen. Ich rufe mir in Erinnerung, wie er aussah, was er trug. Und es verändert sich; als ob ich in einen See schauen würde – und je nachdem, was die Sonne mit ihm anstellt, so erscheinen mir neue, unbekannte Figuren. Brainwashed? Ich bin mir sicher, es waren nur ein paar Sätze. Entscheidende Sätze. Ich muss mich erinnern. Kann es aber nicht. Wie nach einem Traum, wo es echt nur Fetzen sind, die man in der mentalen Hand hält. Ein Goldgräber, dem nur ein paar mickrige Körnchen geblieben sind. Die Nuggets der Wahrheit haben der Strom, der Berg.
Per aspera ad astra – durch Mühsal zu den Sternen -, daran glaubt man doch normalerweise; aber jetzt tauchen eben diese Sterne neben mir auf. Dürfen die das? Die haben oben zu bleiben. Ich versuche, sie wieder hochzuhieven. Keiner hilft mir. War ja klar. Eine Elfe erkundigt sich höflich, ob sie meinen Schutzengel alarmieren solle. Das sind ja Zustände! Wo ist denn mein Schutzengel?!