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In Wien treibt ein brutaler Serienmörder sein Unwesen. Claire Hendriksen zieht aus den bekannten Informationen Rückschlüsse auf eine japanische Rachedämonin und will den Fall untersuchen. Doch Robert Linder verweigert ihr die Teilnahme am Einsatz.Als Martin Anderson und Leila Dahlström vor Ort eintreffen, stellt sich heraus, dass der Fall nicht so einfach liegt, wie gedacht. Schnell wird klar, dass Claire von Nutzen sein kann.Daraufhin steigt Claire in einen U-Bahn Schacht voller Monster.
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Seitenzahl: 147
2901 Die andere Ebene
2902 Die Riesenwespe vom Edersee
2903 Die Ruine im Wald
2904 Das Geistermädchen
2905 Killerkäfer im Westerwald
2906 Die Stadt am Meer
2907 Gamma-Phantome
2908 Dunkles Sauerland
2909 Willkommen auf Hell-Go-Land
2910 Tempel des Todes
2911 Flussvampire
2912 Die Barriere bricht
2913 Die vier Reiter der Hölle
2914 Der Voodoo-Hexer
2915 Doktor Luzifere
2916 Im Bann des Bösen
2917 Rachehexen
2918 PSI-Schwadron
2920 Caprona-Park
2921 Böse Mädchen
Schattenchronik - Gegen Tod und Teufel
Buch 20
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© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Logo: Mark Freier
Satz: Gero Reimer
2920v1
ISBN: 978-3-7579-9530-0
Die bösen Mädchen - Personenregister
Prolog
Der Joker
Monster-Mädchen
Miss Undercover
Albtraum im Museumsquartier
Epilog
Danke!
Über den Autor
Saki, die Kuchisake-onna - ein japanischer Rachegeist, der die Verantwortung für die gestrandeten Monster-Mädchen übernimmt.
Roberta - ein mächtiger Sukkubus, der zu faul ist, die Führung zu übernehmen, und sich lieber mit ihrem Spielzeug vergnügt.
Kyra - eine Werwölfin, die gerne den einsamen Wolf spielt, aber sehr an ihren neuen Freundinnen hängt.
Mina - eine Vampirin, die sich gerne mit Kyra anlegt, obwohl sie die besten Freundinnen werden.
Zero - eine Ghoula, die gerne in den Schatten für sich selbst bleibt, aber in den Mädchen eine neue Familie gefunden hat.
Jess - die Wiedergängerin einer Ertrunkenen, die sich um die kleinsten Mädchen kümmert und Kontakt zur anderen Ebene aufbauen kann.
Charlie wankte aus dem Bricks, verfolgt von wummernden Bässen, beäugt vom dickbauchigen Türsteher. Dessen Blick ihm die ganze Verachtung entgegen schrie, die er für sich selbst empfand.
Es war traurig genug, sich als Vierzigjähriger die Nächte an den Wochenenden saufend um die Ohren zu schlagen. Aber grotesk war es, dies in einem Klub zu tun, der ab sechzehn Jahren freigegeben war und in Wahrheit nur von pubertierenden Kindern besucht wurde. Gut, er schätzte, dass die meisten Mädels da drin zwanzig oder zumindest knapp achtzehn Jahre alt waren, aber trotzdem. In einer Ecke zu sitzen, ein Bier nach dem anderen zu kippen, und diese Mädels beim Tanzen zu beobachten. Das war ...
„Ach, scheiß drauf.“ Er spuckte aus, als er um die Ecke bog. Aus den Augenwinkeln sah er den blauen Würfel mit dem weißen U, der den U-Bahn-Abgang anzeigte. Er ging lieber zu Fuß, es war nicht mal vier Uhr morgens und er wollte noch ein bisschen sein Hirn durchlüften.
Die eine mit dem knappen Top hatte ihm besonders gefallen. Sehr freizügig, wie die jungen Mädchen sich heutzutage anzogen. Da wurde nicht viel der Phantasie überlassen und wahrscheinlich auch ein bisschen nachgebessert. Er hätte sie nicht ansprechen dürfen, nicht so stockbesoffen und nicht halb sabbernd. Und er hätte sich als Karl vorstellen sollen, nicht als Charlie, wie ihn seine Kumpane aus dem Stammcafé nannten. Vielleicht hätte er sich damit ihren angeekelten Blick erspart, der ihn dann schlussendlich flüchten ließ.
Er bog wieder ab. Wo war er? So in Gedanken versunken, hatte er nicht auf den Weg geachtet. Irgendeine Seitengasse. Weit von der U-Bahn-Station konnte er nicht sein, glaubte er. Wahrscheinlich wäre es besser, wieder umzukehren und mit der Bahn zu fahren. In seinem Zustand fand er zum Schluss vielleicht gar nicht mehr nach Hause.
Als er kehrtmachte, stockte er. Dort, an der Ecke, stand eine zierliche Gestalt. Ein Mädchen? Sie stand nur da und er hatte das Gefühl, sie starre ihn an.
Im Zwielicht konnte er nur ihre Silhouette erkennen. Es gab hier keine Laternen und der Himmel war bewölkt. Von irgendwo hörte er ein Motorengeräusch, noch weiter entfernt widerhallendes Geschrei. Sehr schwach. Er schluckte.
Diese Situation kam ihm surreal vor.
Das Mädchen setzte sich langsam in Bewegung. Wie schwebend kam es in seine Richtung.
Vielleicht das Mädchen aus dem Klub?
Sei kein Trottel. In deinem Suff bildest du dir Sachen ein! Trotzdem machte er einen Schritt nach vorne. „Hallo?“, sagte er lallend. Ohne nachzudenken, fügte er hinzu: „Warum bist du alleine? Hast du dich verlaufen?“ Das Mädchen war zierlich, war sicher keine achtzehn.
Jetzt kam die Gestalt näher, er konnte Genaueres erkennen. Ein weißes Kleid, darunter kaum Rundungen zu sehen. Das Gesicht fahl und asiatisch. Pechschwarze Haare, die bis zu ihren Schultern flossen. Ein Mund-Nasenschutz verbarg die untere Gesichtshälfte. Nur tiefe dunkle Augen waren zu erkennen.
„Sprichst du Deutsch?“ Volltrottel. „Do you speak english?“ Sautrottel. Am besten, er hielt den Mund, bevor noch mehr Dummheiten daraus hervorsprudelten.
Das Mädchen blieb eine Armlänge von ihm entfernt stehen. Starrte ihn an. Dann bewegte sich der Mundschutz, als es mit seidiger Stimme sprach.
Aber er konnte die Worte nicht verstehen. Er glaubte, es war eine Frage. „Wie bitte?“
Das Mädchen wiederholte. Blieb starr.
Er wankte. Kopfschmerzen kündigten sich an. „Ich verstehe dich leider nicht.“
Das Mädchen neigte den Kopf zur Seite. Langsam hob es eine Hand und griff sich hinters Ohr, zum Gummiband des Mundschutzes. Es senkte die Stirn. Die Haare fielen ihm vors Gesicht, als es die Maske abnahm.
Er ging einen halben Schritt näher an sie heran, streckte eine Hand nach ihr aus. „Geht’s dir nicht gut, Mädchen?“
Es sagte wieder irgendetwas. Und hob abrupt den Kopf.
Sein plötzlicher Schrei wurde zu einem Kreischen, als er vor sich die entblößte Fratze sah.
Ein scharfes Messer blitzte.
Saki kletterte von den Schienen auf den Bahnsteig, nachdem sie den vollen Sack hinaufgewuchtet hatte. Ihre Maske verrutschte, sie zog sie wieder gerade. Auch wenn sie alle hier unten Monster waren, ihr grässliches Maul musste sie deswegen trotzdem nicht auf dem Präsentierteller tragen.
Sie hievte den Sack wieder auf die Schultern. Das Blut hatte sich in den Stoff gesogen, der von dem eingetrockneten Lebenssaft ihrer früheren Opfer schon steif war. Er war nicht schwer. Nicht für sie. Außerdem nahm sie nie alles mit, nur die Teile, wo am meisten dran war. Barfuß ging sie über den rauen Asphalt der verlassenen U-Bahn-Station, durch das Loch in der Wand aus Pressholzplatten und hinauf über die Stiegen zur Halle mit ihren verwahrlosten Geschäften und Imbissbuden.
Auf dem Boden hockten ein paar ihrer Freundinnen. Sie sahen auf, als sie näher kam. Gelbe, rote und stechend grüne Augen.
„Saki!“ Jess sprang auf. „Wir haben uns Sorgen gemacht!“
„Hat diesmal länger gedauert, bis ich einen in die Ecke drängen konnte, ohne gesehen zu werden.“ Sie stellte den Sack ab. „Das sollte für alle reichen, zumindest ein paar Tage lang. Wo sind Mina und Kyra?“
Jess streckte die Hände nach dem Sack aus, zuckte allerdings zusammen, als Saki die beiden anderen Mädchen erwähnte. Sie murmelte: „Tut mir leid, Saki ...“
„Was tut dir leid?“
„Kyra hat’s nicht mehr ausgehalten.“ Roberta stand ebenfalls auf, wie immer sprach sie sehr schleppend. „Sie hat gesagt, sie hat Hunger und will selbst was jagen. Mina ist ihr nach, um sie aufzuhalten.“
„Wann war das?“ Verdammt. Ich muss sie aufhalten!
„Ist keine zehn Minuten her.“
Scheiße, ich hätte mich mehr beeilen müssen. Saki wurde hektisch, aber sie zwang sich zur Ruhe. „Welchen Ausgang haben sie genommen?“
„Den da?“ Jess zeigte zu den Stiegen, die zum Museumsquartier führten.
Saki nickte. „Ich bin gleich wieder da. Zero, komm mit. Du hast eine bessere Nase als ich.“
Von irgendwo aus der Dunkelheit jenseits ihrer Gruppe kam die Antwort: „Von mir aus.“
„Ihr andern könnt derweil essen. Jeder hält sich an die abgemachten Rationen.“
* * *
Am oberen Ende der Stiegen angelangt, hielten sie inne. Die Morgendämmerung lag schon in der Luft, die Nacht war nicht mehr schwarz, sondern färbte sich nach und nach blau. Hier und da sah Saki die ersten Menschen durch die Straßen ziehen, entweder Frühaufsteher oder Heimkehrer. Glücklicherweise schienen alle noch zu verschlafen oder zu erschöpft, um ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Eine junge Frau in weißem Kleid und Mundschutz und ein in Fetzen gekleidetes Wesen mit wolfsähnlicher Schnauze und gelben Augen.
„Da lang.“ Zero knurrte und nickte nach rechts, zu einem der Torbögen, die in den Komplex des Museumsquartiers führten.
Sie durften keine Zeit verlieren. Zero lief geduckt voran. Es wirkte, als wolle sie sich gleich auf ihre Arme fallen lassen, um auf allen Vieren wie ein Tier zu spurten. Aber das tat sie nie.
Durch den Torbogen hinein in das Labyrinth aus großen und kleinen Höfen, umringt von den Mauern des Gebäudekomplexes. Überall Fenster, die herunter starrten, und die Gastgärten der hiesigen Lokale. Durch manche Fensterwand sah Saki bereits Lichter. Sie mussten ihre Freundinnen schnell finden.
Zero schlug einen Haken. Und einen zweiten, als würde sie eine wirre Fährte verfolgen. Nicht lange allerdings und Saki hörte gedämpfte Stimmen. Es klang wie eine Diskussion, dazwischen Gewimmer. Es wurde lauter. Mädchenstimmen, eine sehr kühl, die andere mit tierischem Einschlag. Um die nächste Ecke herum, in einem weiteren dunklen Torbogen, fanden sie ihr Ziel. In einer Ecke kauerte ein junger Mann. Er blutete am Kopf und hielt seinen Arm, seltsam zur Seite geknickt, an den Körper gepresst. Auf dem Boden unter ihm bildete sich eine rote Lache. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte er auf das ungleiche Frauenpaar vor ihm, während er sich mit dem Rücken gegen die Wand drückte. Ein scharfer Geruch verriet Saki, dass er sich vor Angst eingenässt hatte.
Vor ihm stritten sich Mina und Kyra.
Die Vampirin Mina hielt sich aufrecht und arrogant wie immer. Ihre Gothic-Kleidung hatte in den letzten Tagen gelitten. Das schwarze Mieder war staubig, die roten Spitzen, die an den Brustansätzen herausragten, wirkten nicht mehr besonders neckisch. Einen ihrer Strapse hatte sie irgendwo verloren. Ihre Frisur war ungekämmten Fransen ähnlicher als dem Sidecut mit verwegenem Scheitel, der ihr zu Beginn übers linke Auge gehangen war.
Kyra hingegen hatte sich halb verwandelt. Statt dem Mädchengesicht verzerrte eine halb entwickelte Wolfsfratze mit blondem Lockenkopf ihre Schönheit. Die Klauenhände, die aus den Ärmeln des dünnen Wollpullovers ragten, waren blutig. Aus ihrem Maul troff Geifer. „Sollen wir etwa hier verhungern?“, sagte sie knurrend. „Was ist, wenn Saki diesmal nicht zurück...“
„Ich bin hier.“ Saki versuchte, so viel Eiseskälte wie möglich in ihre Stimme zu legen. „Was ist hier los?“ Sie spürte, wie Zero sich an ihre Seite stellte. Die Ghoula konnte das Blut des Mannes intensiver riechen als die anderen drei. Das kaum unterdrückte Schnüffeln aus ihren Nüstern verriet sie. Es war gierig. Saki hoffte, dass sich das Mädchen zurückhalten konnte.
Mina verschränkte die Arme. „Ich hab dir gesagt, dass sie wiederkommt. Du bist einfach zu ungeduldig. Ihr russischen Wölfe seid ja noch schlimmer als unsere ...“ Immer die gleichen Sticheleien. Minas britisches Ressentiment ließ auf aristokratische Abstammung schließen, aber niemand von ihnen hatte bisher viel von ihrer jeweiligen Vergangenheit erzählt.
Kyra stieß einen raspelnden Laut aus. „Ich habe Hunger. Die Rationen, die uns Saki vorschreibt, reichen nicht. Wer hat sie überhaupt zur Anführerin gemacht, sie ...“
Saki wollte es nicht tun, aber in ihrer zusammengewürfelten Gruppe gab es leider Persönlichkeiten wie Kyra, deren Respekt und Unterwürfigkeit man nur mit körperlicher Überlegenheit gewinnen konnte. Sie musste nicht nachdenken. Sie handelte nur. Es dauerte einen Wimpernschlag und sie stand eine Nasenlänge von der Werwölfin entfernt, die Messerklinge nah an deren Kehle. Den Mundschutz hatte sie fallen lassen.
Der Mann an der Wand kreischte wie ein Kind, als er ihre hässliche Fratze sah. Den ununterbrochen grinsenden Mund, dessen Winkel bis hinauf zu den Ohrläppchen reichten.
„Du Idiotin bringst uns alle in Gefahr mit deinen unüberlegten Aktionen.“ Saki sprach betont leise. Das Wimmern des Menschen begann sie zu stören. Wie beiläufig sagte sie etwas lauter: „Zero. Stell das Ding dort ab.“
Ein Knurren, ein Knirschen, ein letzter Schrei. Saki wandte ihren Blick nicht von Kyra ab, die immer noch wie erstarrt stand. Sie musste das Messer an ihrer Kehle beinahe spüren, es war nur einen Millimeter von ihrer Haut entfernt.
„Bring sie um. Dann sind wir ihre Dummheit endlich los“, ätzte Mina.
Schweißtropfen drangen aus den noch menschlichen Poren auf der Stirn der halb verwandelten Werwölfin. Ihre Augen blickten hektisch zur Seite, wo Mina stand.
Saki war versucht, es zu tun. Kyras unberechenbarer Leichtsinn konnte alles zerstören, alle ihre Bemühungen zunichtemachen. Man würde sie finden und jagen. Überall gab es Menschen, die wussten, dass es Wesen wie sie gab. Und die wussten gleichzeitig auch, wie man sie vernichten konnte. Um sich selbst machte sie sich keine Sorgen. Sie existierte schon lange, sie war kein Mädchen mehr, auch wenn sie so aussah. Aber die anderen konnte sie nicht beschützen, wenn solche Mörder zu ihnen kämen.
Die Stimme Zeros riss sie aus den Gedanken. „Saki. Wir sollten uns langsam verziehen. Ich rieche und höre immer mehr Menschen. Die Sonne geht auf.“
Saki ließ noch eine Sekunde verstreichen, dann stand sie wieder eine Armlänge von Kyra entfernt, ohne Messer und mit dem Mundschutz vor dem Gesicht. „Mach das nie wieder, Kyra, oder ich vernichte dich. Ich bin mächtiger als du, ich brauche kein Silbermesser oder sonstiges Spielzeug, um ein minderes Wesen wie dich umzubringen.“ Sie blickte zu Mina und Zero. „Ihr beiden nehmt den Kadaver. Wir können ihn nicht liegen lassen. Tragt ihn zwischen euch, als wäre er eine Alkoholleiche. Das fällt hier nicht auf. Kyra und ich halten uns nah bei euch. Verwandle dich mal zurück, Mädchen. Mit etwas Glück beachtet uns keiner.“
Als sie auf diese Art zu ihrem Versteck schlichen, ertappte sich Saki dabei, dass sie Kyra in gewisser Hinsicht dankbar war. Die Mädchen sahen im Vergleich zu früher schlecht aus. Als sie sich alle hier kennengelernt hatten, ohne Orientierung, ohne Hoffnung und voller Angst. Obwohl sich ihr Instinkt dagegen sträubte, eine vollständige Leiche mitzunehmen, konnte ihnen die zusätzliche Portion helfen. Sie hatte diesen Menschen nicht selbst umgebracht, sie musste keine Unterschrift hinterlassen. Und vielleicht konnte Saki das Fleisch so rationieren, dass sie etwas länger ohne Jagd auskämen. Vielleicht.
* * *
Der Joker hält Wien in Atem!
Wie der Redaktion mitgeteilt wurde, hat der Joker in der Nacht vom 3. zum 4. Juli erneut zugeschlagen. Diesmal unweit der U-Bahn-Station Taborstraße im 2. Wiener Gemeindebezirk. Die Polizei gibt keine Details heraus, aber unsere Quellen bestätigen, dass es sich wahrscheinlich um den gleichen Täter handelt, der seinen Opfern die Mundwinkel bis zu den Ohren aufschlitzt, Gliedmaßen abtrennt und innere Organe entnimmt. Über den Ermittlungsstand schweigt sich die Polizei aus, aber sie warnt die Bevölkerung eindringlich davor, bei Dunkelheit allein aus dem Haus zu gehen, und empfiehlt, menschenleere Gegenden zu meiden.
So und so ähnlich klangen alle Schlagzeilen der österreichischen Zeitungen am darauffolgenden Tag.
* * *
Claire Hendriksen blätterte um. Ein bisschen fragte sie sich schon, warum in diesen Mangas die Frauen immer Topmodel-Körper und Atombusen haben mussten. Irgendwie totaler Sexismus. Das war ja unrealistisch. Andererseits kam ihr Leila Dahlström in den Sinn, die ja in gewissem Sinne von einem Mangaka entworfen hätte sein können. Die schwedische Schattenchronikagentin konnte als Topmodel durchgehen, oder als Schauspielerin. Jedenfalls würde man im echten Leben nie erwarten, dass so eine attraktive Frau tatsächlich eine kampferprobte Agentin war.
Claire legte den Manga, auf dessen Cover eine rosahaarige Dämonin mit Riesenmaul abgebildet war, zur Seite und stand vom Bett auf. Ihr Zimmer in der Zentrale von Bad Berleburg war spartanisch eingerichtet, grau in grau, und sah mehr wie ein Bunker als ein tatsächlicher Lebensraum aus. Aber sie hatte einen Spiegel hier und reichlich Platz in den Regalen, um ihrer kleinen Sammelleidenschaft nachzugehen. Diese japanischen Comics lasen sich schnell, waren fast immer spannend und lustig und erzählten Geschichten, mit denen sie sich oft identifizieren konnte. Manchmal banalisierten oder sexualisierten sie Dinge, die sie bei der Schattenchronik tagtäglich mitbekam, und das war gut so. Es nahm den Stachel des Ernstes und verleitete ein wenig zum Träumen.
War es so vermessen, anzunehmen, dass sie auch einen attraktiven jungen Normalo auf einer ihrer Missionen kennenlernen könnte, mit dem sie zusammenarbeiten müsste, um die Welt, oder zumindest irgendjemanden zu retten? Unterdessen würden sie sich ineinander verlieben und ... Ja, was dann? Claire seufzte. Ein gewöhnlicher Normalo konnte das alles hier, was ihren Alltag ausmachte, sicher nicht akzeptieren. Klar, es war nicht ausgeschlossen, dass jemand es versuchen würde, der vielleicht wie sie von einer ähnlichen Geschichte träumte. Aber irgendwann würde ein solcher Kerl aufgeben. Menschen ohne besondere Fähigkeiten oder Ausbildung waren zu schwach, eine Frau wie sie zu daten. Sie brauchte einen starken Mann an ihrer Seite, wenn überhaupt.
So ein Typ wie Mick Bondye vielleicht, aber die Schwärmerei für ihn war eine Dummheit gewesen. Was sollte sie mit einem Mann, der in einer Plastikröhre schlief und sich hauptsächlich von Tierblut ernährte, wenn er keinen Mörder hatte, den er verspeisen konnte? Außerdem hatte Cassy, die Ebenenwechslerin, starkes Interesse an dem Voodoo-Vampir.
Wieder seufzte Claire. Das tat sie oft in letzter Zeit. Sie betrachtete sich im Spiegel. Sie selbst sah auch so aus, als wäre sie einem Manga entsprungen. Sie wirkte immer noch wie ein Cheerleader mit der gebräunten Haut und den blauen Augen. Aber war so ein Ponyschnitt überhaupt noch in? Sollte sie sich die Haare rosa färben, wie die Haarfarbe der Dämonin auf dem Manga-Cover? Lieber nicht, das passte nicht zu ihr. Sie seufzte wieder. Wo sollte sie außerhalb der Schattenchronik einen Typen kennenlernen? Und Arbeitskollegen daten? Davon rieten einige Influencer ab, denen sie auf social media folgte. Andere sahen nichts dabei. Doch bei denen ging es nur um langweiligen Büroalltag. Wenn es da nicht miteinander funktionierte, dann ging man sich einfach aus dem Weg. Aber was, wenn man mit der Ex-Affäre plötzlich auf Dämonenjagd war? Da standen schließlich Leben auf dem Spiel.