Schattenthron 2: Bringerin des Lichts - Beril Kehribar - E-Book
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Schattenthron 2: Bringerin des Lichts E-Book

Beril Kehribar

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Beschreibung

Endlich der Folgeband des SPIEGEL-Bestsellers »Schattenthron 1: Erbin der Dunkelheit«! **Bewahre dein Herz vor der Dunkelheit des Kronprinzen …** Ins Reich der Schatten zu gelangen und dessen Kronprinz Ilias aufzusuchen, hat Kaaya mehrmals an ihre Grenzen gebracht und wäre ohne ihre Freunde undenkbar gewesen. Doch sie haben es geschafft: Arian wurde gerettet. Nun gibt es größere Sorgen, denn der unvermeidbare Krieg rückt immer näher und Kaaya spielt eine gewichtige Rolle darin. Schon bald steht sie zwischen den Fronten und muss sich nicht nur zwischen Licht und Schatten entscheiden, sondern auch, ob sie bei Arian bleibt, oder dem Prinzen hinterherreist, an den sie ihr Herz zu verlieren droht … Folge deinem Schicksal und entdecke dein inneres Licht. Persönliche Leseempfehlung von Mallak, der bekannten Bloggerin von @endlessbookworld: »Episch, fesselnd, herzzerreißend: ›Schattenthron‹ hat mir wieder gezeigt, weshalb ich Fantasy so liebe – es ist DIE Neuerscheinung des Jahres 2022!« //Dies ist der zweite Band der magischen Dilogie »Schattenthron« von Beril Kehribar. Alle Bände der Fantasy-Liebesgeschichte: -- Schattenthron 1: Erbin der Dunkelheit -- Schattenthron 2: Bringerin des Lichts// Diese Reihe ist abgeschlossen.  Beril Kehribar ist eine der bekanntesten Buchbloggerinnen Deutschlands. Auf ihrem Instagram-Account @berilria.books schreibt sie über besondere Geschichten, wunderschöne Schmuckausgaben und alles, was sie in der Welt der Fantasy und Romance inspiriert und fasziniert. Ihr Debütroman »Schattenthron. Erbin der Dunkelheit« schaffte es ab der ersten Verkaufswoche auf die SPIEGEL-Bestsellerliste.

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ImpressDie Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Beril Kehribar

Schattenthron: Bringerin des Lichts

Ins Reich der Schatten zu gelangen und dessen Kronprinz Ilias aufzusuchen, hat Kaaya mehrmals an ihre Grenzen gebracht und wäre ohne ihre Freunde undenkbar gewesen. Doch sie haben es geschafft: Arian wurde gerettet. Nun gibt es größere Sorgen, denn der unvermeidbare Krieg rückt immer näher und Kaaya spielt eine gewichtige Rolle darin. Schon bald steht sie zwischen den Fronten und muss sich nicht nur zwischen Licht und Schatten entscheiden, sondern auch, ob sie bei Arian bleibt, oder dem Prinzen hinterherreist, an den sie ihr Herz zu verlieren droht …

Buch lesen

Vita

Danksagung

© privat

Die gebürtige Berlinerin Beril Kehribar ist eine der bekanntesten Buchbloggerinnen Deutschlands. Auf ihrem Instagram-Account @berilria.books schreibt sie über besondere Geschichten, wunderschöne Schmuckausgaben und alles, was sie in der Welt der Fantasy und Romance inspiriert und fasziniert. »Schattenthron. Erbin der Dunkelheit« ist ihr mit Spannung erwarteter Debütroman.

Für Melinda und Ela,weil ich euch meine Geschichten vorlesen durfte,als wir noch Kinder waren.

Heute könnt ihr sie selbst lesen, und ich könnte nicht stolzer sein auf die jungen Frauen, die ihr inzwischen seid.

Decode – Paramore

Shadows – Sabrina Carpenter

Bad Dream – Ruelle

You – The Pretty Reckless

Demons – Imagine Dragons

Fear on Fire – Ruelle

everything i wanted – Billie Eilish

Last Goodbye – The Hot Damns (feat. Smokey Jones)

Lovers Death – Ursine Vulpine, Annaca

Diminuendo – Lawless (feat. Britt Warner)

My Demons – Starset

Phoenix – League of Legends, Cailin Russo, Chrissy Costanza

Without You – Ursine Vulpine, Annaca

Empires – Ruelle

Warriors – League of Legends, 2WEI, Edda Hayes

Winter’s Song – Tommee Profitt (feat. Fleurie)

Goodbye – Ramsey, Arcane, League of Legends

Heroes Never Die – UNSECRET, Krigarè

Kaaya

»Arian, nein, bitte nicht!« Mit aller Kraft versuchte Kaaya ihren Freund von sich herunterzuschieben. Doch sie schaffte es nicht, war zu sehr in dem Albtraum gefangen, der so unerwartet über sie hereingebrochen war. Das Entsetzen in ihr nahm immer weiter zu, während Arian seine Zähne tiefer in ihre Halsbeuge grub und von ihr trank. Ihr Blut trank.

»Arian …« Was geschah hier? Warum tat er das? Heiße Tränen brannten hinter ihren Augen und bahnten sich schließlich unerbittlich einen Weg über ihre Wangen. Mühsam unterdrückte sie ein Schluchzen und stemmte sich erneut gegen den schweren Körper über ihr. Vergeblich.

Vor wenigen Augenblicken noch hatte ihr Herz vor Aufregung geflattert, weil sie ihn endlich zurückhatte. Weil sie sich näher gekommen waren … Und jetzt pochte es vor Angst.

Gleichzeitig war da Müdigkeit. Eine bleierne Müdigkeit, die sie mit sich in den Abgrund zu reißen drohte, als das Blut warm und nass ihren Hals hinabrann und die Pritsche unter ihr tränkte.

»Arian, bitte«, flüsterte sie.

Das schmatzende Geräusch verstummte abrupt und ganz langsam hob Arian den Kopf. Ihr Blut hob sich tiefrot von seinem schneeweißen Gesicht ab und tropfte von seinen spitzen Eckzähnen auf sie herab.

Tropf.

Eine Mischung aus Unglauben und Verlangen stand in seinen Zügen geschrieben.

Tropf.

Tiefschwarze Augen, die wie dunkle Eissplitter waren.

Tropf.

»Arian?« Kaayas Herz hämmerte weiterhin panisch gegen ihren Brustkorb und ließ ihre Stimme erzittern.

Endlich, endlich schien sie etwas in ihm auszulösen. Das Eis schmolz, sein Blick wurde weicher, der Griff um ihre Handgelenke lockerer.

»Kaaya …« Er sprach ihren Namen so vorsichtig aus, als hätte er Angst, sie zu erschrecken.

Gerade wollte sich trügerische Hoffnung in ihren Gliedern ausbreiten, da flog die Tür zum Schuppen auf.

»Ist alles in Ordnung? Ich habe Schreie ge-« Oriana verstummte schlagartig, als sie erkannte, was sich da vor ihren Augen abspielte. Wie angewurzelt blieb die Elfe im Türrahmen stehen.

Aber bevor Kaaya reagieren konnte, bewegte sich Arian über ihr. Sie riss den Kopf herum und beobachtete voller Grauen, wie sich sein Gesicht innerhalb eines Wimpernschlags zu einer Fratze verzog. Nichts an ihm erinnerte mehr an den liebevollen, frechen Jungen, der er vor Pertheas’ Angriff gewesen war.

Gefährlich ruhig wandte er sich zu seiner Tante um. »Verschwinde.« Die Kälte in seiner Stimme ging ihr durch und durch.

Doch Oriana ignorierte seine Aufforderung, löste sich aus ihrer Starre und trat einen Schritt näher, was Arian ein Fauchen entlockte. Kaaya erschauderte bei dem Anblick, wie er auf ihr saß und sie verteidigte wie seinen Schatz. Nein, wie seine Beute.

»Arian, bitte«, sagte die Elfe ruhig. »Das willst du nicht. Geh runter von ihr. Komm zu mir.«

Arian leckte sich genüsslich über die Lippen, starrte seine Tante eine gefühlte Ewigkeit an … und stieg dann tatsächlich von der Liege.

»Oriana, nicht, renn weg!«, rief Kaaya, aber es war zu spät.

Mit einem gewaltigen Sprung stürzte Arian sich auf die Elfe und riss sie mit sich zu Boden.

»Arian, was –«, begann diese und verstummte abrupt, als seine scharfen Eckzähne aufblitzten.

»Oriana«, krächzte Kaaya, »wir müssen ihn aufhalten.« Obwohl sie sich kaum bewegen konnte, stützte sie sich auf ihre Ellenbogen, doch ihre Arme gaben keine Sekunde später unter ihr nach.

Die Elfe reagierte noch im selben Moment. Sie befreite eine Hand aus Arians Griff und schlug fest auf den Boden. Kaaya konnte erkennen, dass sich ihre braunen Augen dabei waldgrün färbten, und nur einen Atemzug später erzitterte der Schuppen. Ranken schossen aus dem Boden empor und wickelten sich um Arians Hals und Oberkörper. Schwer atmend kroch Oriana unter ihm hervor, begleitet von seinem protestierenden Fauchen.

»O Götter«, flüsterte Kaaya. Während sie gegen das Grauen ankämpfte, das Besitz von ihr ergriffen hatte, hastete Oriana zu ihr herüber.

»Geht es dir gut?« Ihr Blick flog über die Pritsche mit den tiefroten Flecken. »Du hast viel Blut verloren. Lass mich dir helfen.« Sie berührte Kaayas Gesicht, murmelte leise Worte. Grünes Licht trat aus ihren Händen und langsam zogen sich die schwarzen Flecken aus ihrem Sichtfeld zurück. Erdmagie war keine Blutmagie, mit der man Wunden in Sekundenschnelle hätte heilen können, aber sie sorgte dafür, dass Kaaya sich ein bisschen besser fühlte. Gestärkt. Am liebsten hätte sie sich dieser Wärme ewig hingegeben, doch plötzlich nahm sie eine Regung hinter der Elfe wahr.

»Oriana, Vorsicht!«, schrie sie voller Angst.

Nachdem die Elfe ihre Konzentration von Arian weg- und zu ihr hingelenkt hatte, war es ihm anscheinend gelungen, sich von den Ranken zu befreien. Er hatte sich aufgerichtet und sah aus dunkel funkelnden Augen zwischen ihnen hin und her. Arian atmete schwer, rührte sich aber nicht. Noch nicht.

»Feuer hält ihn zurück!«, rief Kaaya. Sie erinnerte sich daran, dass Ilias gesagt hatte, Feuer sei die größte Schwäche der Umbren.

Umbren.

Das war das Erste, was ihr durch den Kopf geschossen war. Denn Pertheas, der Herrscher des Nebulums, hatte sich darauf spezialisiert, die Seelen der Menschen zu stehlen, um sie in bluthungrige Schattendämonen zu verwandeln, die ihm hörig waren. Der Seelenmagier musste etwas mit Arians Seele gemacht haben. Wahrscheinlich hatte er sie manipuliert, sie vorbereitet auf das, was unmittelbar hätte folgen sollen. Seine Verwandlung.

Hitze wallte durch den Schuppen, als Oriana einen Feuerring um sich und Kaaya schuf, um Arian auf Abstand zu halten. Es zeigte tatsächlich Wirkung. Arian taumelte zurück, bis er gegen die Wand in seinem Rücken stieß.

»Was habe ich getan?«, wisperte er.

Mit klopfendem Herzen sah Kaaya zu ihm hoch. War er wieder er selbst?

»Arian.« Hastig zupfte sie ihre verrutschte Bluse zurecht und glitt von der Liege. Kaum war sie auf den Beinen, drehte sich der Raum um sie. Erdmagie war eben doch keine Blutmagie. Während sie versuchte den Schwindel in den Griff zu bekommen, bemerkte sie aus dem Augenwinkel, wie Arian auf sie zuraste. Aber das Feuer … Würde es ihn nicht verletzen? Sie wollte nicht, dass er sich wehtat …

»Nein!«, hörte sie Oriana schreien, die anscheinend das Schlimmste befürchtete.

Doch Arian griff sie nicht an. Stattdessen sprang er durch die Flammen und schlang die Arme um Kaayas Körper, um zu verhindern, dass sie fiel.

»Ich hab dich«, flüsterte er ihr ins Ohr. Dann wurde alles schwarz.

___

Ilias

»Bitte seid vorsichtig.«

Honigfarbene Augen, die besorgt zu ihm hochblickten und jegliche Hemmungen hinwegfegten. Ilias erschauerte, als er daran dachte, wie er Kaaya in den Arm genommen hatte. Wie er sie geküsst hatte. Fast geküsst hatte. Sie war unter seiner Berührung erzittert. Sein Name auf ihren Lippen, ihre Haut unter seinen Fingern.

Er seufzte leise.

»Woran denkst du?« Kians Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

Das Gesicht von Kaaya verblasste langsam und ließ ihn wieder seine Umgebung wahrnehmen. Der Morgennebel hatte sich gelegt, aber die Luft war trotzdem kühl. Auf ihrem Weg durch den Erlenwald hatten sie eine kleine Lichtung gefunden und eine Rast eingelegt, jetzt, wo die Sonne hoch oben am Himmel stand und sie Gefahr liefen, entdeckt zu werden. Schattenelfen in Eseria. Noch immer konnte Ilias nicht fassen, dass er wirklich hier war. Entkommen aus der Gefängniswelt, in der nur Dunkelheit und Schatten existierten. Und in die sie jetzt zurückkehren mussten, um Neahs Körper mitzunehmen. Neah … Bei dem Gedanken an seine Seelengefährtin zog sich etwas in ihm schmerzhaft zusammen.

Die Aussicht darauf, den Riss zwischen den Welten erneut betreten zu müssen, machte es nicht besser und weckte zwiespältige Gefühle in ihm. Nur widerwillig ließ er die Sonne, das Licht und vor allem Kaaya zurück. Doch Neahs Körper in Sicherheit zu bringen war das Einzige, was zählte – auch wenn es bedeutete, seinem Vater zu begegnen. Dem Mann, der versucht hatte Neah zu töten. Sie hatte sterben sollen, weil Pertheas ein machthungriger, gewissenloser Bastard war.

Er rammte seine Faust in den Boden. »Daran, meinen Vater umzubringen.«

»Ich helfe dir allzu gerne dabei.« Mordlust spiegelte sich in Kians roten Augen wider.

Genauso wie er war sein bester Freund entsetzt darüber, was Pertheas über viele Jahre hinweg im Geheimen getrieben hatte. Dutzende unschuldige Elfen hatten ihre Leben opfern müssen, damit der König eine unerschöpfliche Magiequelle besaß. Und das nur, um seine absolut wahnsinnige Idee von einer Armee voller Schattendämonen verwirklichen zu können. Einer Armee, die imstande wäre, die Lichtelfen zu unterwerfen und Eseria für sich zu beanspruchen. Doch sie hatten dem Treiben seines Vaters rechtzeitig ein Ende gesetzt. Pertheas’ Schmiede war zerstört. Nur leider war der König immer noch irgendwo dort draußen, denn er hatte Kaayas tödlichen Angriff überlebt.

Kaaya …

Ilias ließ den Kopf gegen den Baumstamm sinken, an den er sich gelehnt hatte, um sich auszuruhen.

»Und woran denkst du wirklich?«, bohrte Kian weiter nach.

Ilias seufzte, dann hob er einen Mundwinkel. »Du kennst mich zu gut.«

»Wir sind zusammen aufgewachsen. Was wäre ich für ein Freund, wenn ich dich nicht gut kennen würde? Außerdem hast du diesen speziellen Gesichtsausdruck.«

»Gesichtsausdruck?« Er hob eine Braue und sah Kian fragend an.

»Neah.« Sein Freund zuckte mit den Schultern, bevor er den Gedanken zu Ende führte. »Immer wenn du an sie denkst, hast du eben diesen … speziellen Gesichtsausdruck.«

Sein Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Er hatte nicht an Neah gedacht. Nicht direkt zumindest.

»Ilias, sprich mit mir.«

»Angenommen, sie will nicht in ihren Körper zurück. Was dann?« Er hatte sie laut ausgesprochen. Die Frage, die ihn quälte, seit sie erfahren hatten, dass Neahs Seele nicht gestorben war. In Kaaya war.

Kian legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ilias«, begann er vorsichtig, »du hast bis vor ein paar Tagen gedacht, sie wäre tot. Fort. Für immer. Aber sie ist noch da. Verstehst du?«

Ja, er verstand. Neah war noch da. Nicht tot, nicht fort. Da. Sie lebte. Dieser Gedanke erfüllte seine Brust mit einer Wärme, die ihn zu übermannen drohte.

»Natürlich«, antwortete er schließlich. Es war egal, wie sie aussah. Es war egal, ob sie ihn liebte. Es war egal, wenn sie sich nicht mehr an ihn erinnerte. Es war egal, auch wenn es ihn tief in seinem Innersten schmerzte. »Wir müssen ihren Körper trotzdem von dort wegbringen. Ich will nicht, dass sie bei ihm ist.«

Kian ballte die Hände zu Fäusten. »Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Niemals.«

Ilias hatte seinem Freund erzählt, was in der Seelenschmiede vorgefallen war. Pertheas hatte ihn angegriffen – seinen eigenen Sohn. Und weil er fest davon ausgegangen war, dass er ihn und Kaaya töten würde, hatte er gestanden, was er vor sieben Jahren getan hatte.

»Du weißt bis heute nicht, wer sie war, oder? Ihr Name war Neah Ularen. Sie war die Tochter von Eldan. Die eigentliche Thronerbin unseres Reiches.« Pertheas hatte ihm ihren Namen direkt vor die Füße gespuckt. »Sie wäre die mächtigste Elfe des Nebulums geworden. Sie hätte ihren Thron eingefordert und man hätte mich als Thronräuber geschimpft. Ich habe sie getötet. Ich hatte keine andere Wahl!«

Ilias schüttelte den Kopf, um die schrecklichen Erinnerungen zu verdrängen. »Ich schon«, erwiderte er heiser. »Er ist besessen von Macht.«

»Und Rache.«

Geräuschvoll atmete Ilias aus. »Ich frage mich, wieso mir all das nicht eher aufgefallen ist. Wie konnte ich zulassen, dass er hinterrücks Dämonen erschafft? Wie konnte ich so blind sein?«

»Er ist und bleibt dein Vater, Ilias. Er hat dir nie einen Grund gegeben, misstrauisch zu sein. Das Wichtigste ist, dass wir es jetzt wissen. Denn noch haben wir die Möglichkeit, den Krieg zu verhindern.«

»Seinen persönlichen Rachefeldzug.« Ilias schnaubte. »Ich kann nicht glauben, dass er ihm wichtiger ist als Tausende von Leben.« Denn obwohl die Schmiede und der Seelenbrunnen zerstört waren, gab es weiterhin unzählige Umbren, die Pertheas hörig waren. Und vermutlich würde er erneut willige Elfen finden, deren Essenzen er missbrauchen konnte, um sich selbst zu stärken.

»Verletzter Stolz. Den sollte man nicht unterschätzen. Nicht bei einem wie Pertheas. Als Eldans Lehrling hat er lange genug in dessen Schatten gestanden. Schließlich ist Eldan nach der Verbannung ins Nebulum von allen Schattenelfen wie eine Gottheit verehrt worden.«

Ilias dachte an seinen Vater. »Schwierig, einen anderen Gott zu akzeptieren, wenn man sich selbst für einen hält.«

»Ich fürchte, das ist etwas, das den Seelenmagiern mit in die Wiege gelegt wird. Sie sind dabei, auszusterben. Natürlich fühlen sie sich besonders.«

Er ließ Kians Worte auf sich wirken. Ja, Seelenmagier waren einst von anderen Magiern gejagt und beinahe ausgelöscht worden. Da sie ihre Magie so formen konnten, wie sie wollten, waren sie so stark, dass sie von Zeit zu Zeit dem Wahnsinn verfielen und zur Bedrohung wurden. Die wenigen Überlebenden, von denen sein Vater inzwischen der Letzte war, hatten um ihre Macht gewusst und sie klug genutzt. Wobei er nicht mehr der allerletzte Seelenmagier war … »Neah war nicht so«, entgegnete er dann.

»Sie wusste ja auch nicht, dass sie eine Seelen-Affinität hat.« Kian tätschelte ihm die Schulter.

Nickend schloss Illias die Augen und wollte noch etwas die Ruhe genießen, bevor sie wieder aufbrachen. Tief sog er die Luft Eserias in seine Lungen. Selbst die war hier anders.

»Wollen wir weiter?«, fragte Kian irgendwann und reichte ihm die Hand.

Ilias ergriff sie und zog sich an ihr hoch, doch sobald er auf seinen Füßen stand, verlor er beinahe das Gleichgewicht. Schmerz durchfuhr ihn und er stöhnte auf.

»Was ist los?« Kian klang alarmiert.

»Ich weiß es nicht.« Er fasste sich an die Brust. »Irgendetwas stimmt nicht.« Mit zitternden Fingern knöpfte er sich das Hemd auf.

»Da ist nichts«, stellte Kian fest.

Auch Ilias sah an sich hinunter, tastete seinen Oberkörper ab. »Es ist mein Herz«, keuchte er, während Angst in seine Glieder kroch. Die Ursache seiner Schmerzen schien greifbar, und doch konnte er sie nicht benennen.

Kian blickte um sich, aber hier war niemand, der sie angreifen könnte. Kein Blutmagier außer ihm. Und Krankheiten kannten sie als Elfen nicht. Ihre Körper waren immun.

»Wird es besser?«

Erst schüttelte er den Kopf, dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Fausthieb in den Magen und schnürte ihm die Luft ab. »Kaaya!« Kian schaute sich daraufhin noch einmal um, als würde er sie irgendwo entdecken können. »Nein«, keuchte Ilias. »Ihr ist etwas zugestoßen.« Und als ob sein Körper es ihm bestätigen wollte, ließ der Schmerz allmählich nach. Ohne zu überlegen, hastete er auf sein Pferd zu und schwang ein Bein darüber. Innerhalb weniger Sekunden hatte er die Zügel gepackt und sah zu Kian runter: »Ich muss zurück.«

»Aber was … Bist du dir sicher?«

»Ja. Ich muss zu ihr.«

»Ich begleite dich«, erwiderte sein bester Freund und machte Anstalten, auf sein Pferd zu steigen.

»Nein, Kian. Einer von uns sollte nach Hause zurückkehren und sicherstellen, dass ihrem Körper nichts geschieht.«

Neahs Körper.

Kian rieb sich über die Stirn und schien fieberhaft nachzudenken. Doch hier gab es nichts nachzudenken. Er musste jetzt zu Kaaya, und jemand sollte Neah holen, bevor sein Vater herausfand, dass sie noch lebte … Irgendwie.

In Kaaya.

»Pass auf dich auf, hörst du?« Kian war bewusst, dass er keine Wahl hatte.

Ilias nickte. »Du auch auf dich, mein Freund.« Und mit diesen Worten trieb er seine Stute an.

Begleitet vom Zirpen der Grillen schoss sein Pferd wie ein weißer Blitz zwischen den Bäumen des Erlenwaldes hindurch, so sicher, als wäre es die Wege schon sein Leben lang gelaufen. Es führte ihn durch einen Bach und trotzte der schwer zugänglichen Natur, als sie tiefer in das Herz des Waldes vordrangen. Der Boden hier war moosbedeckt und dämpfte die kräftigen Schritte der Stute, sodass Ilias sämtliche Geräusche in der Umgebung wahrnehmen konnte. Er hörte den unbeschwerten Gesang der Vögel und Kleintiere, die in den Gebüschen raschelten. Selbst in den Baumkronen über ihm herrschte Bewegung. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren und sich nicht der Unruhe hinzugeben, die in seinem Inneren herrschte und seine Gedanken vernebelte. Die Sorge um Kaaya würde ihm sonst den Verstand rauben.

Was war mit ihr?

Warum schmerzte seine Brust nicht mehr?

Ging es ihr wieder gut?

Er musste schneller sein.

Schneller, schneller, schneller.

Kaaya

Das Schwarz um sie herum färbte sich dunkelrot. Die Stille wurde von einem Schrei zerrissen, der ihr durch Mark und Bein ging.

Ich hatte diesen Traum schon einmal, schoss es ihr durch den Kopf. Im See, als ich beinahe ertrunken bin. Arian war da …

Allmählich zeichnete sich wieder die Silhouette über ihr ab, diesmal deutlicher. Das ist nicht Arian. Langes Haar fiel ihm dunkel auf die Schultern, Saphire funkelten dort, wo seine Augen hätten sein sollen. Und während ihr Bewusstsein abdriftete, war es seine Stimme, die ihr die Angst nahm. Liebe strömte in ihre Brust. Unendliche, bedingungslose Liebe. Es tut mir leid, versuchte sie zu sagen. Es tut mir leid …

Die Dunkelheit lichtete sich, und Kaaya sog tief die Luft ein, als sie die Augen öffnete. Noch bevor sie erkannte, dass sie in Orianas Gästezimmer war, wusste sie, was die Bilder bedeuteten. Sie hatte sie nicht nur damals am See wahrgenommen. Sie verfolgten sie schon, seit sie denken konnte. Seit sie die Blutseuche überlebt hatte und als ein neuer Mensch erwacht war. Seit Neahs Seele Besitz von ihr ergriffen hatte. Das waren Neahs letzte Erinnerungen … Ihre Erinnerungen. Erinnerungen von ihrem Tod.

Ihr wurde heiß. Unsagbar heiß. Kaaya schob die Decke beiseite und erkannte, dass ihre Bluse nur dürftig geknöpft und ihr von den Schultern gerutscht war. Mit einem Schlag kamen die Erinnerungen zurück und ihr wurde schlecht. Und wenn das nur ein Albtraum war? Zögerlich fasste sie sich an den Hals. Dorthin, wo er sie verletzt hatte. Arian …

Nichts. Sie betrachtete ihre Finger, und obwohl kaum noch Tageslicht ins Zimmer drang, erkannte sie, dass da kein Blut war.

Ein Albtraum, dachte sie und wurde dabei fast schon euphorisch. Ein dämlicher Albtraum. Sie band sich die Haare zu einem Zopf und genoss die kühlende Luft, die ihren Nacken streifte. Hastig zupfte sie ihre Bluse zurecht und schloss die Knöpfe. Nachdem die Übelkeit allmählich nachgelassen hatte, erhob sie sich, und nur einen Augenblick später klopfte es an der Tür.

»Ja?«, fragte sie zögerlich und räusperte sich, weil ihre Stimme kratzig klang.

Ein roter Haarschopf schob sich durch den Türspalt. »Du bist wach«, stellte Oriana fest und lächelte warm. »Wie geht es dir?«

»Wie lange habe ich denn geschlafen?«, gab sie zurück, anstatt der Elfe zu antworten.

Arians Tante trat in das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. »Nur ein paar Stunden. Aber die hattest du bitter nötig.«

Kaaya schluckte schwer und ihr Atem beschleunigte sich, ehe sie sich traute die Worte laut auszusprechen, die ihr auf der Zunge brannten. »Was ist passiert?«

Oriana unterbrach ihren Blickkontakt nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch es genügte, damit Kaaya verstand. Dumpf sickerte die Erkenntnis in ihr Herz und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus.

»Kaaya –«

»Er hat mich gebissen. Arian.« Ihre Stimme hatte einen hohlen Klang angenommen.

Oriana nickte vorsichtig. »Ja.«

Kaaya taumelte einen Schritt zurück, dann noch einen. Als sie die Bettkante in ihren Kniekehlen spürte, ließ sie sich auf die Matratze sinken. »Wo ist er jetzt? Wie geht es ihm?«

»Er ist verschwunden.«

Die Worte trafen Kaaya wie ein Hieb in die Magengegend. »Du hast ihn in seinem Zustand einfach gehen lassen?«

»Ich … ich habe nach dir gesehen, nachdem er von dir abgelassen hatte. Luana hat sich um deine Wunde gekümmert. Wir haben nicht aufgepasst, er … Er schien verwirrt, durcheinander und ist wortlos aus dem Haus gestürmt. Aber Aron sucht nach ihm.«

Die letzten Worte nahm Kaaya kaum mehr wahr. Ihre Gedanken drifteten ab. Wie hatte das alles nur so schiefgehen können? Was hatten sie übersehen? Was hatten sie bei dem Ritual falsch gemacht? In welchem Moment war alles gekippt? Sie hatte doch nur gewollt, dass Arian endlich wieder bei ihr war … Hitze schoss ihr in die Wangen, als sie daran dachte, wie sie auf seinen Schoß geklettert war. Wie er sie an sich gedrückt und dann geküsst hatte … So oft hatte sie in den letzten drei Jahren darüber nachgedacht, wie sich seine Lippen wohl anfühlen würden. Wärme raste durch ihre Adern, bis Oriana sie kurz am Arm berührte.

»Kaaya?«

»Entschuldige, was hast du gesagt?«

Die Elfe setzte sich neben sie. »Es gibt da etwas, das ich dir erzählen muss.«

Kaaya zog die Brauen zusammen und blickte sie verunsichert an.

»Ich verspreche dir, dass es nichts daran ändert, wie ich für Arian und auch für dich empfinde.« Die Elfe sah ihr eindringlich in die Augen, und Kaaya konnte nicht anders, als zu nicken.

»Erinnerst du dich daran, wie du mich gefragt hast, ob wir mein Blut für das Ritual verwenden könnten?«

Ein Herzschlag verging, dann noch einer. In Kaayas Ohren rauschte es.

»Arian und ich, wir … wir sind nicht direkt verwandt.«

»Das ist kompliziert, Kaaya. Wir haben momentan nicht die Zeit für Erklärungen.«

Sie hatte diese Unterhaltung völlig vergessen. Verdrängt wegen all dem Chaos, um das sie sich zuerst hatte kümmern müssen. »Wer bist du?«, flüsterte sie.

Oriana presste die Lippen aufeinander und senkte den Blick. »Ich bin nicht die Schwester seines leiblichen Vaters. Ich bin dessen Seelengefährtin.«

Immer noch dieses Rauschen. Lautes Rauschen.

Als Kaaya Orianas Hand erneut an ihrem Arm spürte, sprang sie vom Bett. »Du hast uns die ganze Zeit über belogen?« Ihr Atem ging schwer und sie rang um Fassung. Dann hatte Oriana die ganze Zeit gewusst, wo Arians Vater war? Sie hatte die ganze Zeit mit ihm zusammengelebt? Sie hatte sich als seine Tante ausgegeben?

»Kaaya, das ändert nichts, das schwöre ich bei –«

»Das sagtest du bereits!«, rief sie und wandte sich ab. »Warum soll ich dir das glauben? Warum soll ich dir je wieder irgendetwas glauben?« Aufgebracht fuhr sie sich durchs Haar. »Warum?«, setzte sie nach, als Oriana nicht antwortete. »Warum habt ihr es geheim gehalten?«

»Das ist kompliziert«, wisperte die Elfe.

»Auch das sagtest du bereits.« Kaaya drehte sich wieder zu ihr um, und im ersten Moment fühlte sie einen Stich im Herzen, als sie Oriana musterte, die völlig in sich zusammengesunken war.

»Ferodan hat mich damals mit Arians Mutter betrogen.« Kaaya hielt die Luft an. »Er wollte nicht, dass ein Moment seiner Schwäche, wie er es nannte, über unser ganzes Leben bestimmte. Er wollte Arian nicht ansehen und daran erinnert werden, was er getan hatte … Mir angetan hatte.«

»Genau das war er auch für den Mann seiner Mutter«, flüsterte Kaaya. »Eine lebendige Erinnerung an ihren Betrug. Er hat es Arian jeden Tag spüren lassen.« Und obwohl Arian diese Erlebnisse hinter sich gelassen hatte – obwohl er wieder lachen konnte –, hatte er Narben davongetragen.

»Ich weiß.« Schmerz zuckte durch Orianas tiefbronzenes Gesicht. »Deswegen habe ich den Kontakt zu ihm hergestellt. Ich wollte, dass sich die zwei annähern. Mit der Zeit. Aber …«

»Was aber?«

»Vielleicht ist es gut, wenn sie sich jetzt kennenlernen.«

Verständnislos betrachtete Kaaya sie. »Worauf willst du hinaus, Oriana?«

»Du hast gesagt, Feuer hält ihn zurück. So als wäre er ein …« Die Stimme der Elfe versagte zum Ende hin und sie schaute mit wässrigem Blick zu Kaaya hoch.

»Aber es hat ihn nicht zurückgehalten. Er ist hindurchgegangen.« Auch wenn sie die Worte so ruhig wie nur möglich aussprach, um Oriana und vielleicht auch sich selbst zu beschwichtigen, tobte ein Sturm in ihr. Arian war nicht … Er war kein … Er konnte nicht …

»Wenn er zu einem Umbren verkommt, dann muss Ferodan ihn sehen.«

Bevor es zu spät ist … Das waren die unausgesprochenen Worte, die zwischen ihnen in der Luft hingen. Kaaya bekämpfte die aufkeimende Angst, versuchte sich an der Hoffnung festzuklammern, dass sie sich irrten. Dass Arian nicht zu einem Dämon werden würde, ohne Gefühle, ohne Gewissen, getrieben von Verlangen.

»Ich meine nur, dass es ihm möglicherweise hilft, seinen Vater zu sehen. Vielleicht erdet ihn das. Holt ihn zurück zu uns«, unterbrach Oriana ihre wirren Gedanken.

»Und wenn es ihn stattdessen nur weiter von uns wegtreibt?«, flüsterte Kaaya erstickt.

»Sollte das eintreten, was wir denken, dann … können wir sowieso nichts mehr für ihn tun.«

Wie Messer bohrten sich die Worte in Kaayas Herz. Wie gezackte Messer, deren Haken sich in ihr festgruben, Arterie für Arterie durchtrennten, um sie quälend langsam zu töten.

»Sobald Aron mit Arian zurück ist, reite ich runter an die Küste. Ferodan ist dort auf Handelsreise. Ich muss mit ihm sprechen. Über unseren Bund wird er ohnehin spüren, dass etwas nicht stimmt. Und …« In Orianas Augen blitzte so etwas wie ein winziger Hoffnungsschimmer auf. »Vielleicht können wir auf dem Rückweg noch Myrael besuchen und mehr über Arians Zustand in Erfahrung bringen.«

Kaaya nickte mechanisch, zu mehr war sie nicht in der Lage. Verbissen fixierte sie einen Punkt auf dem Boden, als könnte sie so verhindern, dass alles andere um sie herum in sich zusammenfiel. Der Boden war beständig. Er veränderte sich nicht.

Erst als sie das Klicken der Tür hörte, zuckte ihr Blick wieder nach oben. Oriana war fort. Und sie allein. Allein mit all ihren Gedanken. Sie presste sich die Faust so fest an den Mund, dass es wehtat. Aber nur so würde sie die Schluchzer davon abhalten können, aus ihr herauszubrechen. Sie verschloss sie tief in ihrem Inneren, genauso wie die Tränen, an denen sie zu ertrinken drohte. Wenn sie sie zurückhielt, würde alles gut werden. Es war nichts passiert. Alles würde gut werden. Sie würde gleich zu den anderen nach unten gehen und sich mit Luana über irgendetwas unterhalten. Sie würde etwas Dummes sagen und Luana würde sie zurechtweisen. Aron und Arian würden dazukommen und sie würden alle gemeinsam darüber lachen. Doch erst musste sie raus aus diesem überheizten, stickigen Raum.

Gerade hatte Kaaya die Türklinke umfasst, da hörte sie laute Stimmen von unten. Sie hielt inne. Ihr Puls beschleunigte sich, als einzelne Satzfetzen an ihr Ohr drangen.

»Du solltest jetzt nicht hier sein!« Luana.

»So lass ihn erst einmal aussprechen.« Oriana.

»Ich will nur sichergehen, dass es ihr gut geht, mehr nicht!« Ilias.

Ilias.

»Jede Seele hat ihr Gegenstück, ein Spiegelbild ihrer selbst. Und egal, wie weit diese zwei Seelen voneinander entfernt sind … sie werden einander finden. Immer.«

Ihr Herz klopfte bis in ihren Hals hinauf. Was machte er hier? Wieder setzte das Rauschen ein, so laut, dass sie beinahe nicht verstanden hätte, was er als Nächstes sagte: »Ich muss zu Kaaya. Jetzt sofort.«

Benommen taumelte sie zurück, als bereits Schritte auf der Treppe erklangen.

»Sie ist schwach, Ilias! Es geht ihr gut, aber sie muss sich erholen! Bitte war-«

»Nein«, fiel er Luana ins Wort und nur eine Sekunde später öffnete sich die Tür erneut. Und da stand er. Seine Brust hob und senkte sich schwer, in seinem Gesicht stand Sorge. Er hatte die Brauen zusammengezogen und seine sonst vollen Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Außerdem trug er noch immer sein schwarzes Hemd mit den goldenen Stickereien, stellte sie fest. Dass ihr in dem Moment auffiel, wie gut es ihm stand, war absolut unnötig.

Ilias’ Blick fand sie in der Ecke des kleinen Zimmers und fuhr an ihrem Körper auf und ab, auf und ab. »Es geht dir gut«, keuchte er. »Oder nicht?«

Sie nahm die Frage kaum wahr. Wie konnte er hier sein? Er und Kian waren bereits vor Sonnenaufgang losgeritten. Nach Kaltennest, zum Riss, zu …

»Du kannst in deinen Körper zurück.«

Neahs Körper. Nachdem ihre Seele sich in Kaayas Körper versteckt hatte …

Ilias schloss die Tür hinter sich und trat einen Schritt auf sie zu. »Kaaya, was ist passiert?«

Die Ereignisse der letzten Wochen brachen über sie herein und mit ihnen brachen auch die letzten Dämme. Ein lauter Schluchzer drang aus ihrer Kehle, als sie Ilias um den Hals fiel. Er versteifte sich für einen kleinen Moment, dann umfasste er vorsichtig ihren bebenden Körper. Eine Hand legte er an ihren Hinterkopf, um sie wortlos an sich zu drücken. Sie schmiegte sich an ihn, bis ihre Schluchzer abebbten, dann sah sie zu ihm hoch. »Er hat mich gebissen.« Ihre Stimme war ganz rau vom Weinen. Ilias zog die Brauen weiter zusammen. »Arian«, ergänzte sie, als sie erkannte, dass er nicht verstand.

»Er hat was?« In Ilias’ Gesicht stand Unglauben. Er legte ihr die Hände an die Wangen und musterte ihr Gesicht, ihren Hals, ihr Dekolleté.

Warum ist es nur so verdammt heiß hier drin?

Sie entzog sich ihm und ließ sich auf das Bett sinken. »Luana hat mich geheilt.«

»Ihr habt ihn wiedererweckt? Das Ritual hat funktioniert?«

»Ja. Nein. Also, nicht so, wie wir geplant haben.« Wortlos setzte Ilias sich neben sie. »Als er aufgewacht ist, war er … verändert. Nicht sofort. Erst war er erschöpft, dann haben wir geredet und … Wir haben … Er hat mich geküsst. An meinem Hals und … überall. Zuerst war da nur seine Zunge, aber –«

»Kaaya.« Ihr Name kam wie ein leises Knurren über seine Lippen. »Du schweifst ab.«

Jetzt schoss ihr die Hitze sogar in die Wangen. »Entschuldige.«

Seine Hand, die er gerade noch ins Bettlaken gekrallt hatte, berührte für einen Moment ihre. »Er hat dich gebissen?«

»Ja. Und er hat von mir getrunken.«

»Von deinem Blut?«

Sie nickte. »Wie ein –«

»Umbren«, vervollständigte Ilias ihren Satz.

Wieder nickte sie, bevor sie ihren Kopf schüttelte, um den Gedanken schnell loszuwerden. Alles würde gut werden. »Warum bist du hier?« Ihre Stimme klang unheimlich kratzig.

»Wir waren schon auf dem Weg zum Weltenriss, doch dann habe ich gespürt, dass etwas passiert sein musste.« Ein gequälter Ausdruck trat in seine Augen. »Ich habe gefühlt, dass es dir schlecht geht. Vermutlich über unseren Bund.« Sein Blick verdunkelte sich. »Ich musste umkehren und nach dir sehen. Musste wissen, ob du in Ordnung bist.«

Sie wollte nicht darüber nachdenken, was das alles bedeutete. »Und Kian? Ist er weitergeritten zu … ihr?«

Ilias spannte sich an.

»Ja. Sollte mein Vater von dem Ganzen erfahren, wird er alles daransetzen, deinen Körper zu zerstören.«

Neahs Körper …

»Und das willst du verhindern.« Die Worte schmeckten bitter auf ihrer Zunge.

»Ich will verhindern, dass du je wieder Leid erfährst.«

Sie schluckte schwer, aber der Geschmack in ihrem Mund wollte sich nicht vertreiben lassen.

»Was Arian dir angetan hat … Wenn ich ihn in die Finger bekomme –«

»Nein«, fuhr sie dazwischen und griff instinktiv nach Ilias’ Hand. »Er wollte mich nicht verletzen.« Jetzt, wo sie es aussprach, merkte sie, wie sehr sie daran glaubte. Er war doch Arian. Ihr Arian … Die Erinnerungen an ihren Kuss holten sie ein. Hastig zog sie ihre Hand zurück, als hätte sie sich an Ilias’ Haut verbrannt.

»Trotzdem ist er eine Gefahr für dich.« Wenn es ihn verletzt hatte, dass sie ihre Hand weggezogen hatte, so ließ er es sich nicht anmerken.

»Kann man das nicht rückgängig machen? Diese … Verwandlung?«

»Ich denke nicht.« Er stützte die Ellenbogen auf die Knie und dann das Gesicht in seine Hände. »Du musst mit mir kommen.«

Verständnislos sah sie ihn an. Mit ihm kommen? Meinte er etwa ins Nebulum? Um Neah zu werden? »Wozu?« Ihre Stimme klang kälter als beabsichtigt und traf ihn anscheinend mitten ins Herz. Der Blick, mit dem er sie jetzt bedachte, war voller Kummer.

»Um dich zu schützen, Kaaya.« Kaaya. Nicht Neah. Sie schloss die Augen. »Denkst du, ich würde zulassen, dass dir etwas geschieht? Denkst du, ich könnte dich verlieren – schon wieder?«

Bildete sie es sich nur ein oder kam seine Stimme immer näher? Ihr Herz sprang gegen ihre Rippen, ihr Atem ging schneller. Sie traute sich nicht, ihre Augen zu öffnen, auch nicht, als sie spürte, dass sein Gesicht inzwischen direkt vor ihrem war.

»Dich zu vermissen – jeden einzelnen der letzten 2656 Tage – war das Schwierigste, was ich je tun musste.« Er fasste sie sanft am Kinn und strich mit dem Daumen über ihre Unterlippe. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus und machte es ihr unmöglich, etwas zu erwidern. »Ja, ich will dich küssen«, flüsterte er, sein heißer Atem streifte ihr Gesicht. »Aber ich werde es nicht tun.«

Vorsichtig öffnete sie ihre Augen und begegnete seinem weichen Blick. »Warum nicht?« Hatte sie das wirklich laut ausgesprochen? Ganz langsam verzogen sich Ilias’ Mundwinkel zu einem Lächeln. Ja, hatte sie.

»Weil ich will, dass du es auch willst.«

Ich will es, wollte sie erwidern, doch sie blieb stumm. Wollte sie es denn wirklich? Oder wollte sie es nur, weil ihre Seele sich zu seiner hingezogen fühlte? Und wenn dem so war … Würde sie diesem Bund auf Dauer widerstehen können?

»Genau das meine ich«, sagte Ilias und strich ihr eine der losen braunen Haarsträhnen hinters Ohr. »Ich will, dass du es willst. Hier drin.« Er legte seine Hand auf ihr laut pochendes Herz.

»Kann man über diesen Seelenbund auch Gedanken lesen?«, fragte sie schwer atmend. Obwohl er ihr nicht mehr so nah war wie vor einigen Sekunden noch, lag nach wie vor Spannung in der Luft.

Sein Lächeln wurde breiter, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, aber ich kann mir vorstellen, dass das alles sehr verwirrend für dich sein muss. Ist es für mich ebenso.« Seine Hand ruhte weiter auf ihrer Haut. Inzwischen fühlte sich die Hitze an wie ein Feuer, das tief in ihr loderte, bereit, sie mit Haut und Haaren zu verschlingen. Seine Berührung fachte es nur weiter an.

»Dann …«, begann sie, »weißt du auch nicht, ob du so empfinden würdest, wenn … ich nicht … sie wäre?«

Ilias kam nicht mehr dazu, ihr zu antworten, denn die Tür schwang mit einem lauten Knarren auf und ließ sie auseinanderfahren. Luana stand im Türrahmen und schaute zwischen ihnen hin und her.

»Ich will ja nicht stören«, sagte sie und zog die Augenbrauen hoch, »aber Arian und Aron sind gleich zurück.«

»Wo waren sie?«, fragte Ilias.

»Arian ist weggelaufen, nachdem er völlig die Kontrolle verloren hat, und Aron ist ihm hinterher, während ich mich um die Verletzten kümmern musste. Wie ich jedoch sehe«, fügte die Elfe mit einem Blick auf Kaaya hinzu, »geht es dir schon wieder besser.«

»J-ja, danke.«

»Wollt ihr hier oben bleiben?«

Kaaya schüttelte den Kopf. »Ich muss mit ihm reden.«

»Das würde ich nicht tun«, mischte Ilias sich ein. Er sprang auf und stellte sich vor sie. »Er könnte dich noch mal verletzen!«

Sie schluckte schwer. Wie gern hätte sie geantwortet, dass sie sich zu verteidigen wusste. Doch wie weit würde sie mit einem Schwert kommen, wenn sie sich einem Dämon stellte? Bei dem Gedanken schnürte sich ihre Kehle zusammen. »Luana kann –«

»Ich werde auch dabei sein«, unterbrach er sie. »Bitte.«

»Was immer ihr hier gerade austragt«, kam es von Luana, »macht es schnell. Sie sind jetzt da.« Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, hörte Kaaya die Tür unten aufgehen.

Einige Stunden zuvor

Arian

»Ich hab dich«, flüsterte er Kaaya ins Ohr. Als er gesehen hatte, wie sie umkippte, war er zu ihr gehastet, um sie aufzufangen. Um sie zu beschützen. So, wie er es immer getan hatte.

Immer, bis …

Er schloss seine Arme fest um ihren zierlichen, schlaffen Körper. Unwillkürlich zuckte sein Blick zu ihren Lippen. Er hatte sie geküsst … Und dann … Ihre Augen waren geschlossen, ihre Haare klebten ihr nass im Gesicht. Nass vor Schweiß und …

Alle Geräusche um ihn herum verstummten. Stille. Bis auf …

Ihr Herz. Er hörte es. Er hörte, wie Kaayas Herz Blut durch ihren Körper pumpte. Es klang schwach. So schwach …

Weil …

Ein metallischer Geschmack machte sich in seinem Mund breit. Er vernebelte seine Sinne.

Blut …

Zu Kaayas Herzschlag gesellte sich jetzt noch ein weiteres Geräusch. Ein Rauschen. Er hörte sein eigenes Blut in den Ohren rauschen. So laut. Schmerz zuckte durch seinen Kiefer.

Nein, schoss es ihm durch den Kopf. Nicht schon wieder.

Scharfe Eckzähne bohrten sich aus seinem Zahnfleisch.

»Nein!«, rief er. Wenn er noch mal von ihr trinken würde, würde sie … »Nein!«

Hastig ließ er Kaaya los, woraufhin sie reglos zu Boden fiel. Oriana kreischte irgendetwas, doch er hörte nicht hin. Er musste hier weg. So schnell wie möglich Abstand zwischen sich und Kaaya bringen. Sonst würde er … Er würde …

Nein.

Arian drehte sich um und lief aus dem Schuppen, ohne weiter nachzudenken. Frische, kühle Luft empfing ihn, aber er hielt nicht an. Nicht, bis er zwischen den Hunderten von Bäumen verschwunden war, die Orianas Hütte auf dem Hügel umgaben.

Er wischte sich mehrmals über das Gesicht, um Kaayas Blut loszuwerden, und dann versenkte er seine Faust in einem der Baumstämme. »Verdammt!« Sein schwerer Atem war das einzige Geräusch weit und breit. Er schlug auf den Baum ein, wieder und wieder, bis seine Finger knackten und bluteten. Ein wilder Schrei löste sich aus seiner Kehle, ehe er sich auf die Knie fallen ließ.

Was war nur mit ihm los? Was war das für ein unstillbarer Durst? Wie hatte er sie verletzen können? Kaaya. Das Mädchen, das ihm auf der Welt am meisten bedeutete … Er konnte ihre weichen Lippen noch immer an seinen spüren. Wie lange hatte er diesen Kuss herbeigesehnt? Und doch war da ein falscher Geschmack in seinem Mund. Ihr Blut auf seiner Zunge. Es machte ihn wahnsinnig. Wahnsinnig vor Verlangen, vor Schuldgefühlen, vor Angst. Er stieß einen kehligen Laut aus, während er sich wieder aufrappelte und weiter in den Wald stolperte, Baum um Baum an sich vorbeiziehen sah. Aber sosehr er sich wünschte, vor alldem davonlaufen zu können, er schaffte es nicht. Er konnte das alles nicht abschalten. Die Gefühle. Die Schuld.

Irgendwann – seine Beine waren inzwischen müde geworden – ließ er sich auf den kalten Waldboden sinken. Er hätte beinahe bitter aufgelacht, als er in der Ferne ein Licht entdeckte, das aus Orianas Hütte stammen musste. Wie lange war er herumgeirrt? Nur um wieder hier zu landen.

Seine Gedanken kreisten weiterhin unaufhörlich, und er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit er so dasaß, bis er ein Geräusch hörte, dicht gefolgt von einer Stimme.

»Arian?« Erschrocken fuhr er herum. Da stand ein Mann, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Warum kannte er seinen Namen? Langsam erhob er sich und der Mann nahm eine abwehrende Haltung an. »Erkennst du mich nicht?«

Er war groß und kräftig gebaut. Sein braunes Haar lockte sich leicht und einige Sommersprossen hoben sich von seiner hellen Haut ab. Arians Blick blieb an den dunkelbraunen Augen hängen, die ihn beinahe liebevoll musterten.

Ohne Angst.

Ohne Wut.

Ohne Misstrauen.

Der Mann hob die Hände und trat einen Schritt auf ihn zu. »Ich bin es. Aron.«

Arian sog scharf die Luft ein. Aron. Sein Bruder. Konnte das wirklich sein? Sie hatten sich zuletzt gesehen, als sie Kinder gewesen waren. Bevor er von zu Hause weggelaufen war, weil sein Vater ihn hatte umbringen wollen. Sein Stiefvater …

»Aron«, flüsterte er. Ja, Kaaya hatte ihm erzählt, was sein Bruder für ihn getan hatte. Bevor er endlich alle Hemmungen über Bord geworfen und sie geküsst hatte, bis … »Du solltest nicht hier sein, ich bin gefähr-« Weiter kam er nicht, denn sein Bruder überwand den Abstand zwischen ihnen und umarmte ihn.

Ohne Angst.

Ohne Wut.

Ohne Misstrauen.

Jegliche Gedanken lösten sich in Luft auf und machten einem einzigen Gefühl Platz: Liebe. Er löste sich aus der Umarmung, um Aron ins Gesicht zu sehen. Das Dunkelbraun seiner Augen hatte sich in flüssige Schokolade verwandelt.

»Du lebst.«

Arian lachte bitter auf. »Du auch.«

»Ja, war eine knappe Sache.« Aron lachte ebenfalls, als er auf das Ritual anspielte.

Ein Herz, das für ihn aufhört zu schlagen. Aron hatte sein Leben riskiert, um ihn zu retten.

»Danke.« Seine Stimme klang erstickt.

Aron zog die Brauen zusammen. »Dafür musst du dich nicht bedanken. Ich hätte das schon viel eher tun sollen. Dich retten.«

»Es war nicht deine Schuld. Nichts davon.« Nein, es war wirklich nicht Arons Schuld, dass vor neun Jahren bei ihnen zu Hause alles zur Hölle gefahren war. Sein verfluchter Stiefvater hatte wieder zu tief ins Glas geguckt und versucht seine Mutter zu töten. Arian war dazwischengegangen und hatte Seoras verletzt, woraufhin dieser ihm mit dem Messer hinterhergejagt war. Ihn fortgejagt hatte.

»Was ist vorhin passiert, Arian?« Sein Bruder deutete mit dem Daumen hinter sich.

»Ich habe Kaaya angegriffen. Und Oriana.«

»Wir können darüber sprechen. Über alles, was passiert ist«, versetzte Aron.

Arian schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht, dass sie noch mit mir sprechen möchten.«

»Ich bin sicher, du wolltest das nicht. Oriana hat erzählt, dass du … dass deine Augen und –« Arian bleckte die Zähne und beobachtete, wie Aron kurz zusammenzuckte. »Oriana sagte, sie seien spitz und lang und … das mit dem Bluttrinken.« Arons Blick rutschte an ihm hinunter und blieb an dem zerknitterten weißen Hemd hängen, das blutgetränkt war. Doch sein Bruder blieb ruhig und fokussierte sich schnell wieder auf sein Gesicht, was Arian ihm hoch anrechnete.

»Ich kann das mit den Zähnen nicht kontrollieren«, erklärte er und fuhr sich mit der Zunge über die Eckzähne, die sich gerade normal anfühlten. »Da kommt ein plötzlicher Blutdurst in mir hoch und sie schießen hervor. Was ist nur mit mir los, Aron? Das bin ich nicht. So bin ich nicht.«

»Ich weiß.« Aron legte ihm eine Hand auf die Schulter. Erst zuckte er bei dieser Berührung zusammen, dann jedoch entspannten sich seine Muskeln und Wärme flutete seinen Körper. »Du bist gut, Arian. Das warst du schon immer.«

Mein Junge mit dem Herzen aus Gold, hörte er die Stimme seiner Mutter in seinem Geist. Im nächsten Augenblick wurde ihm bewusst, dass sie tot war – und sofort setzte das Brennen seines Zahnfleisches ein. Er versteifte sich wieder, doch als Arons Griff um seine Schulter fester wurde, atmete er noch einmal tief ein und aus und fand Kraft unter dem warmen Blick seines großen Bruders.

»Ist es besser?«

»Ja«, sagte er und meinte es so. Das Brennen ließ nach. Vielleicht konnte er dieses Gefühl kontrollieren.

»Lass uns zurück zu den anderen gehen, ja? Dann reden wir über alles.«

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch blickte er Richtung Hütte. »Ich weiß nicht. Ich habe Angst, dass ich wieder … durchdrehe.«

»Wir schaffen das«, erwiderte Aron entschlossen.

Wir. Noch einmal atmete er tief durch, wappnete sich für das Kommende und nickte seinem Bruder zu. Langsam machten sie sich auf den Weg und kamen doch viel schneller an, als ihm lieb war. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Gerade als sie Orianas Hütte betraten, kamen Kaaya und eine blonde Elfe die Treppe runter. Während Letztere Aron musterte, ruhte Kaayas Blick auf ihm. Er konnte nicht deuten, was sie in ihm sah. Mit klopfendem Herzen wollte er einen Schritt auf sie zugehen, sie in seine Arme ziehen, aber eine Bewegung hinter ihr ließ ihn innehalten. Angespannt beobachtete er, wie eine weitere Gestalt auftauchte. Nachtschwarze Haare fielen ihm über die Schultern und zwischen ihnen lugten lange, spitz zulaufende Ohren hervor. Seine Augen waren beinahe genauso dunkel wie sein Haar und bildeten einen Kontrast zu seiner schneeweißen Haut.

Schneeweiße Haut?

Arian stieß geräuschvoll die Luft aus und wich einen Schritt zurück. »Ein Schattenelf.«

___

Kaaya

»Er gehört zu uns«, versicherte Kaaya hastig, als sie Arians Gesichtsausdruck bemerkte. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn Ilias zunächst oben gewartet hätte, bis sie Arian hätte schildern können, was es mit ihm auf sich hatte. Sicher dachte er jetzt an den Vorfall im Erlenwald zurück. Ilias sah seinem Vater tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Nur dass in seinen Augen Güte stand anstatt Gier und in seinem Herzen Wohlwollen anstatt Hass.

»Ilias, was machst du denn hier?« Aron schaute skeptisch zwischen ihr und Ilias hin und her. Luana war bereits an seine Seite getreten und hatte sich bei ihm untergehakt.

»Er hat nur etwas vergessen«, erklärte sie und hauchte ihrem Seelengefährten einen Kuss auf die Wange. Sie hatte sich sicher Sorgen gemacht, weil er mit Arian allein gewesen war – Obwohl sie über ihren Bund sicher gespürt hätte, wenn ihm etwas zugestoßen wäre.

Arian wirkte weniger ängstlich als vor wenigen Sekunden noch, dafür jedoch sichtlich verwirrt. »Kann mich jemand aufklären, was hier vor sich geht?« Sein Blick wanderte abwechselnd zu Ilias und Luana, als ob er versuchen würde, die beiden in das Geschehen einzuordnen.

»Wollen wir uns erst einmal hinsetzen?« Luana zog Aron bereits hinter sich her in die Wohnstube.

Als weder Arian noch Ilias Anstalten machten, sich zu bewegen, schüttelte Kaaya innerlich den Kopf. »Kommt«, forderte sie dann an beide gewandt. »Wir müssen reden.«

Während sie vorausging, bemerkte sie, dass Ilias dicht hinter ihr herlief. Arian jedoch ließ sich Zeit, bevor er zu ihnen aufschloss und sich schließlich ihr gegenübersetzte.

»Wie geht es dir?«, fragte Kaaya. Ilias setzte sich an ihre linke Seite, Luana an ihre rechte, neben ihr Aron.

»Geht schon. Und dir?« Ein schmerzverzerrter Ausdruck trat auf Arians Gesicht.

»Gut«, antwortete sie, auch wenn das nicht stimmte. In ihrem Kopf fochten eintausend Fragen einen Krieg aus, aber Arian hatte es gerade schwer genug. »Ich habe dir doch erzählt, dass ich Hilfe hatte bei deinem Ritual.«

»Ja«, erwiderte Arian zögerlich. »Von Aron und seiner Gefährtin Luana.« Er schaute von Aron zu der blonden Elfe und schien zu begreifen, wer sie war. »Aber wer ist er?« Nun galt sein Blick Ilias, der ihn gefährlich funkelnd erwiderte.

»Mein Name ist Ilias Yinnelis, ich bin der Sohn von Pertheas Yinnelis und somit Erbe des Schattenthrons.«

Arian verengte die Augen. »Pertheas?« Jetzt sah er zu ihr. »Ist das nicht der Schattenelf, der meine Seele geraubt hat?«

Nervös biss sie sich auf die Unterlippe, bevor sie zögerlich nickte.

Arian stieß ein ungläubiges Lachen aus. »Dann kommen wir zurück zu meiner Frage: Was geht hier vor sich?«

»Ich bin hier, um Kaaya zu beschützen.« Ilias’ Stimme klang gefährlich ruhig und ließ Arian zusammenzucken.

»Vor mir?«, fragte er gequält.

»Vor allem, was sie bedroht.«

Arians Blick wechselte zwischen Ilias und ihr hin und her, als wollte er versuchen zu verstehen, was das bedeutete.

»Ich weiß, dass du mich nicht verletzen wolltest«, warf sie hastig ein. »Wir denken, dass …« Sie hielt einen Moment inne und atmete tief durch. »Du weißt, wieso Pertheas deine Seele mitgenommen hat, oder?«

Arian fuhr sich durch die Haare. »Ja. Er wollte sie in einen neuen Körper stecken. Aber du hast mir nicht gesagt, warum.«

Sie nickte, doch die folgenden Worte wollten einfach nicht über ihre Lippen kommen. Wie erklärte sie ihm, dass Pertheas auf diese Weise Umbren erschuf? Und dass er Arians Seele anscheinend schon für den neuen Körper präpariert gehabt hatte …

Neben ihr lehnte Ilias sich vor. »Wenn man die sterbliche Seele eines Menschen in den Körper eines Unsterblichen steckt, verkommt sie. Sie verdirbt, und mit ihr der neue Körper. So erschafft sich Pertheas eine Armee aus Dämonen, wir nennen sie Umbren.«

»Umbren«, wiederholte Arian. »Von ihnen habe ich schon einmal gehört. Sie sehen grausig aus und ernähren sich von –« Er unterbrach sich selbst. Seine Augen weiteten sich, als die Erkenntnis eintrat. »Nein.«

»Er hat deine Seele anscheinend für die Verwandlung vorbereitet, aber wir konnten dich zurückholen, bevor er sie abschließen konnte.«

»Das heißt, ich bin so etwas wie ein halber Dämon?«

»Ich weiß es nicht. So etwas ist meines Wissens noch nie vorgekommen. Kaaya sagte, du seist ein Halbelf. Vielleicht konnte er deine Seele also nicht so manipulieren wie sonst. Ich weiß es nicht«, wiederholte Ilias.

»Und was genau hast du mit dieser Sache zu tun?« Arians hellgraue Augen bohrten sich in Ilias’ dunkelblaue.

Ende der Leseprobe