Schatten der Angst - Lena Diaz - E-Book

Schatten der Angst E-Book

Lena Diaz

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Beschreibung

Eine Frau wird tot aufgefunden - in der Hand eine Rose mit nur einem Dorn ... Amanda Stockton geriet einst in die Hände eines grausamen Serienmörders und überlebte. Als der Killer erneut zuschlägt und eine junge Frau tötet, sieht Police Chief Logan Richards keinen anderen Weg, als sie um ihre Mithilfe bei den Ermittlungen zu bitten. Doch der Mörder spielt ein tödliches Spiel mit ihnen.

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Seitenzahl: 510

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LENA DIAZ

SCHATTEN DER ANGST

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Frauke Lengermann

Für Nalini Akolekar – meine Mentorin, die mich unermüdlich zum Weitermachen ermutigt hat und mir ein Fels in der Brandung gewesen ist.

Für Esi Sogah, die an meine Story geglaubt hat.

Für Sheila Athens und Valerie Bowman – ich danke Euch für Eure Freundschaft. Ihr seid pures Gold.

Ich widme dieses Buch außerdem Anita, Eileen, EJ, Gail, Lisa, Maria, Pam und Tracy – danke für alles.

1

Die liebliche Musik ihrer Schreie hallte in seinen Gedanken wider, als er genüsslich den Duft des Lavendelshampoos einsog, das er für sie ausgesucht hatte. Er saß im Schneidersitz auf einem Teppich aus Kiefernnadeln und strich ihr über das Haar, mühelos glitten seine Finger durch die seidige braune Masse, die er eigenhändig gewaschen und gebürstet hatte.

Das metallische Aroma von Blut, das unter dem Lavendelduft lag, reizte seine Sinne. Mit den Fingerspitzen fuhr er über ihren nackten Bauch bis hinunter zu ihrem süßen Schoß. Die Versuchung zu verweilen war stark, doch das Ritual war noch nicht vollendet.

Er hob die blutrote Rose vom Boden auf und bettete die samtenen Blütenblätter zwischen Kates blasse, üppige Brüste. Dann formte er ihre Finger so, dass sie den Stiel umschlossen, und indem er ihre Handflächen zusammenpresste, sorgte er dafür, dass sich der einzige verbliebene Dorn in ihr Fleisch grub. Als er sich erhob, starrten ihn die gebrochenen hellblauen Augen anklagend an, genau so, wie sie es damals in Summerville getan hatten, als er ihr zum ersten Mal eine Rose geschenkt hatte.

Sollte sie doch glotzen. Sie konnte ihm nicht mehr wehtun, nicht an diesem Tag.

Ein rhythmisches, pochendes Geräusch hallte zwischen den Bäumen wider, ein frühmorgendlicher Jogger, der versuchte, der bevorstehenden Hitze und Feuchtigkeit eines weiteren brütend heißen Sommertags zuvorzukommen. Die ersten Sonnenstrahlen lugten bereits durch die Kiefern und funkelten auf den Schaukeln und Kinderrutschen des Spielplatzes.

Bumm. Bumm. Näher. Noch näher. Kalter Schweiß brach ihm aus, während er auf das Näherkommen des Joggers lauschte. War Kate bereits wieder hinter ihm her, so schnell? Egal, wie häufig er sie bestrafte, sie kehrte immer wieder zurück. Dann bog er um eine Ecke, und da stand sie vor ihm – verdammte ihn mit ihrem hochmütigen Blick und verspottete ihn mit ihrem sündhaft verlockenden, langen Haar.

Er riskierte einen raschen Blick nach unten und atmete erleichtert auf. Sie lag immer noch auf dem Boden. Sie war noch nicht zurückgekehrt, um ihn zu quälen.

Noch nicht.

Nach einem letzten sehnsüchtigen Blick auf ihren Körper glitt er zwischen den Palmettopalmen hindurch und folgte seinem provisorisch angelegten Pfad durch den Wald. Neben einer Reihe von Müllcontainern verließ er den Wald und betrat den Parkplatz von Shadow Falls’ einzigem Einkaufszentrum. Er zog sich rasch um, wobei er die schmutzigen Kleider gegen saubere austauschte, die er in einer Plastiktüte versteckt hatte. Dann trat er hinter den Müllcontainern hervor, warf die Tüte in den Kofferraum und stieg in den Streifenwagen.

Angesichts der bereits am frühen Morgen drückenden Hitze von fast dreißig Grad lockerte Polizeichef Logan Richards seine Krawatte und tat sein Bestes, sich im Schatten der moosbewachsenen Lebenseiche zu halten. Ein paar Meter entfernt befragte Officer Karen Bingham die junge Joggerin, die die Leiche gefunden hatte. Logan hatte seine Hilfe angeboten, doch Karen hatte ihm erklärt, dass die junge Frau keinen Mann mit der Gestalt eines Footballspielers gebrauchen konnte, der drohend über ihr aufragte, wenn sie ohnehin schon zu Tode verängstigt war.

Auch wenn er niemals ein professioneller Footballspieler gewesen war, sah er das ein. Seine Größe schüchterte viele Leute ein. Diese Tatsache war ihm hier in Shadow Falls während seiner Zeit als Streifenpolizist und später in den rauesten Bezirken von New York City sehr zupassgekommen. Doch diese junge Zeugin einzuschüchtern war das Letzte, was er wollte.

Sie saß nur wenige Meter entfernt auf einer Holzbank, wo eine Gruppe Kiefern sie vor den Pressekameras schützte. Ihr sommersprossiges Gesicht war blass, sie hatte die Schultern eingezogen und die dünnen Arme um ihren Leib geschlungen. Sie zitterte, als befände sie sich inmitten eines Schneesturms und nicht an einem hochsommerlichen Julitag im Pfannenstiel, dem nordwestlichen Ende Floridas.

Jemand rief Logans Namen. Er blickte hinüber zu dem unanständig fröhlich wirkenden gelben Absperrband, das einen Teil des Parks abriegelte und das in starkem Kontrast zu dem makabren Anblick stand, der sich innerhalb seiner Grenzen bot. Die Gerichtsmedizinerin Cassie Markham winkte ihn zu sich, um die ersten Erkenntnisse mit ihm zu teilen.

Logan ging hinüber zum Absperrband und duckte sich darunter hindurch, wobei er darauf achtete, nicht auf eins der hellorangefarbenen Schilder zu treten, die seine Detectives verwendeten, um die bereits abgesuchten Bereiche des Tatorts abzustecken.

Cassie kniete neben der Leiche und schob eine braune Papiertüte über die Hand des Opfers. Cassie hatte selten Veranlassung, die kleine ländliche Stadt in dienstlicher Funktion aufzusuchen, da sie sich den Bereitschaftsdienst mit einem anderen Kriminaltechniker teilte, der ebenfalls für Walton County zuständig war. Logan hatte sie bisher nur einmal getroffen – vor sechs Monaten hatte sie in der Stadt einen Fall von häuslicher Gewalt bearbeitet, und er war damals gerade nach Shadow Falls zurückgekehrt, um den Posten des Polizeichefs zu übernehmen.

»Nicht gerade die schönste Art, den Sonntagmorgen zu verbringen«, sagte er, als sie zu ihm hersah.

»Da haben Sie recht.« Sie warf den Kopf zurück, damit die kurzen blonden Ponyfransen ihr nicht die Sicht versperrten. »Ist das die vermisste Collegestudentin?«

Er nickte kurz. »Carolyn O’Donnell.«

»Wie lange wird sie schon vermisst?« Cassie nahm eine weitere braune Tüte und hob sanft die andere Hand des Mädchens.

»Etwas länger als drei Tage. Sie ist Mittwochnacht verschwunden, hier in diesem Park.«

»Ich gehe mal davon aus, dass ein Mädchen ihres Alters nicht zum Schaukeln hergekommen ist. Eine Art Jugendtreff?«

»Soviel ich weiß.« Ein unbehagliches Gefühl machte sich in seiner Magengrube breit, als er registrierte, wie die Leiche drapiert worden war – ihre Beine waren wie für den größtmöglichen Schockeffekt weit gespreizt. Dort wo die Fesseln ins Fleisch geschnitten hatten, hatten sich ihre Hand- und Fußgelenke dunkel verfärbt. Bauch und Gliedmaßen waren von Stichwunden übersät. Viele Blutergüsse waren dunkelviolett oder schwarz angelaufen, was darauf hindeutete, dass sie zu heilen begonnen hatten, bevor er sie getötet hatte. Obwohl er sich vor der Antwort fürchtete, fragte er: »Wie lange ist sie schon tot?«

Cassie befestigte erst die Papiertüte, ehe sie antwortete. »Die Leichenstarre hat noch nicht vollständig eingesetzt. Nach der Lebertemperatur zu schließen, etwa sechs Stunden, aber bei dieser Hitze ist es schwer, konkrete Aussagen zu treffen. Möglicherweise ist sie schon länger tot.«

Logan rieb sich mit der Hand über die Stirn, um den dumpfen Schmerz zu lindern, der sich dort ausbreitete. Während er und seine Männer auf der Suche nach dem Mörder Klinken geputzt hatten, hatte der Schweinehund eine junge Frau sadistisch zu Tode gefoltert. Wo zur Hölle hatte er sie versteckt? Und wo war er jetzt? War er bereits auf der Suche nach einem neuen Opfer? Logan ließ ein frustriertes Seufzen hören. »Sagen Sie mir, was Sie bis jetzt haben.«

»Nicht viel mehr als das, was Sie hier sehen.« Cassie zog die Handschuhe aus und verstaute sie in ihrem Köfferchen, dann stellte sie sich neben ihn, wobei ihr Scheitel kaum an seine Schulter heranreichte. »Die Blutmenge, die wir hier gefunden haben, passt nicht zu den Verletzungen. Er hat sie an einem anderen Ort getötet und gewaschen, bevor er sie hier abgelegt hat.«

Logan, der zu demselben Schluss gelangt war, nickte. »Spuren?«

»Ein paar Baumwollfasern, nichts Außergewöhnliches. Keine Haare. Keine Bissspuren. Er hat ihr die Fingerkuppen abgeschnitten. Ich nehme an, dass sie ihn gekratzt hat und er sichergehen wollte, dass wir keine DNA-Proben unter ihren Fingernägeln entnehmen können.«

Der Täter kannte sich also mit forensischen Techniken aus. Andererseits, wer tat das nicht, bei den vielen Krimiserien im Fernsehen, in denen kriminaltechnische Ermittlungen im Mittelpunkt standen? Logan fragte nicht, ob das Opfer vergewaltigt worden war. Die Antwort war nur zu offensichtlich. »Sperma?«

»Ich werde Proben entnehmen, bezweifle aber, dass wir etwas finden. So viel Mühe, wie der sich gegeben hat, keine verwertbaren Spuren zu hinterlassen, hat er höchstwahrscheinlich ein Kondom benutzt. Sie hat Quetschungen im Nackenbereich und stecknadelgroße Kapillarrissblutungen in den Augen.«

»Er hat sie gewürgt.«

»Ja, aber ich vermute, dass das Würgen für ihn zum Liebesspiel gehört. Vor dem Abschluss der Autopsie kann ich das nicht mit Sicherheit sagen, aber ich gehe davon aus, dass die Todesursache Verbluten ist. Sie hat tiefe Stichwunden im Bauchraum. Sie muss innerhalb weniger Minuten verblutet sein.«

»Was ist mit ihrem Gesicht?« Ein tiefe, schartige Wunde zog sich klaffend von der Schläfe bis hinunter zum Kinn. Logan betete zu Gott, dass sie bereits tot gewesen war, als der Mörder sie ihr zugefügt hatte.

»Das ist ungewöhnlich, nicht wahr?«, sagte Cassie. »So eine Wunde hinterlässt überall Blutspuren. Der Blutverlust ist nicht groß genug, um sie zu töten, aber es tut höllisch weh.«

Logans Hände ballten sich zu Fäusten, während er versuchte, seine Wut im Zaum zu halten. Vor zehn Jahren hatte er seinen Gefühlen erlaubt, die Oberhand zu gewinnen und einen tragischen Anfängerfehler gemacht, der einem Mörder die Möglichkeit zur Flucht gegeben hatte. Wie viele Frauen hatten wegen Logans Fehler leiden müssen und waren durch die Hände jenes Mörders gestorben? Diese Frage stellte er sich jeden Tag. Dieser ganze Schlamassel war der Grund gewesen, warum er vor so langer Zeit aus Shadow Falls geflohen und nach New York gegangen war.

Dort hatte er in den rauesten Bezirken gearbeitet, um ein richtig guter Polizist zu werden, sodass ihm solch ein Fehler nicht noch einmal unterlief. Wie sehr er sich auch wünschte, dem Schweinehund an die Gurgel zu gehen, der Carolyn O’Donnell gefoltert hatte, er konnte nicht zulassen, dass die Wut sein Urteilsvermögen trübte. Wenn er bei dieser Ermittlung Fehler machte, riskierte er das Leben weiterer Frauen.

»Haben Sie das mit der Rose gehört?«, fragte Cassie, seinen Gedankengang unterbrechend.

»Der Polizist, der als Erster am Tatort war, sagte, dass sie eine langstielige rote Rose in den Händen hielt.«

»Das ist richtig. Die Rosenknospe lag zwischen ihren Brüsten, der Stiel ist von allen Dornen befreit worden, mit Ausnahme eines einzigen, den er ihr in die rechte Handfläche gedrückt hat – post mortem. Gruselig.«

Das war definitiv gruselig, und wenn Logan mit seinen Vermutungen recht hatte, dann war die Rose Teil der Handschrift des Mörders und seiner Vorgehensweise. Aus Logans Sicht deuteten alle Einzelheiten darauf hin, dass das die Arbeit eines Killers war, der schon früher getötet hatte – und der wieder töten würde.

Cassie bedeutete ihren Assistenten, die Tragbahre zu ihr zu bringen. »Ich führe die Autopsie durch und schicke die Proben per Nachtkurier ins staatliche Labor.«

»Behalten Sie die Proben erst mal hier. Ich möchte, dass die Bundespolizei die Beweismittel gleich zu sehen bekommt.«

Cassie nickte, ihre erleichterte Miene sagte ihm, dass sie sich bei diesem Fall genauso dringend Hilfe wünschte wie er. Shadow Falls war eine Kleinstadt mit begrenzten Mitteln. Und obgleich Logan in New York bei mehreren Serienmorden mitgearbeitet hatte, hatte im Police Department von Shadow Falls außer ihm niemand Erfahrung mit Serienmördern. Er konnte diesen Fall nicht allein lösen.

Cassie winkte ihm zum Abschied freundlich zu und ging, um beim Abtransport der Leiche zu helfen.

Nachdem die Leiche aus dem abgesperrten Bereich entfernt worden war, ging Logan in die Hocke, um ein paar Fußabdrücke zu untersuchen, die ihm von Anfang an aufgefallen waren. Er folgte der Spur bis zu einer Gruppe von Palmettopalmen; ein paar der Palmwedel waren abgeknickt und verdreht, als ob vor Kurzem jemand dort entlanggegangen wäre. Als er die Blätter auseinanderdrückte, entdeckte er einen schmalen Pfad, den jemand durch das Unterholz geschlagen hatte. Jemand hatte Stunden, vielleicht Tage damit verbracht, sich diesen Weg freizuhacken. Der Mörder? Hatte er sein Opfer schon länger beobachtet? Oder hatte Carolyn O’Donnell einfach nur das Pech gehabt, sich gerade im Park aufzuhalten, als der Mörder zuschlug?

Logan sah zurück zum Tatort, um seinen leitenden Detective, David Riley, ausfindig zu machen. Mit dreißig Jahren war Riley zwar nur fünf Jahre jünger als Logan, doch er verfügte über viel weniger Erfahrung. Als Logan den Posten des Polizeichefs angetreten und Riley als leitenden Detective übernommen hatte, hatte er vermutet, dass Riley diesen Posten nur deswegen bekommen hatte, weil das Revier so klein war und nicht viele Kandidaten zur Auswahl gestanden hatten. Doch Riley hatte seine Fähigkeiten schnell unter Beweis gestellt.

Er war nicht nur pfiffig und sympathisch, er konnte auch sowohl die Rolle des guten als auch die des bösen Cops übernehmen – je nachdem, was gebraucht wurde. Er war imstande, einem Verdächtigen ein Geständnis zu entlocken, bevor dieser überhaupt mitbekam, dass ihm eine Falle gestellt worden war.

Leider unterhielt Riley sich gerade mit Randy Clayton, einem erfahrenen Beamten mit nie stillstehendem Mundwerk. Clayton, der schon zu der Zeit ein Veteran gewesen war, als Logan gerade erst bei der Polizei angefangen hatte, war nicht gerade begeistert, dass der Anfänger, den er einst verspottet hatte, nun sein Vorgesetzter war. Logan tolerierte sein Klugscheißer-Verhalten nur deshalb, weil Clayton in ein paar Monaten in den Ruhestand gehen würde.

Mit einem resignierten Seufzer winkte Logan Riley zu sich heran und war nicht überrascht, als Clayton sich Riley anschloss, wobei er sein übliches Grinsen zur Schau trug.

Logan ignorierte Clayton und wandte sich an Riley. »Ist dieses Gebiet schon abgesucht worden?« Er drückte die Palmwedel auseinander, sodass der dahinterliegende Pfad sichtbar wurde.

Riley zog überrascht die Augenbrauen nach oben. »Wir haben uns diesen Bereich nicht näher angesehen, sondern auf den Gerichtsmediziner gewartet.«

Logan zog seine Pistole aus dem Schulterholster, das er unter der Anzugjacke trug. Er trat zwischen die Palmen, wobei er darauf achtete, den scharfen Palmwedelspitzen auszuweichen und sich am Rand des Pfads zu halten, sodass er nicht auf die Fußabdrücke trat. »Schauen wir mal, ob wir Gesellschaft haben.«

Riley und Clayton wechselten einen Blick aus weit aufgerissenen Augen und zogen ihre Waffen. Die drei Männer folgten dem Pfad durch das dichte Unterholz. Ein paar Minuten später tauchten sie am Rand des kleinen Parkplatzes neben einer Reihe von Müllcontainern wieder auf.

Logan gab den anderen ein Zeichen, und sie schwärmten aus, um mögliche Verstecke zu überprüfen. Als er sicher war, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, steckte er seine Waffe zurück in das Holster. »Ich werde ein weiteres Team anfordern, um das Gebiet abzusperren. Stellt sicher, dass bis zu ihrem Eintreffen niemand hier herumläuft.«

Clayton zupfte an seiner Hose, um sie über seinen ausladenden Wanst zu ziehen. »Riley, hat das hier nicht Ähnlichkeit mit diesem anderen Mord, den es gab – damals, als du noch Streifenpolizist warst? Etwa vor vier Jahren?«

Über Rileys Gesicht huschte ein Ausdruck des Wiedererkennens. »Du hast recht. Das hätte mir gleich auffallen müssen.«

»Welcher Mord?« Logans Blick wanderte zwischen den beiden hin und her.

Clayton kratzte an seinen grauen Bartstoppeln herum. »Es gab damals auch ein Mädchen, das vermisst wurde und das ein paar Tage später mit lauter Schnittwunden in einer Hütte auftauchte. Sie hielt ebenfalls eine Rose in den Händen. Allerdings kann ich mich nicht an ihren Namen erinnern, so was wie Diana, Deana …«

»Dana«, sagte Riley. »Dana Branson. Ich hätte sofort an sie denken müssen, als ich die Leiche heute Morgen sah. Ich war damals noch nicht Detective, aber ich kenne die Details und habe die Fotos gesehen.« Er schauderte und schluckte schwer. »Jetzt erscheint die Verbindung offensichtlich, aber als O’Donnell vermisst gemeldet wurde, war ich gerade bei der Tagung und habe auch nicht daran gedacht, als Sie mich angerufen haben, Logan. Wenn ich vor ein paar Tagen hier gewesen wäre, dann hätte ich vielleicht …«

Logan bedeutete Riley zu schweigen, ungeduldig, weitere Details über jenen anderen Mord zu hören. »Clayton, erzählen Sie mir, an welche Einzelheiten Sie sich bei dem anderen Fall erinnern.«

»Das Opfer war weiß, Mitte zwanzig, hatte langes braunes Haar und blaue Augen. Sie …… ähem …« Er räusperte sich und lief rot an. »Sie wurde drei Tage vermisst, ehe wir sie fanden. Genau wie O’Donnell.«

Am liebsten hätte Logan frustriert losgebrüllt. Hätten seine Männer ihm nur zu dem Zeitpunkt von O’Donnells Verschwinden von dem früheren Fall erzählt. Hätte das etwas an seiner Suchstrategie geändert? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das hing von den Einzelheiten des früheren Falls ab und davon, ob es Hinweise auf die Identität des Täters gab. Ohne konkrete Informationen würde er keine Anschuldigungen gegen einen seiner Mitarbeiter erheben. Er war der Boss. Letzten Endes trug er die Verantwortung. »Wer waren die Verdächtigen in dem früheren Fall?«

»Es gab keine Verdächtigen. Die Spuren waren alle kalt«, erwiderte Clayton. »Aber Branson war nicht allein. Da war noch eine andere Frau.«

Fassungslos presste Logan die Lippen zusammen, damit ihm nicht etwas herausrutschte, was er später bereuen würde. Wie konnte es sein, dass seine Männer einen brutalen Doppelmord in einer Stadt vergaßen, die gerade mal fünfzigtausend Einwohner hatte? Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die einzigen Todesfälle für gewöhnlich das Resultat einer alkoholisierten Kneipenschlägerei oder eines Verbrechens aus Leidenschaft zwischen zwei Menschen waren, von denen jeder annahm, dass sie einander zugetan waren? Er holte tief Luft und betete um Geduld. »Wer war das zweite Mordopfer?«

Clayton schüttelte den Kopf, und das selbstzufriedene Grinsen erschien wieder in seinem Gesicht. »Das haben Sie falsch verstanden«, sagte er. »Das zweite Mädchen, Amanda Stockton, konnte fliehen.«

Amanda ließ sich erschöpft auf ihre Ledercouch sinken, um sich endlich die dringend benötigte Pause von ihrer Arbeit am Computer zu gönnen. Sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, indem man von zu Hause aus Computerprogramme schrieb – statt jeden Tag ins Büro zu gehen – war Segen und Fluch zugleich. Sie war zum Eremiten geworden, genau wie ihre Schwester es ihr schon früher vorgeworfen hatte, denn an einem schönen Wochenende arbeitete sie lieber, als hinauszugehen. Der Himmelsausschnitt, der durch die Fenster zu sehen war, war so blau, dass es ihren Augen wehtat. Und sie wusste, dass sie beim Hinausgehen das Salz in der Luft riechen würde; dass sie womöglich sogar hören konnte, wie sich die Wellen an der nur wenige Kilometer entfernten Küste brachen.

Früher hatte sie das Meer geliebt, doch das war eine Ewigkeit her. Sie hatte das Geräusch des knirschenden Sandes und das kühle Gefühl zwischen den Zehen geliebt und auch das Kreischen der Seemöwen über ihrem Kopf. Doch jene Tage waren vorbei, gehörten der Vergangenheit an. Nie wieder würde sie sich in der Gegenwart anderer Leute so unbekümmert fühlen können, so offen auf andere zugehen, so viel Verletzlichkeit zulassen können.

Auf der Hut vor der nur allzu vertrauten Richtung, die ihre Gedanken nahmen, zwang sie sich, die düsteren Gedanken beiseitezuschieben, und kreuzte die Beine unter dem Körper. Mit einem Klicken der Fernbedienung erwachte ihr brandneuer, hundertsechzig Zoll großer, hochauflösender Fernseher zum Leben. Eine dekadente Luxusanschaffung, die eine große Lücke in ihre Ersparnisse gerissen hatte. Doch sie wurde nur einmal dreißig Jahre alt, deshalb hatte sie das Geld verschwenderisch ausgegeben.

Statt an ihrem Geburtstag in der vergangenen Woche das Grab ihrer Eltern zu besuchen, so wie sie es normalerweise tat, hatte sie sich zwei Actionstreifen auf ihrem neuen Fernseher angesehen und sich haufenweise dick machendes, gebuttertes Popcorn in den Mund geschaufelt.

Sie bereute es nicht, sich den Fernseher gekauft zu haben.

Das Popcorn hingegen sehr wohl.

Eine Extrastunde auf dem Laufband hatte ausgereicht, um sie davon abzuhalten, sich in nächster Zeit noch einmal so gehen zu lassen.

Nachdem sie sich durch das Fernsehprogramm gezappt hatte, entschied sie sich für eine Serie, in der Tatortermittlungen die Hauptrolle spielten. Ihr war klar, dass angesichts ihrer Vergangenheit die meisten Leute es für komisch halten würden, dass sie diese Art von Serien mochte, aber ihr selbst erschien es vollkommen logisch. Es ging dabei stets um Kontrolle, sich Ängsten zu stellen und sie zu überwinden.

Ihn nicht gewinnen zu lassen.

Doch anstelle der Serie, die sie erwartet hatte, wurde der Bildschirm von einer Außenaufnahme des Gebäudes ausgefüllt, in dem das Rathaus und das Polizeirevier von Shadow Falls untergebracht waren. Auf einem roten Schriftzug unter dem Foto stand: »Sondermeldung«.

Als die Moderatorin Tiffany Adams vor die Kamera trat, war Amanda klar, dass es sich hier um etwas Wichtigeres handelte als um irgendwelches Geplänkel im Zusammenhang mit der bevorstehenden Bürgermeisterwahl. Adams verließ nur selten ihren Moderatorentisch, um vor Ort zu berichten. Das lag wahrscheinlich an ihrem starken Make-up und dem Haarspray, das ungünstig auf die für Florida typische Feuchtigkeit reagierte.

In einem Ton, der viel zu fröhlich klang für das, was sie zu berichten hatte, informierte sie die Zuschauer darüber, dass eine Joggerin am frühen Morgen im größten Park der Stadt die Leiche einer Frau entdeckt hatte und dass der Bürgermeister und der Polizeichef in Kürze eine Pressekonferenz abhalten würden.

Amandas Magen krampfte sich zusammen und sie verdrehte den Saum ihres pinkfarbenen Tanktops zwischen den Fingern. Vier ernst dreinblickende Polizisten standen Schulter an Schulter hinter einem Pressepult. Sie schüttelte den Kopf, weil es so grotesk war. Wenn sie im Supermarkt keine Einkaufsliste dabeihatte, kehrte sie meistens ohne die Gegenstände nach Hause zurück, die sie am dringendsten brauchte, doch obwohl sie mit jenen Polizisten schon seit Jahren nicht mehr gesprochen hatte, konnte sie sich immer noch an ihre Namen erinnern. Manche Dinge vergaß sie einfach nie.

So sehr sie es auch wollte.

Bürgermeister Edward Montgomery hievte seine schwere Gestalt die Treppenstufen hinauf und nahm mit gerötetem Gesicht den Platz vor seinen Polizisten ein, die hinter dem Pressepult mit den Mikrofonen aufgereiht standen. Seine stets heitere Persönlichkeit und sein rundliches Erscheinungsbild hatten ihm den Spitznamen Weihnachtsmann eingebracht. Heute war von Heiterkeit keine Spur zu sehen. Nachdem er eine der kürzesten Reden seit Beginn der Wahlkampfperiode gehalten hatte, stellte er Polizeichef Logan Richards vor und gab jemandem, der nicht im Bild war, ein Zeichen.

Ein Mann mit kurzem dunklen Haar trat ins Bild und stellte sich neben den Bürgermeister, den er deutlich überragte. Richards, der trotz der erdrückenden Hitze tadellos in einen marineblauen Anzug gekleidet war, strahlte Selbstvertrauen und Autorität aus.

Der bisherige Polizeichef war vor sechs Monaten in den Ruhestand gegangen und nach Kalifornien gezogen. Amanda wusste, dass Richards sein Nachfolger war und dass er aus New York kam, aber sie hatte den Nachrichtenmeldungen über ihn und seine Einstellung nicht viel Beachtung geschenkt. Dieser Teil ihres Lebens war Vergangenheit, und sie wollte nie wieder etwas mit Polizisten zu tun haben.

Er sah jünger aus, als sie erwartet hatte, etwa Mitte dreißig, auch wenn er den wenigen silbernen Strähnen in seinem blauschwarzen Haar zufolge vielleicht auch älter war. Seine Haut war ebenmäßig und gebräunt, mit einem etwas dunkleren Schatten in der Kinnregion. Wahrscheinlich war er einer dieser Männer, die immer so aussahen, als müssten sie sich gerade rasieren. Bestimmt machte ihn das wahnsinnig, es stand in so großem Gegensatz zu seinem sonstigen gepflegten Äußeren.

Als er sprach, übertönte sein volltönender, tiefer Bariton das Geplapper der Journalisten und forderte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden ein. Seine Rede war kurz und prägnant, er bestätigte, was Tiffany Adams bereits berichtet hatte, fügte jedoch nur wenig hinzu.

Er nickte einem Journalisten des Shadow Falls Journal zu, demselben Reporter, der Amanda schonungslos ausgefragt hatte, als man sie damals aus dem Krankenhaus entlassen hatte. Nachdem sie seine groben, intimen Fragen über ihre Verschleppung über sich hatte ergehen lassen, hatte sie nie wieder einem Interview zugestimmt – zumindest keinem vonseiten der Presse. Die Detectives hatten sie so häufig befragt, dass sie irgendwann in sarkastischem Ton gedroht hatte, zwecks Zeitersparnis ins Polizeirevier zu ziehen.

»Chief, können Sie bestätigen, dass es sich bei der Leiche im Park um die vermisste Collegestudentin Carolyn O’Donnell handelt?«, fragte ein Journalist.

»Bevor wir nicht mit den Angehörigen gesprochen haben, ist es mir nicht möglich, die Identität des Opfers preiszugeben …«

»Verlangen Sie wirklich von uns zu glauben, dass es sich bei der toten Frau nicht um O’Donnell handelt?«, rief derselbe Journalist.

Richards deutete auf einen anderen Reporter und entzog auf diese Weise erfolgreich dem Journal-Reporter seine Aufmerksamkeit, der daraufhin rot anlief und sich verhaspelte.

Amanda konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

»Ja, die Leiche wurde nur wenige Meter vom Jogger-Hauptweg, in einem abgelegenen Gebiet des Parks, entdeckt«, entgegnete Richards als Antwort auf eine andere Frage.

»Nein, der Jogger, der das Opfer gefunden hat, wird nicht verdächtigt.«

»Ich kann den Verdacht des sexuellen Übergriffs weder bestätigen noch verneinen, bevor die Autopsie abgeschlossen ist.«

»Nein, ich kann zu diesem Zeitpunkt noch nichts Konkretes zur Todesursache sagen.«

Mehrere Minuten lang stellten die Journalisten weitere Fragen. Als ein anderer Reporter die Frage nach der Identität des Opfers wiederholte, dankte Polizeichef Richards den Anwesenden für ihre Zeit und marschierte davon, womit er die Pressekonferenz abrupt beendete. Amanda lächelte über seinen Mut.

Der Aufnahmewinkel der Kamera veränderte sich und richtete sich erneut auf Tiffany Adams. Nüchtern bestätigte sie, dass es sich bei der unbekleideten Leiche im Park um die Studentin im zweiten Studienjahr handelte, die während der Semesterferien, die sie bei ihren Eltern verbracht hatte, verschwunden war. Sie bezog sich auf eine ungenannte Quelle und drückte nicht das geringste Bedauern angesichts der Tatsache aus, dass die Familie O’Donnell womöglich ihre Sendung anschaute.

Der Moderatorin schien es regelrecht Spaß zu machen, weitere Details zu enthüllen. Sie berichtete den Zuschauern von zahlreichen Stichwunden und stellte Vermutungen darüber an, ob das Opfer erwürgt worden war. Dann erwähnte sie etwas, was Richards nicht erzählt hatte: Als das Opfer gefunden wurde, hielt es eine langstielige rote Rose in den Händen.

Amanda fröstelte und schlang die Arme um ihren Leib, sie spürte kaum, wie sich ihre Fingernägel durch das dünne Baumwoll-Top in ihre Haut bohrten.

War der Stiel ganz glatt gewesen? Hatte der Mörder alle Dornen entfernt? Alle, außer einem einzigen?

Der Bildschirm verschwamm vor ihren Augen, und sie befand sich wieder in der Hütte von damals und lauschte auf das Geräusch von Danas entsetzten Schluchzern.

Der Entführer saß auf Amandas Bauch und hielt eine Rose in der Hand, deren süßer Duft zu ihr drang und sich mit dem metallischen Geruch nach Blut vermischte. Er pflückte einen Dorn vom Stiel. »Er tötet mich.« Dann noch einen. »Er tötet mich nicht.«

Seine abscheuliche Version des Kinder-Abzählreims ging weiter, während er einen Dorn nach dem anderen abriss und sie nacheinander auf ihren blutverschmierten Bauch fallen ließ. Als nur noch ein einziger Dorn übrig blieb, leuchteten seine schwarzen Augen in den Löchern der Kapuzenmaske auf, die seinen Schädel und den Großteil seines Gesichts bedeckte, jedoch nicht die grausame Linie seiner Lippen, als sie sich zu einem entzückten Lächeln verzogen.

Er beugte sich zu ihr hinunter und presste seinen Mund an ihr Ohr, wobei sein Atem über ihre nackte Haut strich. Sie erschauderte vor Abscheu, woraufhin seine Hand sich in ihrem Haar verkrallte und er ihr schmerzhaft den Kopf nach hinten bog. »Er tötet mich«, flüsterte er.

Er ließ die Rose fallen, griff hinter sich und zog ein langes, schartiges Messer hervor. Die bösartigen, scharfen Zacken schimmerten im gedämpften Licht, als er es über den Kopf hob.

Mit einem unterdrückten Schrei riss sich Amanda aus dem Albtraum ihrer Vergangenheit. Nach Luft ringend und mit klopfendem Herz sank sie auf die Couch und versuchte, sich zu beruhigen. Allmählich tauchte der Fernseher wieder in ihrem Blickfeld auf. Channel Ten berichtete immer noch von dem grausigen Fund im Park. Adams spekulierte über eine mögliche Verbindung zwischen dem O’Donnell-Mord und dem Mord an Dana Branson vor ein paar Jahren. Ein Bild von Dana, das sie in der Universität von Florida zeigte, füllte den Bildschirm. Danach zeigte die Kamera eine Nahaufnahme von ihrem Grabstein.

Als ein Archivbild von Amanda, die gerade das Krankenhaus verließ, über den Bildschirm flimmerte, schaltete sie den Fernseher aus und ließ die Fernbedienung auf den Boden fallen. Mit zitterndem Finger fuhr sie über die rauen Ränder der langen, höckrigen Narbe, die in einer Zickzacklinie über die rechte Seite ihres Gesichts verlief; eine Narbe, die trotz vier schmerzhafter Operationen niemals vollständig hatte beseitigt werden können. Eine Narbe, die sie täglich an das Grauen erinnerte, das sie so verzweifelt zu vergessen versuchte.

Doch sosehr sie es auch versuchte, sie konnte niemals den Preis vergessen, den ihre Feigheit sie gekostet hatte: Danas Leben.

Wütend wischte sie an den heißen Tränen herum, die ihr die Wangen herunterliefen, und fragte sich, wer vor all den Jahren wirklich davongekommen war. Sie? Oder Dana?

Logan hatte gedacht, er wüsste, wie die Hölle aussah. Im vergangenen Jahrzehnt hatte er in ihr gelebt und versucht, eine Entscheidung wiedergutzumachen, die er in Sekundenbruchteilen getroffen hatte und die nicht mehr rückgängig zu machen war.

Aber das hier war nicht die Hölle.

Es kam ihr nicht einmal nah.

Die Hölle war es, den O’Donnells mitzuteilen, dass ihre Tochter ermordet worden war. Die Hölle war es, mit ansehen zu müssen, wie das Licht der Hoffnung in ihren Augen erstarb, und dabei zuzusehen, wie Carolyns Mutter zusammenbrach, das tränennasse Gesicht voller Trauer.

Wenn sie wütend gewesen wären und ihn dafür verflucht hätten, dass es ihm nicht gelungen war, ihre Tochter zu retten, dann wäre es vielleicht einfacher gewesen. Stattdessen schüttelte Mr O’Donnell Logan die Hand, dankte ihm für seine Bemühungen und tätschelte ihm die Schulter, so als wäre er derjenige, der getröstet werden musste.

Es war nicht das erste Mal, dass er jemanden darüber informieren musste, dass ein geliebter Mensch getötet worden war, und es wurde nicht einfacher. Es war jedes Mal wie ein Schlag in die Magengrube und erinnerte ihn an den tragischen Fehler, den er einst gemacht hatte. Hatte der Mörder, der durch seinen Fehler hatte fliehen können, wieder jemandem wehgetan? Wie viele Leben hatte sein Fehler gekostet, wie viele Familien waren aufgrund seiner Fehleinschätzung zerstört worden?

Er holte zischend Luft, blinzelte müde und versuchte, den Blick auf den Computerbildschirm vor sich zu fokussieren. Am Allerwichtigsten war es jetzt, Amanda Stockton zu finden. Die Parallelen zwischen dem Mord an O’Donnell und dem, was Amanda und ihrer Freundin zugestoßen war, waren so erdrückend, dass es derselbe Täter gewesen sein musste. Sie war die einzige lebende Zeugin. Wenn der Mörder glaubte, dass sie die Polizei zu ihm führen konnte, dann befand sie sich in großer Gefahr.

Keiner seiner Detectives hatte verstanden, warum Logan sie unbedingt ausfindig machen wollte; aber es litt auch keiner von ihnen unter der Art von Schuldgefühlen, wie sie jeden Tag an ihm nagten. So Gott wollte, würden seine Kollegen auch niemals erfahren, was für ein Gefühl das war.

Auf der Suche nach der Zeugin hatte er bereits Dutzende polizeilicher und staatlicher Internetseiten durchforstet, und er würde nicht aufgeben. Ehe er sich vergewissert hatte, dass Amanda Stockton in Sicherheit war, würde keiner seiner Leute an diesem Abend nach Hause gehen.

Er warf einen Blick auf seine Uhr und fluchte, als er sah, wie viele Stunden bereits vergangen waren, seitdem er mit der Suche begonnen hatte. Wie konnte eine Frau so schwer zu finden sein? Sie stand nicht in den Steuerregistern der benachbarten Gemeinden, die sich in einem Umkreis von achthundert Kilometern um Shadow Falls verteilten. Auch in den Listen der lokalen Versorgungsfirmen war sie nicht zu finden. Und auch nicht in denen der Kabel- oder Satellitenfernsehfirmen. Falls sie geheiratet oder ihren Namen geändert hatte, dann hatte sie das zumindest nicht in Walton County getan.

Alles deutete darauf hin, dass sie nicht mehr in Shadow Falls oder Umgebung wohnte, was hieß, dass sie sich nicht in unmittelbarer Gefahr befand – zumindest nicht im Moment. Aber ohne zu wissen, aus welchem Grund der Mörder nach vier Jahren wieder aufgetaucht war, konnte Logan nicht riskieren, die Suche aufzugeben. Sie zu finden und für ihre Sicherheit zu sorgen war sein oberstes Ziel, doch es war nicht das einzige, das er verfolgte.

Er wollte sie zu ihrer Entführung befragen. Sie ihre grauenhaften Erfahrungen erneut durchleben zu lassen gefiel ihm zwar gar nicht, doch den Mörder aufzuhalten war wichtiger als die Gefühle einer einzelnen Person. Sie war drei Tage lang mit dem Angreifer zusammen gewesen. Auch wenn der Mörder eine Maske getragen hatte, musste Amanda irgendetwas gesehen haben, mit dessen Hilfe er identifiziert werden konnte. Es war möglich, dass sie ihnen, ohne es zu ahnen, den entscheidenden Hinweis geben konnte.

In diesem Moment klopfte jemand an Logans geöffnete Bürotür und einer der Detectives, die ihn bei der Suche nach Amanda unterstützten, streckte mit vor Aufregung leuchtenden Augen den Kopf zur Tür herein.

»Chief, ich hab sie gefunden.«

2

Am Montagmorgen erwachte Amanda, weil jemand laut an ihre Haustür klopfte. In dem Versuch sich zurechtzufinden, blickte sie verwirrt blinzelnd um sich. Ein Kamin, ein Computertisch in der Ecke und ein biederer Couchtisch mit klobigen Beinen. Sie war auf ihrer Wohnzimmercouch eingeschlafen.

Sie staunte darüber, dass sie überhaupt hatte schlafen können, denn nach der Pressekonferenz im Fernsehen hatte sie noch spät am Abend einen Anruf von der Polizei bekommen. Sie hatten bestätigt, was sie bereits vermutet hatte: Der Mann, der sie überfallen hatte, war höchstwahrscheinlich wieder in der Stadt. Sie hatten ihr zu ihrem Schutz einen Streifenwagen schicken wollen, doch das hatte sie entschieden abgelehnt. Ihr Haus war eine Festung. Hier war sie sicher. Aber nur dann, wenn niemand die Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Ein Streifenwagen vor ihrem Haus würde ihre Anonymität gefährden – und gleichzeitig ihre Sicherheit, für die sie so hart gearbeitet hatte.

Das Klopfen war erneut zu hören und rüttelte sie auf. Sie erhob sich und eilte den Flur entlang Richtung Schlafzimmer, um ihren Bademantel zu holen, da sie annahm, dass Mrs Fogelman erneut gekommen war, um sie wegen des bevorstehenden Stadtteilfestes zu nerven. Amanda, die es nicht fertigbrachte, unhöflich zu sein, wusste nicht, wie sie die wohlmeinende Frau davon überzeugen sollte, ihren persönlichen Kreuzzug aufzugeben, der darin bestand, Amanda aus ihrem Haus zu locken und den Nachbarn vorzustellen.

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