SALOMONS GOLD (Project 15) - Alex Lukeman - E-Book
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SALOMONS GOLD (Project 15) E-Book

Alex Lukeman

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Beschreibung

Verschollene Reliquien, mystische Schätze und geheimnisvolle Artefakte – begeben Sie sich zusammen mit der streng geheimen Regierungsorganisation PROJECT auf die weltumspannende Jagd nach den letzten Rätseln der Menschheit. In einem New Yorker Museum wird eine uralte Schriftrolle entdeckt und Selena Connor zur Entschlüsselung der Inschrift hinzugezogen. Die Schriftrolle enthält Hinweise auf einen legendären Schatz, den König Salomon zur Errichtung des ersten jüdischen Tempels zusammentrug. Irgendwo in der Wüste Israels soll demnach ein riesiger Goldschatz verborgen liegen, das kulturelle Erbe einer Nation. Direktorin Harker beschließt, das PROJECT-Team auf die Suche nach dem Schatz auszusenden. Eigentlich wollte Selena den aktiven Dienst beenden, aber dies scheint nur eine einfache, archäologische Expedition zu werden. Doch wie so oft sind die Dinge nicht so, wie sie scheinen. Verrat, Mord und unsichtbare Gegner folgen dem PROJECT-Team zu jedem weiteren Hinweis. Und in New York steht ein grausamer Plan davor, in die Tat umgesetzt zu werden … ★★★★★ »Alex Lukeman schreibt mit einem sicheren Gespür für filmische Atmosphäre. Seine fesselnden Romane mit ihren griffigen Plots sind einfach absolute Hits.« - MCSFilm Review Team

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Salomons Gold

Project – Band 15

Alex Lukeman

Copyright © 2020 by Alex Lukeman Dieses Werk ist Fiktion. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln vervielfältigt, verbreitet oder übertragen werden, außer nach vorheriger und ausdrücklicher Genehmigung des Autors. (Dieses Werk ist Fiktion.) Namen, Charaktere, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder vom Autor frei erfunden oder als fiktives Element verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

 

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: SOLOMONS GOLD Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Peter Mehler

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-887-4

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Salomons Gold
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Anmerkungen
Danksagungen
Über den Autor

Gewidmet all jenen, die die Barbaren von den Toren fernhalten.

Und König Salomon baute eine Flotte in Ezion-Geber, das bei Elat an der Küste des Schilfmeers in Edom liegt, am Ufer des Roten Meeres, im Lande Edom.

Und Hiram schickte seine Knechte, geübte Seefahrer, mit den Leuten Salomons zu Schiff aus.

So gelangten sie nach Ofir, holten von dort vierhundertzwanzig Talente Gold und brachten es dem König Salomon.

1. Buch der Könige 9:26

 

Prolog

Jerusalem, 587 v.u.Z.

Der Hohepriester Israels beugte sich über einen niedrigen Tisch und schrieb im flackernden Licht einer Öllampe fieberhaft eine Schriftrolle ab.

Es blieb nicht mehr viel Zeit.

Das laute Dröhnen von Rammböcken vibrierte durch die Steine unter seinen Füßen. Nebukadnezars Armee würde bald durch die Tore eindringen. Und wenn sie erst einmal innerhalb der Mauern waren, würde das Grauen über die Bewohner der Stadt hereinbrechen.

König Zedekia hatte seinen Eid gegenüber dem babylonischen König verraten, weil er glaubte, die Ägypter würden ihn besiegen. Dieser Fehler sollte ihn nun sein Königreich, seine Familie, sein Augenlicht und das Leben fast aller Menschen in der Stadt kosten.

Der Tempel würde entweiht, die heiligen Schätze geplündert und die Frauen vergewaltigt werden, bevor man sie tötete. Diejenigen, die nicht von den grausamen Soldaten Babylons getötet wurden, würden in die Sklaverei verschleppt.

Es gab einige Dinge, die nicht gerettet werden konnten, aber einige wenige sollten niemals in die Hände des dunklen Königs fallen. Die Ältesten hatten vorhergesehen, was kommen würde. Die Bundeslade war versteckt worden, tief unter dem Tempel. Die große goldene Menora war weggeschafft und mit einer geschickten Nachbildung ersetzt worden. Nun galt die Sorge des Hohepriesters dem Vermächtnis Salomons.

Ein Offizier in Rüstung und bewaffnet mit einem Kurzschwert stand in der Nähe und wartete, bis der Priester fertig war. Er war ein dunkler, breitschultriger Mann; vom Krieg gestählt und in der Blüte seiner Kraft. Seine Beine glichen Baumstämmen, und seine nackten Arme waren mit Muskeln gespickt.

»Ist es fertig, Meister?«, fragte der Soldat.

»Ja.«

Der Hohepriester rollte das Pergament zusammen und band ein Stück Stoff darum. Dann nahm er einen leeren Topf von einem Regal neben dem Tisch. Er legte die Schriftrolle in den Topf und verschloss ihn. Dann hob er die Lampe an, hielt ein Stäbchen Bienenwachs über die Öffnung des Topfes und beobachtete, wie die Flamme das Wachs über der versiegelten Öffnung zum Schmelzen brachte. Als er zufrieden war, stellte er die Lampe und das Wachs beiseite.

Der Offizier trat vor, die Hand am Griff seines Kurzschwertes. »Weißt du, wohin du es bringen sollst?«, fragte der Hohepriester.

»Ja, Meister. Das haben Sie mir schon oft gesagt.«

»Sei vorsichtig, die Edomiter haben sich gegen uns erhoben. Gott wird dich beschützen, aber du musst jetzt gehen. Benutze den Tunnel, der unter der Ostmauer hindurchführt.«

»Ja, Meister«, antwortete der Soldat erneut.

»Dann tu deine Pflicht.«

»Meister …«

»Daniel, mein Sohn. Ich bin zu alt, um zu fliehen, und ich darf nicht gefangen werden. Außerdem bin ich schwach und würde verraten, wo der Schatz des Königs versteckt ist. Babylon darf ihn nicht bekommen. Du weißt, dass ich mir nicht selbst das Leben nehmen kann. Also tu deine Pflicht.«

Daniel kniete vor seinem geistlichen Führer nieder und umklammerte seine Füße. »Vergib mir, Meister.«

»Gottes Vergebung und sein Segen sind dir sicher«, sagte der Priester. Der Soldat stand auf.

»Tu deine Pflicht«, wiederholte der Hohepriester erneut.

Daniel zog sein Schwert und stieß es mit einem kräftigen Hieb in das Herz des alten Priesters. Sein Körper sank zu Boden. Daniel steckte das blutige Schwert in die Scheide zurück und verstaute den Topf in einem Lederbeutel, den er über der Schulter trug. Er warf einen letzten Blick auf den Leichnam des Mannes, der ihn so viele Jahre begleitet hatte, und machte sich auf den Weg zu dem geheimen Tunnel, der ihn unter den Mauern hindurch und aus der Stadt führen würde.

Stunden später blickte Daniel zurück. Schwarzer Rauch stieg von der brennenden Stadt auf. Es schien ihm, als könne er die Schreie der Sterbenden im Wüstenwind hören.

Kapitel 1

Der Schneeregen des Januars trommelte gegen die gläsernen Terrassentüren von Elizabeth Harkers Büro. Im PROJECT-Hauptquartier war es gemütlich und warm. Ein großer, orangefarbener Kater lag auf dem Rücken und schnarchte laut vor einem lodernden Gaskamin, der in einer Ecke des Raumes stand.

Wer durch die Fenster hereinschaute, hätte annehmen können, eine ruhige häusliche Szene bei jemandem zu Hause zu beobachten. Das Gebäude sah wie ein gewöhnliches Ranchhaus in Virginia aus. In Wirklichkeit aber war es eines der entscheidenden Nervenzentren in Amerikas endlosem Krieg gegen diejenigen, die das Land zerstören wollten.

Elizabeth hatte sich dem Wetter entsprechend gekleidet, sich dabei aber an ihre Lieblingsfarben Schwarz und Weiß gehalten. Sie trug eine weiße Seidenbluse mit einem hohen Kragen und einen schwarzen, offenen Pullover. Dazu hatte sie eine schwarze Wollhose und knöchelhohe schwarze Stiefel gewählt, die ihre geringe Körpergröße noch um einige Zentimeter ausglich. Eine abstrakt geformte, smaragdgrüne Brosche steckte über ihrer linken Brust. Sie griff das tiefe Grün ihrer katzenartigen Augen auf.

Elizabeth war eine zierliche Frau. Manche Leute begingen den Fehler, sie wegen ihrer Größe zu unterschätzen – ein Fehler, den niemand zweimal beging. Sie besaß einen messerscharfen Verstand und einen so großen Mut, der für jemand weitaus größeren ausgereicht hätte.

Sie ließ sich auf ihrem Stuhl nieder, bereit, um sich an die Arbeit zu machen. Die Arbeit war der Motor in ihrem Leben. Sie gab es nur ungern zu, aber sonst gab es nicht viel mehr in ihrem Leben. Selbst ihre Beziehung zu Clarence Hood war von der Arbeit überschattet. Hood war der Direktor der Central Intelligence Agency. Elizabeth war die Leiterin des PROJECTs, der geheimen Anti-Terror-Einheit des Präsidenten.

Zumindest noch. In ein paar Tagen würde der neugewählte Präsident Corrigan vereidigt werden, und sie damit einen neuen Chef bekommen. Sie war sich nicht sicher, ob der neue Präsident das PROJECT als das sehen würde, was es war: Eine verdeckt operierende, effektive Waffe gegen Amerikas Feinde. Die Zukunft ihrer Einheit lag ihr sehr am Herzen.

Im Moment aber gab es etwas Dringlicheres, um das sie sich kümmern musste. Es betraf zwei wichtige Mitglieder ihres Teams, die ihr gegenüber auf der Couch saßen.

Nick Carter hatte das Aussehen eines Berufskriegers, von der harten Erscheinung eines Mannes, der sich in Form hielt, bis hin zu seinem Haarschnitt, der kaum das militärische Maximum überschritt. Sein Gesicht war kantig und wirkte ernst. Er war nicht das, was man als gut aussehend bezeichnen würde, aber das brauchte er auch nicht zu sein. Der untere Teil seines linken Ohrs fehlte, wo eine Kugel sein Ohrläppchen durchschlagen hatte. Eine lockere, graue Sportjacke verbarg die Pistole, die er in seinem Schulterholster trug. Seine Augen waren rauchgrau, gesprenkelt mit goldenen Flecken. Nicks Augen hatten Dinge gesehen, die die meisten Menschen dazu veranlassen würden, schreiend davonzulaufen. Sie erinnerten Elizabeth an die Augen eines Wolfs.

Eines Alphawolfes.

Im Gegensatz dazu waren Selena Connors Augen von einem dunklen Blau, das zumeist sogar violett wirkte. Einer ihrer Wangenknochen saß ein wenig höher als der andere. Ihr rötliches Haar und die Farbe ihrer Augen wiesen auf ihre keltischen Vorfahren hin. Ihre Lippen waren voll und sinnlich. Das verlieh ihr ein trügerisches, feminines Aussehen, das ihr im Einsatz gute Dienste leistete. Die Feinde sahen in ihr nur die Frau und unterschätzten sie.

Sie trug einen weißen irischen Strickpullover, eine schwarze Hose und schwarze Stiefel. Ein weicher Gips an ihrem Bein erinnerte daran, dass sie bei ihrem letzten Einsatz eine Kugel in den Oberschenkel bekommen hatte. Der Gips sollte in ein paar Tagen abgenommen werden. Ein Stock ruhte an der Armlehne der Couch.

»Was ist es, was Sie mit mir und nicht vor dem ganzen Team besprechen wollten?«, fragte Elizabeth.

»Wir hielten es für besser, mit Ihnen unter vier Augen zu sprechen«, sagte Nick. »Es ist nichts, was der Rest des Teams nicht erfahren soll, aber wir wollten, dass Sie es zuerst hören.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob mir das gefällt«, sagte Elizabeth.

»Wieso fängst du nicht an?«, fragte Nick an Selena gewandt.

»Wo soll ich denn anfangen?«

»Mit Junior.«

»Junior?«, fragte Elizabeth.

»Ich bin schwanger«, antwortete Selena. »Ich glaube, in der achten Woche.«

Elisabeths Mund blieb offen stehen. Selena lachte.

»Ich wünschte, ich hätte ein Foto von Ihnen in diesem Moment, Elizabeth.«

»Wie lange wissen Sie es schon?«

»Nicht lange. Ich habe es erst kurz vor unserer Abreise nach Korea bemerkt.«

Elizabeth holte tief Luft. »Das ändert die Sachlage.«

»Das kann man wohl sagen«, stimmte Nick ihr zu.

»Ich möchte zu dem zurückkehren, was ich gemacht habe, bevor ich mich dem PROJECT anschloss«, erklärte Selena. »Mit alten Manuskripten arbeiten. Ich habe in den letzten Monaten mehrere Anfragen erhalten, um Vorträge zu halten oder Dokumente zu untersuchen. Ich möchte sogar nach New York reisen, um dort einen neuen Fund zu untersuchen.«

»Heißt das, dass Sie aufhören?«, fragte Elizabeth.

Selena holte tief Luft. »Ja. Nick und ich haben es besprochen. Ich möchte das Baby nicht gefährden, indem ich mich auf Missionen begebe wie die, die wir gerade beendet haben.«

Sie klopfte gegen den Gips an ihrem Bein.

»Sie müssen mich für die groben Sachen durch jemand anderen ersetzen. Für alles andere stehe ich weiterhin zur Verfügung, wenn Sie mich hier haben wollen. Ich würde mich gerne weiter engagieren.«

»Jemanden zu finden, der Ihren Platz einnimmt, wird einige Zeit dauern.«

»Ich weiß, es tut mir leid. Das war nicht geplant, aber ich habe das Gefühl, dass ich keine andere Wahl habe.«

»Nein, natürlich nicht«, entgegnete Elizabeth. »Eigentlich finde ich es wunderbar.«

»Wirklich?«

»Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, wie Nick damit umgeht, ein Vater zu sein«, sagte Elizabeth.

»Da sind Sie nicht die Einzige.«

Beide Frauen begannen zu lachen.

»Okay, okay.« Nick wartete, bis sie fertig waren.

»Ich habe darüber nachgedacht, wen wir verpflichten könnten«, sagte er. »Es gibt drei oder vier Personen, die mir in den Sinn kommen. Sie sind alle aktive oder ehemalige Special Forces. Sie haben die nötigen Fähigkeiten und die Einstellung, die wir brauchen.«

»Wissen die anderen, dass Sie aufhören?«, fragte Elizabeth.

»Ronnie und Lamont wissen beide, dass ich schwanger bin. Sie haben es zufällig herausgefunden.«

»Dann werden sie mit so etwas rechnen.«

»Ich glaube nicht, dass es eine große Überraschung sein wird.«

Elizabeth nahm ihren Stift in die Hand und fing an, damit herumzuspielen. »Ich werde nicht so tun, als ob ich darüber glücklich wäre.« Sie legte den Stift wieder zurück. »Selena, ich würde Ihnen gerne einen Kompromiss vorschlagen.«

»Was für einen Kompromiss?«

»Ich möchte nicht auf Ihr Fachwissen verzichten. Sie bleiben als Beraterin dabei. Sie behalten Ihre Sicherheitsfreigabe und Ihren Zugang. Alles, worum ich Sie bitte, ist, dass Sie verfügbar sind, wenn ich Sie brauche.«

»Als Beraterin?«

»Das Einzige, was sich ändert, ist, dass Sie sich nicht mehr mit dem Team auf Kampfeinsätze begeben. Sie können tun und lassen, was Sie wollen, wenn es um Vorträge, Beratungen und Ähnliches geht. Sie behalten zudem Ihre Pistole und Ihren Ausweis.«

»Wozu sollte ich eine Waffe brauchen, wenn ich nicht auf Missionen gehe?«

»Sie sind schon lange Teil des Teams und wir haben uns während dieser Zeit viele Feinde gemacht. Zu Ihrer eigenen Sicherheit sollten Sie weiterhin bewaffnet sein. Es ist viel einfacher, wenn es offiziell ist. Außerdem ist es eine Grundvoraussetzung, wenn ich Sie auf der Gehaltsliste behalte.«

»Darüber muss ich nachdenken«, antwortete Selena.

»In Ordnung. Teilen Sie mir Ihre Antwort so bald wie möglich mit.«

Dann sah Elizabeth Nick an. »Nick, ich möchte, dass Sie mir eine Liste mit den Leuten geben, die Ihnen vorschweben. Sie müssen überprüft werden. Wenn sie die Überprüfung bestehen, machen wir von da an weiter.«

»Ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird, Direktorin. Eine hohe Sicherheitsfreigabe ist oder war stets Teil ihres Jobs.«

»Gut. Wenn alle überprüft wurden, können wir sie zu einem Gespräch einladen.«

»Wenigstens ist im Moment nichts los«, sagte Selena. »Das gibt Ihnen die Möglichkeit, meine Ablösung ohne den Druck einer zusätzlichen Mission zu regeln.«

»Hoffen wir, dass es so bleibt«, antwortete Elizabeth.

Kapitel 2

Nick und Selena wohnten in einem umgebauten Loft mit Blick auf den Potomac River und Virginia. An klaren Tagen konnte man sich leicht vorstellen, wie blaue und graue Armeen über die Landschaft marschierten. An einem Tag wie heute aber gab es nichts zu sehen, außer verschwommenen Graupel und gefrierendem Regen, der gegen die Fenster schlug.

»Wann fährst du nach New York?«, fragte Nick.

»Morgen«, sagte Selena. »Auf den Flughäfen herrscht Chaos, aber ich kann den Zug nehmen. Morgen Abend bin ich wieder da.«

»Was hältst du von dem, was Friedman dir geschickt hat?«

Alan Friedman war der Direktor des Jüdischen Museums in New York, des ältesten Museums für jüdische Geschichte in der Welt. Er hatte ihr Bilder einer Schriftrolle geschickt und sie um Hilfe bei der Übersetzung gebeten.

»Es ist faszinierend«, sagte Selena. »Es ist in biblischem Hebräisch geschrieben.«

»Worum geht es?«

»Ich kann es noch nicht lesen«, antwortete Selena. »Es ist in einem Code gehalten.«

»Damals waren die Codes noch ziemlich einfach«, sagte Nick. »Er sollte relativ leicht zu knacken sein. Nicht vergleichbar mit dem, wie man es heute machen würde.«

»Das ist wahr, aber es könnte ein Code sein, den nur die Person kennt, die das geschrieben hat. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, dass ich es nicht übersetzen kann.«

»Wer auch immer es geschrieben hat, jemand anderes musste in der Lage sein, es verstehen zu können. Denn warum sollte man es dann überhaupt aufschreiben?«

»Das stimmt, aber das macht es nicht einfacher. Codes waren in biblischen Zeiten üblich. Verschiedene Armeen setzen sie ein. Kaufleute benutzten sie, um Dinge vor ihren Konkurrenten zu verbergen. Wenn ich mir das hier ansehe, kann ich einige Wörter entschlüsseln, aber sie scheinen nicht miteinander in Verbindung zu stehen. Solange ich das zugrunde liegende Muster nicht erkennen kann, kann ich es nicht lesen.«

»Das klingt nach einer Herausforderung. Aber du magst Herausforderungen.« Er wechselte das Thema. »Ich fand, Harker hat es heute ziemlich gut aufgenommen. Was hältst du von ihrem Angebot?«

»Ich werde es annehmen. Ein Teil von mir hat das Gefühl, dass ich das Team im Stich lasse, wenn ich mich von den Missionen zurückziehe, aber vor allem bin ich erleichtert.«

»Es wird da draußen nicht dasselbe sein ohne dich«, sagte Nick.

»Das stimmt. Du wirst mich vermissen.«

»Aber ich werde es nicht vermissen, mir Sorgen zu machen, dass du getötet wirst«, sagte Nick.

»Aber du wirst weiter im Einsatz sein. Dann bin ich an der Reihe, mir Sorgen zu machen.«

»Wenn Corrigan den Eid ablegt, ist das vielleicht kein Thema mehr. Er könnte das PROJECT auflösen.«

»Ich glaube nicht, dass er das tun wird«, widersprach Selena.

»Warum nicht?«

»Er wäre ein Narr, wenn er eines seiner besten Werkzeuge wegwerfen würde, und ich halte ihn nicht für einen Narren. Er braucht das PROJECT. Rice hatte keine Angst, uns loszuschicken, selbst wenn es ihm um die Ohren geflogen wäre. Ich denke, Corrigan wird das Gleiche tun. Er wird unter großem Druck stehen, es mit all den Verrückten da draußen aufzunehmen, die uns vernichten wollen. Außerdem muss ihm jemand die Wahrheit darüber sagen, was in der Welt vor sich geht. Deshalb hat Rice Elizabeth eingestellt und das PROJECT überhaupt erst ins Leben gerufen.«

»Vorausgesetzt, er will uns anhören«, sagte Nick. »Er ist von Opportunisten umgeben, die ihre Chance auf Macht wittern. Sie könnten ein Hindernis darstellen.«

»Das werden wir früh genug erfahren.« Selena stand auf und gähnte.

»Morgen früh um sieben Uhr fährt ein Expresszug. Ich gehe ins Bett.«

Sie blickte zu Nick hinunter, der immer noch am Tisch saß, und nahm seine Hand.

»Kommst du mit?«

Kapitel 3

Das Jewish Museum of New York widmete sich der Kultur, dem Leben und der Geschichte des jüdischen Volkes. Zu den Dingen, die Direktor Alan Friedman an seiner Arbeit am meisten genoss, gehörte die Auswertung von Schenkungen von archäologischem Interesse an das Museum. Eine kürzliche Schenkung hatte Objekte aus dem Nahen Osten enthalten. Eines davon war ein versiegelter Topf.

Das Gefäß war typisch für die vorchristliche Zeit. Es gab nichts Ungewöhnliches an solchen Gefäßen, aber dieser Topf schien etwas zu enthalten. Er hatte beschlossen, das alte Siegel zu brechen und nachzusehen, was es war.

Als Friedman sah, was sich darin befand, hatte sein Herz für einen Schlag ausgesetzt. Mit großer Sorgfalt hatte er die zerbrechliche Pergamentrolle herausgezogen. Solche Funde waren selten. Die berühmtesten Beispiele waren die Schriftrollen von Qumran, die in einer Reihe von Wüstenhöhlen im heutigen Westjordanland von Israel gefunden wurden.

Friedman hatte Mühe, seine Fantasie zu zügeln, als er die alte Schriftrolle erblickte. Es war der Traum eines jeden Bibelarchäologen, ein Artefakt zu finden, das Licht auf die vielen unbeantworteten Fragen über die biblische Zeit werfen könnte.

Die Schriftrolle war einst durch ein dünnes Stoffband zusammengehalten worden. Das Band hatte sich im Laufe der Jahrhunderte aufgelöst und das Pergament sich teilweise entrollt. Ein Teil der Schrift war sichtbar. Friedman war Experte für biblisches Hebräisch und Aramäisch, die beiden gängigsten Sprachen der damaligen Zeit. Nach dem, was er sehen konnte, schien es sich bei der Schrift um eine Form des frühen Hebräisch zu handeln.

Das Museum besaß die nötige Ausstattung, die Schriftrolle zu entrollen und aufzubewahren. Als Jude hatte Friedman jedes Recht, mit der Schriftrolle zu arbeiten. Wenn sich herausstellte, dass es sich um ein heiliges Dokument handelte, wie etwa um eine Seite der Tora, würde er es seinem Rabbiner zur Bewertung vorlegen. Da es sich zweifellos um eine Reliquie handelte, sah er kein Problem darin, mit seiner Untersuchung allein fortzufahren.

Die Schriftrolle war in erstaunlich gutem Zustand. Friedman hatte erwartet, sie übersetzen zu können. Aber als die Seite entrollt war und flach unter dem Schutzglas lag, war er verwirrt. Die Schrift sah aus wie biblisches Hebräisch, aber er konnte die Bedeutung des einen oder anderen Wortes oder Satzes nur erahnen. Nichts davon ergab einen Sinn.

Da war ihm Selena in den Sinn gekommen. Sie hatten sich einige Jahre zuvor auf einer Konferenz über alte semitische Sprachen angefreundet. Er hatte die Schriftrolle fotografiert und ihr zugeschickt, mit der Bitte, nach New York zu kommen und sich das Dokument selbst anzusehen. Wenn es um die Übersetzung alter Sprachen des Nahen Ostens ging, stand Selena mit ihrem weltweiten Ruf an der Spitze einer sehr überschaubaren Liste.

Friedman sah auf die Uhr. Er freute sich auf ihren Besuch. Sie würde bald hier eintreffen.

Fast wie aufs Stichwort betrat Friedmans persönliche Assistentin sein Büro. »Direktor, Doktor Connor ist hier.«

»Gut. Führen Sie sie herein, Miriam.«

Selena betrat den Raum und wirkte gehetzt. Sie trug wegen des miserablen Wetters einen langen Mantel und schwarze Lederstiefel, die ihr bis zur Hälfte der Waden reichten.

Friedman war mit einem dunklen Anzug und einem weißen Hemd ohne Krawatte bekleidet. Er hatte ein rundes Gesicht mit einem graumelierten Vollbart. Eine Kippa ruhte auf seinem schütteren Haar. Eine altmodische runde Brille mit goldenen Rändern verlieh ihm das gelehrte Aussehen früherer Zeiten. Er erhob sich von seinem Schreibtisch, als Selena hereinkam.

»Selena. Es ist schön, Sie wiederzusehen. Wie war Ihre Reise?«

»Ganz in Ordnung, bis ich in das Taxi stieg, das mich hierher brachte«, antwortete Selena. »Falls das Auto jemals Stoßdämpfer besaß, muss sie jemand gestohlen haben. Und der Fahrer schien zu glauben, für Daytona trainieren zu müssen.«

Friedman lachte. »Sie können sich bei unserem Bürgermeister für den Zustand unserer Straßen bedanken. Lassen Sie mich Ihren Mantel nehmen.«

Sie reichte ihn ihm. Er hängte ihn an ein Regal in der Ecke. »Möchten Sie einen Kaffee? Oder Tee?«

»Ich hätte gerne eine Tasse Kaffee, danke.«

Friedman sprach in seine Sprechanlage. »Miriam? Könnten wir bitte zwei Tassen Kaffee bekommen?«

»Sofort, Herr Direktor.«

»Wo wurde die Schriftrolle gefunden?«, erkundigte sich Selena.

»In Jordanien. Sie kam als Vermächtnis der Familie von Joseph Hartzmann in das Museum. Sie befand sich in einem Topf, der während einer von ihm geleiteten Expedition im Jahr 1928 gefunden wurde. Hartzmann war ein Professor für Archäologie in Deutschland, bevor Hitler an die Macht kam. Er lehrte in Heidelberg, bis er von den Nazis entlassen wurde. Es gelang ihm, seine Familie mit dem größten Teil ihres Besitzes aus Deutschland herauszubringen. Dazu gehörte auch der Topf mit der Schriftrolle. Hartzmann plante, ihnen später zu folgen, aber er schaffte es nicht.«

»Was ist mit ihm passiert?«

»Auschwitz ist ihm passiert«, antwortete Friedman. »Er hat den Krieg nicht überlebt.«

»Wie furchtbar.«

»Die Schriftrolle ist gleich hier drüben«, sagte Friedman.

Er führte Selena zu einem Tisch, auf dem die Schriftrolle unter Schutzglas eingerahmt war.

»War es schwierig, sie auszurollen?«, fragte Selena.

»Ja, das war es. Sie ist an der Unterseite beschädigt und ein Teil davon fehlt.«

»Aber sie scheint in gutem Zustand zu sein, bis zu der Stelle, an der die Zeilen der Schrift unterbrochen werden. Ich frage mich, was auf dem fehlenden Teil stand?«

»Ich frage mich, was da überhaupt darauf steht«, sagte Friedman. »Ich hoffe, Sie können es mir sagen.«

Das Pergamentstück war etwa fünfundvierzig Zentimeter lang und an der Unterseite beschädigt. Aufgrund des Alters war es gelb und braun verfärbt. Die Tinte war einst tiefschwarz gewesen, aber sie war zu einem dunklen Braun verblasst. Die gesamte Seite war mit Schrift bedeckt.

»Ich war sehr vorsichtig«, erklärte Friedman. »Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich mit etwas so Zerbrechlichem befassen muss. Ich war ein wenig nervös, da es seit mehr als zweitausend Jahren von niemandem mehr gesehen wurde.«

»Was glauben Sie, wann es verfasst wurde?«

»Es ist mit Sicherheit vorchristlich. Ich habe eine kleine Probe zur Kohlenstoffdatierung ins Labor geschickt.«

Selena blickte auf die Schriftrolle hinunter.

»Das ist biblisches Hebräisch«, sagte sie, »ziemlich früh. Sehen Sie sich an, wie alle Wörter ohne Leerzeichen aneinandergereiht sind. Das deutet auf eine frühe Verwendung der Sprache hin. Selbst unter den besten Umständen wäre es schwer zu lesen, da es keine Satzzeichen gibt, um Sätze zu trennen oder die Bedeutung zu verdeutlichen. Haben Sie eine Lupe zur Hand?«

»Natürlich.«

Friedman ging zu seinem Schreibtisch und nahm ein Vergrößerungsglas heraus. Er reichte es Selena. Sie beugte sich damit über die Schriftrolle.

»Es könnte ein Dialekt sein, was die Sache noch komplizierter machen würde. Es erinnert mich an das Original des Buches Daniel, aber es ist nicht ganz dasselbe.«

»Glauben Sie, dass Sie es übersetzen können?«, fragte Friedman.

»Noch nicht«, sagte Selena. »Je mehr ich mir das ansehe, desto mehr glaube ich, dass es in einem Code gehalten ist.«

»Das dachte ich mir schon, aber es ist kein Code, der mir bekannt ist. Nicht so wie der Atbasch-Code zum Beispiel.«

Der Atbasch-Code war ein einfacher Substitutionscode, der auf dem hebräischen Alphabet basierte. In seiner Grundform ersetzte der Code den ersten Buchstaben des Alphabets durch den letzten, den zweiten Buchstaben durch den vorletzten und so weiter. Er war schon zu biblischen Zeiten weit verbreitet gewesen. Nach modernen Maßstäben war er leicht zu knacken.

»Nein«, sagte Selena, »das ist kein Atbasch. Aber es könnte eine andere Art von Substitutions-Chiffre sein. Vielleicht sogar eine Doppelsubstitution. Jetzt, wo ich das eigentliche Dokument betrachte und nicht nur eine Kopie, habe ich das starke Gefühl, dass das, was hier steht, wichtig sein könnte. Es hat einfach etwas an sich … können Sie mir einen digitalen Scan davon überlassen? Ich würde es gern jemandem zeigen, den ich kenne. Sie ist ein Computergenie und hat Zugang zu einem Cray. Das könnte die Sache beschleunigen.«

»Ich nahm bereits an, dass Sie darum bitten würden«, sagte Friedman. Er zog einen USB-Stick aus seiner Jackentasche und überreichte ihn ihr.

»Das ist aufregend«, sagte Selena.

»Sie waren schon eine Weile nicht mehr auf Vortragsreisen, oder?«

»Ich war mit anderen Dingen beschäftigt«, erwiderte Selena ausweichend.

Friedman deutete auf die Schiene an Selenas Bein. »Was ist mit Ihrem Bein passiert?«

»Oh, ich bin auf dem Eis ausgerutscht.«

Friedman hielt ihre Antworten für vage, beließ es aber dabei.

Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich glaube, ich sollte zurückkehren und mich an die Arbeit machen. In einer Stunde fährt ein Zug.«

»Kann ich Sie dazu überreden, mit mir zu Mittag zu essen, bevor Sie nach Washington zurückkehren?«

»Das würde ich gerne tun, Alan, aber lassen Sie uns das auf ein anderes Mal verschieben. Ich möchte das so schnell wie möglich in einen Computer eingeben. Sobald ich etwas Definitives habe, lasse ich es Sie wissen.«

»Ich begleite Sie hinaus«, sagte Friedman. Er half ihr in den Mantel.

Später, auf der Rückfahrt im Zug, dachte Selena über die Schriftrolle nach. Die Ungeduld, den Text so schnell wie möglich übersetzen zu wollen, war seltsam; fast so, als ob etwas sie dazu drängte. Als würde ihr die Zeit davonlaufen, obwohl es keinen rationalen Grund gab, das zu glauben. Immerhin war dieses Stück Pergament mehr als zweitausend Jahre lang versteckt gewesen. Ein oder zwei Tage mehr, um zu verstehen, was darauf geschrieben stand, würden keinen Unterschied machen.

Oder doch?

Kapitel 4

Mit Friedmans USB-Stick in ihrer Handtasche betrat Selena das PROJECT-Hauptquartier. Alles fühlte sich anders an, jetzt, wo sie Elizabeth gesagt hatte, dass sie ihre Arbeit hier aufgeben würde. Dabei war es nicht so, dass irgendetwas anders war. Elizabeth hatte ihr vollen Zugang gewährt. Selenas Sicherheitsfreigabe war immer noch in Kraft. Es war ein unterschwelliges Gefühl, als ob sich etwas Vertrautes verändert hätte. Sie mochte dieses Gefühl nicht. Es ließ sie unruhig werden. Und sie wusste, dass sie die Aufregung der Einsätze vermissen würde.

Sie stieg die Wendeltreppe in die untere Etage hinunter. Vom Schießstand, wo Nick, Ronnie und Lamont übten, waren Schüsse zu hören. Sie lief an dem Fitnessraum vorbei und fragte sich, wie weit sie ihr Training jetzt, wo sie schwanger war, noch ausüben konnte, und wie lange. Sie ging am Schwimmbad und dem Betriebsraum vorbei zum Computerraum, wo sie wusste, dass sie Stephanie finden würde.

Stephanie Willits war Elizabeth Harkers Stellvertreterin und eine der klügsten Personen, die Selena je kennengelernt hatte. Als Steph ein Teenager war, hatte sie sich zum Spaß in die Server des Pentagons gehackt. Es war nicht das erste Mal, dass sie die Firewalls eines hochsicheren Computersystems durchbrochen hatte, aber es war das erste Mal gewesen, dass sie dabei erwischt wurde.

In den folgenden Tagen war ihr klar geworden, in welche Schwierigkeiten sie sich gebracht. Nachdem sie den grimmig dreinblickenden Agenten, die sie verhört hatten, gezeigt hatte, wie sie es bewerkstelligt hatte, hatten sie ihr eine Alternative angeboten: Sie konnte für die Regierung arbeiten, oder für eine lange, lange Zeit ins Gefängnis wandern.

Die Entscheidung war ihr nicht schwergefallen. Man hatte ihr einen Arbeitsplatz in einer Kabine in dem riesigen schwarzen Gebäude der NSA angeboten, wo Elizabeth sie einige Jahre später gefunden hatte.

Für Stephanie war ihr Job der wahr gewordene Traum eines Hackers. Sie hatte die enorme Leistung der Cray-Computer des PROJECTs zu ihrer Verfügung und den offiziellen Segen der Regierung, um ihre Fähigkeiten gegen Amerikas Feinde einzusetzen.

Selena stand vor den doppelten Glastüren, die in den Computerraum führten, und legte ihre Handfläche auf einen biometrischen Scanner. Die Türen glitten mit einem Zischen auf. Ein eiskalter Luftzug fegte über sie hinweg. Die vier großen Computer im Inneren des Raumes verbrauchten viel Strom und erzeugten viel Wärme. Stephanie hielt die Temperatur niedrig. Selena fröstelte unter ihrem schweren Mantel.

Steph trug einen grünen Pullover, der bis zur Hälfte zugeknöpft war, eine Hose und eine blaue Bluse. Ein halbes Dutzend goldener Armbänder an ihrem Handgelenk klirrte, als sie sich auf ihrem Stuhl drehte, um Selena zu begrüßen. Sie saß an der Konsole vor ihrem Lieblingscomputer, Freddie, und studierte einen der drei Monitore.

Freddie war ein modifizierter Cray XT mit maximaler Leistung. Stephanie hatte ein Programm geschrieben, das Freddie in den ersten Computer mit echter, unabhängiger künstlicher Intelligenz verwandelt hatte. Freddie verarbeitete Informationen, indem er die unzähligen Verbindungen nutzte, die ihm zur Verfügung standen, ähnlich wie die neuronalen Verbindungen des menschlichen Gehirns. Im Gegensatz zu Menschen vergaß er nie etwas. Durch das Internet und die Verbindungen zu anderen Computern in der ganzen Welt besaß Freddie potenziellen Zugang zu jedem Stück menschlichen Wissens, das jemals irgendwo in einen Computer eingegeben oder in eine Datenbank eingescannt worden war.

Er war in jedweder Hinsicht eine unglaubliche Ressource.

»Hi, Selena. Wie war es in New York?«

»Ungefähr so, wie man erwarten würde. Das Wetter war lausig und die Taxis teuer. Ich war nur für ein paar Stunden dort. Ich habe etwas bei mir, dass du dir ansehen sollst.«

Stephanie besaß ein freundliches, rundliches Gesicht, die Art von Gesicht, das man nicht wahrnahm, wenn man nicht darauf achtete. Sie war weder schön noch unauffällig. Ihre Nase war ein wenig zu lang, ihre Augenbrauen etwas zu dicht. Ihr hervorstechendstes Merkmal war ihr langes braunes Haar. Es leuchtete vor Vitalität. Im Moment war es zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Steph besaß das, was man auch ›schwere Knochen‹ nannte, und ein robustes Aussehen. Wie alle anderen im Projekt trug sie eine Pistole. Das gehörte zu ihrem Job, auch wenn Steph nicht im Außendienst tätig war.

Selena hielt den USB-Stick in die Höhe.

»Hier ist ein Dokument drauf, das in biblischem Hebräisch geschrieben ist. Ich möchte, dass du und Freddie es sich ansehen.«

Über Stephanies Pult war ein großes Kameraobjektiv angebracht. Es bewegte sich und fokussierte auf Selena. Ihr Bild erschien auf einem der Monitore.

Hallo, Selena.

Die Stimme gehörte dem Computer.

»Wie geht es dir, Freddie?«, fragte Selena.

Wie immer, Selena. Wie geht es deinem Bein?

»Schon besser. Danke der Nachfrage.«

Ich bin neugierig, Selena. Hast du nicht deine Stelle gekündigt? Du gehörst nicht mehr zum Team. Warum bist du hier?

Eines der Dinge, mit denen Stephanie den Computer nicht hatte programmieren können, war das, was Menschen Taktgefühl nannten. Freddie war immer sehr direkt.

»Es stimmt, dass ich nicht mehr zum Außendienst gehöre«, antwortete Selena. »Aber ich arbeite immer noch als Beraterin für Elizabeth. Obwohl ich also gekündigt habe, arbeite ich immer noch hier.«

Das ist unlogisch.

»Ja, das ist es, nicht wahr? Freddie, ich habe eine Herausforderung für dich.«

Eine Herausforderung? Ist es ein Spiel? Ich mag Spiele. Manchmal spielen Stephanie und ich Schach oder Go.

»Frag nicht, wer gewinnt«, warf Stephanie ein.

»Stephanie wird einen USB-Stick anschließen, der einen Scan einer Schriftrolle enthält«, erklärte Selena. »Sie ist in einer Variante des biblischen Hebräisch geschrieben.«

Diese Sprache befindet sich in meiner Datenbank. Die Übersetzung wird einfach sein.

»Wenn es einfach wäre, hätte ich es selbst gemacht. Der Text ist verschlüsselt. Ich möchte, dass du versuchst, den Code zu knacken, damit wir lesen können, was auf der Schriftrolle steht.«

Bitte schließt den USB-Stick an.

Selena reichte den USB-Stick an Stephanie weiter, die ihn in einen Anschluss der Konsole einsteckte.

Verarbeite.

Der Scan der Schriftrolle erschien auf einem der Monitore. Ein zweiter Monitor füllte sich mit schnell wechselnden Zeichenfolgen von Computercodes.

»Ich frage mich, ob er es schaffen kann?«, sagte Selena.

»Wollen wir wetten?«, fragte Steph. »Ein Dollar, dass er den Code knackt.«

»Und wie schnell?«

»Innerhalb einer Stunde?«

»Die Wette gilt«, sagte Selena. »Ich weiß, dass Freddie gut ist, aber innerhalb einer Stunde klingt für mich nicht machbar.«

Die Stimme des Computers unterbrach sie.

Der verschlüsselte Text ähnelt einem Abschnitt, der auf einer 1986 in der Nähe von Hebron gefunden wurde und König David zugeschrieben wird. Der diesem Abschnitt ähnelnde Teil ist nie übersetzt worden.

»Davon habe ich noch nie gehört«, sagte Selena. »Warum ist er nicht übersetzt worden?«

Die Schriftrolle und andere Artefakte aus dieser Ausgrabung befinden sich im Besitz der palästinensischen Behörden. Da es sich um jüdische Artefakte handelt, wurden sie als unwichtig abgetan. Ohne die Proteste prominenter archäologischer Experten wären sie seinerzeit sogar zerstört worden.

»Wo befindet sich diese Schriftrolle jetzt?«

Sie wird im Keller der Hebron-Universität in der Stadt Hebron am Westufer des Jordans aufbewahrt.

»Ich verstehe immer noch nicht, wie uns das helfen soll, wenn die Schriftrolle in Hebron ebenfalls nicht entschlüsselt werden kann.«

Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass ein Teil des Textes noch nicht übersetzt wurde.

»Okay.«

Möchtest du wissen, was sich sonst noch auf der Schriftrolle von Hebron befindet?

Selena seufzte. »Ja, Freddie, das würde ich gern.«

Die Schriftrolle stammt aus dem zehnten Jahrhundert v. Chr. und ist eine Mitteilung König Davids an einen seiner militärischen Befehlshaber. Sie scheint während des Aufstands Abschaloms geschrieben worden zu sein.

»Worum geht es?«

Er weist den Kommandanten an, die in dem verschlüsselten Abschnitt enthaltenen Anweisungen zu befolgen.

»Das hilft uns nicht«, sagte Stephanie.

Die Schriftrolle befiehlt dem Befehlshaber, sich an die Stadt der Töpfer zu erinnern.

»Die Stadt der Töpfer?«, fragte Stephanie. »Was soll das bedeuten?«

Es ist eine Anspielung auf die biblische Stadt Neta’im. Möchtest du den genauen biblischen Bezug wissen?

»Ja.«

1. Chronik 4:23.

»Wo befindet sich Neta’im?«, fragte Stephanie.

Neta’im liegt in Zentralisrael in der Küstenebene.

»Freddie«, meldete sich Selena zu Wort.

Ja, Selena?

»Kannst du diese Informationen nutzen, um den Code zu knacken?«

Das habe ich bereits getan. Ich habe die kodierten Informationen auf der Schriftrolle mit der in Hebron verglichen und eine gemeinsame Datenbank erstellt. Dann habe ich den biblischen Bezug zu Neta’im einbezogen. Die in den biblischen Versen angegebenen Namen lieferten den Schlüssel zur Chiffre. Die Übersetzung ist abgeschlossen.

»Ich hab’s dir gesagt«, sagte Stephanie.

»Warum hast du uns nicht gesagt, dass sie bereits vollendet ist?«

Ihr habt nicht danach gefragt. Möchtet ihr wissen, was dort steht?

Selena widerstand dem Drang, etwas gegen das Kameraobjektiv zu werfen.

»Ja, Freddie«, sagte Stephanie. »Wir würden sehr gern wissen wollen, was da steht.«

Ich werde es ausdrucken.

Ein Blatt Papier ratterte aus dem Drucker auf der Konsole. Selena betrachtete es.

Ichsalomonkönigvonisraelschreibedieseworteachtzigsommersindvergangenundmeinezeitistgekommenichfürchterehabeamwirddaskönigreichnichtzusammenhaltenichkannihm …

Der Rest der ausgedruckten Übersetzung war ähnlich gehalten. Alle Worte liefen ineinander, genauso, wie der Text ursprünglich verfasst worden war.

»Freddie«, bat Selena, »bitte überarbeite die Übersetzung so, dass sie eine moderne Zeichensetzung enthält.«

Ja, Selena.

Wieder ratterte der Drucker und ein neues Blatt erschien.

Ich, Salomon, König von Israel, schreibe diese Worte. Achtzig Sommer sind vergangen und meine Zeit ist gekommen. Ich fürchte, Rehabeam wird das Königreich nicht zusammenhalten. Ich kann ihm das Geheimnis meines Vaters nicht anvertrauen. Der Reichtum, den Gott uns gegeben hat, um seinen Tempel zu erhalten und sein Volk zu schützen, darf nicht verloren gehen. Mein Vater bewacht die Hälfte des Reichtums, den er zum Bau des Tempels und zum Schutz der Zukunft des Königreichs angesammelt hat. Auch wenn ich nachfolgend den Weg zu ihm aufzeige, wird ihn nur jemand finden, der von Jahwe geführt wird.

Beginne in Biʾr as-Sab, in der Nähe des Brunnens des Patriarchen, in der Wildnis von Zin. Es gibt Wegweiser für die Reise. Halte Ausschau nach dem Ersten, wo sich das Wasser sammelt, und folge dem Weg Mosches. Der Zweite liegt zweiundzwanzig Parasange weiter südlich. Der Dritte bringt dich zu einem hohen Ort bringen und die letzte Markierung wird dich zu den Gebeinen meines Vaters führen. Hüte dich vor …

Die Übersetzung endete dort, wo der beschädigte Abschnitt begann.

»Heilige Scheiße«, murmelte Selena.

Kapitel 5

Nachdem sie erfahren hatte, was auf der Schriftrolle stand, berief Elizabeth eine Sitzung des Teams ein. Wie üblich trafen sie sich in Elizabeths Büro und saßen ihr gegenüber auf der langen Couch. Stephanie saß mit ihrem Laptop an der Seite von Elizabeths Schreibtisch.

Jeder, der über einen gesunden Menschenverstand verfügte, konnte sehen, dass es unklug war, sich mit den Personen auf dieser Couch anzulegen. Die lange Narbe, die sich über Lamonts Gesicht zog, ließ ihn wie jemanden aussehen, dem man nachts auf einer einsamen Straße nicht begegnen wollte. Von Ronnie Peete ging eine Form von stiller Bedrohung aus, die in völligem Widerspruch zu seinem großzügigen Wesen stand. Nick strahlte die Energie von jemandem aus, der jeden Moment in Aktion treten konnte. Selbst Selena war davon nicht ausgenommen. Sobald man die Ablenkung durch ihr gutes Aussehen und ihre offensichtliche Sportlichkeit hinter sich gelassen hatte, konnte man eine wachsame Vorsicht spüren, der nichts entging.

»Selena«, sagte Elizabeth, »erzählen Sie uns, was Sie auf der Schriftrolle gefunden haben.«

»Nicht noch eine verdammte Schriftrolle«, sagte Lamont. »Die Letzte bedeutete nichts als Ärger.«

»Das wird bei dieser auch sein«, antwortete Selena.

»Was für eine Schriftrolle?«, fragte Ronnie.

»Sie wurde in den 1920er-Jahren in Jordanien gefunden«, erklärte Selena, »aber niemand wusste davon. Es befand sich in einem versiegelten Topf, der erst kürzlich geöffnet wurde.«

Sie berichtete von Friedmans Anfrage und dem Jüdischen Museum. »Die Schriftrolle war in einem Code gehalten. Ich konnte mir keinen Reim auf die Bedeutung machen, bis Steph und ich es Freddie gegeben haben. Er hat den Code um Handumdrehen lösen können.«

»War ja klar«, sagte Lamont.

»Sie wurde von König Salomon verfasst. Niemand hat je etwas von ihm Geschriebenes zu Gesicht bekommen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie bedeutsam das ist.«

»Schon wieder dieser Salomon«, brummte Lamont.

»König Salomon? Was schrieb er?«, wollte Ronnie wissen.

»Das ist der Hit«, sagte Selena. »Niemand hätte sich je träumen lassen, dass so etwas existiert. Salomon beginnt damit, dass er nicht glaubt, dass sein Sohn Rehabeam in der Lage sein wird, das Königreich zusammenzuhalten.«

»Das Königreich?«, fragte Ronnie.

»Das Königreich Israel. Und damit hatte er recht. Nach Salomons Tod zerfiel es. Salomon sagt weiter, dass er das Geheimnis des Grabes seines Vaters nicht mit Rehabeam teilen kann. Sein Vater war König David. Dann erklärt er, dass die Hälfte des Reichtums, den David für den Bau des Tempels aufbrachte, mit ihm begraben ist. Er spricht über den ersten Tempel, der vierhundert Jahre später von den Babyloniern zerstört wurde.«

»Moment mal«, sagte Nick. »Liegt Davids Grab nicht in Jerusalem?«