Schatten und Licht - Charles J. T. Böhm - E-Book

Schatten und Licht E-Book

Charles J. T. Böhm

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Beschreibung

Diese Abhandlungen sind für Geistliche und für Laien, die in der Heiligen Schrift bewandert sind, geschrieben. Sie machen keinen Anspruch auf theologische Gelehrsamkeit, aber sie behandeln Fragen, die für alle Christen von der größten Wichtigkeit sind, und dem Verfasser stand eine reiche Quelle von Licht und Wahrheit zu Gebote, die Gott in unseren Tagen in seiner Kirche eröffnet hat. Ihm wurde die Gnade zu Teil, ein Schüler der Männer zu sein, die Gott mit einem apostolischen Auftrag zu seiner Kirche gesandt hat, und ihnen verdankt er seine Erleuchtung in göttlichen Dingen. Themen dieses Werkes sind u.a. der Verfall der Kirche, die Pflichten der Christen heute, die Heilige Taufe, Opfer und Priestertum und vieles mehr.

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Schatten und Licht

 

CHARLES J. T. BÖHM

 

 

 

 

 

 

 

Schatten und Licht, Charles J. T. Böhm

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783988681010

 

Textquelle: "Edition Albury - Sammlung Peter Sgotzai des Netzwerks Apostolische Geschichte e.V.", bei der wir uns sehr für die freundliche Genehmigung der Nutzung des Textes bedanken.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

VORWORT.. 1

VORWORT DES VERFASSERS. 8

VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE.. 8

1. ÜBER DEN VERFALL DER KIRCHE.. 9

2. WAS IST DIE PFLICHT DER CHRISTEN IN DER GEGENWART.. 33

3. DIE HEILIGE TAUFE.. 56

4. DIEHEILIGEKATHOLISCHE KIRCHE. (1. TEIL)86

5. DIEHEILIGEKATHOLISCHE KIRCHE (2. TEIL)104

6. DIEZUKUNFTCHRISTIUNDSEIN REICH IN SICHTBARER HERRLICHKEIT125

7. DAS HEILIGE ABENDMAHL.. 151

8. OPFER UND PRIESTERTUM... 171

9. ÜBER DAS WERK DER VORBEREITUNGAUFDIE WIEDERKUNFT CHRISTI193

FUSSNOTEN:216

 

VORWORT

 

Es gereicht mir zur Freude, dieses Werk, dessen Verfasser als Lehrer und Freund Ansprüche auf meine Dankbarkeit und Hochachtung hat, mit einigen einleitenden Worten begleiten und es der Aufmerksamkeit meiner theologischen Fachgenossen und aller christlichen Leser empfehlen zu dürfen.

Es enthält die Lehre, für welche ich mit einstehe. Es fasst in Kürze jene Wahrheiten zusammen, welche der Verfasser seit einer Reihe von Jahren in mündlichem Vortrag zur Erleuchtung und Erquickung für Viele in Norddeutschland verkündigt hat, und wenn auch das geschriebene Wort nie zu jener Leben erweckenden Macht hinan reicht, welche das mit göttlichem Auftrag gesprochene begleitet, so gebe ich mich doch der Hoffnung hin, dass auch diese schriftliche Darstellung sich für manche erhebend und fördernd erweisen wird.

Sie ist nicht mit jener Vollendung des Stils angetan, welche man von einem einheimischen Schriftsteller verlangen könnte, und die ich am wenigsten mir selbst erlassen würde. Erwägt man aber, dass der Verfasser, in Dänemark geboren und erzogen, später in England heimisch, erst auf dritter Stufe nach der dänischen und englischen die deutsche Sprache sich zu eigen gemacht hat, so wird man weniger Veranlassung finden, ihn zu tadeln, als den Grad von Herrschaft über unsere Sprache, zu dem er es gebracht hat, anzuerkennen. Bleibt für den feineren literarischen Geschmack an der Form etwas auszusetzen, so wird es, selbst abgesehen von der Bedeutsamkeit des Inhalts, durch die bei deutschen Theologen nicht eben allgemeine Klarheit und Bestimmtheit aufgewogen.

Ohne Ausstattung mit gelehrten Zutaten und ohne den Prunk hoher Worte wird hier die christliche Lehre in ihrer Schlichtheit hingestellt, mit dem Vertrauen, dass auf diese Weise ihre Wirkung nur umso sicherer, reiner und tiefer sein wird. Zwar kann eine populäre Darstellung hoher geistiger Gegenstände, wie sie gegenwärtig sehr in Übung kommt, auch begründete Einwendungen hervorrufen, denn sie kann eine Verleitung zur Oberflächlichkeit werden. Hier aber wird man bald sehen, dass bei aller Einfachheit des Vortrages dem aufmerksamen Leser nicht eine geringere, sondern eine weit strengere Geistesarbeit zugemutet wird als gewöhnlich. Und von allen Männern der Wissenschaft sollten Theologen sich am wenigsten beklagen, wenn der Gegenstand ihrer Fakultät vor dem Volk entfaltet wird. Denn in der Theologie, welche von unvermeidlichem Einfluss auf das Seelenheil der Menschen ist, wären Zunftgeheimnisse am allerwenigsten berechtigt. Es gibt ein allgemeines Priestertum und mit diesem ist jedem Christen das Recht und die Pflicht zuerkannt, in Sachen seines Heils nicht blindlings zu folgen. Man nehme es uns nicht übel, wenn wir uns an das christliche Volk wenden, denn wir halten dafür, dass nicht die Gemeinde um der Theologen, sondern die Theologen um der Gemeinden willen da seien.

Einst erhob sich neben der scharfsinnig ausgearbeiteten hebräischen Schriftgelehrsamkeit die christliche Predigt zu nicht geringerem Befremden der Weisen in Israel als ein von ihrer Schultradition unabhängiges Gewächs, und den griechischen Philosophen, welche so lange in unbestrittenem Alleinbesitz der höchsten Intelligenz gewesen waren, trat in der christlichen Lehre eine unwillkommene „Barbarenphilosophie“ in den Weg. So kam es, dass achtbare Männer der Schule und der Wissenschaft jener neuen Erscheinung die größten Vorurteile entgegenbrachten.

Die Lehre, welche hier auftritt, hat gegenüber der deutschen Theologie und Philosophie einen ähnlich harten Stand. Ihre Verkündiger sind nicht durch die Schule unserer Theologen und Weltweisen gegangen, und wenn dies auch in einigen Ausnahmen der Fall ist, so zeugt doch der Inhalt ebenso deutlich wie unsere Versicherung dafür, dass diese Lehre nicht eine an dem Baum der deutschen Wissenschaft oder der Wissenschaft überhaupt gewachsene Frucht ist. Vorurteile gegen eine solche Erscheinung sind in der Gegenwart ebenso natürlich wie vor Alters, aber ebenso wenig gerecht wie damals. Wir leben der freudigen Zuversicht, dass die christliche Lehre in dieser Gestalt die strengste wissenschaftliche Prüfung und zugleich die Probe des Lebens besteht. Und wenn wir bekennen, dass wir unser Bestes nicht den Anstrengungen des menschlichen Geistes verdanken, sondern als eine Gabe von oben empfangen haben, so sollte jeder Verständige dies nicht von vornherein als eine Anmaßung zurückweisen, sondern erwägen, ob nicht auf jener Seite vielmehr die Anmaßung liegt, wo man durch christliche Wissenschaft, das heißt durch menschliche Weisheit und Klugheit, die einige christliche Elemente an sich gerafft hat, die Kirche aufbauen will ein Werk, das nur durch die Erleuchtung, Sendung und Hilfe, die von dem Allmächtigen kommt, ausgeführt werden kann.

Es ist eine Theologie anderer Art als die gewöhnliche, die wir vertreten; warum sollten es aber die Theologen nicht zufrieden sein, wenn die christliche Wahrheit, welche auch sie wollen, von anderer Seite und auf einem anderen Wege als der ihrige eine Verkündigung findet? Oder leidet die Schule an keinem Gebrechen, für welche man Abhilfe, woher sie auch kommen mag, willkommen heißen sollte?

Was ist denn eigentlich die deutsche Theologie? Sie ist nichts anderes als ein fortgesetztes Bestreben, die göttliche Wahrheit mit dem Verstande zu meistern, auf dem Wege des Verstandes zu rechtfertigen und auf demselben Wege in den Geist der Zuhörer zu pflanzen. Zwar wird Niemand, wenn man ihn auf sein Gewissen fragt, behaupten, dass die Heiligung unnötig und eine theologia irregenitorum1 ebenso gut sei; aber jedermann wird bekennen müssen, dass in der Tat die Heiligung das ist, worauf weder am Anfang noch im Fortschritt noch am Ende des theologischen Kursus gedrungen wird. Jedem steht der Eintritt unter die Theologie-Studierenden frei, wie niedrig auch seine sittliche Bildungsstufe sein mag, und bei den Prüfungen der Kandidaten wälzt man nicht selten die ungeheure Verantwortung mit der Maxime von sich ab: die theologische Fakultät hat nur nach den Kenntnissen zu fragen.

Zwar gibt es einzelne Professoren, welche den jungen Theologen bezeugen, dass ohne einen reinen Wandel, ohne Gebet im Verborgenen und ohne den Genuss der heiligen Sakramente die Wahrheit nie eine Stätte in ihrem Herzen finden kann. Aber sie bezeugen dies eben nur als Einzelne. Die Institutionen zeugen nicht dafür, sie passen zu dem Gegenteil ebenso gut und ein nur verstandesmäßiges Hantieren mit den heiligsten Wahrheiten bleibt das Erbübel und die Hauptsünde der Theologen.

Ja, das Erbübel und die Quelle aller andern Übel. Denn woraus sonst ist gleich nach der Reformation die tote Orthodoxie mit all ihren Gräueln entstanden, und woraus sonst erwuchs die sogenannte Neologie2, sei es die schale Frucht des alten Rationalismus oder die bittere des modernen Pantheismus?3

Es ist in dem allem der strengste logische Zusammenhang und zugleich die gerechte Nemesis.4 Denn es muss so kommen, dass die zarte göttliche Wahrheit, wenn sie in unheilige Hände kommt, erst entstellt und dann weggeworfen wird. „Mit den Frommen bist du fromm und mit den Verkehrten bist du verkehrt.“ Die Wahrheit ist dem Lebendigen lebendig, dem innerlich Erstorbenen ist sie tot. Wer die Heilige Schrift ohne Anbetung Gottes und ohne Leben aus Gott studiert, für den muss sie zum abgestorbenen Buchstaben werden und das Abgestorbene muss zuletzt verwesen. Ist das christliche Leben in der gelehrten Welt und in der Gemeinde erst tief genug gesunken, so erscheint es als wissenschaftliche Aufrichtigkeit, das Tote, womit man sich eine Zeit noch abgeschleppt hat, für tot zu erklären. Es bleibt nichts übrig als Sektion und Einscharrung der Leiche d.h. biblische (Pseudo-) Kritik und Eintragung des antiquierten Dogmas in die Historie und bei den geistig Begabten Hinwendung zu einer vermeinten andern Lebensquelle in den Philosophemen5 des Unglaubens.

Von der Geschichte des Rationalismus und seinen Wirkungen ist jedermann jetzt hinlänglich unterrichtet, um bekennen zu müssen: wenn das Licht des alten Glaubens in unserem protestantischen Volke nicht erloschen ist, so ist es nicht das Verdienst der Theologen. Es ist aufs Neue entfacht worden. Aber die Männer auf den akademischen Kathedern sind nicht die Hüter des heiligen Feuers gewesen, welche es trotz dem bösen Beispiel der Vornehmen, der Frivolität der Dichter und den Verirrungen der Philosophen für eine bessere Zukunft bewahrten. Anderswo waren die Stammhalter des Glaubens zu finden. Die geringeren Stände mit ihrer strengen Sitte, die Stillen im Lande mit ihrer überlieferten Frömmigkeit, die Brüdergemeinde mit ihrem bescheidenen, von Gott gesegneten Wirken, auch das katholische Volk mit seiner tiefen Andacht und Einfalt diese waren treu geblieben und diese sind es, denen wir Theologen es verdanken, dass es auch bei uns wieder licht und lebendig werden konnte. Zur Demütigung für unsern Wissenschaftsstolz musste es so geschehen, dass von ganz anderer Seite her die Anregungen zum Bessern kamen und die Ströme der christlichen Tradition, welche eine Zeit lang gleichsam unterirdisch geflossen waren, wieder hervorquollen. War doch selbst das Gute, welches Schleiermacher neben den ungeheuren Ärgernissen, die an ihm haften, wirklich hatte und verbreitete, allein die Nachwirkung seiner Erziehung in der gar so unangesehenen herrnhutischen Gemeinde.

Es steht in den vornehmen Ständen, auf den Universitäten und unter der Geistlichkeit jetzt besser. Es ist ein Wunder der Barmherzigkeit Gottes, dass es noch einmal besser geworden ist, welches wir freudig und dankbar erkennen. Doch gebietet die Pflicht der Wahrhaftigkeit und der Wachsamkeit, nicht zu verschweigen, dass bereits das alte Unheil der toten Orthodoxie mit riesigen Schritten sich über den kaum etwas hell gewordenen theologischen Horizont ausbreitet. Schon ist die allerdings nie groß gewesene Zahl der Jünglinge wieder in trauriger Abnahme, welche einen Kampf der Reinigung, des Gebetes und der Geistesarbeit bestehen, um Christum zu ergreifen und das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen zu bewahren. Es wird ihnen gar zu leicht, die Wahrheiten, welche ihnen von rechtgläubigen Professoren überliefert werden, hinzunehmen, und „eine satte Seele zertritt wohl Honigseim.“ Was hilft aber dann die „positive Richtung“ der jüngeren Geistlichkeit? Eingeschlagen von den Meisten ohne rechtschaffene Früchte der Buße ist sie jenes Haus, auf Sand gebaut, welches die Sturmflut nicht bestand, und „sein Einsturz war groß.“ Wer kann die Masse von bewusster und unbewusster Heuchelei ermessen, wozu das gegenwärtige Geschlecht durch die von den Herrschenden eingehaltene und begünstigte Richtung verleitet wird! Es ist eine verhängnisvolle Täuschung einiger Konservativen, welche die Revolution auf Jahrhunderte überwunden achten. Aber eben so groß und eben so gefahrvoll ist der Selbstbetrug derer, welche dem Rationalismus den Totenschein ausgestellt haben und bereits auch die pantheistischen Irrlehren wie einen im Abzug begriffenen Feind über die Achsel ansehen.

Das Erlöschen des Sinnes für Philosophie so willkommen manchen Anhängern der bloßen Reaktion ist gar kein gutes Zeichen, sondern der traurigsten eins. Denn es hängt mit einem Absterben des Sinnes für Wahrheit überhaupt zusammen. Der Glaube an die Wahrheit, dass sie sei und dass sie errungen werden könne, hat Schaden genommen und der gegenwärtige Stillstand des philosophischen Kampfes ist nicht das Zeichen eingetretener wahrer Befriedigung, sondern der Ermattung und überhandnehmender Geistesträgheit.

Nein, mit Schmerz sei es gesagt, die neue Orthodoxie die ja in ihren besten Leistungen sich selbst rühmt, genau auf Luthers oder Melanchthons Standpunkt wieder angelangt zu sein steht nicht höher als die alte. Im Gegenteil. Konnte jene den Stoß der Zeitströmung im achtzehnten Jahrhundert so wenig aushalten, dass sie ruhmlos der damaligen falschen Aufklärung das Feld räumte, so wird die neue Orthodoxie den viel mächtigeren und listigeren Anläufen des Antichrists, die uns bevorstehen, noch weit weniger gewachsen sein. Sie schöpft zu wenig aus der Tiefe; sie hat nicht die beständige Heimat im Heiligtume; bei manchem ihrer lautesten Verfechter fehlt der Wandel mit Gott; man nimmt die noch ungesühnte Schuld der früheren Geschlechter zu wenig zu Herzen; man will es besser machen ohne zuvor einen großen Versöhnungstag gefeiert zu haben.

Ein gewaltiger Fortschritt in Heiligung und Erkenntnis über das in früheren Jahrhunderten Erreichte war die Aufgabe, die uns bei dem neuen Erwachen des Glaubens gesteckt war. Es sind vierzig Jahre dahingegangen und die neue Theologie hat diese Aufgabe nicht gelöst. Und fürwahr, müsste man auf die Männer der Wissenschaft warten, so würde diese Lebensaufgabe der christlichen Kirche wohl für immer ungelöst bleiben.

Wie sich im vorigen Jahrhundert der Fortschritt des religiösen Lebens nicht bei den Gelehrten fand, sondern, von ihnen unbeachtet, seinen eigenen tiefen, stillen Gang ging, ähnlich verhält es sich auch jetzt. Wiederum knüpft der Geist Christi an ganz andere Punkte an und hat Sein Werk in dem verborgenen Schoß der christlichen Gemeinde. Zu einer Zeit, wo unter den Gebildeten in Deutschland die alte christliche Sitte schon längst dahin und der neue religiöse Eifer eben erst im Entstehen war, während wir Theologen uns erst aus den gröbsten Verstrickungen des Unglaubens herausarbeiteten, da war in den christlichen Kreisen Schottlands und Englands mit der alten Sittenstrenge, mit dem unverrückten Festhalten an der Heiligen Schrift bereits ein reges Wirken

für die Heidenwelt, Verständnis der Zeichen der Zeit und Gebet um Ausgießung des Geistes Gottes auf die Christenheit erwacht. Warum sollten wir uns nun wundern, dass jenen, die uns in jeder Beziehung, nur nicht an Wissenschaft, weit voran waren, der Geist des HErrn entgegenkam, um einen mächtigen Fortschritt zur Vollendung der christlichen Kirche hervorzubringen? Dort war es, wo Er Seine Gnadengaben zuerst wieder entfaltete. Wie in umzäunten Gärten eine abgeschiedene Blume aufwächst, bis ihr lieblicher Duft sie verrät, so ist dort, fern vom Gewühl unseres theologischen Marktes und Parteienkampfes die prophetische Erleuchtung, die wahre Anbetung Gottes, die durchdringende Heiligung, die echte kirchliche Einfalt, die Liebe zu allen Christen und die selige Hoffnung auf das nahende Himmelreich erwachsen. Und wenn auch von dem Allen etwas in jeder Kirchenpartei gefunden wird, so ist es doch an jenem einen Punkt dem Geiste Gottes gelungen, mit der Entfaltung und Zeitigung solcher Früchte voranzueilen, so dass nun von dort uns andern dieselbe Förderung zuteilwerden soll.

Wie mein Freund Böhm, welcher jener großen Erweckung schon im Anfang nahestand, so verdanke auch ich, der ich erst ein Jahrzehnt später davon berührt wurde, das Beste, was ich mitzuteilen habe, dieser Quelle. Von dort waren die Töne des Friedens herübergekommen, welche in meiner Schrift über Katholizismus und Protestantismus nachklangen und damals bei vielen Mitchristen in Deutschland freudige Zustimmung fanden. Was ich von jener Seite über die Weihe des christlichen Familienlebens empfangen habe, suchte ich in meinem neuesten Schriftchen darzustellen, welches, um theologisch zu sprechen, einen Teil unserer Moral enthält, so wie das vorliegende Werk von Böhm einen weit größeren Teil unserer Dogmatik. Möchten beide Arbeiten dazu dienen, dass durch die dichte Nebelhülle des Vorurteils und der fabelhaften Nachrede, welche unsere Gemeinden umgibt, ein Schimmer der Wirklichkeit den Aufrichtigen in die Augen leuchte und ihnen Anlass zu näherer und eingehender Prüfung werde.

Man hat oft Beschwerde darüber erhoben, dass von unserer Seite zu wenig geschehe, um in Schriftwerken vor aller Welt darzulegen, was wir wollen. Dies Verlangen, zu dessen Erfüllung hiermit ein nicht unbedeutender Schritt geschieht, ist zum Teil gerecht, zum Teil aber auch verkehrt. Es ist gerecht, denn allerdings, wo so wenig Verkündiger sind, deren mündliches Zeugnis man hören könnte, ist solchen, die hierzu keine Gelegenheit finden, eine Aushilfe durch schriftliche Mitteilung zu gönnen. Aber verkehrt ist dasselbe Begehren von Seiten aller derer, welche selbst kommen und zuhören und nachsehen können, aber nicht wollen, die auf freundliche Einladung vielleicht ja sagen, aber dann doch sich nicht einfinden, die ihre eigene Angst vor dem Ernst der persönlichen Berührung hinter dem Vorwand unserer Unzugänglichkeit verstecken.

Und so sind leider ihrer Viele, dass sie, wenn das Buch kaum durchgeblättert ist, ihr Urteil über die Sache schon fertig haben. Es ist so bequem, nach flüchtiger Übersicht dieser neuen „religiösen Erscheinung“ ein Gefach6 im großen Magazin der kirchlichen Statistik anzuweisen oder sie unter die zahllosen eingetrockneten Sonderbarkeiten und Missgeburten der Dogmengeschichte einzureihen. Damit hat man der Sache genuggetan und geht in Gemütsruhe zur Tagesordnung des gewöhnlichen theologischen Geschäftsganges über.

Es ist ein gefahrvoller Gang, den solche gehen. Um göttliche Winke zu vernehmen, ist große Sammlung und Einkehr des Geistes und Reinigung des Willens notwendig. „Er erhaschet die Weisen in ihrer Schlauheit“ und verbirgt vor den Klugen, was Er den Unmündigen offenbart. Zwar auch der Weise und geistig hoch Gestellte kann die heilsame Wahrheit erkennen, denn sie ist zum Heil für alle gegeben. Aber erst muss er herabsteigen und mit den Einfältigen zu lernen bereit sein. Er muss sich entschließen, einmal nicht als Richter, sondern als Heilsbedürftiger zu prüfen.

Es ist betrübend, zu sehen, wie so manche, wenn sie sich anschicken zu prüfen, ihren Christenstand verleugnen. Sie stellen sich auf die Stufe der Juden, indem sie Wunder fordern, oder der Heiden, indem sie spekulative Aufschlüsse zur Bedingung machen. Sie vergessen, dass in den Christen ein höheres Verlangen sein sollte, und dass für Christen ein höheres Kriterium da ist. Die Sehnsucht nach Heiligung ist das, was uns Christen geziemt, und wo diese wahrhaft gestillt wird, da ist die Wahrheit und göttlich besiegelte Wahrheit. Christus hat vor falschen Propheten gewarnt, aber Er hat auch wahre Propheten verheißen (Matth. 23, 34), und mit untrüglichem Wort hat Er uns zugesichert: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen: ein guter Baum kann nicht böse Früchte bringen und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen.“ Zwar wer satt ist, wird die guten Früchte nicht schmecken. Wer aber hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, der wird sie genießen. Er wird die Erfahrung machen, die ihm Niemand rauben kann. Die Fortschritte wahrer Heiligung in anderen und in ihm selbst werden ihn über alle Zweifel erheben. Denn dass es den falschen Propheten nie gelingen wird, solche in uns hervorzubringen, dafür hat sich Christus verbürgt.

Wenn gleich das geschriebene Wort nur ein Schatten des Lebens ist, so geben wir uns doch der Hoffnung hin, dass mancher Empfängliche bereits in der schriftlichen Darlegung der Wahrheit nicht allein die vollste Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift, sondern ein Labsal für seine Seele finden wird, welches ihn zu dem freudigen Bekenntnis nötigt: Die Frucht ist gut und der Baum, der sie getragen hat, kann nur von Gott gesetzt sein.

Wer aber ohne Hunger nach Gerechtigkeit, wer mit oberflächlichem oder hochfahrendem Sinne alles meistern will, der nehme den Rat an, dieses Buch ungelesen zu lassen. Es nützt ihm nichts und es erhöht nur seine ohnehin schon große Verantwortlichkeit.

Marburg, den 8. August 1855

Heinrich W. J. Thiersch7

VORWORT DES VERFASSERS

Diese Abhandlungen sind für Geistliche und für Laien, die in der Heiligen Schrift bewandert sind, geschrieben. Sie machen keinen Anspruch auf theologische Gelehrsamkeit, aber sie behandeln Fragen, die für alle Christen von der größten Wichtigkeit sind, und dem Verfasser stand eine reiche Quelle von Licht und Wahrheit zu Gebote, die Gott in unseren Tagen in seiner Kirche eröffnet hat. Seit einer Reihe von Jahren wurde dem Verfasser die Gnade zu Teil, ein Schüler der Männer zu sein, die der HErr mit einem apostolischen Auftrage zu seiner Kirche gesandt hat, und ihnen nächst Gott verdankt er seine Erleuchtung in göttlichen Dingen. Möchte seine jetzige Arbeit dazu dienen, recht viele Christen zu veranlassen, sich nach dem, was der HErr jetzt tut, näher zu erkundigen, und auf ernste Prüfung desselben einzugehen.

Berlin im Juni 1855

VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE

Schon seit Jahren war die erste Auflage dieses Buches vergriffen. Auf den Wunsch vieler Christen erscheint eine zweite Ausgabe. Dieselbe ist mit Ausnahme einer Umarbeitung eines Teils der fünften Abhandlung ein einfacher Abdruck der ersten. Die Ereignisse auf dem kirchlichen und staatlichen Gebiete seit dem ersten Erscheinen dieses Buches sind der Art gewesen, dass wohl zu hoffen ist, das darin enthaltene Zeugnis werde Leser finden, denen es ein Herzensbedürfnis ist, ihre Zeit und deren Aufgabe und nächste Zukunft im Lichte göttlicher und biblischer Wahrheit möglichst zu erkennen und aus solcher Erkenntnis für ihr Leben und ihre täglichen Pflichten Trost, Hoffnung und Stärkung zu gewinnen. Dazu wolle Gott die Arbeit seines geringen Dieners segnen.

Charlottenburg im Juli 1871

 

 

1. ÜBER DEN VERFALL DER KIRCHE

 

DIE GESCHICHTE DES JÜDISCHEN VOLKES WIEDERHOLT SICH IN DER CHRISTENHEIT

 

„Also vollendete Mose das ganze Werk. Da bedeckteeineWolkedieStiftshütte;unddieHerrlichkeit des HErrn erfüllte die Wohnung.“8Alsdie Stiftshütte aufgerichtet und mit der Herrlichkeit des HErrn erfülltwar,hatteGottdasWerkderBefreiungseinesaltenBundesvolkesunddessenAusrüstungfürseinen hohen und heiligen Beruf vollendet. Durch seinen ausgestreckten Arm hatte Er das auserwählte GeschlechtausÄgyptengeführt;seinemKnechteMoses hatte Er auf dem Berg das himmlische Bild gezeigt, wonachseinHaussolltegebautwerden,unddasVolk williggemacht,„mehralsnotwar“,zumBaudesverordnetenHeiligtumszubringen.9 ErhatteWerkzeuge gefunden, die Er mit seinem Geiste erfüllen und mit Weisheit und Verstand ausrüsten konnte, um alles nach seinem Willen und Gebot auszuführen10,und Er konnte durch seinen Diener Moses, der bei ihm aufdemBergegewesenwarunddasBildgesehen hatte, dem ganzen Werke das Zeugnis geben, dass es so war, „wie der HErr geboten hatte“.11So stand das Volk da, von der Schmach der Knechtschaft durch GottesHandbefreit,desHErrnHeiligtum,woErmittenunterIsraelwohnenwollte,dazuberufenundbestimmt, wenn es der Stimme des HErrn gehorchte und seinen Bund hielte, sein Eigentum, nein „priesterliches Königreich und ein heiliges Volk“ zu sein.12 Vor allen Völkern der Erde sollten die Kinder Israels von Gott geliebt, gesegnet und gemehrt werden; es sollteihnenkeineböse SeuchederÄgypterauferlegt, alle Krankheit sollte von ihnen getan werden; Gott wolltesichaufeinesomächtigeWeisezuihnen bekennen,dassalleVölkeranihnensehensollten,der wahreGottseiunterihnenundmitihnen.13 Daswar der gute Anfang, den Gott mit seinem alten Bundesvolke machte, und wäre Israel ihm treu geblieben, hätte sein Volk seine Gebote und Rechte gehalten, unddarnachgetan,hätte esimGehorsamgegenden lebendigenGottbeharrt, so wärenalle Verheißungen Gottes in Erfüllung gegangen. Das ganze Israel wäre in ungeteilten und vollkommenen Besitz des verheißenenErbteilsgekommen,undandemwunderbaren SegenszustanddesauserwähltenVolkeshättenalle Geschlechter der Erde sehen und lernen können, wo der wahre Gott zu finden sei, und wie Er angebetet und verehrt werden solle.

Aber wie erging es dem auserwählten Volke? SchonimBuchederRichterlesenwir:„Ichhabeeuch aus Ägypten heraufgeführt und ins Land gebracht, das ich euren Vätern geschworen habe, und sprach: Ich wollte meinen Bund mit euch nicht nachlassen ewiglich,dassihrnichtsollteteinenBundmachenmit den Einwohnern dieses Landes, und ihre Altäre zerbrechen. Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht.“14Weiterhin in demselben Kapitel (V. 7) wird uns ausdrücklich gesagt, dass das Volk dem HErrn nur so lange diente, als Josua und die Ältesten lebten,welchediegroßenWerkedesHErrn,dieEranIsraelgetanhatte,gesehenhatten.UndandieseNachrichtenvondemfrühzeitigenBeginndesAbfallsunter demVolkeGottesreihensichdieunzähligenZeugnisse aller Schriften des Alten Testaments von der sich immer wiederholenden Untreue und dem UngehorsamdesaltenBundesvolkes.KeinWunderdaher,dass Gott seine Verheißungen nicht erfüllen konnte, dass Er über sein auserwähltes Volk Fluch anstatt Segen aussprechen,15dassIsraeldengrimmigenZorndes HErrn statt seiner Liebe und Güte erfahren musste. Nicht alsobGott sein Volkzu irgendeiner Zeit gänzlich verstoßen und ein anderes an seiner Stelle erwählthätte;sprichterdochdurchdenPropheten: „Du hast mit vielen Buhlern gehuret, doch komme wieder zu mir, spricht der Herr16aber Gott wurde durch die Sünden seines Volkes genötigt, es in die Hände seiner Feinde zu geben, so dass die Geschichte des jüdischen Volkes, statt uns das Bild einesüberalleVölkererhabenen,heiligenundpriesterlichen Königreiches zu geben, uns vielmehr eine fast ununterbrochene Reihe von Niederlagen, Knechtungen, Gefangenschaften, äußeren und inneren Nöten undVerderbnissendarbietet.Undwennauchzuden ZeitenDavidsundSalomosGottaufeinewunderbare WeiseseineMachtundGüteunterseinemVolkeentfaltenkonnte,somusstedochschondasEndedersalomonischenZeitwiederumZeugnisablegenvondem Verderben in Israel,17und es war ein Erweis der besonderen Güte Gottes, dass die große Spaltung unter den zwölf Stämmen des Bundesvolkes nicht bereits zu Salomos Zeit ausbrach.18

DassGottdennochamEndederjüdischenHaushaltung seinen Plan, wonach diese Haushaltung als eine Vorschule und Pflanzstätte für Christum und dasEvangeliumdienensollte,erreichte,widerspricht nichtderunleugbarenTatsache,dassdasauserwählte Volk des alten Bundes, kaum von Gott berufen und ausgerüstet, von Ihm abfiel, und dass es bis auf die letzte Zerstörung Jerusalems und des Tempels nach Christo Gott und seinem Geiste zu widerstehen, die RatschlüsseseinerGnadeundBarmherzigkeitzuvereiteln fortfuhr.

DerZweck,zudemdasganzeVolkderBeschneidung berufen war, und den es in seiner Gesamtheit hätte erreichen können, wurde von ihm nicht erreicht, sondern nur ein kleiner Teil fand Gnade, auf die Stimme des Bußpredigers am Schlusse der jüdischenHaushaltungzuachten;unddiesertreueÜberrestentgingdenletztenGerichtendadurch, dass Gott fürihndiedenVäterngegebenenVerheißungenihrer Erfüllung entgegenführte.

Ganzähnlichnun,wiemitderGeschichtedes jüdischen Volkes, verhält es sich mit derjenigen der christlichen Kirche.

Auch bei ihrem Anfang sehen wir das mächtige EingreifenGotteszurVerwirklichungeinesneuenAbschnittes in der Erfüllung seines Planes mit der Menschheit. Und auch in der Kirche ist der Anfang, den Gott macht, gut, aber auch hier wiederholt sich dieUntreuederMenschen,wodurchGottinder völligen und raschen Entfaltung seiner gnadenreichen Absichten gleichsam verhindert und aufgehalten wird. Ein Zustand göttlicher Züchtigung und Demütigung trittein,wobeiGottzwarseineKirchenieverlässtund ihrseine Gnadenie völligentzieht,worinsie aber die bitterenFrüchteihrerUntreue,densichtbarenErfolg und die immer wachsende Überhandnahme ihrer geistlichen Feinde, der Welt, des Fleisches und des Teufels, Jahrhunderte lang erfahren muss, bis der HErr am Ende der christlichen Haushaltung, laut dem prophetischen Worte, wiederum für einen kleinenÜberrestseinerKinder,dieaufseineStimmehören,BußetunundsichvonIhmwiederherstellenlassen, die Verheißungen des neuen Bundes von der Wiederkunft Christi und der Herrlichkeit der Auferstehung erfüllt.

 

DIE CHRISTEN IM ANFANG

 

DerBefreiungausÄgyptendurchMosesundder Aufrichtung derStiftshütte unterdem alten BundesvolkeentsprichtinderGeschichtedesneuenBundes die geistliche Befreiung durch das Werk Christi in unseremFleischeunddieGründungderKirche,der wahrhaftigen Hütte, durch die Ausgießung des HeiligenGeistes.19DurchdieBesprengungmitdemBlute Christi und durch die Gemeinschaft mit Ihm, dem Gekreuzigten und wieder Auferstandenen, dem wahren Passahlamme, waren die Gläubigen des neuen Bundes dem alten Wesen abgestorben und frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes durch dasGesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu.20Eine geistliche Befreiung war durchChristuszuStandegekommen,aufdassGottin lebendigenMenschenwohnen21undseineKircheIhm geistliche Opfer darbringen möchte.22Die Stiftshütte wurde aus dem Material erbaut, das bis dahin im Dienste Ägyptens gewesen war, und so waren es dieselben Menschen, mit denselben geistigen Fähigkeiten und Eigenschaften, welche bis dahin im Dienste der Sünde und des Fleisches gestanden, die jetztdurchChristum,denwahrenMoses,errettetund erlöst, für Gottes Hand zur Erbauung seiner Kirche sich bereitfanden. Und wie Moses, der allein emporgestiegen war,23von Gott auf dem Berge befähigt wurde,dieirdischeHüttenachGottesUrbildzu bauen, so empfing der in das Allerheiligste beim Vater eingegangene Apostel und Hohepriester, den wir bekennen,24die Verheißung des Vaters, den Heiligen Geist,durchdessenSendungundAusgießungErdie wahrhaftige Hütte der Kirche aufrichtete. Moses, der KnechtGottes,sahandasvollendeteWerkderStiftshütte und fand es so gemacht, wie Gott es geboten hatte, und das Neue Testament zeugt von der nicht weniger vollkommenen Arbeit, die durch Christum, als durch den „Sohn über sein Haus“,25im Anfang unterdenGläubigenzuStandekam.Nichtnurwaren die Gaben vollkommen, die von oben kamen, indem Er, derüber alleHimmelhinaufgefahrenist, Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer zur ErbauungundVollendungseinerGemeindegab,26sondern das durch Gott in den Menschen damals schon Erreichte, die tatsächlich im Anfang gegründete und aus lebendigen Menschen bestehende Kirche bietet unsaucheinBildderVollkommenheitdar,wiewires inihrerganzenspäterenGeschichtenichtwiederfinden.VondererstenChristengemeindelesenwirim2. und 4. Kapitel der Apostelgeschichte: „Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre, und in der Gemeinschaft,undimBrotbrechenundimGebet.Es kamauchalleSeelenFurchtan;undgeschahenviele WunderundZeichendurchdieApostel.Alleaber,die gläubigwarengeworden,warenbeieinanderundhielten alle Dinge gemein. Ihre Güter und Habe verkauften sie, und teilten sie aus unter alle, nachdem jedermann Not war. Und sie waren täglich und stets beieinander einmütig im Tempel und brachen das BrothinundherindenHäusern,nahmendieSpeise undlobtenGottmitFreudenundeinfältigemHerzen, und hatten Gnade bei dem ganzen Volk. Der HErr aber tat hinzu täglich, die da gläubig wurden, zu der Gemeinde.27Die Menge aber der Gläubigen war Ein HerzundEineSeele;auchkeinersagtevonseinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnenallesgemeinsam.UndmitgroßerKraftgabendie Apostel Zeugnis von der Auferstehung desHErrn Jesu,undwargroßeGnadebeiihnenallen.“28DieMengederGläubigenwarEinHerzundEineSeele.Inmitten der gefallenen, durch Neid, Hass, Unwissenheit und Verfinsterung zerrissenen Menschheit war eine Einheit gewirkt worden, wie die Welt bis dahin noch keine gesehen hatte; eine Einheit des innersten Lebens,hervorgehendausder einengöttlichenLebensquelle in dem auferstandenen Haupte, indem sein göttlichesLebensichinalleseineGliederverbreitete undsichinderMannigfaltigkeitundVerschiedenheit menschlicher Charaktere und menschlicher Verhältnisse dennoch als das eine Leben in Gott und aus Gott bewährte. Es war die eine Liebe, die durch den Heiligen Geist in die Herzen aller Gläubigen ausgegossen war, die Liebe zu Gott, dem Vater unseres HErrnJesuChristi,zuChristo,demalleinigenHerrn undHaupt,zudenBrüdern,seinenGliedernundErben derselben Herrlichkeit, die Liebe zu allen Menschen,fürdieErjaseinBlutvergossenhatte,diese Liebe war es, welche die Einheit wirkte und die Einheit bewahrte. Und dass diese Herzens- und SeeleneinheitmitGottesfurchtundgöttlicherZucht,mitgegenseitiger Unterordnung in dem HErrn und organischer Gliederung der Gemeinde verbunden war, das sehen wir an der Stellung, welche die Apostel in der erstenChristengemeinde von Anfang an einnahmen. Es heißt: sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre es kam auch alle Seelen Furcht an und sie legtendenErtragderverkauftenGüterzudenFüßen der Apostel. Derselbe Geist, der, in die Herzen der Gläubigen ausgegossen, sie mit der Liebe Christi erfüllte, wirkte auch unter ihnen den willigen Gehorsam, den Gehorsam gegen die Menschen um Gottes Willen.DieApostelwarendievonGottgegebenenLeiter und Führer der ersten Gemeinde: in ihnen sahen die Gläubigen die treuen Zeugen, die von Anfang an beidemHErrngewesenwaren,unddieKraftund Gnade,diederauferstandeneHErrdurchdieseMänner in der Mitte seiner Kirche erwies, erfüllte die Gläubigen mit Ehrfurcht und heiliger Scheu und erleichterte ihnen die heilsame Unterordnung in dem HErrn. Und nicht nur unterwarfen die Gläubigen sich dem HErrn in seinen Aposteln und ließen sichdurch sie die reine Lehreund die volle Wahrheit mitteilen, sondern sie blieben auch in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet. So wie Gott den neuen Lebensanfang in ihnen gemacht, so wussten sie auch, dass Er allein das göttliche Leben in ihnen erhalten und zum vollkommenen Mannesalter führenkönne,unddassErdiestunwilldurchdievon Ihm selbst erwählten Mittel. Der gemeinschaftliche Gottesdienst, wie er von den Aposteln geordnet und ihnen gegeben war,29wobei sie den Opfertod Christi verkündigten30und sich von seinemLeibe und Blute nährten, war der Mittelpunkt ihres kirchlichen Lebens, und in der fortwährenden Feier dieser heiligen GeheimnissehattensiediehöchstehimmlischeFreudeundempfingendieverborgeneKraft,diesichinihrem reinen, friedsamen und selbstverleugnenden Wandeloffenbarte.EsisteinZuginderBeschreibung dererstenJerusalemitischenGemeinde,derbezeichnendistfürdenherrlichenAnfang,dendieKirche Gottesnahm,undfürdieKraftdesgöttlichenLebens, dassichinihrkundgab,alsdassernichtsolltenäher in Erwägung gezogen werden. Zweimal wird uns berichtet von den ersten Christen, dass sie alle Dinge gemein hatten, dass sie ihre Güter und Habe, ihre Äcker und Häuser verkauften und sie unter alle austeilten, nachdem jedermann Not war, dass sie das GeldfürdieverkauftenGüterbrachtenundeszuder ApostelFüßenlegten.Wennmanauchnichtausdiesen Angaben berechtigt ist, auf eine allgemeine Gleichstellung der ersten Christen in irdischen Dingen zu schließen, so lässt sich doch nicht leugnen, dass unter ihnen, wenn nicht durchweg, so doch in ausgedehntem Maße, die Reicheren auf irdische Reichtümer verzichteten und zu freiwilliger Armut sich entschlossen, um die Armenund Bedürftigen in günstigere Verhältnisse zu bringen. Denkt man darüber nach, welche ungeheure Macht der Gnade vorhandensein musste,sowohl indenen,welchedieOpferbrachten,alsauchindenArmenundUnbemittelten, welche die Gaben empfingen, um eine solche, wenn auch nur annähernde Gleichstellung im Irdischen hervorzurufen und vor den vielen damit verbundenenGefahrenundIrrwegenzubewahren, so müssen wir in der Tat staunen über das von Gott indererstenChristengemeindegewirkteMaßinnerer, sittlicher Vollendung. Welche Macht der Liebe zum Himmlischenwardochindenen,diemitsolcher Leichtigkeit ihren irdischen Besitz dahingeben konnten, wie müssen sie der Welt mit all ihrer HerrlichkeitabgestorbengewesenseinundGottgelebthaben; welch ein Maß von Demut, Selbstverleugnung, VerzichtaufirdischeEhre,MachtundBevorzugungmuss in ihnen vorhanden gewesen sein; wie stark war ihr Glaube,dasssie sichalles Sichtbaren entäußern und sich rein an das Unsichtbare halten konnten! Und welcheLauterkeitdesHerzens,welcheZucht,welche Mäßigkeit, welche Ehrfurcht und Bescheidenheit muss in denen gewesen sein, die in ihren irdischen VerhältnissendurchdenEintrittindieGemeindesosehr sich verbesserten, wenn sie nicht durch die günstige Veränderung ihrer äußerlichen Lage an ihren Seelen Schaden nehmen sollten! Wie abschreckend und zurückstoßend für alles Unheilige, Unlautere und UnwahremussderheiligeErnstunddiesittlicheStrenge inderGemeindegewesensein,wennbeisolockenden Aussichten im Irdischen unlautereElemente von außenabgehaltenundvoninnenausgeschiedenwerden konnten.31

Kein Wunder, dass diese Kirche, die so dastand als der lebendige Leib des im Himmel thronenden gottmenschlichen Hauptes, voll innerer Einheit und Lebenskraft,nachaußenhineinZeugnisvondem Auferstandenenablegenkonnte,demalleMächteder Finsternis und der Hölle nicht zu widerstehen vermochten.„DieMengeaberderGläubigen“,heißtes, „warEinHerzundEineSeele“;undgleichdarauf: „Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung des HErrn Jesu, und war große Gnade bei ihnen allen.“32„Wenn aber der Tröster kommen wird“, hatte der HErr gesagt, „der wird zeugenvonmir;undihrwerdetauchzeugen.“33 Eindoppeltes Zeugnis34von der durch Gott in Christo vollbrachten Erlösung sollte der Welt gegeben werden, das Zeugnis derer, in denen der auferstandene Menschensohn so sehr seine eigenen Glieder und Werkzeuge sah,dassErsagenkonnte:„Wereuchhört,der hört mich“35und das Zeugnis des in der Gemeinde wohnendenpersönlichenHeiligenGeistes,deralsder gegenwärtige lebendige Gott durch das Wort der Weissagung, durch allerlei Zeichen und Wunder von dem Mensch gewordenen Sohn des ewigen Vaters zeugt.36DurchdiesesZeugnissolltendieKinderGottes aus der Welt gesammelt und der Unglaube und die Herzens-Härtigkeit in denen offenbar werden, die diesemZeugniswiderstandenunddemEvangelio unseres HErrnJesuChristi nicht gehorchenwollten.

So sollte demgen Himmel gefahrenenHErrn der WegzurWiederkehrbereitetwerden;dennseineWiederkehrunddieVersammlungder Gläubigenzuihm war die eigentliche Hoffnung derer, die das apostolischeZeugnis angenommenhatten. Dem inwendigen, verborgenenMenschennachwarensieschonmitIhm gestorben und mit Ihm wieder auferstanden; ihr Wandel war im Himmel, wenn sie auch dem Leibe nach noch auf Erden waren, warteten sie doch auf Ihn vom Himmel, dass Er wiederkommen und ihren nichtigen, verweslichen Leib verklären und seinem verklärten Leibe ähnlich machen sollte.37

DieseHoffnungdererstenChristenaufdiebaldigeWiederkunftdesHErrnunddiedamitverbundene Auferweckung und Verherrlichung aller Glieder seines mystischen Leibes, wie wir sie von den ersten apostolischen Zeugnissen an und durch alle apostolischenBriefehindurchbeiihnenfinden,38standinder innigsten Verbindung mit der Stellung, die Gott der KircheimAnfangeinseinemSohnegab.Siewar nicht auf ein jenseitiges Totenreich, weder für ihre innere Vollendung, noch für ihren zukünftigen Lohn und die ihr verheißene Herrlichkeitangewiesen, sondernGotthatte alles fürsie getanund ihrallesgegeben, was erforderlich war, um sie in diesem sterblichenLeibeundindiesergefallenenWeltaufdieplötzlicheWandlungdesLeibesunddieWiedervereinigung mit ihrem verklärtenHaupteundauf eineTeilnahme anseinemzukünftigenRegimentezubereiten.„Icheifere übereuchmit göttlichemEifer“, sagtder Apostel Paulus zu den Korinthern,39„denn ich habe euch vertrauet einem Manne, dass ich eine reine Jungfrau Christus zubrächte.“ Nicht jenseits des Grabes sollte die Braut Christi geheiligt und geschmücktwerdenaufdieHochzeit,nichtwarderTod und die Ablegung des Leibesdas, worauf Gott wartete, um seine Auserwählten zu krönen, sondern hier auf dieser Erde sollte das Werk der Reinigung und Heiligung durch die Kraft Christi im Heiligen Geiste, durch sein mächtiges Wirken in allen seinen Gliedern, vollbracht werden, und hier auf dieser Erde sollteseineBraut Ihn vom Himmel erwarten, um mit den Entschlafenen in verklärten Leibern Ihm entgegengeführt zu werden.40

 

DIEJETZIGECHRISTENHEIT

 

So war die Kirche, als sie aus Gottes Hand hervorging; dies war der gute Anfang, den Gott mit seinem Volke machte, als Er sein geistliches Israel aus der Knechtschaft der Sünde und des Satans herausrief und ihm in Christo seine himmlische Stellung undseinenerhabenenBeruferteilte.Wasistaberaus dieserKirche,ausdiesemgeistlichenIsraelgeworden?

Das was die jetzige Christenheit ist. Das ist daraus geworden!

DieGesamtheitderer,diedurchGottesTatinder heiligenTaufeGliederdeseinenLeibesseinesSohnes gewordensind,41istdieKirche;denndieKircheChristi ist keine Abstraktion; keine wenn auch noch so schulgerechte Definition derKirche, die vondemZustande der lebendigen Menschen absieht, hält Stich; auch hat kein menschliches Urteil darüber zu entscheiden, was zur Kirche gehört und was nicht; sondern Gott hat darüber entschieden. Er hat die große TrennunggemachtzwischenGetauftenundnichtGetauften,undsowiedieBeschneidungimaltenBunde den Unterschied setzte zwischen dem Bundesvolke unddenübrigenVölkern,sogehörenzudemeinen Volk des neuen Bundes alle diejenigen, die in der Taufe des neuen Lebens in Christo teilhaftig geworden, und der Zustand der Getauften ist der Zustand des in Christo erwählten geistlichen Israels.

Auf die Frage: Was ist aus der Kirche geworden, derenAnfangundGrundzüge wirim göttlichen Wort beschrieben finden? kann uns daher nur die gesamte Christenheit in ihrem jetzigen Zustande die richtigeAntwortgeben.UndwelcheAntwort gibt sie?

Ach, wer möchte nicht lieber schweigen, als den Mund auftun,um über den jetzigen Zustand der Getauften zu reden; wer möchte nicht lieber zudecken, als die furchtbare Schande des Volkes Gottes an das Licht bringen helfen? Und wer kann es tun, wie es sollte getan werden? Sind es nicht unsere Brüder, sind es nicht die Glieder des Leibes Christi, ist es nicht unsere geistliche Mutter, davon wir reden sollen?Wahrlich,wernichtvonGottzumRedenberufen ist, der tut am besten zu schweigen; wer aber reden soll,derbitteGottumdieGnade,inseinerFurcht,zu seinerEhreundzumHeil seinerKinderseinZeugnis ablegen zu können.

Was ist denn aus der Einheit der ersten Kirche, dasieEinHerzundEineSeelewar,geworden?Sieist dahin,undanihreStelleistdiejetzigeZerrissenheit getreten,diegroßenSpaltungenzwischenGriechisch-Katholischen, Römisch-Katholischen und ProtestantenunddieunzähligenkleinenSpaltungeninnerhalb dieserHauptabteilungenderGetauften.AnderStelle der ursprünglichen göttlichen Einheit, die eine Einheit der innersten Lebensquelle, eine Einheit in der Wahrheit,inderLiebe,imHeiligenGeistewar,sehen wir die, welche zu dem einen Leibe getauft und mit dem einen Geiste getränkt worden waren42und sich als Brüder unter einander lieben sollten, voll Neid, Hass, Zwietracht, einander verketzern und verdammen, voll Uneinigkeit, voll Härte und rechthaberischenWesens.Unddiesertraurige Zustandwirdvon vielen kaum erkannt oder zugestanden; oft bemüht mansich,ihnwegzuleugnenoderzubemänteln;man rühmt sich seiner Schande, gibt Gott die Schuld, erklärt, Er habe diesen Zustandgewollt, siehtdarin etwas Gutes oder wenigstens etwas Unvermeidliches; undwoderselbe erkannt,gefühltundbedauertwird, womandesStreitensundderVerketzerungderBrüder müde geworden, hat man da nicht nur zu oft auf KostenderWahrheiteinenfalschenFriedengeschlossen, und ist man nicht selbst da ohne Hoffnung auf eine wahre Wiedervereinigung der Getrennten? Und ach,wielauundstumpfsindwirallegeworden, dasswirsolcheZerrissenheitderChristenheiterblicken und ertragen können, ohne davon als von dem offenbaren Sünden-Elende unseres gesamten Volkes fortwährendangefochten,gedemütigt,beschämtund niedergeschlagen zu werden!

„Sie blieben beständig in der Apostel Lehre,43 heißt es von den ersten Christen. Es war nur Eine Lehre unter ihnen, und die lebendige Quelle dieser Einen Lehre war Christus und unter Christo die Männer,die Erin derGemeinde zuerstgesetzt44und seinem geistlichen Israel zu Führern und Leitern gegebenhatte.IhnenunterwarfensichdieGläubigen;in ihnen und durch sie, nicht in einem toten Buchstaben,oderineinemmenschlichabgeschlossenenSystemhattensiedieeineWahrheitausChristoundwie sieinChristoist.VondenApostelnlerntenundempfingen die Gläubigen die eine Lehre, und der Heilige Geist,densiealleempfangenhatten,derlehrtesiein ihren Herzen und bestätigte und erläuterte für jeden einzelnen nach seiner Gabe und seiner individuellen Eigentümlichkeit die von den Aposteln empfangene einegöttlicheWahrheit.Aberwiestehtesjetztmitder einen Lehre, mit der einen Wahrheit? Wir möchten nichtübertreiben,aberwerkannesleugnen,dassdie UneinigkeitunterChristeninderLehre größeristals je, und dass alle Versuche der neueren Zeit, zur EinheitinGlaubenswahrheitenzugelangen,nurdieUneinigkeitansLichtgebrachthaben,ohneauchnurin Einem Stück der Einheit näher geführt zu haben. Nichtnurbestehendiealten,infestenFormengegossenen Glaubensverschiedenheiten der großen Abteilungen der einen Kirche, sondern innerhalb dieser Abteilungen tauchen die schärfsten Gegensätze und die gewaltigsten Unterschiede auf. Wir meinen hiermit nichtbloßdenletztenentscheidendenGegensatzzwischenpositiver Wahrheit und Verleugnungoder Verdrehung der Wahrheit, sondern es zeigen sich unter denen, die ihren Glauben an die Göttlichkeit der christlichen Wahrheit bewahrt haben, sobald sie Gelegenheit haben sich auszusprechen, die größten dogmatischenAbweichungenundVerschiedenheiten. Und was noch von Lehr-Formeln in den verschiedenen Konfessionen vorhanden ist, die GlaubenssymbolederverschiedenenParteieninderChristenheit, geben sie nicht, abgesehen davon, dass sie durch ihr Dasein mehr von Spaltung als von Einheit zeugen, eher Zeugnis von dem Maß des lebendigen Glaubens der Vergangenheit als der jetzigen Zeit?

DieerstenChristenwarendurchdieLiebeChristi, die in ihre Herzen ausgegossen war, so frei gewordenvonderLiebezurWeltundzudenirdischenDingen,dassdieReichenunterihnensichfreiwilligarm machten indieserWelt, um in Christo alleinreich zu sein. Sie verkauften ihre Güter und Habe,ihre Äcker und Häuser und legten das Geld zu den Füßen der Apostel. In keinem Stück tritt vielleicht der Abstand derjetzigenChristenheitvondemZustandderersten Kirche greller hervor. Während die jetzige ChristenheitdurchanhaltendenFriedenundGottesSegenmit irdischenSchätzenineinemMaßeüberhäuftworden ist,wiediesvielleichtinsolcherAusdehnungnochnie der Fall war, und der Luxus und der Überfluss der Reichen eine erschreckende Höhe erreicht haben, ist die Kraft zur Selbstverleugnung und SelbstaufopferungumdesHErrnwillenausunsererMitte wieverschwunden. Es ist kein irdisches Unternehmen, mag esnochsogewagtundnochsoriesenhaftsein,wofür nichtheutzutageMittelundKräftevorhandenwären, aber trotzdem dass die Bevölkerungen der großen Städte in der Christenheit sich verdoppelt und vervierfacht haben, waren kaum Mittel genug da, um auchnurdievorhandenenGotteshäuserzuerhalten, und die mehr und mehr in die Hände weltlicher Behörden übergehende Fürsorge für die Armen zeugt davon,dassderZwangdesGesetzesdiedahinschwindende Liebe ersetzen muss. Die Anerkennung des HErrn als Besitzer des Himmels und der Erde, die in derchristlichenKirchedurchEntrichtungderZehntensichkundzugebenpflegte,45istheutzutageaufeinige wenige zerstreute mit genauer Not noch fortbestehende Überreste dieser göttlichen Ordnung reduziert; und wer auch nur einigermaßen mit der neueren christlichen Vereinstätigkeit bekannt ist, der weiß,wieschweresfällt,diewenigenMittelherbeizuschaffen, die diese Tätigkeit erfordert.

Und was ist von der ursprünglichen Geistesfülle inderKirchegeblieben?„Dasiegebetethatten“, heißt es vonden ersten Christen,46„bewegte sich die Stätte,dasieversammeltwaren,undwurdenalledes Heiligen Geistes voll.“ Die Fülle des Heiligen Geistes in der ersten Christengemeinde ist unzertrennlich von dem inneren Zustande der Gläubigen; sie erscheint als eine fortwährend sich wiederholende göttliche AntwortaufdenGlauben unddie Treue derGemeinde.NureineGemeinde,wiedieersteapostolische,die Ein Herz und Eine Seele war und in der Furcht und ZuchtdesHErrnundinallemheiligenGehorsamvor Ihm wandelte, konnte so beten, wie sie betete; daher lesen wir auch nur von der Kirche in diesem ihrem anfänglichen ursprünglichen Zustand, dass sie eine solcheAntwortvonobenbekam.DiejetzigeChristenheit,sosehrsieauchdenHeiligenGeistinseinerursprünglichen Fülle bedarf, kann nicht so beten. Sie kann nicht beten in der Einheit des Leibes und für denLeib. Diegespaltenen Teiledes einen Leibessind es höchstens, die um den Heiligen Geist bitten, ein jeder für seinen Teil, für „seine Kirche“, während der eine Heilige Geist über die Spaltungen trauert und seufzt und sich nicht einem Teil, zur Verwerfung der übrigen, mitteilen kann. Und nicht nur die zu einem GebetwiedasdererstenChristenerforderlicheEinheit, sondern auch die Glaubenskraft der Kirche im Anfange fehlt.Die erstenChristenwusstenvoneinem persönlichen Paraklet (Tröster), von dem am Pfingsttage gekommenen, gegenwärtigen, lebendigen, persönlichenGott,demHeiligenGeiste,undwennsiezu demauferstandenenHErrnflehten,soerwartetensie vonIhmnichtnurbelebendeundheiligendeEinflüsse undEinwirkungenseinerGnade,sondernsiewussten, dass Er, als der lebendige HErr und das vollendete Haupt seiner Gemeinde im Heiligen Geiste in ihrer Mitte war, und dass Er seine Kraft unter ihnen kundtun konnte, zur Heiligung, zur Züchtigung, zur Förderung und Vollendung seiner Gemeinde, zur Offenbarung seiner Herrlichkeit in allen Ämtern seines Hauses, in den Gaben des Geistes, in Zeichen und Wundern, die Er zur Bestätigung seiner Wahrheit durchseineGliederwirkt.Heutzutageerschricktman beinahevordemGedankenaneineOffenbarungder Macht und Herrlichkeit des auferstandenen HErrn, wie sie am Anfange sich erwies, und seit JahrhundertenhatmanindenSchulenentschieden,dass solcheTaten,wiesieinjenenTagendieGläubigenerlebten,nichtwiederkehrensollen.Undwennwirmit demselbenErfolgwiedieerstenChristenwiederbeten wollten, müssten wir nicht zuvor uns reinigen lassen von der Schuld vieler Geschlechter,die unserGewissen beschwertund verunreinigt? Die ersten Christen hatten noch nicht den Heiligen Geist so betrübt und gekränkt, wie wir und unsere Väter es getan haben; sie hatten noch nicht seinen Tempel so befleckt und verwüstet, wie es seitdem geschehen ist. Sie hatten nochnichtdenNamendesAuferstandenensoentehrt undverleugnet,wieesnachherdievielenGeschlechter der Getauften durch Sünde, Untreue, Unglauben undallerleiverkehrtesundungöttlichesWesengetan haben.

Die ersten Christen hofften auf die baldige Wiederkunft Christi und auf die Erlösung des Leibes,47 um mit Ihm, dem Auferstandenen, in verklärten Leibern auf immer vereinigt zu werden. Und sie hatten diese Hoffnung, weil sie der Welt abgestorben waren undimGeistewandelten;dennderGeististes,der da ruft: „Komm“,48 und wo das Leben Christi ist, da istauchdieSehnsuchtnachderAuferstehung.49Aber was ist aus dieser Sehnsucht, aus dieser Hoffnung geworden? Ist sie nicht wie aus der Kirche verschwunden? Nicht nur herrscht der Tod seit Jahrhundertenüber dieLeiberderer, dieGlieder desAuferstandenensind,sondernmanhatsichauchanseineHerrschaftsogewöhntunddamitbefreundet,dass mankaummehrdarandenkt,dasssieeinEndeerreichen muss, und vor dem Gedanken an die Auferstehung oder gar an die plötzliche Verwandlung der Lebendigen fast erschrickt.

 

GESCHICHTLICHER NACHWEIS DES VERFALLS VOM APOSTOLISCHEN ZEITALTER BIS AUF UNSERE TAGE

 

Doch wir wollen diese Vergleiche zwischen der ersten apostolischen Kirche und der heutigen Christenheit für jetzt liebernichtweiterverfolgen. DasGesagte genügt,uminallen,derenHerzenGottbereitet hat,dasBewusstseinunserestiefenVerfallshervorzurufen, und esmag wohl unter denen, welche einigermaßen die geistlichen Zustände unserer Zeit erkennenundfühlen,nurwenigegeben,dienichtschon mit Scham und Traurigkeit manchmal ähnliche Vergleiche gemacht haben. Aber fühlen wir diese geistliche Not, worin wir sind, wie wir sie fühlen sollten?WirdderSchadenderKirche inseinerTiefe und seinem ganzen Umfange erkannt, bereut und Gott dem HErrn Tag und Nacht geklagt?

„VonderZeitunsererVäteransindwiringroßer SchuldgewesenbisaufdiesenTag.“50Ja, HErr,wir, unsere Könige, unsere Fürsten und unsere Väter müssenunsschämen,dasswirunsandirversündigt haben.DasganzeIsraelübertratdeinGesetz,undwichen ab, dass sie deiner Stimme nicht gehorchten. DahertrifftunsauchderFluchundSchwur.“51„Wir sind weggeführt worden, dass wir nicht gehalten haben die Gebote, Befehle und Rechte, die du geboten hast deinem Knechte Mose.“52

EinesolcheSprachevorGottzuführenhattenin den vorigen Zeiten die Männer gelernt, die in den TrübsalenundNötenihresVolkesGotteszüchtigende Hand erkannten und sich Ihm und seiner Zucht in Demut undBußfertigkeit desHerzens unterwarfen. Haben dieTrübsaleund Nöteder Getauftenähnliche Früchteinunsgewirkt?SindwiraufdiesemWegeso frei geworden von Selbstsucht und Selbstgerechtigkeit,dasswiralleSelbstrechtfertigungaufgegebenhaben, nicht nur die Rechtfertigung der einzelnen Glieder,sondernauchderGesamtheitunddesTeilesder Gesamtheit, zu dem wir gehören? Sehen wir in dem eigenen Auge den Balken und in dem Auge des Bruders nur den Splitter? Fühlen die Protestanten, dass ihre Schuld größer sei als die der Römisch-Katholischen und umgekehrt? Haben wir aufgehört, irgendeineKonfessionundirgendeineKirchenpartei vor Gott zu rechtfertigen und erkennen und fühlen wir, wie wir alle, verglichen mit dem, was wir im Anfangewaren,mitdem,wasGottesKirchezuallenZeiten hätte sein können und sollen, nur auf unsere Brust schlagen können und die gemeinsame Schuld vor Gott bekennen?

Die Kinderleidenwegender SündeundUntreue derVäter.DerjetzigeZustandderChristenheitoffenbartnichtnurdieSündenundVerirrungendesjetzigen, sondern auch aller vergangenen Geschlechter derGetauften.WerdenAnfangderjetzigenVersündigung aufsuchen will, um zu erkennen, warum Gott der HErr sein Volk so geschlagen und gedemütigt hat, der muss in der Geschichte der Kirche weit zurückgehen, er muss hinaufgehen bis in die erste apostolische Zeit.

In Gottes Wort sind keine Ungenauigkeiten und keine Übertreibungen. Wenn uns die ersten Kapitel derApostelgeschichteeinsoungetrübtesBildvonder Kirche Gottes im Anfange geben, so entsprach sie auch in der Wirklichkeit dieser herrlichen Beschreibung.UndstattdiesenZustandwegleugnenoderseine großen Vorzüge schmälern zu wollen, sollten wir vielmehr in dem damals erreichten Maße innerer VollendungundnachaußensichkundgebenderKraft Gottes Treue und die Erfüllung seiner Verheißungen sehenundIhmdieEhregebenfürdengutenAnfang, den Er unter seinem Volke zu Stande brachte. Es ist aberunverkennbar,dass,wieeinstunterIsraelinder Wüste,soauchfrühzeitiginderKirchesichdieKeime der Sünde und des Abfalls zeigten, wodurch Gott genötigtwurde,seineKindermitZüchtigungenheimzusuchen, statt sie zur baldigen Erfüllung der ihnen verheißenen Herrlichkeit zu führen. Die Apostel, die größteGabedesHErrnanseineKirche,durchwelche dasgrößteMaßvonSegenderGemeindezuTeilwurde, mussten bei der Führung des ihnen anvertrauten geistlichenIsraelsähnlicheErfahrungenmachen,wie einst der Knecht Gottes Moses in der Wüste. Die Gemeinden blieben nicht in der ersten Liebe und in der innigen Sehnsucht nach dem HErrn und seiner Wiederkehr,unddieApostel,stattdasZielihrerWirksamkeit auf Erden in dieser zweiten Zukunft Christi zu erreichen,53mussten Zeugen des kommenden Abfalls werden und entschliefen warnend und weissagendvondengefährlichenZeiten,denendieKirche Gottes entgegenging.

DerselbePetrus,deramAnfangeseinerapostolischen Laufbahn im Glauben und in der freudigen HoffnungaufdiebaldigeErscheinungdervorherverkündigten Herrlichkeit des zukünftigen Reiches Christi sein Volk aufforderte, Buße zu tun und sich reinigenzulassen,damitGottden,derihnenjetztals in der Unsichtbarkeit thronend gepredigt wurde, JesumChrist,zumzweitenMalesendenmöchte:54 ihnfindenwir,amSchlussseinerapostolischenTätigkeit,imGeistedieÜberhandnahmedesVerfallsinder Kirche klar vorausschauend und vorauskündigend. Nichtnurweißer,dasserselbstnichtdieWiederkunft Christi erlebenwerde,55sondern er sieht voraus, wie diese Hoffnung unter den Christen so verschwinden werde, dass die Spötter in der letzten Zeit auf das Ausbleiben der Erfüllung trotzen und ausrufen können: „Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? Denn nachdemdieVäterentschlafensind,bleibtesalles, wieesvonAnfangderKreaturgewesenist.“56Ersieht die finstere Zeit voraus, der die Kirche nach seinem Abscheidenentgegenging,wosiewerdedesLichtsdes prophetischenWortesbesondersbedürftigsein.57Wie unterIsraeldasVerderbendurchdieUntreue58derer herbeigeführt wurde,die nicht in Gottes Namenzum Volke redeten, so werde das Verderben in der Christenheit durch die Untreue und die irdische Gesinnungderergefördertwerden,diealsLehrerundFührer dem Volke vorstehen würden.59 Er hält uns das warnende Beispiel derer vor, die in vergangenen Zeiten von Gott und seinen Wegen abfielen und mit seinenGerichtenheimgesuchtwurden,60undbeschreibt die Zustände der letzten Zeit mit Zügen, die wir nur allzu genau in der Zügellosigkeit und Ungebundenheit, in der Gottesverleugnung und Empörung, in demwollüstigen,unzüchtigenLeben,indenverführerischenLehrenvonfalscher FreiheitundinderMenschenvergötterung unserer Tage wiederfinden.61

Paulus fordert in seinem ersten Brief an die Thessalonicher die Gläubigen auf, sich in Bezug auf die einzelnen Glieder, die aus ihrer Mitte durch den Todhinweggenommenworden,damitzutrösten,dass wennnundieHoffnungderLebendenaufdieWiederkunft Christi in Erfüllung geht, die Lebenden nicht den Toten zuvorkommen werden, sondern die Toten in Christo zuerst auferstehen und dann sie, die Lebenden, mit ihnen dem kommenden HErrn entgegen gerücktwerden62:erweißinseinemzweitenBriefvon einemAbfall,dererstoffenbarwerdenmüsse,ehedie Erscheinung der Zukunft Christi stattfinden könne.63Derselbe Paulus, der seine Sehnsucht und die SehnsuchtderGläubigennichtnachderEntkleidung, sondern nach der Überkleidung, wobei das SterblichesollteverschlungenwerdenvomLeben,64in seinem zweiten Briefe an die Korinther ausspricht, und der noch in dem später geschriebenen Brief an diePhilipperaufdenHErrnvomHimmelwartet,welcher „unsern nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leibe“,65ihn finden wirvorseinemAbscheidenlautdemzweitenBriefean TimotheusineinerähnlichenLagewiePetrus.Auch er weiß, dass er nicht unter den Lebenden als Brautführer des HErrn bei seiner Wiederkunft dastehen, sondern dass er zu den Entschlafenen, zu den Wartenden unter den Toten gehören wird,66 und wie Petrus,schauterimGeistedieÜberhandnahmedesAbfalls inmitten der Kirche in der letzten Zeit.67 Gebunden im Geiste nimmt er Abschied von den GemeindenKlein-Asiens;erweiß,dasssieseinAngesicht nicht mehr sehen werden,68 und während er die Bischöfe zur Treue auffordert, sagt er es ihnen voraus, dass das Verderben der Kirche nicht von außen kommen, sondern aus ihrer eigenen Mitte hervorgehen werde.69

Während dem Petrus und Paulus der ihnen bevorstehendeTodgezeigtwurde70undsieimGeistedie kommendentrübenZeitenschauten,wurdederApostel, von dem man glaubte, dass er nicht sterben würde,71nochamLebenerhalten,dochnichtumdieWiederkehr des HErrn zu erleben, sondern es wurden ihmamSchlusseseinerapostolischenLaufbahnin prophetischen Gesichten und Bildern noch ausführlicherdieSchicksalederKircheGottesbiszumendlichen Gericht über den in ihrer Mitte entstandenen Abfall gezeigt.72

So bemerken wir an den drei Haupt-Aposteln und an dem Charakter ihres Zeugnisses vor ihrem DahinscheidendeninnerenGang,dendieGeschichte der Kirche im apostolischen Zeitalter nahm.

Das Geschlecht, das aus Ägypten kam und dazu berufen war, vom gelobten Lande Besitz zu nehmen, kam nicht hinein. Das heißt in neutestamentlicher Sprache:dieerstenChristen,welchedie