Sagen von der Alhambra - Washington Irving - E-Book

Sagen von der Alhambra E-Book

Washington Irving

0,0

Beschreibung

In dieser Sammlung von Kurzgeschichten verurteilte Irving die Barbarei der christlichen Eroberer gegenüber der Hochkultur der Mauren.

Das E-Book wird angeboten von und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 92

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sagen von der Alhambra

Washington Irving

Inhalt:

Washington Irving – Biografie und Bibliografie

Sage von des Mauren Vermächtniß

Sage von der Rose der Alhambra, oder der Page und der Geierfalk

Sage von den zwei verschwiegenen Statuen

Sagen von der Alhambra, Washington Irving

 Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849611446

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Washington Irving – Biografie und Bibliografie

Amerikan. Schriftsteller, geb. 3. April 1783 in New York, gest. 28. Nov. 1859 bei New York, begann im Columbia College daselbst das Rechtsstudium, mußte aber seiner Gesundheit wegen Luftveränderung suchen und ging auf zwei Jahre nach Europa. Bei seiner Rückkehr im J. 1806 gab er mit seinem Bruder William und seinem Freunde I. K. Paulding eine dem »Spectator« Addisons nachgebildete Halbmonatsschrift heraus, »Salmagundi«, für die er unter dem Pseudonym Launcelot Langstaff kleine Skizzen mild-satirischen Charakters schrieb. Als er sich kaum von dem Schlag erholt, den der Tod seiner Braut Mathilde Hofmann ihm versetzt, begann er das Werk zu schreiben, das seinen Weltruhm begründen sollte, die köstliche Parodie auf das Heldenepos und die pedantische Weitschweifigkeit gewisser Lokalhistoriker: »A history of New York by Diedrich Knickerbocker« (1809), in der er ein von unwiderstehlich liebenswürdigem Humor erhelltes, meisterhaftes Bild der holländischen Periode New Yorks entwarf. An dem Handelsunternehmen eines seiner Brüder beteiligt, ging er 1815 in dessen Interesse nach England, und als es im folgenden Jahre fallierte, beschloß er, sich ausschließlich literarisch zu beschäftigen. Die in England entstandene Sammlung von Skizzen und Erzählungen: »The Sketchbook of Geoffrey Crayon, Gent.« (1819 bis 1820), erhöhte seinen Ruf, und nachdem er in Paris »Bracebridge Hall, or the humourists« (1822, 2 Bde.) und »Tales of a traveller« (1824, 2 Bde.) geschrieben, folgte er einer Einladung des amerikanischen Gesandten in Madrid, Everett, wo er im Eskorial die auf die Entdeckung Amerikas bezüglichen Handschriften und Dokumente durchforschte. Das also gesammelte Material legte er nieder in den Werken: »The life and voyages of Christopher Columbus« (1828, 4 Bde.), »Chronicle of the conquest of Granada« (1829, 2 Bde.), »Voyages of the companions of Columbus« (1831), »The Alhambra« (1832. 2 Bde.), »Legends of the conquest of Spain« (1835) und »Mahomet and his successors« (1849, 2 Bde.). Nach seiner Rückkehr bereiste er den Süden und Westen seiner Heimat, schrieb »A tour of the prairies« (1835), »The adventures of captain Bonneville« (1837, 2 Bde.) und nach den Papieren John Jacob Astors »Astoria« (1837) und ließ sich in dem bescheidenen Heim bei Tarrytown am Hudson nieder. 1842 ging er als Gesandter nach Madrid, kehrte aber nach Ablauf seines Amtstermins nach Sunnyside zurück, um es nicht wieder zu verlassen. Er schrieb noch die Biographie »Oliver Goldsmith« (1849; deutsch, Berl. 1858) und dann sein populäres »Life of George Washington« (1855–59, 5 Bde.; deutsch, Leipz. 1855–59, 5 Bde.). Außerdem erschienen von ihm einige Bände Essays und Erzählungen u. d. T.: »Wolfert's Roost, and other papers« (1855; vgl. Fliegender Holländer) und »Crayon miscellanies«. Seine gesammelten Schriften erschienen in zahlreichen Ausgaben, darunter die Jubiläumsausgabe (New York 1882 in 27 Bdn.), zuletzt 1895, 10 Bände, und 1897, 40 Bände. Deutsch erschienen »Gesammelte Werke«, übersetzt von Mehreren (Frankf. 1826–37, 74 Bde.), »Ausgewählte Werke« von Adrian (2. Aufl., das. 1847, 4 Tle.; in 1 Bd. Leipz. 1856, illustriert von Ritter u. Camphausen). Vgl. Pierre Irving, Life and letters of Washington I. (Lond. 1862–64, 4 Bde.; neue Ausg. 1883, 3 Bde.); Warner, Life of Washington I. (Boston 1881); Warner, Bryant und Putnam, Studies of I. (das. 1880); Dall, Washington I. (New York 1879); Laun, Washington I., ein Lebens- und Charakterbild (Berl. 1870, 2 Bde.).

Sage von des Mauren Vermächtniß

Inmitten der Festung der Alhambra, vor dem königlichen Palast, ist eine breite, offene Esplanade, genannt der Platz der Cisternen (La Plaza de los Algibes), weil sie von Wasserbehältern, die dem Auge verborgen sind und noch aus der Zeit der Mauren herstammen, untergraben ist. In der einen Ecke dieses Platzes ist ein maurischer Brunnen, der bis zu beträchtlicher Tiefe in den lebendigen Fels gehauen und dessen Wasser kalt ist wie Eis und klar wie Krystall. Die von den Mauren gebauten Brunnen sind stets in Ansehen; denn es ist bekannt, welche Mühe sie sich gaben, um zu den reinsten und besten Quellen und Brunnen durchzudringen. Der, von dem wir hier reden, ist in ganz Granada berühmt, da die Wasserträger, bald mit großen Wassergefäßen auf ihren Schultern, bald Esel mit irdenen Krügen beladen vor sich hertreibend, die steilen buschigen Zugänge der Alhambra vom frühesten Morgen bis zu später Abendstunde auf- und niedersteigen.

Brunnen und Quellen sind, von den Tagen der heiligen Schrift her, in den heißen Himmelsstrichen als Plauderplätze bekannt, und an dem besagten Brunnen wird den lieben langen Tag von den Invaliden, den alten Weibern und anderem neugierigen und müßigen Volke der Festung ein ständiger Klub gehalten. Sie sitzen da auf den steinernen Bänken, unter einem Dache, mit dem der Brunnen überdeckt ist, um die Zolleinnehmer vor der Sonne zu schützen, und beschwatzen die Vorfälle der Festung und fragen jeden Wasserträger, der da kommt, über die Stadtneuigkeiten, und machen lange Betrachtungen über Alles, was sie sehen und hören. Es vergeht keine Stunde des Tages, daß man nicht zögernde Weiber und müßige Mägde mit dem Krug in der Hand oder auf dem Kopfe hier weilen sieht, um den Schluß des endlosen Gewäsches dieser würdigen Leute zu hören.

Unter den Wasserträgern, welche einst zu diesem Brunnen kamen, war ein starker, breitschultriger, krummbeiniger kleiner Kerl, Namens Pedro Gil, den man jedoch der Kürze wegen Peregil hieß. Als Wasserträger war er natürlich ein Gallego oder Galicier. Die Natur scheint Geschlechter von Menschen, wie von Thieren, für verschiedene Arten von Plackerei geschaffen zu haben. In Frankreich sind alle Schuhputzer Savoyarden, alle Thürhüter Schweizer, – und in den Tagen der Reifröcke und des Haarpuders konnte Niemand eine Sänfte gehörig in Gang bringen, als ein langbeiniger Irländer. So sind in Spanien die Wasser- und Lastträger sämmtlich stämmige kleine Leute aus Galicien. Niemand sagt: »Schafft mir einen Träger«, – sondern: »Ruft einen Gallego«.

Um von dieser Abschweifung zurückzukommen, Peregil, der Gallego, hatte sein Geschäft mit nichts als einem großen irdenen Krug angefangen, den er auf seiner Schulter trug; allmählig hob er sich in der Welt und war im Stande, sich einen Gehülfen von einer entsprechenden Klasse von Thieren anzuschaffen, – nämlich einen starken, zottelhaarigen Esel. Auf jeder Seite dieses langöhrigen Adjutanten waren in einer Art Korb seine Wasserkrüge, auf welchen Feigenblätter lagen, um sie vor der Sonne zu bedecken. Es gab keinen fleißigern Wasserträger in ganz Granada, und auch keinen fröhlichern. Die Straßen hallten von seiner lustigen Stimme wieder, während er seinem Esel nachtrabte und das gewöhnliche Sommerlied sang, das man in allen spanischen Städten hört: »Quien quiere agua – agua mas fria que la nieve?« – »Wer will Wasser – Wasser kälter als Schnee? Wer will Wasser vom Brunnen der Alhambra, kalt wie Eis und klar wie Krystall?« Wenn er einem Kunden das klare Glas darreichte, that er es stets mit einem freundlichen Worte, das zum Lächeln zwang, und wenn es vielleicht eine hübsche Dame oder eine schmucke Maid mit Grübchen in den Wangen war, geschah es nicht ohne ein schlaues Lächeln und ein Kompliment über ihre Schönheit, das unwiderstehlich war. So war Peregil der Gallego in ganz Granada als einer der höflichsten, lustigsten und glücklichsten Menschen bekannt. Allein Der hat nicht immer das leichteste Herz, der am lautesten singt und am meisten scherzt. Bei allem diesem vergnügten Aeußern hatte der ehrliche Peregil seine Noth und Sorgen. Er hatte einen großen Haufen zerlumpter Kinder zu ernähren, die hungrig und lärmend waren, wie ein Nest voll junger Schwalben, und ihn jeden Abend bei seiner Rückkehr mit ihrem Geschrei nach Brod umringten. Er hatte auch eine Gehülfin, aber er hatte nichts weniger als Hülfe von ihr. Sie war vor ihrer Verheirathung eine Dorfschönheit gewesen – berühmt wegen ihrer Geschicklichkeit, den Bolero zu tanzen und die Kastagnetten zu rühren; und sie behielt ihre früheren Liebhabereien bei, vergeudete den mühsamen Erwerb des ehrlichen Peregil in Putz, und nahm sogar den Esel in Beschlag, um Lustpartien auf das Land zu machen, so oft ein Sonntag oder Festtag oder einer der zahllosen Feiertage kam, die in Spanien fast häufiger sind als die Tage der Woche. Bei allem dem war sie auch ein wenig von einer Schlumpe, etwas mehr von einer Faulenzerin und vor allem eine Klatsche von der ersten Sorte, die ihr Haus, ihren Haushalt und alles Uebrige vernachlässigte, um in den Häusern ihrer geschwätzigen Nachbarn herumzuliegen.

Er aber, der dem geschornen Lamme den Wind mischt, paßt auch das Ehestandsjoch dem sich beugenden Nacken an. Peregil trug alle die schweren Lasten von Weib und Kindern mit so mildem Sinne, wie sein Esel die Wasserkrüge, und obgleich er seine Ohren wohl für sich schüttelte, wagte er es doch nie, die haushälterischen Tugenden seines schlumpigen Weibchens in Zweifel zu ziehen.

Er liebte seine Kinder auch, wie eine Eule ihre Eulchen liebt, weil sie in ihnen ihr eigenes Bild vervielfältigt und fortgepflanzt sieht; denn es war eine starke, breitschultrige, krummbeinige kleine Brut. Die größte Freude des ehrlichen Peregil aber war, wenn er sich zuweilen einen Feiertag machen konnte und einige Maravedis auszugeben hatte, das ganze Nest mit sich hinaus zu nehmen – einige auf dem Arm, einige an seinem Rockschooß hängend, und einige ihm auf den Fersen nachtrollend – und in den Gärten der Vega zu bewirthen, während seine Frau mit ihren Feiertagsfreundinnen in den Angosturas des Darro tanzte.

Es war spät in einer Sommernacht, und die meisten Wasserträger hatten sich schon aus den Straßen entfernt. – Der Tag war ungewöhnlich heiß gewesen; die Nacht war eine jener köstlichen Mondscheinnächte, welche die Bewohner der südlichen Länder einladen, sich für die Hitze und Unthätigkeit des Tages zu entschädigen, indem sie im Freien bleiben und die gemäßigte Milde der Luft bis nach Mitternacht genießen. Es waren daher noch Leute draußen, die Wasser verlangten. Peregil dachte, als ein besonnener, arbeitsamer, kleiner Vater, an seine hungrigen Kinder und sagte zu sich: »Noch einen Gang zum Brunnen, um einen Puchero für die Kleinen auf den Sonntag zu verdienen.« Bei diesen Worten schritt er muthig den steilen Pfad zu der Alhambra hinan, sang unterwegs und gab dann und wann seinem Esel einen tüchtigen Schlag mit einem Prügel in die Seite, entweder als Takt zu dem Lied, oder als Ermunterung für das Thier; denn tüchtige Schläge dienen bei allen Lastthieren Spaniens statt des Hafers.

Als er an den Brunnen kam, fand er ihn von Allen verlassen, einen einsamen Fremden in maurischem Gewand ausgenommen, der auf der Steinbank im Mondscheine saß. Peregil hielt erst an und betrachtete ihn mit einem Erstaunen, das nicht ganz ohne Furcht war; aber der Maure winkte ihm leise, sich zu nähern, und sagte: »Ich bin schwach und krank; hilf mir, in die Stadt zurück zu kommen, und ich will dir das Doppelte von dem bezahlen, was du mit deinen Wasserkrügen verdient hättest.«

Das biedere Herz des kleinen Wasserträgers war bei dieser Bitte des Fremden von Mitleid durchdrungen. »Gott verhüte«,