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Sammlung 1898-1928 mit Versen und Prosatexten Erich Mühsams, vereint in einem Band. Mühsam war Anarchist, Publizist und Antimilitarist. Als politischer Aktivist war er 1919 maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde, aus der er nach 5 Jahren im Rahmen einer Amnestie freikam. Seine Gedichte zeichnen sich durch ästhetische Qualität, hintergründigen Witz und revolutionären Gehalt aus. Mühsams Werke zählen zur Weltliteratur.
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Seitenzahl: 287
LUNATA
Sammlung 1898 – 1928
© 1928 Erich Mühsam
© Lunata Berlin 2021
ISBN: 9783752825664
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand, Norderstedt
Erster Teil – Verse
Gebrauchsanweisung für Literarhistoriker
Dichter und Vagabund
Weltschmerz und Liebe
Beschauliche Weisheit
Gleichnisse
Balladen
Krieg
Fanale
Haft
Requiem
Zweiter Teil – Prosa
Selbstbiographie
Peter Hille
Brevier für Menschen
Kindliche Fragen
Die Hamster
Die Affenschande
Der sechzigste Geburtstag
Das Lebensprogramm
Letzte Gedanken
Das Gutachten
Anekdoten
Glaubt ihr mich wert, für künftige Studenten
im Namensalmanach »Wer war's?« vermerkt zu stehn –
ich lächle schon – doch mag's geschehn:
die Manen zehren gern von Ruhmesrenten.
Laßt die Magister literarischer Seminare
der Verse Rhythmen metrisch spalten,
Symbol-Metaphern unters Prisma halten
und Rühmens machen von der Dichterware,
die Zeugnis gibt poetischen Charakters,
wie sie teils griechisch-schlicht, teils in getragner Gotik
serviert wird – wenn auch leider die Erotik
oft recht obszön scheint, daß so leicht nichts Nackters
sich findet in der deutschen Lit'ratur;
dies ist betrüblich – andrerseits
lockt doch auch dieser Muse Formenreiz
und führt bisweilen gar auf ernster Liebe Spur.
Da sieht man, wie aus Herzverdruß
sich des Poeten echte Seufzer ringen,
beziehungsweise, wie Humore schwingen
(zwar häufig bittre) aus der Liebe Ungenuß. – –
So mag, was mein intimes Sein bewegte,
bei Hörern und bei Hörerinnen,
mein Lieb- und Leiden Sympathie gewinnen,
wie auch, daß mir der grelle Mondschein Furcht erregte ...
Nun aber räuspern sich die Professoren:
De mortuis nihil nisi bene!
Doch – tief bedauerlich – es geben jene
ein Quantum wieder meines Ruhms verloren:
Der Dichter, von des Tages Eitelkeit verblendet,
hat manchmal sein beachtliches Talent
– kopfschüttelnd rügt es der Privatdozent –
auch an der Gosse Mobinstinkt verschwendet
und hat in solchen trüben Sphären
mit übeln Kampfgesängen Triebe aufgerührt,
die, hätte sie die Hetze nicht verführt,
dem Bürger nie zur Pein geworden wären ...
Statt poesievoll alle Menschen zu versöhnen,
schürt er – dies hüllt sein Licht in Schatten –
den Haß des Hungerpöbels auf die Satten,
die Kunst entweihend mit politischen Tönen.
So traf – der Wahrheit sei die Ehre! –
ihn, den wir gern als Zierde des Parnasses nennten
– und ein umflorter Blick streift die Studenten –,
die Strafe der Justiz mit wohlverdienter Schwere.
In den Annalen der politischen historia
wird drum, als Schädling unsres Staats,
der Name aufbewahrt – der eines Herostrats;
ein Warnungsmal: sic transit mundi gloria!
Hingegen wir, wir unpolitischen Ästheten,
wir kennen und verdammen freilich seine Schmach –
doch unser Musenalmanach
vermerke immerhin den lyrischen Poeten ...
Soll das der Nachruhm sein, der mir beschieden? –
Es sei: Mein Name gilb in Listen
form- und gemütbegeisterter Seminaristen,
mit einem Schandkreuz angemerkt. – Ich bin's zufrieden.
Sonst sei er ausgelöscht im Weltgedächtnis.
Auch sei, was ich von Mond und Mädchen je gedichtet,
für Dissertationen im Archiv geschichtet:
das Tote ist dem Leben kein Vermächtnis! ...
Doch, blieb aus meinem Freiheitsruf ein Reim,
ein einziger, lebendig bei Rebellen –
gelang ein Wort mir, Dumpfheit zu erhellen,
so kehr mein Name gern zum Lethe heim.
Denn: färbt ein weißes Blütenblatt sich rot
vom Blute meiner Leidenschaft –
ein einziges auf dem Feld, wo junge Kraft
den Sieg erkämpfen soll –, so ist mein Werk nicht tot!
Es lebt im Hauche, den es stärkend trug
zum Kampf der Jugend. – – Name nicht, noch Wort –
der Geist, der wirkende lebt fort!
Darf meiner Freiheit wirken, ist's mir Ruhm genug.
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.
Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
der das Erwachen flieht, auf das er harrt.
Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
der einst in fahle Ewigkeiten fällt.
Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
das tauentströmt in Wolken sich ergießt;
das küßt und fortschwemmt – weint und froh genießt.
Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?
Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.
Die hohen Türme haben mich gegrüßt,
die über meinen Kinderträumen ragten,
und ihre unbewegten Mienen fragten,
wie ich des Lebens wachen Ernst verbüßt.
Des Waldes Blätter haben mir gerauscht,
wo meine Schmerzen erste Reime fanden.
Ich habe ihre Frage wohl verstanden:
ob ich beglücktes Dichten eingetauscht.
Doch, als ich kam zu meines Meeres Flut,
da stürmten alle Wellen, mich zu grüßen,
und drängten zärtlich sich zu meinen Füßen
und fragten nichts. – Da war mir frei und gut.
Stimmt eure Seelen zu festlichen Klängen,
füllt eure Herzen mit jauchzendem Wein! –
Denn die Jahre der Jugend drängen,
und das Alter bricht polternd herein. –
Noch strahlen uns Sonnen, noch blinken uns Gläser –
noch lachen uns Lippen und Brüste heiß –
noch blühen die Blumen, noch grünen die Gräser –
aber eilt euch: was rot ist wird weiß!
Rasch ziehen vorüber die glücklichen Stunden. –
Hält uns nicht die Jugend – wir halten sie nicht!
Wehrt euch der Würde! – Der ist überwunden,
den fromme Sitten plagen und Pflicht!
Nieder mit dem, den Sorgen bedrücken –
denn der weiß nicht, was Leben heißt:
Lebend genießen, lebend beglücken –
aufs Leben trinken, bis es zerreißt!
Trinken! Trinken! Auf Leben und Sterben!
Leben! Leben! Auf Blut und Kuß!
Leert den Pokal, dann keilt ihn in Scherben!
Lebt euer Leben – und dann ein Schuß!
Trinken ist Leben, und Leben ist Trinken!
Nieder der Schwächling, der trunken fällt!
Wein her! – Wir wollen im Leben versinken!
Das Leben her! – Es lebe die Welt!
Kein Schlips am Hals, kein Geld im Sack.
Wir sind ein schäbiges Lumpenpack,
auf das der Bürger speit.
Der Bürger blank von Stiebellack,
mit Ordenszacken auf dem Frack,
der Bürger mit dem Chapeau claque,
fromm und voll Redlichkeit.
Der Bürger speit und hat auch recht.
Er hat Geschmeide gold und echt. –
Wir haben Schnaps im Bauch.
Wer Schnaps im Bauch hat, ist bezecht,
und wer bezecht ist, der erfrecht
zu Dingen sich, die jener schlecht
und niedrig findet auch.
Der Bürger kann gesittet sein,
er lernte Bibel und Latein. –
Wir lernen nur den Neid.
Wer Porter trinkt und Schampus-Wein,
lustwandelt fein im Sonnenschein,
der bürstet sich, wenn unserein
ihn anrührt mit dem Kleid.
Wo hat der Bürger alles her:
den Geldsack und das Schießgewehr?
Er stiehlt es grad wie wir.
Bloß macht man uns das Stehlen schwer.
Doch er kriegt mehr als sein Begehr.
Er schröpft dazu die Taschen leer
von allem Arbeitstier.
Oh, war ich doch ein reicher Mann,
der ohne Mühe stehlen kann,
gepriesen und geehrt.
Traf ich euch auf der Straße dann,
ihr Strohkumpane, Fritz, Johann,
ihr Lumpenvolk, ich spie euch an. –
Das seid ihr Hunde wert!
Fest zugeschnürt der Hosengurt.
Der Darm ist leer, der Magen knurrt.
Auf morschem Rock glänzt Fleck bei Fleck.
Darunter starrt das Hemd von Dreck.
Aus Pfützen schlürft das Sohlenloch.
Wer pumpt mir noch? Wer pumpt mir noch?
Wer pumpt mir einen Taler noch?
Kein Geld, kein Schnaps, kein Fraß, kein Weib.
In mürben Knochen kracht der Leib.
Die Nacht ist kalt. Es kratzt das Stroh.
Die Laus marschiert, es hupft der Floh.
Die Welt ist groß, der Himmel hoch.
Wer pumpt mir noch? Wer pumpt mir noch?
Wer pumpt mir einen Taler noch?
Noch einen einzigen Taler nur:
für einen Schnaps! Für eine Hur!
Für eine Hur, für eine Braut!
Das Leben ist versaut! versaut!
Nur einen Taler! Helft mir doch!
Wer pumpt mir noch? Wer pumpt mir noch?
Wer pumpt mir einen Taler noch?
Hopla, hopla, hop – juhö!
Um die Wette mit die Flöh!
Um die Wette mit die Wanzen!
Hopla, Schickse, laß uns tanzen!
Hopla, hopla, hop – juhei!
Flöh und Wanzen in die Reih!
Und die Beine in die Luft!
Hopla, Schickse, das ist duft!
Hopla, hopla, hop – juhu!
Hopla, komm doch, Rindvieh du!
Kunde, Schickse, Floh und Wanz!
Hopla, hop – das ist ein Tanz!
Immer noch die dürftigen Nöte!
War mir doch das Geld vergönnt,
daß ich eine neue Flöte
meinen Liedern kaufen könnt!
Eine Flöte, drauf ich bliese
kummerfreie Melodein.
Die mich heut begleitet, diese
Knarre sargt ich sorglich ein.
Schön von Holz, doch nicht von Pappe
sei mein Instrument gebaut,
und aus edler Silberklappe
ströme meines Atems Laut.
Sammelt für den Dichter,
sammelt, daß aus Gelde Freude sprießt!
Haltet nicht das Tor verrammelt,
das des Dichters Lied verschließt!
Hätt ich erst die neue Flöte,
Denkmal eures Opfersinns –
der Gesang, den ich euch böte,
wäre mehr als Dank und Zins.
Und ihr alle ohne Zweifel
sängt nach meinem Notenblatt,
von der Weichsel bis zur Eifel,
von der Alp zum Kattegatt.
Der gute Saft ist im Gehirn erfroren,
der sich in Verse zu ergießen pflegt.
So Blei wie Feder stecken unbewegt,
von Haaren überflutet, an den Ohren.
Heiz mir die Seele, liebe Sonne du!
Blaublümlein, weh mir Düfte in die Nase!
Umsäusle mich, o Zephirwind, und blase
mir Jamben oder Anapaeste zu!
Warum, ihr Tränendrüsen, wahrt in steifer
Verstocktheit ihr das Naß in den Gehäusen?
Die Wimper klappt. Nun öffnet eure Schleusen,
und spritzt mir salzige Fluten an den Kneifer!
Sehnsucht und Liebe, himmlische Geschwister,
packt mich beim Schopf! Ergreift mich, Todesschauer! ...
Doch weh, das süße Ahnen all ward sauer,
geschlossen bleibt das Leidenschaftsregister.
Oh, teure Muse, stimme mich ekstatisch:
Enthülle deine Reize mir verführerisch,
und laß mich dichten – episch oder lyrerisch,
und, wenn's nicht anders sein kann, auch dramatisch!
Du hast mir, Muse, manches Kind geboren:
Dein Leib schwoll oft von meiner Dichterkraft,
der es vermocht, der warme Herzenssaft,
der gute Saft ist im Gehirn erfroren.
Mein Heimweg ist nicht lang.
Er läßt mir grade Zeit
zu einem Lobgesang
auf meine Tüchtigkeit.
Ich saß beim Alkohol
und schwatzte angenehm
von Kunst und Menschenwohl:
ich weiß nicht mehr zu wem.
Jetzt aber geh ich heim
und lobe meinen Fleiß,
der stets mit einem Reim
sich zu bestätigen weiß.
Wenn Gott mich so verstände,
wie ich sein Werk versteh,
er gab in meine Hände
den Segen für das Weh.
Ich seh auf Feld und Weide
das Glück der Welt gedeihn.
Für mich wächst kein Getreide,
am Rebenstock kein Wein.
Ich möcht die Menschen lehren,
wie man das Leben lebt;
kann selbst mich nicht erwehren
des Leids, das an mir klebt.
Ich bete zu den Frauen:
seid schön, seid stark, seid frei!
An meiner Liebe schauen
die Herrlichsten vorbei.
Wär mir der Blick verschlossen
und kennt die Schönheit nicht –
ich stände hell umflossen
von Sonne und von Licht.
Gott ist gerecht und weise.
Stimmt an: Halleluja!
Zu Gottes Ehr und Preise
bin ich, der Dichter, da.
Weiter, weiter – unermüdlich!
Westlich, östlich; nördlich, südlich.
Suche, Seele, suche!
Suche nur, kannst doch nichts finden!
Sonnen strahlen, Sonnen schwinden.
Fluche, Seele, fluche!
Nördlich, südlich; westlich, östlich.
Such das Glück. Das Glück ist köstlich.
Suche, Seele, suche!
Suche, daß die Sterne stieben!
Wird dich doch die Welt nicht lieben.
Fluche, Seele, fluche!
Südlich, nördlich; östlich, westlich,
Himmel, Erde, schmuck und festlich.
Suche, Seele, suche!
Schönheit, Freuden, Räusche, Frieden
sind dir, Seele, nicht beschieden.
Fluche, Seele, fluche!
Mit dem Fahrschein bahnbehördlich
westlich, östlich; südlich, nördlich.
Suche, Seele, suche!
Siehst dein Glück vorübertreiben
hinter Schnellzugsfensterscheiben.
Fluche, Seele, fluche!
Ich sah durch ein hohes, großes Loch.
Ist nichts darin? – Doch! scholl es. – Doch!
Und ich suchte und suchte und grub nach dem Nichts.
Da quoll aus dem Loch eine Garbe Lichts. –
Ich habe das Nichts gefunden –
und mir um die Stirn gewunden.
Das sind die Nächte, die mir Furcht erregen,
wo sich der Mond an meine Seite schmiegt
und kranke Schatten führt an meinen Wegen,
entschleiernd, was am Grund des Grauens liegt.
Oh, hassenswert sind diese hellen Nächte.
Ich will im Dunkeln meine Straße gehn.
Ich dulde nicht, daß unbekannte Mächte
mit scheelem Blick in meine Seele sehn.
Verhaßter Mond, der feil und unverschwiegen
mir in mein innerstes Geheimnis bricht!
Ich wollt, ich dürft erst tot im Grabe liegen,
gefeit vor Furcht und unerbetnem Licht.
Meine Seele ist so fremd
allem, was als Welt sich preist,
allem, was das Leben heißt.
Meine Seele ist so rein –
keine Scham ist ihr zu eigen. –
Nackend steht sie, ohne Hemd
abseits eurem Lebensreigen. –
Darum nennt ihr sie gemein.
Meine Seele weiß es kaum,
daß ihr schmähend sie verflucht; –
sie tut keiner andern wehe; –
ihren fernen, fremden Traum
stört nicht einmal eure Nähe! – –
Meine Seele sucht. – Sie sucht.
Traurig ist's und jämmerlicht,
wenn der Mensch im Dämmerlicht
früh den Weg nach Hause sucht
und dabei die Welt verflucht.
Aus dem grauen Pflasterstein
grinst Verzweiflung, Laster, Pein,
und vom schwanken Lampenpfahl
flackert Aberwitz und Qual.
In des Menschen bangem Leid
stöbert die Vergangenheit –
und er steigt voll Scham und Schmach
einer späten Hure nach.
Eine dicke dunkelbraune Ratte
nagt des Nachts an meinem Rückenmark,
und an meine Glieder hängt sich eine matte
dumpfe Schwere.
Wüßt ich nur, wie ich der Ratte wehre!
Wären meine schlaffen Sehnen stark!
Doch umsonst: all meine beste Habe,
alles, was ich war und was ich hatte,
nagt sie, knabbert sie in sich hinein. –
Trägt man mich dereinst zu Grabe,
senkt mich kraftlos, saftlos in das Erdreich ein,
folgt, ich wett, als erste dem Gebein
trauervoll und dankbar eine satte
dicke dunkelbraune Ratte.
Wollte nicht der Frühling kommen?
War nicht schon die weiße Decke
von dem Rasenplatz genommen
gegenüber an der Ecke?
Nebenan die schwarze Linde
ließ sogar schon (sollt ich denken)
von besonntem Märzenwinde
kleine, grüne Knospen schwenken.
In die Herzen kam ein Hoffen,
in die Augen kam ein Flüstern –
und man ließ den Mantel offen,
und man blähte weit die Nüstern ...
Ja, es waren schöne Tage.
Doch sie haben uns betrogen.
Frost und Sturm und Schnupfenplage
sind schon wieder eingezogen.
Zugeknöpft bis an den Kiefer
flieht der Mensch die Gottesfluren,
wo ein gelblichweißer, tiefer
Schnee versteckt die Frühlingsspuren.
Sturmwind pfeift um nackte Zweige,
und der Rasenplatz ist schlammig.
In mein Los ergeben neige
ich das Auge. Gottverdammich!
Mein Gemüt brennt heiß wie Kohle.
Könnt ich's doch durch Verse kühlen!
Ach, ich berst fast von Gefühlen,
doch mir fehlen die Symbole.
Weltschmerz, banne meine Nöte!
Weltschmerz, den so oft ich reimte.
Tückisch greint die abgefeimte,
schleimig-weinerliche Kröte.
Laster, die mich erdwärts leiten,
gebt mir Verse, zeigt mir Bilder!
Satan lacht und läßt nur wilder
Höllen mir vorüberreiten.
Helft denn ihr, soziale Tücken!
Mußt durch euch ich viel verzichten – –
seid auch Spender! Laßt mich dichten!
Doch sie stechen nur wie Mücken.
In des Monds verfluchtem Scheine
such ich und im Alkohole; – –
alles quält mich; doch Symbole,
ach, Symbole find ich keine.
Aus. Vorbei. – – Ich war ein Dichter. – –
All mein Sehnen, all mein Hassen
ist vom Genius verlassen. – –
Leben, zeig mir neue Lichter! ...
Mag mich denn die Liebe trösten,
Mutter meiner besten Schmerzen.
Strahlend stehn in tausend Kerzen
die Symbole, die erlösten.
Ich möchte wieder vom Glücke gesunden.
Die Seele sehnt sich nach harten Streichen.
Die Seele sehnt sich nach frischen Wunden,
nach Kämpfen und Bängnissen ohnegleichen.
Stürzt von den Bergen, Lawinen des Leides!
Schlagt aus den Gründen, Quellen der Klagen! – –
Liebe und Lust, zerfließen soll beides,
wo die Freuden verrecken und das Behagen ...
Grauen, steigt aus den blutigen Seen – –
zerrt mich hinein in das wilde Entsetzen!
Auf die Fahnenstangen der Höllenmoscheen
zieht der lustigen Seele traurige Fetzen!
Dumpf sengt die Mittagssommersonnenglut.
Schwer ächzt das Hirn im Druck der Schädelschale.
Der Hals staut unterm Adamsapfel Blut,
und auf der Stirn stehn schmutzige Schweißesmale.
Der Himmel gähnt in schattenlosem Blau;
der See schnappt faul nach grellen Strahlenbrocken;
der Berge schläfrig regungsloser Bau
glotzt in den Tag – gelangweilt, träg und trocken.
Und all in dieser peinvoll heißen Not
kein Geld, um mich im Wirtshaus zu erfrischen.
Denn ach, wo Gottes Gnade uns umloht,
steckt meistens auch des Teufels Hand dazwischen.
Die Kirchenuhr schlägt Mitternacht.
Da unten schäumt der Fluß und keucht.
Die Eisenbrücke ächzt und kracht,
und meine Stirn ist kalt und feucht.
Und meine Finger stehn gespreizt,
es zittert im Gelenk das Knie,
und hinter meinen Augen heizt
der Mondschein brandige Phantasie.
Was will das lüsterne Gestirn? – –
Ein Baum greift aus. Ein Vogel krächzt.
Ein Peitschenschlag durchreißt mein Hirn ...
Es keucht der Fluß. – Die Brücke ächzt.
An dem kleinen Himmel meiner Liebe
will – mich dünkt – ein neuer Stern erscheinen.
Werden nun die andern Sterne weinen
an dem kleinen Himmel meiner Liebe?
Freut euch, meine Sterne, leuchtet heller!
Strahlend steht am Himmel, unverrücklich
eures jeden Glanz und macht mich glücklich.
Freut euch, meine Sterne, leuchtet heller!
Kommt ein neuer Stern in eure Mitte,
sollt ihr ihn das rechte Leuchten lehren.
Junge Glut wird euer Licht vermehren,
kommt ein neuer Stern in eure Mitte.
An dem kleinen Himmel meiner Liebe
ist ein Funkeln, Glitzern, Leuchten, Sprühen.
Denn ein neuer Stern beginnt zu glühen
an dem kleinen Himmel meiner Liebe.
Folg mir in mein Domizil,
liebes Kind, und frag nicht viel.
Wirst schon alles lernen,
wirst schon alles sehn,
liest nicht in den Sternen,
was dir heut noch alles kann für Heil geschehn.
Stehst herum in Nacht und Wind.
Komm! Bei mir ist's warm, mein Kind.
Geb dir einen Taler,
koch dir ein Glas Tee.
Einen Emmentaler
essen wir selbander auf dem Kanapee.
Bleibst bei mir bis früh am Tag.
Geht dann jeder, wo er mag.
Ich zum Redaktöre,
du, wohin dich's treib.
Morgen küßt, ich schwöre,
dich mein guter Nachbar, mich des Nachbars Weib.
Gebt mir Schnaps, nach dem meine Seele lechzt!
Gebt mir Schnaps, nach dem meine Kehle krächzt!
Daß sich Friede an meine Schuhe binde!
Daß die verfluchte Qual endlich Ruhe finde! ...
Wie es mir durch die Kehle gluckt!
Wie es mir in der Seele juckt!
Ich will kein Bier; – ich will keinen Wein!
Schnaps will ich! Schnaps will meine Pein! – –
Verliebter Igel, sauf! sauf! sauf! –
Morgen wacht alle Qual wieder auf ...
Gebt mir Schnaps!
Mädchen mit den krummen Beinen,
wie dein Dackel schief im Gang,
glätte mir dein weißes Leinen.
Grade will dein Wuchs mir scheinen,
liegst du lang.
Deine Haut, die fleckig, kreidig,
dir verunziert Stirn und Wang,
rötet sich und wird geschmeidig
und dein Borstenhaar wird seidig,
liegst du lang.
Dein Organ ist wie der Spatzen
kreischend krächzender Gesang.
Komm auf schwellende Matratzen!
Wohllaut wird dein heisres Kratzen,
liegst du lang.
Armes Kind, nie kam ein Freier,
der dich auf sein Lager dang.
Komm zu mir zur Liebesfeier!
Mir schwillt Mut und Blut und Leier,
liegst du lang.
Ich bin verdammt zu warten
in einem Bürgergarten
auf das geliebte Weib.
Nun sitz ich hier als Beute
gewissenloser Leute
mit breitem Unterleib.
Sie sind so froh beim Biere,
bald zwei, bald drei, bald viere –
und reden vom Geschäft.
Die Gattin spricht vom Hause,
die Töchter trinken Brause,
und Flock, das Hündchen, kläfft.
Die Kellnerinnen schwirren.
Die Tischgeschirre klirren.
Der Himmel scheint so blau.
Wie süß ist's doch, zu warten
in einem Bürgergarten
auf die geliebte Frau.
Nun ist das Fest der Weihenacht,
das Fest, das alle glücklich macht,
wo sich mit reichen Festgeschenken
Mann, Weib und Greis und Kind bedenken,
wo aller Hader wird vergessen
beim Christbaum und beim Karpfenessen; – –
und groß und klein und arm und reich –
an diesem Tag ist alles gleich.
So steht's in vielerlei Varianten
in deutschen Blättern. Alten Tanten
und Wickelkindern rollt die Zähre
ins Taschentuch ob dieser Märe.
Papa liest's der Familie vor,
und alle lauschen und sind Ohr ...
Ich sah, wie so ein Zeitungsblatt
ein armer Kerl gelesen hat.
Er hob es auf aus einer Pfütze,
daß es ihm hinterm Zaune nütze.
Jeden packt einmal die dicke Liebe,
packt einmal die feiste Leidenschaft;
und sie dauert, bis zu dem Betriebe
eines Tags der heilige Fleiß erschlafft.
Mit der Tatkraft schwindet die Begeistrung.
Schwer- und Weh- und Übermut entschwebt,
trotz der schämigen Gefühlsverkleistrung,
welcher die Gewohnheit sich bestrebt.
Kritisiert wird, wo man sonst geschmachtet;
die Figur, der Zuschnitt des Gewands
wird mit nörgelndem Verdruß betrachtet –
des bislang geliebten Gegenstands.
Auch der Spendereifer ist geschwunden:
Früher war ein liebreiches Geschenk
mit entzücktem Opferstolz verbunden;
heute schmerzt es nur im Handgelenk.
Und die Hand, die sonst in weichen Wellen
glättend hinfuhr, wo sich zeigt ein Weh,
legt sich neuerdings in solchen Fällen
schwer und wuchtig auf das Portemonnaie.
Freund, hat dich gepackt die dicke Liebe,
und erfüllt dich feiste Leidenschaft – –
prüfe wohl, wann dir zu dem Betriebe
eines Tags der heilige Fleiß erschlafft.
Denn das ist die gottgewollte Stunde,
abzuschließen mit entschlossenem Schnitt,
wo als neuer Mensch zum ewigen Bunde
mit der Frau man zum Altare tritt.
Warum faltest du die Hände
daumendrehend dir im Schoß?
Warum turnst du an die Wände
mit den Augen, seelengroß?
Warum stocherst du die Zähne,
die doch rein und schmerzlos sind?
Warum zerrst du an der Mähne
deiner Fuchsfellboa, Kind?
Warum wühlst du in der Tasche,
die dir niederhängt vom Hals?
Warum spielst du an der Masche
deines wollgestrickten Schals?
Warum schiebst du auf und nieder,
schließt und öffnest deinen Gurt?
Warum drückst du an dein Mieder
den Geburtstagsbrief von Kurt?
Warum willst du plötzlich weinen,
denkst du doch an seinen Kuß?
Warum zuckst du mit den Beinen?
Warum stampfst du mit dem Fuß?
Jetzt ergießt im Tränenstrome
wild sich die Melancholie ...
Liebes Kind, das sind Symptome
aufgelegter Hysterie.
Wieder hat sich die Natur verjüngt,
wieder sich mit frischem Stoff gedüngt,
und dem Moder wie den jungen Keimen
hat die Kunst zu malen und zu reimen.
Die Gebeine harren der Bestattung,
währenddem die Früchte der Begattung
fröhlich ins Bereich des Lebens ziehn –
insoferne sie soweit gediehn.
Viech- und Menschern heben sich die Büsen;
in den Bäumen quillt's und den Gemüsen.
Tief im Kern der Erde hat's gekracht:
Ja, der Früh-, der Frühling ist erwacht.
Füllet Wein in goldne Schalen,
daß die angstgescheuchten Seelen
wieder warmes Leben fühlen.
Schreckt sie auf aus ihren Qualen,
peitscht sie auf aus ihren Höhlen,
laßt sie Wein hinunterspülen
und laßt nicht die Speise fehlen.
Seht, da hockt's in dumpfen Schulen
unter Flüchen, Lärmen, Grölen,
unter Wimmern, Winseln, Heulen,
wälzt sich mit verkommnen Buhlen.
Hebt die Menschen auf, die fielen!
Ruft zu Taten auf die Faulen!
Schlagt hinein mit harten Keulen!
Laßt sie staunen, wenn sie maulen!
Ihre Wunden laßt verheilen!
Führt sie fort zu euern Zielen!
Laßt verstummen, die da johlen!
Macht sie froh wie muntre Fohlen,
die man freiließ von den Seilen!
Du gingst mit mir. Der niedre Himmel drohte
und kroch geduckt von allen Seiten näher.
Am Wege lag ein Felsenhund, ein Späher
mit plattem Bauch und vorgeschobener Pfote.
Entglänzte Sterne stierten feucht und faul
und husteten aus alterssiecher Lunge.
Krankleuchtend aus zerfetztem Wolkenmaul
hing gelb der Mond, des Himmels geile Zunge ...
Du gingst mit mir. Fern gurgelte das Meer.
Dem Saum der Welt entglitten Feuerzeichen.
Wir fühlten feucht die Nachtluft uns umschleichen
und stapften vor der Angst des Lebens her,
auf unsern letzten Daseinsmut bedacht,
daß er das bleiche Graun des Spuks besiegte. –
Doch vor uns düsterte ein Baum zur Nacht,
der sehr bedenklich seine Wipfel wiegte.
Du hast mich fortgeschickt, und ich geh heim.
Die Gaslaternen blinzeln frech und schielen.
Im Rinnstein drängt sich dicker Straßenschleim.
Zufrieden tropfend gluckst es in den Sielen.
In einem Seitenweg verhallt ein Schritt,
leicht und beschwingt, als käm er vom Genießen.
Studenten torkeln mir vorbei zu dritt,
die Zeitungsblätter auf die Stöcke spießen.
Ich tu mir leid. Mein Schmerz stimmt mich vergnügt,
heißt mich auf alle Ärgernisse achten,
ob gegen dich sich draus ein Vorwurf fügt
und die, die im Kaffeehaus mit dir lachten.
Wart! Morgen sprechen wir uns schon dafür.
Mein Ingrimm wird sich zu entladen wissen. –
Da bin ich – öffne zögernd deine Tür –
und küsse weinend deine leeren Kissen.
Die uns scheiden, miß nicht die Meilen.
Die uns trennen, zähl nicht die Stunden.
Länder sind weit, Tage enteilen.
Wir bleiben verbunden.
Spiel nur, lustiger Musikante,
spielst du auch verkehrt.
Wer sein bißchen Glück nicht bannte,
war sein Glück nicht wert.
Streiche nur den Fiedelbogen
über deinen Baß.
Wem sein bißchen Glück verflogen,
merkt, daß er's besaß.
Fiedle, daß die Saiten springen
samt dem Instrument.
Glück läßt sich nicht wiederbringen,
wenn's von dannen rennt.
Und wieder tritt das Leben mir
mit vorgestelltem Fuß entgegen,
und wieder reißt des Zufalls Gier
vom Munde mir mein Häppchen Segen.
Und wieder ist der Weg verbaut,
den meine Hände wühlend schufen.
Zum hohen Ziel, das ich geschaut,
weist mich kein Pfad, gehn keine Stufen.
Gott liebt den Menschen nicht, der frei
hinaufsteigt zu den Zukunftspforten.
Die Häscher seiner Polizei,
des Schicksals, lauern allerorten.
Hinter den Häusern heult ein Hund.
Denn die Schatten der Nacht sind bleich und lang;
und des Meeres Herz ist vom Weinen wund; –
und der Mond wühlt lüstern im Tang.
Durch Morgennebel streicht hastig ein Boot,
die Segel schwarz, wie vom Tod geküßt.
Die Flut faucht salzig näher und droht ...
Bang knarrt der Seele morsches Gerüst.
Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
ein kleines Hirn und ein großer Mund,
und eine Seele – daß Gott erbarme! –
Was muß der Mensch? Muß schlafen und denken,
muß essen und feilschen und Karren lenken,
muß wuchern mit seinem halben Pfund.
Muß beten und lieben und fluchen und hassen,
muß hoffen und muß sein Glück verpassen –
und leiden wie ein geschundner Hund.
Es stand ein Mann am Siegestor,
der an ein Weib sein Herz verlor.
Schaut sich nach ihr die Augen aus,
in Händen einen Blumenstrauß.
Zwar ist dies nichts Besunderes.
Ich aber – ich bewunder es.
Es kräht der Hahn auf seinem Mist.
Als Kanzelredner wirkt der Christ.
Auch äußert sich der Atheist.
Der Prediger betet früh und spät.
Der andre glaubt ihm nicht und schmäht.
Der Hahn steht auf dem Mist und kräht.
Der fromme Christ führt Gott im Mund,
der Atheist den Schweinehund.
Vom Mist der Hahn kräht Stund um Stund.
Der Christ hat einen Fluch getan.
Der Atheist denkt: Zahn um Zahn! ...
Ich halt es mit dem Gockelhahn.
Ach, ihr Seelendreher,
ach, ihr Geisterseher,
kluge Psychologen!
Euch kommt angeflogen,
was wir nie ergründen:
unsre dunkeln Sünden,
unser Weh und Ringen,
unser Träumen, Singen,
unser Kämpfen, Gären
wißt ihr zu erklären.
Ihr kennt wohl Bescheid
tief in unserm Leid.
Ängsten uns die Hexen,
sprecht ihr von Komplexen.
Starren aus den Ecken
Fratzen, die uns schrecken,
quält uns Gott und Satan,
gleich rückt euer Rat an,
und prophetisch-pythisch,
psychoanalytisch
sucht ihr krumm und grade
unsre Seelenpfade.
Eure Worte alle:
eine Mausefalle,
uns mit Speck und Brocken
aus uns selbst zu locken.
Eure Lehrergesten
sollen die Gebresten
unsrer Seelen meistern. –
Dringt mit euern Geistern,
seid ihr noch so weise,
nicht in unsre Kreise!
Haltet euch bescheiden
hinter unsern Leiden!
Schleicht nicht wie die Diebe
uns in Haß und Liebe!
Sonst kann sich's begeben,
daß wir uns beleben,
daß sich unsre Hemmung,
Sperrung und Beklemmung
plötzlich eurer wehrt
und euch fliegen lehrt,
werte Psychologen,
in graziösem Bogen.
Warum schleicht der Bube Peter
mit gesenktem Kopf herum?
Warum feixt er? Warum geht er
nicht in das Gymnasium?
Was geschah mit ihm? Was tat er?
Seht, von einer Wäscheleine
schlenkert ein gewesener Kater,
senkrecht ausgestreckt die Beine. –
Schlenkert schon seit sieben Tagen;
Peters Blicke aber schleichen,
wo die Tat sich zugetragen,
wo es stinkt nach alten Leichen ...
Was der Bube sich wohl dachte,
als er dieses scheu vollbrachte? –
Wollt er nur die Luft verstänkern?
Oder freut er sich am Schlenkern?
Der Vater zu dem Sohne spricht:
Zum Herz- und Seelengleichgewicht,
zur inneren Zufriedenheit
und äußeren Behaglichkeit
und zur geregelten Verdauung
bedarf es einer Weltanschauung.
Mein Sohn, du bist nun alt genug.
Das Leben macht den Menschen klug,
die Klugheit macht den Menschen reich,
der Reichtum macht uns Herrschern gleich,
und herrschen juckt uns in den Knöcheln
vom Kindesbein bis zum Verröcheln.
Und sprichst du: Vater, es ist schwer.
Wo nehm ich Geld und Reichtum her?
So merk: Sei deines Nächsten Gast!
Pump von ihm, was du nötig hast.
Sei's selbst sein letzter Kerzenstumpen –
besinn dich nicht, auch den zu pumpen.
Vom Pumpen lebt die ganze Welt.
Glück ist und Ruhm auf Pump gestellt.
Der Reiche pumpt den Armen aus,
vom Armen pumpt auch noch die Laus,
und drängst du dich nicht früh zur Krippe,
das Fell zieht man dir vom Gerippe.
Drum pump, mein Sohn, und pumpe dreist!
Pump anderer Ehr, pump anderer Geist.
Was andere schufen, nenne dein!
Was andere haben, steck dir ein!
Greif zu, greif zu! Gott wird's dir lohnen.
Hoch wirst du ob der Menschheit thronen!
Ich zog einmal ein liebes Kind
in meine Mannesarme.
Da ward es ganz von Liebe blind
und frei von allem Harme.
Doch als ich eine andre nahm,
hat es sie schwer getroffen.
Es standen ihr vor Leid und Gram
die beiden Augen offen.
Und ward sie vorher nur gewahr
in meinem Kuß der Reinheit,
jetzt ward ihr plötzlich offenbar
nur Sünde und Gemeinheit.
O Mensch, vertrau den Menschen nicht
in liebevoller Blindheit.
Das Unheil schlägt dir ins Gesicht
mit seltsamer Geschwindheit.
Die Freuden fallen insgesamt
dir in das trübste Wasser.
Und wie mein Mädchen mich verdammt,
wirst du zum Menschenhasser.
Das Schicksal kann den Körper prügeln,
kann mit Kandare, Sporen, Bügeln
den Fuß, die Hand, die Stimme zügeln. –
Der Geist steigt auf mit freien Flügeln
und lacht ins Tal von Wolkenhügeln.
Glaub nie, was in den Büchern steht.
Selbst sei dir Weiser, selbst Prophet!
Glaubst du, was alle Leute glauben,
dann glaube nicht, daß du was weißt.
Das Wissen nur kann niemand rauben,
das bei den Menschen Glauben heißt.
Denk ich zurück an meine frühsten Wochen:
Ich sog an hochgeblähten Ammenbrüsten,
von guten Tanten liebevoll berochen,
die zahnlos schnalzend den Popo mir küßten.
Doch was ich dann in stiller Reflexion
in meiner Wiege Windeltuch verrichtet,
mich mühsam reckend mit gestrafften Beinen,
das ward – des Kindes ganze Produktion –
in Seifenzubern und an Wäscheleinen
hinweggespült, getrocknet und vernichtet ...
Das Kind ward groß. – Das Unglück wollt's: es dichtet.
Nun stehn um mich die Hinzen und die Kunzen
und fühlen zum Bewundern sich verpflichtet –
und warten: wird der Pegasus nicht brunzen?
Doch was sich dann in stiller Reflexion
herausgequält und aufs Papier ergossen,
das lassen sie in hohlen Schädelfässern
verschmalzen, dann vertrocknen und verwässern –
und meinen dabei: So wird Kunstgenossen. – –
Mensch, hüte dich vor jeder Produktion!
Kracht der Topf in Scherben,
fliegt er auf den Dung.
Menschlein, du mußt sterben,
bist du noch so jung.
Blumen müssen welken,
und die Kuh verreckt,
die wir heut noch melken,
daß der Eimer leckt.
Steine selbst zerfallen,
Länderspur verwischt.
Ton und Klang verhallen,
und das Licht erlischt.
Welten gehn in Stücke
ohne Rest und Spur.
Ewig lebt die Tücke,
lebt das Unheil nur.
O Mitmensch, willst du sicher sein
in deinem Treiben und Getue,
so schau in Nachbars Kämmerlein,
in Nachbars Bett, in Nachbars Truhe.
Und wie er's hält und wie er's macht,
richt deinen Wandel ein desgleichen,
auf daß der Nachbar in der Nacht
getrost darf in dein Zimmer schleichen.
So wirst du in der Sympathie
der Zeitgenossen wohl bestehen,
und niemand braucht als Schweinevieh
und Lumpen scheel dich anzusehen.
Nur das Besondere mißfällt,
das Eigne und Originale.
Ein kluger Mitmensch aber hält
sich allezeit an das Normale.
Ich möchte Gott sein und Gebete hören
und meine Schutz versagen können
und Menschenherzen zunichte brennen
und Seelenopfer begehren.
Und möchte Erde, Welt und All vernichten
und Trümmerhaufen über Trümmer schichten.
Dann müßte ein Neues entstehn –
und das ließ ich wieder vergehn.
Geboren ward zu Bethlehem
ein Kindlein aus dem Stamme Sem.
Und ist es auch schon lange her,
seit's in der Krippe lag,
so freun sich doch die Menschen sehr
bis auf den heutigen Tag.
Minister und Agrarier,
Bourgeois und Proletarier –
es feiert jeder Arier
zu gleicher Zeit und überall
die Christgeburt im Rindviehstall.
(Das Volk allein, dem es geschah,
das feiert lieber Chanukah.)
An allen Früchten unbedenklich lecken;
vor Gott und Teufel nie die Waffen strecken;
Künftiges mißachten, Früheres nicht bereuen;
den Augenblick nicht deuten und nicht scheuen;
dem Leben zuschaun; andrer Glück nicht neiden;
stets Spielkind sein, neugierig noch im Leiden;
am eigenen Schicksal unbeteiligt sein –
das heißt genießen und geheiligt sein.
Löscht die Lichter aus auf den Altären!
Nicht in Kirchen und in Synagogen
sucht den Gott, noch hinter Himmelsschleiern.
Wo der Perlschaum quirlt auf Meereswogen,
wo der Wind kämmt über blonden Ähren
und im Bergschnee mögt ihr Andacht feiern.
Besser noch: am eignen Feuerherde,
in der Einung mit dem nackten Weibe
laßt euch heilige Weihe überkommen.
Wenn die Seele eins wird mit dem Leibe
und die Stunde zeitlos auf der Erde,
dann erzeugt ihr Gott in euch, ihr Frommen!
Alles keimt zugleich und blüht und schwindet.
Wenn ihr Wein trinkt, sollt ihr schon die Reben
für die neue Ernte reifen wissen.
Diesseits, irdisch ist das ewige Leben!
Was den Menschen an die Menschheit bindet,
wird von keinem Tode je zerrissen.
Jeden Abend werfe ich
eine Zukunft hinter mich,
die sich niemals mehr erhebt –
denn sie hat im Geist gelebt.
Neue Bilder werden, wachsen;
Welten drehn um neue Achsen,
werden, sterben, lieben, schaffen.
Die Vergangenheiten klaffen. – –
Tobend, wirbelnd stürzt die Zeit