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Mit 'Staatsräson' setzte Erich Mühsam den beiden der anarchistischen Arbeiterbewegung angehörenden Italo-Amerikanern Ferdinando Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die wegen Beteiligung an einem doppelten Raubmord angeklagt und 1921 in einem umstrittenen Prozess schuldig gesprochen wurden, ein literarisches Denkmal. Sowohl der Schuldspruch als auch das letztliche Urteil hatten weltweite Massendemonstrationen zur Folge.
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Seitenzahl: 125
LUNATA
Staatsräson
Ein Denkmal für Sacco und Vanzetti
Erstdruck: Gilde freiheitlicher Bücherfreunde 1928
Uraufführung im April 1929 im Novemberstudio Berlin
© 1928 Erich Mühsam
© Lunata Berlin 2021
ISBN: 9783752821437
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand, Norderstedt
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4. Mai 1920.
Amtszimmer des Staatsanwalts Frederic G. Katzmann im Gerichtsgebäude zu Dedham. Staatsanwalt Katzmann. Eine Stenotypistin.
KATZMANN diktiert. – erscheint es bei der außerordentlich hohen Zahl von Kleinautos des gleichen Typs leider kaum aussichtsvoll – haben Sie aussichtsvoll?
STENOTYPISTIN. – leider kaum aussichtsvoll –
KATZMANN. – bei noch so sorgfältiger Kontrolle gerade den Wagen zu ermitteln, welcher den Verbrechern am 15. April zur Verfügung stand. Da die Aussagen der Tatzeugen einander wie gewöhnlich, wenn es sich um plötzliche und erschreckende Ereignisse handelt – halt, Fräulein, wir wollen das anders fassen. Streichen Sie das letzte durch.
STENOTYPISTIN. Von »da die Aussagen« ab?
KATZMANN. Ja. Gouverneur Fuller verlangt Berichte, die ihm die Anordnung eigener Untersuchungen ermöglichen. Wir müssen klarstellen, warum die Augenzeugen gar nichts Genaues wissen können. Also zunächst einmal die ganze Situation. Diktiert. Nach den Berichten der Polizei fand der Überfall um drei Uhr fünf Minuten nachmittags auf der Pearl Street statt, gegenüber dem vierstöckigen Gebäude der Schuhfabrik Rice und Hutchins, dessen Fenster aus undurchsichtigem Glase sind und ohne Ausnahme geschlossen waren. Haben Sie?
STENOTYPISTIN. Ohne Ausnahme geschlossen waren.
KATZMANN. Erst nachdem die Schüsse gefallen waren, wurden die Fenster aufgerissen. Im selben Augenblick, als die Erschießung des Kassierers Parmenter und des Wächters Berardelli erfolgte, fuhr das Auto heran, die Täter warfen die Pakete mit den Lohngeldern hinein, sprangen auf und fuhren mit den Insassen des Wagens in schärfstem Tempo davon. Der Vorfall spielte sich in wenigen Sekunden ab, so daß mit den Aussagen der Zeugen so gut wie nichts anzufangen ist. Die Schuhfabrik Slater und Morill, deren Angestellte die Ermordeten waren, liegt vom Tatort weiter weg; ihre Arbeiter und diejenigen, die in der Nähe Straßenarbeiten verrichteten, haben den Überfall bemerkt, ebenso die Passagiere des Zuges, der kurz vor dem Abfeuern der Schüsse von Brockton angekommen war. Das Zusammenlaufen so vieler Personen, wenn alles vorbei ist, ihr aufgeregtes Erzählen, Fragen, Vermuten und Zusammenreimen, das jeder Kriminalist kennt, verwirrt aber die Beweiserhebung bloß, so daß eine klare Beschreibung des Geschehenen und vor allem der Beteiligten von diesen Kleinstädtern überhaupt nicht erzielt werden konnte. – Erzielt werden konnte. Pause. Immerhin behaupten etwa dreißig Zeugen – wie viele waren es? Haben Sie die genaue Zahl?
STENOTYPISTIN blättert im Akt. Fünfunddreißig, Mr. Katzmann.
KATZMANN. – behaupten fünfunddreißig Zeugen, die Mörder gesehen zu haben und beschreiben zu können. Aus ihren Aussagen kann aber höchstens gefolgert werden, daß der Mann neben dem Chauffeur ein blonder, schmächtiger Mensch war, wie neuerdings mit Bestimmtheit ein Portier Michael Levangie erklärt. Allerdings hat dieser Zeuge unmittelbar nach der Schießerei angegeben, er habe die Banditen selbst gar nicht zu sehen bekommen. Eine Zeugin behauptet, der Begleiter des Chauffeurs habe während des Haltens sich die Zeit genommen, eine Reparatur unter dem Auto auszuführen. Dies ist indessen wenig glaubhaft. – So. Machen Sie hier einen Absatz, Fräulein.
STENOTYPISTIN. Bitte.
KATZMANN. Zusammenfassend muß ich feststellen, daß, sollte sich der Verdacht der Polizei in New Bredford nicht bestätigen, daß die Raubmörder mit der berüchtigten Morellibande identisch sein könnten, nach dem bisherigen Ergebnis der Untersuchung die Befürchtung berechtigt scheint, die Tat am 15. April in South Braintree werde ebenso unaufgeklärt bleiben wie die am 24. Dezember 1919 in Bridgewater und die ähnlichen Verbrechen, die unsere Gegend seit längerer Zeit beunruhigen. Ich erbitte daher direkten Befehl des Gouverneurs von Massachusetts, ob die meines Erachtens wertlosen Nachforschungen nach dem Buick-Auto fortgesetzt werden sollen oder ob nicht lieber – Es klopft.
EIN POLIZEIKOMMISSAR tritt ein. Ich habe dem Staatsanwalt Katzmann zu melden: in der Garage eines gewissen Simon Johnson in Brockton steht ein kleines Buick-Auto zur Reparatur.
KATZMANN. Und? Haben Sie einen Anhaltspunkt, daß es das gesuchte sein könnte?
KOMMISSAR. Das nicht. Aber das Auto gehört einem Italiener Boda, der bei einem anderen Italiener wohnt, einem gewissen Coacci –
KATZMANN. Na, weiter – ist das ein Räuber oder Mörder?
POLIZEIKOMMISSAR. Nein – aber Coacci ist einer von den Radikalen –
KATZMANN plötzlich interessiert. Ah – das wäre eine Fährte! – Erzählen Sie!
KOMMISSAR. Wir hatten Anweisung, Coacci aus dem Staate Massachusetts abzuschieben. Gestern ging ich zu ihm, um nachzusehen, ob er Anstalten zur Abreise trifft. Ich fand ihn beim Kofferpacken. Inzwischen erfuhren wir, daß das Auto bei Johnson seinem Zimmermieter Boda gehört, und ich wurde beauftragt, seine Koffer zu beschlagnahmen. Sie sind schon durchsucht worden.
KATZMANN aufgeregt. War die Beute drin?
KOMMISSAR. Nein, gar nichts Verdächtiges, nur Bücher, Kleidung, Hausrat und ähnliches.
KATZMANN. Dann ist doch, zum Teufel, das Ganze umsonst. Nach kurzer Überlegung. Halt! Es macht nichts. Man muß diesen Radikalen auf die Finger sehen. Veranlassen Sie den Garagenbesitzer, wenn das Auto abgeholt wird, sofort die Polizei zu benachrichtigen, und falls es sich um politisch verdächtige Ausländer handelt – ohne weiteres verhaften. Verstanden?
KOMMISSAR. Sehr wohl, Staatsanwalt Katzmann. Ab.
KATZMANN. Wir wollen den Bericht abbrechen. Bitten Sie Richter Thayer herüber. Er ist doch im Hause?
STENOTYPISTIN. Ich sah ihn in sein Büro gehen. Ab.
Katzmann allein, geht auf und ab, blättert in Aktenbündeln, pfeift einen Gassenhauer. Richter Webster Thayer tritt ein.
THAYER. Sie haben mich rufen lassen, Staatsanwalt? Haben Sie etwas Neues in der Affäre von South Braintree?
KATZMANN. Vielleicht. Nehmen Sie Platz. Sie wissen, daß Generalstaatsanwalt Palmer immer noch daran festhält, daß das Kleinauto ermittelt werden müsse – bei den Tausenden von Buick-Wagen, die hier durchfahren, natürlich ein ganz müßiges Beginnen, den richtigen feststellen zu wollen, der wahrscheinlich längst im Westen oder außerhalb der Staaten ist.
THAYER. Und welche Methode wollten Sie einschlagen?
KATZMANN. Warten Sie. Ich war eben dabei, einen Bericht an Gouverneur Fuller nach Boston zu diktieren, um ihm begreiflich zu machen, daß die Suche nach den Mördern der Pearl Street doch so gut wie aussichtslos geworden ist, daß wir aber bei der Häufung solcher Verbrechen bestimmt mit weiteren Überfällen in der nächsten Zeit rechnen können und dann eben schneller handeln und besser gerüstet sein müssen. Haben wir erst einmal ein paar Banditen, dann können wir jedenfalls dadurch auch ältere Spuren auffinden.
THAYER. Ganz recht. Und nun?
KATZMANN. Ich habe den Bericht in der Mitte abgebrochen. Der Zufall meint es gut mit Mr. Palmer. Wir haben Aussicht, ein Auto dingfest zu machen, das als Corpus delicti unbezahlbar sein kann.
THAYER. Das gesuchte Buick-Auto?
KATZMANN lacht. Wenn es das nicht von selber ist, können wir es vielleicht dazu machen.
THAYER. Ich verstehe noch nicht.
KATZMANN. Das Auto ist in einer Reparaturwerkstatt in Brockton und gehört einem Italiener, der mit radikalen Elementen Verbindung halten soll.
THAYER. Aha!
KATZMANN. Ich habe angeordnet, daß man sich die Kerle, die die Karre abholen wollen, genau ansieht, und sind's Anarchisten oder was Ähnliches – huit! ins Loch.
THAYER. Donnerwetter! Ausgezeichnet! Haben Sie etwa bestimmte Anhaltspunkte, durch die Sie Zusammenhänge zwischen den Räubern und den Revolutionären begründen könnten?
KATZMANN. Wenn wir Glück haben, werden wir sie finden. Einem ausgewiesenen Anarchisten Coacci, dem Zimmerwirt des Autobesitzers Boda, hat die Polizei schon die Koffer weggeholt. Man hat zwar nichts drin gefunden – aber einen Verdacht auf so saubere Kumpane läßt man doch nicht gutwillig wieder aus den Fingern.
THAYER. Famos, ganz famos, Mr. Katzmann. Es trifft sich hervorragend gut. Palmer ist voll Wut über die Kerle, besonders über die Italiener. Da hatten sie in New York zwei Burschen eingelocht, die Demonstrationen oder Streiks organisiert haben sollten, einen Andrea Salsedo und einen gewissen Elia, und weil sie das Maul nicht auftun wollten, um ihre lieben anarchistischen Komplizen zu nennen, hat man sie nach dem dritten Grade behandelt. Fingerknacken et cetera. Da muß wohl was durchgetropft sein, und die Anarchisten grade hier in Massachusetts sollen sich besonders lebhaft ihrer Kumpane angenommen haben. Kurz – gestern ist nun einer der Halunken, der Salsedo, vom 14. Stock des Staatsgefängnisses aus dem Fenster gepurzelt.
KATZMANN. – worden oder selbsttätig?
THAYER. Wird wohl auf eins herauskommen. Jedenfalls mausetot, und in der Mitteilung heißt es, wir sollen ein wachsames Auge auf die Anarchisten des Bezirks haben, von denen die Inszenierung eines großen Protestrummels erwartet wird. Haben Sie das polizeiliche Verzeichnis der verdächtigen Radikalen da?
KATZMANN. Natürlich. Blättert einen Akt auf. Sind Ihnen bestimmte Namen genannt worden?
THAYER. Nur einer – warten Sie, ich hab ihn mir notiert. Sucht im Notizbuch. Richtig – Bartolomeo Vanzetti. Der Kerl war extra in New York und hat für Salsedo und Elia einen Anwalt bestellt.
KATZMANN. Vanzetti – hier: Hält in Plymouth auf einem Karren Fische feil. Gefährlicher Anarchist, Kriegsdienstverweigerer, sehr belesen, schreibt selbst Beiträge für italienische revolutionäre Zeitungen und tritt in Versammlungen als Redner auf. War in mehreren Streikaktionen neben seinem Freunde Nicola Sacco, Schuhe-Zuschneider in Stoughton, als Organisator und Propagandist tätig.
THAYER. Eine wohlriechende Gesellschaft. Wenn man diese Brut tatsächlich in der Mordsache kompromittieren könnte, das wäre ein verdammt harter Schlag gegen ihre Bewegung.
KATZMANN. Ich wäre glücklich, zugleich dem Staat durch die Vernichtung dieser gefährlichen Elemente nützen und meinen armen Freud Parmenter rächen zu können.
THAYER. Sie haben dem ermordeten Parmenter persönlich nahegestanden?
KATZMANN. Er war Mitglied derselben Freimaurerloge, der ich aktiv angehöre. Ich sage Ihnen, wenn die Verbrecher unsere Logenbrüder zu Geschworenen bekommen, dann wird ihre Hetze nicht mehr lange die Geschäfte der amerikanischen Bürger stören.
THAYER. Tun Sie, was möglich ist, Staatsanwalt. Können Sie eine Beziehung der Anarchisten zu dem Raubmord am 15. April oder andern Verbrechen mit Hilfe des Autos jenes ehrenwerten Boda glaubhaft machen, so werden Sie der Autorität des Staates einen unschätzbaren Dienst erweisen.
KATZMANN. Verlassen Sie sich auf mich, wir werden die Wahrheit zu ermitteln wissen.
THAYER. Man muß versuchen, ihr nötigenfalls auf die Füße zu helfen. Es gibt eine Wahrheit, die mehr wert ist als ein objektiver Tatsachenbericht. Es ist die Wahrheit, die die Staatsräson erheischt.
KATZMANN. Auf diese höhere Wahrheit gründet sich das Recht des Staates.
THAYER. Wir müssen es schaffen. Der Staat über alles!
Vorhang
5. Mai 1920.
Vor Johnsons Garage in Brockton. Nicola Sacco und Rosa Sacco sind gerade angekommen.
SACCO. Vanzetti ist noch nicht hier. Wenn er Boda nicht mitbringt, steure ich das Auto selber.
ROSA. Hat Coacci seine Koffer wieder?
SACCO. Ich glaube nicht. Albernheit, diese ewige Schnüffelei nach Schriften, wo er in den nächsten Tagen doch Amerika verlassen muß. Dieser Defekt von Bodas Auto kommt sehr ungelegen. Wir haben Eile, unsere Literatur fortzuschaffen.
ROSA. Es ist solche Unruhe in mir. Ich wäre froh, wenn unser Paß endlich in Ordnung wäre.
SACCO. Die Herren lassen sich Zeit. Vor drei Wochen war ich deswegen in Boston. Sie schickten mich wieder weg, weil unsere Photographie im Format zu groß war. Trotzdem, sosehr ich mich sehne, jetzt nach Mutters Tod unseren Vater wiederzusehen – es ist gut, daß wir noch nicht unterwegs sind. Ich bin jetzt hier nötig.
ROSA. Daß dir nur nicht noch etwas zustößt! Mir ist bange, sobald du fort bist.
SACCO. Das macht dein Zustand. Quäle dich nicht, du mußt unsern Dante füttern und das Kleine, das kommen soll, und mich braucht die Sache.
ROSA. Du kennst mich doch, Nicola, daß ich dich nicht am Rock halte, wenn du für die Bewegung arbeiten willst.
SACCO küßt sie. Du bist ja meine tapfere Frau und kluge Genossin, Rosa. Freilich, jetzt kommen schwere Tage. Salsedos schreckliches Ende ist ein Anfang.
ROSA. Der Arme!
SACCO. Elia sollen sie sofort entlassen und ausgewiesen haben. Er wird zu viel wissen. Was bewegt sich denn da hinten auf der Chaussee? Ist das ein Baum?
ROSA. Aber das ist doch ein Mensch. Er kommt auf uns zu. Es wird Vanzetti sein.
SACCO. Wahrhaftig! Winkt. Hallo, hierher!
Bartolomeo Vanzetti tritt auf.
VANZETTI. Guten Tag, Sacco, guten Tag, Genossin Rosa.
SACCO. Ich hatte dich für einen Baum angesehen.
VANZETTI. Das kommt von meinem Beruf her. Hamlet hat einmal einen Fischhändler mit einem Staatsmann verwechselt.
ROSA. Hamlet? Wer ist das?
VANZETTI. Ein dänischer Prinz in einem Drama von Shakespeare. Ich erzähle euch nächstens seine Geschichte.
SACCO. Siehst du, Bartolomeo weiß Bescheid in der Literatur. Er schreibt selbst Gedichte, weißt du das?
VANZETTI. So gut eben ein Prolet dichten kann.
ROSA. Oh, ich habe schon Verse von dir gelesen, sehr schöne.
SACCO. Ist alles in Ordnung, Vanzetti?
VANZETTI. Die Schriften liegen bereit, wir brauchen sie bloß abzuholen.
SACCO. Hast du das Flugblatt für die Versammlung geschrieben?
VANZETTI. Hier, genau wie wir alles mit Colombo und d'Alessandro besprochen hatten. Der Saal ist doch fest gemietet?
Sacco steckt das Manuskript ein.
SACCO. Natürlich, die Clark Hall hier in Brockton. Pardo Montagano war gestern Abend noch bei mir. Er hat alles abgemacht. Die Hauptrede wirst doch du halten?
VANZETTI. Es wird am besten sein, da ich selbst in New York war. Ich habe viel Material. Die beiden sind entsetzlich gemartert worden.
ROSA. Es ist grauenhaft. Haben sie Salsedo aus dem Fenster hinausgeworfen?
VANZETTI. Bestimmte Nachrichten fehlen noch. Er kann auch Selbstmord begangen haben.
SACCO. Elia soll schon fort sein.
VANZETTI. Er bekam gestern früh Befehl, bis mittags auf dem Schiff zu sein. Ich sprach mit Rechtsanwalt Moore. Er erzählt, daß Elia in der Zwischenzeit noch bei dem New-Yorker Advokaten Nelles war und zu Protokoll gegeben hat, daß er und Salsedo schrecklich gefoltert worden sind, um Geheimnisse herauszupressen. Er war so schwach und gehetzt, daß er nur mit Mühe sprechen konnte. Jetzt ist er auf der Fahrt nach Italien.
ROSA. Ich beneide ihn trotzdem darum.
SACCO. Geh jetzt nach Hause zu Dante, Rosa. Sag ihm, ich spiele heute noch mit ihm. Ich komme bald nach, sobald wir die Schriften in Sicherheit haben.
ROSA. Ich werde froh sein, wenn du daheim bist. Ab.
VANZETTI. Du bist ein glücklicher Mensch, Sacco.
SACCO. Ich bin zufrieden, dies Weib zu haben.
VANZETTI. Und das Kind!
SACCO. Das zweite ist auf dem Wege. Ja, weißt du, dir hilft in dem schweren Kampf gegen die Feinde des Proletariats, gegen den Staat und die bürgerliche Gesellschaft, deine Beschäftigung mit der Poesie und den Wissenschaften dich im Gleichgewicht zu halten. Ich brauche meine Familie dazu, ich muß Hausvater sein, um über die Gegenwart hinaus für die Zukunft zu schaffen.
VANZETTI. Ganz kommt keiner von uns von solchen persönlichen Bindungen los. Ich habe außer meinem alten Vater eine Schwester, Luigia, an der hängt mein Herz. Aber ich glaube nicht, daß die Blutsverwandtschaft viel ausmacht; sie hilft nur, einige Menschen genauer als andere kennenzulernen, und wenn wir dabei Kameraden in ihnen finden, dann freilich müssen wir sie sehr lieben.
SACCO. Ja, ohne geistige Verbindung in der Idee ist Familie nur Ballast. – Pause. Wollte nicht Orciani noch herkommen oder Boda?
VANZETTI. Vielleicht kommt noch einer der Genossen. Es ist zwar nicht wahrscheinlich, daß sie den Arbeitstag versäumen werden. Aber wir können noch warten.
SACCO. Es ist schwer durchzukommen in dieser Zeit.
VANZETTI. Dir besonders ist es gewiß nicht leicht gemacht worden.