Schattenwandler - Damien - Jacquelyn Frank - E-Book

Schattenwandler - Damien E-Book

Jacquelyn Frank

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Beschreibung

Der Krieg zwischen den Nekromanten und den Schattenwandlern eskaliert immer mehr. Als die Prinzessin der Lykanthropen, die schöne Syreena, von Nekromanten entführt wird, begibt sich der Vampirprinz Damien auf die Suche nach ihr. Es gelingt ihm, sie zu retten, doch auf die alles verzehrende Leidenschaft, die ihre sinnliche Schönheit in ihm entfacht, ist er nicht vorbereitet. Eine Verbindung mit der Prinzessin der Lykanthropen würde in der Welt der Schattenwandler jedoch zu ernsten Verwerfungen führen und in die Hände ihrer Feinde spielen ...

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Inhalt

Titel

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

Epilog

Impressum

Roman

Ins Deutsche übertragenvon Beate Bauer

Prolog

England im Jahre 1562

Elizabeth lachte schallend, und der Klang hallte, obwohl sie offensichtlich ganz außer Atem war, bis zu der riesigen gewölbten Decke des Ballsaals empor. Sie presste eine Hand in die Seite, genau dahin, wo das Korsett ihre Lunge zusammenzupressen schien. Trotzdem bemerkten nur ihre engsten Vertrauten diese verräterische Geste. Für jeden anderen bei Hofe gab Königin Bess einfach eine bemerkenswert elegante Figur ab, wenn sie tanzte.

Ihr Partner war gnadenlos und hielt ihre Finger fest umklammert, während er sie ein ums andere Mal im Kreis drehte. Es gab nur wenige an Königin Elizabeths Hof, die die Leidenschaft der Monarchin für das Tanzen teilten und die dabei mithalten konnten. Anscheinend war der rumänische Prinz, der Bess führte, sehr wohl dazu in der Lage, mitzuhalten und sie sogar an ihre Grenzen zu bringen.

Robert Dudley beobachtete das Schauspiel mit dunklen, gierigen Augen und mit einem heftigen Zucken seines Kiefers. Lord Cecil Burghley konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den vernachlässigten Liebling der Königin zu verspotten. „Sieht so aus, mein lieber Dudley, als wäre unsere gute Bess recht angetan von Prinz Damien. Ich habe noch nie erlebt, dass sie sich mit einem hohen Besuch so schnell angefreundet hat.“

Dudley antwortete nicht sofort. Er hatte mit ansehen müssen, wie Bewerber aus verschiedenen Ländern gekommen waren und seiner Bess den Hof gemacht hatten, und dieser rumänische Prinz würde, falls er dies vorhatte, genauso wenig Erfolg damit haben, um die Hand der launenhaften Königin von England anzuhalten.

Ihr Herz gehört mir, dachte er grimmig.

Egal, wie viele attraktive Würdenträger Cecil als mögliche Heiratskandidaten aufmarschieren lassen würde, Bess würde ihre Liebe niemals verraten … und seine auch nicht.

Damien drehte Elizabeth ein letztes Mal im Kreis und funkelte sie mit seinen atemberaubenden mitternachtsblauen Augen übermütig an.

„Ihr übertrefft mich heute Abend!“, erklärte die englische Königin atemlos, während sie seinen dargebotenen Arm nahm und sich zu ihrem Thron geleiten ließ. Sie setzte sich mit nicht gerade damenhafter Haltung und kickte mit den Füßen ihre ausladenden Röcke hoch, nachdem sie einem Händepaar ein dargebotenes Glas Wein entrissen hatte. „Mein Herr, Ihr müsst mir verraten, wie Ihr unsere neuesten Tänze mit solchem Geschick und mit solcher Ausdauer tanzen gelernt habt!“

Der Prinz schenkte ihr ein verführerisches Lächeln und strich sich über den exakt gestutzten Bart, so als würde er eingehend darüber nachdenken.

„Wahrscheinlich, weil mir zugetragen wurde, dass Tanzen der einzige Weg ist, die Aufmerksamkeit der englischen Herrscherin zu gewinnen.“ Er seufzte dramatisch. „Und jetzt sind meine Tricksereien aufgeflogen, und Ihr werdet mich gewiss fortschicken, damit ich nie wieder einen Fuß auf den Boden Eurer wunderschönen Heimat setze.“

„Das kommt darauf an“, erwiderte sie listig, „aus welchem Grund jemand Unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen sucht.“

„Ich könnte irgendetwas vorschützen, wenn Ihr es wünscht. Ansonsten muss ich gestehen, dass reine Neugier mich getrieben hat.“

Elizabeth warf den Kopf zurück und lachte. Sein Charme und sein unverblümter Humor waren in den wachsamen Augen der englischen Hofgesellschaft ein Skandal, doch das schien Prinz Damien nicht im Geringsten zu kümmern. Elizabeth gefiel das. Sie war gleich angetan gewesen von Damien, als er vor vier Tagen zum ersten Mal vorgesprochen hatte. Er hatte es mit der respektlosen Bemerkung getan, dass er nicht gekommen sei, um ihr den Hof zu machen oder sie zu umwerben, und dass von ihm auch kein Heiratsantrag zu erwarten sei, da er wisse, dass sie viel zu gut für ihn war und dass sie ohne ihn besser dran sei.

Es war eine unverschämte Art gewesen, das Eis zu brechen, indem er der belustigten Monarchin rasch versicherte, dass ihr Gast einzig und allein da war, um sich zu amüsieren, und nicht, um mit den zahlreichen anderen Gästen fremder Fürstentümer um sie zu buhlen. Seitdem waren sie dicke Freunde. Elizabeth sah in Damien eine ebenbürtige Person, einen möglichen Vertrauten, der ihre einzigartige Stellung im Weltgeschehen verstand.

„Kommt, begleitet Uns ein Stück, Damien“, sagte sie und erhob sich, jetzt, da sie zu Atem gekommen war, und nahm wieder seinen dargebotenen Arm.

Elizabeth führte Damien zu den Gemächern des großen Londoner Palastes. Natürlich gefolgt von der kleinen Gruppe Frauen, die Elizabeth als Hofdamen dienten, doch beide Herrscher beachteten ihre Anwesenheit nicht.

„Scherz und Charme beiseite, Damien“, sagte sie beiläufig, „was ist der eigentliche Zweck Eurer Anwesenheit?“

„Es gibt keinen. Ich bin nur auf Reisen, um mir die Welt anzuschauen.“

„Und was ist mit Eurem Volk? Mit Eurer Heimat? Brauchen Eure Untertanen ihren Prinzen nicht?“

„Natürlich“, antwortete er leichthin. „Doch mein Reich ist nicht wie das Eure. Meine Kultur … nun, sie unterscheidet sich sehr von der Euren. Ich kann es mir erlauben, hin und wieder nicht da zu sein.“

„Da habt Ihr großes Glück“, bemerkte sie und versuchte, sich den Neid, den sie tatsächlich empfand, nicht anmerken zu lassen.

Damien, der sehr hochgewachsen war, blickte auf die Königin herunter, ein leichtes Lächeln im Mundwinkel. Er begab sich nicht allzu oft in solche Gesellschaft, aber manchmal hörte er interessante Dinge über das Geschehen in dieser Welt und fühlte sich dazu angeregt, sie selbst in Augenschein zu nehmen.

Die junge englische Königin gehörte dazu. Ihre Zukunft war vielversprechend und hielt einiges bereit, das selbst ihre eigenen Erwartungen übertreffen konnte. Es wäre eine Schande, diese Frau außer Acht zu lassen und sich nicht ein genaues Bild von ihr zu machen. Auch hatte er nicht gelogen, als er den Wunsch nach Vergnügungen geäußert hatte. Langeweile brach sich manchmal zu leicht Bahn. Dieses kleine Fleckchen Erde übte einen großen Reiz aus. Allein schon die finsteren politischen Machenschaften am englischen Hof hielten einen in Atem. Es gab so viele Intrigen und Verschwörungen, dass es einer ziemlichen geistigen Anstrengung bedurfte, um mitzuhalten.

Damien liebte gut inszenierte Intrigen, und es war stets ein großer Spaß, darüber zu spekulieren, wie sie ausgehen würden. Manchmal war es ein noch größerer Spaß, den Ausgang selbst zu beeinflussen.

„Nun, meine Dame, ich fürchte, ich muss Euch um Verzeihung bitten“, sagte er, und seine dunklen Augen und seine Lippen lächelten klug und übten eine große Anziehungskraft aus.

Elizabeth musste zugeben, dass der Mann ausgesprochen schön war. So wie man eine Frau als hübsch bezeichnen konnte, war er auf jeden Fall schön. Er war groß, bestimmt über einen Meter dreiundachtzig, hatte schwarze Haare und einen ebenmäßigen blassen Hautton, der weder Schminke noch Puder benötigte, um so durchscheinend zu wirken, wie es gerade Mode war. Weder Schnauzer noch Bart waren fettig, und er trug beides nicht lang oder zwirbelte die Enden, wie es üblich war. Stattdessen waren sie genauso sauber wie sein Haar, das er im Nacken mit einem blauen Band zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, das zu dem blauschwarzen Schimmer seiner Adern passte.

Welche Stellung er auch einnehmen mochte in seiner Welt, er war anscheinend kein Monarch, der faul auf seinem Thron saß. Sein Körper war gestählt wie bei einem Kämpfer, der ein mächtiges Schwert zu führen gewohnt war. Einen so kraftvollen Oberkörper bekam man nicht von Natur aus mit, und seine breiten Schultern konnten wohl das Gewicht der Welt tragen. Der Oberkörper lief zu den schmalen Hüften hin zusammen, nirgendwo war überflüssiges Fett, und er hatte lange, geschmeidige Beinmuskeln, die unter dem edlen Stoff seiner eng anliegenden Kniehosen gut zu erkennen waren. Das brachte selbst eine Königin dazu, sich in andächtiger Bewunderung über die Lippen zu lecken. Elizabeth lachte über sich selbst; zum Glück konnte der Mann neben ihr ihre Gedanken nicht lesen.

„Ich verbiete Euch zu gehen“, hörte sie sich selbst sagen, weil sie ungern auf die Gesellschaft des einzigen Mannes in England verzichten wollte, der nichts anderes von ihr erwartete als ihre unterhaltsame Gesellschaft. Es war ein ungeheurer Luxus, wie sie zugeben musste, doch sie war die Königin, und sie konnte jeden Luxus haben, den sie sich wünschte.

Unglücklicherweise war sie nicht seine Königin.

„Normalerweise, liebste Dame, würde ich es mir selbst nicht gestatten zu gehen. Allerdings muss ich heute Abend auf die Gesellschaft Eurer Majestät verzichten, um mich, wie es das Schicksal will, um Staatsangelegenheiten zu kümmern. Ich entschuldige mich untertänigst.“

„Nein, Damien, dazu besteht kein Anlass. Wir Staatslenker sind häufig eher die Sklaven unseres Volkes als dessen Anführer. Geht! Doch Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr morgen Abend zurückkehren werdet. Wir haben eine unterhaltsame Darbietung geplant, die Euch sicher entzücken wird.“

„Gewiss. Euer Geschmack in diesen Dingen hat sich als unfehlbar erwiesen.“

Damien zog ihre beringte Hand an die Lippen und küsste die blasse Haut über dem rasch schlagenden Puls auf der Innenseite ihres Handgelenks. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging mit einem Lächeln auf den Lippen und mit einer leichten Verbeugung unter den bewundernden Blicken und den geflüsterten Worten der Hofdamen davon.

„Damien“, begrüßte ihn Dawn, als er das Schloss betrat, das sie ein gutes Stück außerhalb Londons als Schlupfwinkel bewohnten.

Wegen ihrer scharfen Sinne zogen Vampire es vor, außerhalb der Stadt zu leben. Die hygienischen Verhältnisse und die Abfallbeseitigung bei den Menschen waren miserabel. Die Straßen rochen wie Abwasserkanäle, die Themse stank unerträglich nach Fäulnis, und auch Unmengen von französischem Parfüm konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Menschen aus Aberglauben kein Bad mehr nahmen, wie es früher üblich war. Sie dachten tatsächlich, es würde sie krank machen, wo doch genau das Gegenteil der Fall war.

„Meine Süße“, erwiderte Damien den Gruß und gab ein sanftes Knurren von sich, als der junge weibliche Vampir mit dem feuerroten Haar sich an ihn schmiegte. Sie schnappte nach seinem Hals, und er lachte, als ihre Zunge ganz langsam über seine Schlagader leckte.

„Mmm“, schnurrte sie neckisch an seinem Ohr.

„Freches kleines Biest“, sagte er zu ihr, als er dem scherzhaft gemeinten Kratzen ihrer nadelspitzen Reißzähne auswich. Er packte sie bei den Schultern, drehte sie herum und schickte sie mit einem kräftigen Klaps auf den Po fort. „Ich habe noch etwas zu erledigen, bevor ich mich um deine Gelüste kümmern kann.“

Der freche Rotschopf blickte ihn über die Schulter hinweg an, während der Schlag sie davonstolpern ließ. Die Gier in ihren Augen zeigte, dass sie nicht sehr lange Ruhe geben würde. Wenn sie dieser Zuwendung unbedingt bedurfte, würde Dawn nicht zögern, sich einen anderen Freiwilligen zu suchen. Er hatte keine Macht über sie und sie nicht über ihn, abgesehen von ihrem Appetit aufeinander.

Damien zog seine Handschuhe aus und legte das Schwert an seiner Hüfte ab und den Dolch, der im Stiefel versteckt war.

Er übergab beides Racine, die wie immer bereitstand. Voller Zuneigung zog er an einer der langen Locken ihres staubfarbenen Haars, bevor er sie ihrer Aufgabe überließ, seine Sachen wegzuräumen.

Er ging durch das Foyer, den vorderen Aufenthaltsraum und in den Hauptsalon. Dort hatten es sich die Mitglieder des Hofes, die ihm nach England gefolgt waren, auf Sesseln bequem gemacht, die in einem behaglichen Kreis aufgestellt waren, der den ganzen Raum einnahm. Simone hatte Feuer gemacht. Sie war süchtig nach dieser besonderen Annehmlichkeit und rekelte sich direkt vor den Flammen in einem Sessel.

„Damien“, sagte sie, und ihre Stimme klang so gereizt, dass er wusste, sie würde sich gleich beklagen. „Es ist überaus öde hier. Wann reisen wir weiter?“

„Wir sind gerade erst angekommen, Liebling“, rief er ihr in Erinnerung.

„Na ja, es ist eben langweilig“, beschwerte sie sich und richtete sich auf. „Diese Leute … riechen übel. Und sie sind schrecklich öde. Können wir nicht zurück nach Byzanz?“

„Immer willst du zurück nach Byzanz“, erwiderte Lind trocken und hob seinen Blondschopf von Jessicas üppigen Brüsten, wo er ein wenig gedöst hatte.

Damien blendete für einen Moment das Wortgeplänkel und die Beschwerden aus und warf einen Blick auf die zehn Personen, die sich als seine engsten Freunde betrachteten. Elizabeth Tudors Hof zu verlassen und zu diesem Gelage von Männern und Frauen zurückzukehren, für die Kleidung nur eine Nebensache war, daran musste er sich jedes Mal erst wieder gewöhnen.

Anders als die Menschen dieses Jahrzehnts, die sich in ein Korsett zwängten und sich in Schichten überflüssiger Unterröcke hüllten, hatten die Vampire in seiner nächsten Umgebung so wenig wie möglich an. Ein paar Frauen trugen Kniehosen, ein paar Männer Kilts. Der Geschmack hätte anachronistischer nicht sein können. Obwohl solche Wesen wie er normalerweise aus seiner rumänischen Heimat stammten, war jeder hier in einem anderen Jahrhundert und an einem anderen Ort geboren worden, und Damien sammelte ihre Freundschaft wie andere vielleicht Jahrgangsweine. Ihre Art, sich zu kleiden, spiegelte die Epoche und die Kultur wider, in die sie hineingeboren worden waren, oder zeigte nur, worin sie sich am wohlsten fühlten.

Nicht, dass es Damien gestört hätte, wie seine Gefolgsleute aussahen. Es kümmerte ihn auch nicht, was sie taten, solange es nicht gegen die Gesetze verstieß und keiner dabei zu Tode kam. Trotzdem war es ein leichter Kulturschock, sich zwischen Menschenwelt und Vampirwelt zu bewegen.

Er ließ den Blick zu Jasmine wandern, die nicht so dalag, als wäre sie total gelangweilt. Stattdessen stand sie breitbeinig und in wachsamer Haltung da, sodass ihre Muskeln angespannt waren, was durch die eng anliegenden Kniehosen und die Stiefel noch betont wurde, und blickte aus dem Fenster. Er ging zu ihr, wobei er über ein paar ausgestreckte Beine steigen musste.

„Jas“, sagte er und stellte sich dicht hinter sie, sodass er an ihrem wallenden schwarzen Haar vorbei ihrem Blick folgen konnte. Er sog den Duft nach Aloe und Persimone von ihrem Shampoo ein.

„Mein Herr“, grüßte sie zurück und krauste die Nase, als sie ebenfalls seinen Duft einsog. „Du brauchst ein Bad“, bemerkte sie.

„Jetzt, wo wir doch heute Nacht noch auf die Jagd gehen?“, fragte er.

„Das stimmt“, erwiderte sie abwesend.

„Worauf haben wir es heute Nacht abgesehen, Jasmine?“

„Neben Faulenzen, Sinneslust und anderen Todsünden?“, fragte sie spöttisch mit einer Kopfbewegung in Richtung der anderen im Raum.

„Da schaust du jedenfalls in die falsche Richtung“, stichelte er. Er wusste nur zu gut, dass Jasmine ihre Langeweile nicht auf dieselbe Weise ausdrückte wie die anderen. Sie war eine Denkerin. Sie suchte immer tiefergehende Dinge als die unmittelbare Befriedigung. Genau wie ihr Bruder Horatio, von dem sie aufgezogen worden war. Er hatte die Einladung, sie nach England zu begleiten, ausgeschlagen. Damien war wirklich überrascht gewesen, dass Jasmine an seiner Stelle zugesagt hatte.

„Ich schaue in die Zukunft, Damien“, sagte sie sanft, und ihr Tonfall löste einen Schauder in ihm aus, während er ihrem Blick aus dem Fenster folgte. „Dabei wird mir klar, warum sich ein paar von uns jahrzehntelang dem Schlaf hingeben.“

„Warum, Jasmine?“, fragte er, obwohl er mit seinen ungefähr vierhundert Jahren lang genug gelebt hatte, um es zu wissen.

„Damit wir nicht verrückt werden, denke ich. Vor Langeweile oder weil das Gewirr der Völker, die sich auf dem Planeten tummeln, manchmal so kompliziert ist. Es laugt mich aus, und ich möchte sofort schlafen, wenn ich nur daran denke.“

„Puss, du bist erst vierundfünfzig. Ein richtiges Kind noch, ohne dich kränken zu wollen. Zu jung, um über das Bedürfnis nach Zerstreuung im hohen Alter nachzudenken, und erst recht zu jung, um dir über das Schicksal der Völker auf dem Planeten Sorgen zu machen.“ Er strich ihr das Haar zurück, küsste sie zärtlich auf ihre babyzarte Wange und fuhr mit dem Finger über ihr makelloses jugendliches Gesicht. Wie alle Vampire war sie nach der Geschlechtsreife mit Mitte zwanzig um keinen Tag gealtert. „Wenn es dich zufriedener macht, kann ich dir, glaube ich, ein gutes Unterhaltungsprogramm versprechen, falls du eins brauchen solltest. Du musst es nur sagen.“

„Dieser hässlichen sommersprossigen Frau dabei zuzuschauen, wie sie Männern und Mördern entkommt, ist nicht meine Vorstellung von guter Unterhaltung“, erwiderte sie ironisch.

„Aber mein Wahnsinn hat Methode, Süße.“

Damien lächelte und wandte sich zu den anderen um. Er räusperte sich und zog so ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ein paar setzten sich sogar in gespannter Erwartung auf.

„Meine Zeit bei Hofe war ausgesprochen fruchtbar. In Frankreich gibt es so etwas wie einen religiösen Aufstand. Protestanten und Katholiken und der übliche Unfug.“

„Oh! Schicken Sie junge Männer?“, fragte Jessica aufgeregt.

„Ist es eine Armee oder nur ein Haufen Rebellen?“

„Ja. Was genau meinst du mit ‚so etwas wie‘, Damien“, wollte Lind beharrlich wissen.

„Sagen wir, es genügt, dass wir eine ganze Weile versorgt sind“, sagte er kichernd. „Wir brechen in einer Woche auf.“

Als Damien am folgenden Abend in den Palast kam, erfuhr er, dass die Königin erkrankt war und diesen Abend nicht Hof halten würde. Der Prinz war besorgt. London war selbst im Winter eine Brutstätte schrecklicher Plagen und heimtückischer Krankheiten. Elizabeth Tudor machte nicht gerade den Eindruck auf ihn, dass sie anfällig war oder sich wegen einer Krankheit ins Bett legte. Sie war ein lebhaftes und zähes Ding; genau das war der Grund, weshalb Damien so viel Spaß mit ihr hatte.

Der Prinz wollte sich selbst Zugang zu den Räumlichkeiten der Königin verschaffen, nachdem Robert Dudley allzu großes Vergnügen daran gefunden hatte, ihn abzuweisen. Damien hätte ihn leicht dazu bringen können, genau das Gegenteil zu tun, doch er war gelangweilt von Dudleys Machtspielchen.

Zielstrebig machte er sich auf den Weg in den Flügel, wo sich Elizabeths Gemächer befanden. Es gelang ihm, nah genug heranzukommen, um das besorgte Flüstern und die huschenden Schritte in den Räumen der Königin zu vernehmen und sich aus dem, was gesagt wurde, und aus den Gedanken ein umfassendes Bild von der Lage zu machen. Sobald er sicher wüsste, dass Elizabeths Krankheit nicht bedrohlich war und sie bald wieder wohlauf wäre, würde er gehen, seinen Hofstaat um sich versammeln und sich auf die Schlachtfelder in Frankreich begeben, wo zahlreiche Vergnügungen auf sie warteten.

Es dauerte nicht lange, bis er herausgefunden hatte, dass es Elizabeth überhaupt nicht gut ging. Es war sogar sehr wahrscheinlich, dass sie die Nacht nicht überleben würde.

Sie hatte sich mit den tödlichen Pocken angesteckt.

Diese verdammte Krankheit!, dachte Damien wütend.

Er löste sich von der Wand, an die er sich gelehnt hatte, und durchquerte eilig den Raum. Niemand hielt ihn auf, weil niemand überhaupt bemerkte, dass er da war. Er ging sofort in Bess’ Schlafzimmer, trat an ihr Bett und riss ungeduldig die Vorhänge auf. Sie war geschwächt und totenbleich … fast so, als wäre das nicht die Frau, die noch am Vorabend mit ihm gelacht, getanzt und geflirtet hatte.

Zwei Frauen hielten am Bett Wache, und Damien wandte sich ihnen zu. Er fasste jede kurz unterm Kinn und sah ihr so lange fest in die Augen, bis er ihre Gedanken und ihre Wahrnehmung genügend manipuliert hatte. Dann wandte er sich wieder zu Bess hin, kniete sich mit einem Bein auf ihr Bett und zog sie an seine Brust. Sie hing an ihm wie eine schlaffe Porzellanpuppe, während er die roten Locken zurückstrich, die ihren Hals bedeckten.

Dann legte er einen Moment lang den Kopf zurück, gebogene Reißzähne wuchsen mit einem kurzen, gefährlichen Gleißen aus seinem Mund, bevor er sie in die Kehle der jungen englischen Königin grub.

Der Vampirprinz spürte, wie ihr vom Fieber erhitztes Blut über seine Zunge rann. Er war vorher nicht auf der Jagd gewesen, weshalb er ein unwillkürliches Behagen empfand, als er seinen Hunger stillte, wie immer beim ersten Tropfen Blut.

Obwohl sie krank war und Fieber hatte, reagierte Elizabeth auf seinen Angriff. Sie stöhnte leise auf und griff blind nach seinem Arm, der fest um die Rippen unter ihrer Brust geschlungen war. Er konnte nicht so tun, als bemerkte er nicht, wie ihre Finger über die feinen Härchen an seinem Arm strichen und wie ihr Körper sich an seiner Brust und an seinen Schenkeln wand. Das steigerte den Genuss seiner Mahlzeit, so wie der Akt des Saugens stets instinktiv die Sinnlichkeit des Opfers weckte. Das Einzige, was ihm den Genuss noch mehr hätte versüßen können, wäre Furcht gewesen oder Zorn, etwas, was den Menschen mit Adrenalin vollgepumpt hätte, kurz bevor die Haut durchbohrt wurde.

Sie war bereits geschwächt, daher hielt er sich zurück. Doch er ließ seinen Mund auf der Wunde, die er ihr zugefügt hatte. Ihre Halsschlagader pochte heftig gegen seine Zunge und schwemmte die Wirkstoffe seines zweiten Bisses in ihre Kehle, während seine Reißzähne ihr die Gerinnungssubstanz einflößten, so wie das Gift einer Schlange durch deren Fangzähne in den Körper gespritzt wird.

Doch anders als Gift würde dies Elizabeth nicht im Geringsten schaden.

Nein. In dem Gerinnungsmittel, das die Blutung schnell zum Stillstand bringen würde, sobald er sich von ihrem Hals löste, befanden sich die Antikörper, die sie brauchen würde, um den Eindringling zu bekämpfen, der ihr Leben bedrohte.

Es gab nur wenige Vampire, die so alt oder so robust waren, dass sie eine Ansteckung mit einer so schweren Krankheit wie den Pocken überstehen konnten. Doch solche Wesen wie Damien, der stark genug war, hatten die Fähigkeit, den Erreger zu erkennen und auszumachen, indem sie ihn aus den befallenen Zellen herauslösten und eine eigene chemische Substanz dort einschleusten, um die notwendigen Antikörper herzustellen. Es war kein einfacher Trick, und Vampire, die der Aufgabe nicht gewachsen waren, konnten sich selbst mit der Krankheit anstecken. Zum Glück konnten sie das bei ihrem Opfer spüren, noch bevor sie bei ihm waren.

Die Belohnung für das Risiko bei dieser Umwandlung von Krankheit in Heilungsprozess war, dass die Antikörper eine Art Krankheitsgedächtnis entwickelten und sich mit Hunderten anderen zusammentaten und dem Gerinnungsmittel zugesetzt wurden, das dem Opfer am Ende der Nahrungsaufnahme eingespritzt wurde. Damien hatte schon einmal einen Pockenkranken als Beute gehabt, was es seinem Körper ermöglicht hatte, die Antikörper herzustellen, die Elizabeth jetzt helfen würden. Er hatte ihr zuliebe seinen Hunger nicht ganz gestillt. Das war eine kleine Dreingabe.

Er hatte ihr Blut gesaugt, um sie gesund zu machen.

Damien löste sich von der Königin und bettete sie sanft auf einen Berg von Federkissen. Er entdeckte einen Blutspritzer an seinem Daumen und hielt kurz inne, um ihn abzulecken.

Sein Biss war keine Wunderkur. Es war nur ein Hilfsmittel, das ihrem Immunsystem half, sich schneller wieder aufzubauen. Elizabeth war stark, und sie war eine Kämpferin. Diese zwei Eigenschaften würden ihr helfen, sich zu erholen. Es würde nur eine Weile dauern.

Damien würde inzwischen nach Frankreich reisen, mit seinen Leuten auf den Schlachtfeldern schlemmen und dann wieder zurückkehren, um sie hoffentlich lebendig und gesund und erfreut über das Wiedersehen mit ihm vorzufinden.

1

San José, Kalifornien, heute

Damiens Kopf fuhr hoch, als er plötzlich das Gefühl hatte, dass jemand ganz in der Nähe war. Bei der ruckartigen Bewegung seines Nackens schlug sein Zopf wie eine Gerte gegen seinen Hals.

Es war pechschwarze Nacht, und um ihn herum war es vollkommen dunkel. Der Mond war nicht zu sehen, und alles war wie in eine schwere Samtdecke gehüllt, sodass empfindsame Wesen womöglich das Bedürfnis verspüren könnten, davor zu fliehen. Auch das Licht der wenigen, und weit voneinander entfernt angebrachten Straßenlaternen in der kalifornischen Vorstadt konnte die Dunkelheit nicht durchdringen.

Doch die Dunkelheit störte Damien nicht. Nein, sie war vielmehr sein natürlicher Lebensraum, und all seine Sinne waren bestens dafür gerüstet. Trotzdem lief ihm ein befremdlicher Schauer über den Nacken, solange dieses unbekannte Wesen in seiner Nähe herumschlich.

Er lehnte sich im Schutz des Laubwerks ein bisschen weiter zurück, als er erkannte, dass es sich nicht um ein menschliches Wesen handelte, das sich ihm fast völlig unbemerkt näherte. Normale Menschen waren nicht in der Lage, sich seinen Sinnen zu entziehen, und es gelang ihnen nicht, sich ihm zu nähern, ohne dass er sie bemerkte. Also fragte sich der Vampirprinz, wer oder was seiner Spur so verstohlen folgte.

Erst einmal musste er herausfinden, ob es Zufall war oder Absicht. Er stieß den Atem aus, mehr aus Gewohnheit denn aus Notwendigkeit, und schüttelte verwirrt den Kopf. Er hatte an diesem Abend eigentlich nur jagen und dann auf sein friedliches Grundstück zurückkehren wollen. Aber um diese Art Frieden zu finden, murmelte er, durfte man keine Feinde haben.

Unglücklicherweise hatten Vampire eine Menge Feinde.

Und der Vampirprinz hatte normalerweise zehnmal so viele. Abgesehen von Außenpolitik und einer Vielzahl lästiger Menschen oder unruhestiftender Schattenwandler hatten Vampire die schlechte Angewohnheit, miteinander König der Berge zu spielen. Obwohl die meisten wussten, dass es besser war, sich mit Damien nicht anzulegen, gab es immer ein paar, die ihre Fähigkeiten überschätzten und den Vampir vom Thron stoßen wollten. Sie gehörten einer Gruppe an, bei denen das Überleben des Stärkeren die Triebfeder war. Was den Thron anging, so würde derjenige, der ihn innehatte, das ganze Volk anführen.

Er musste es wissen, dachte er mit einem verschlagenen Lächeln, das das Elfenbein eines erwartungsvollen Reißzahns in der Dunkelheit aufblitzen ließ. Damien hatte den früheren Monarchen ausgeschaltet, und so war er vor mehreren Jahrhunderten zu seiner Rolle als Prinz gekommen.

Sein Vorgänger war ein solcher Dummkopf gewesen, dachte er, während er ruhig auf seinen Verfolger wartete, dass er die rituelle Enthauptung wirklich verdient hatte.

Als er seine Sinne darauf richtete, seinen Jäger zur Beute zu machen, stellte er fest, dass es kein Vampir war, der ihn verfolgte. Dazu musste er nur auf die kleinen Membranen, verborgen im Augeninneren, umschalten. Diese Membranen verliehen ihm die Fähigkeit, eine hell schimmernde Aura zu sehen, die je nach Wärme eines Körpers immer anders war.

Weil Vampire keinen natürlichen Blutkreislauf hatten, behielten sie die Wärme vom Blut ihres Opfers im Körper, vorausgesetzt seit der Nahrungsaufnahme waren nicht mehr als vierundzwanzig Stunden vergangen. Das Problem dabei war, dass Extremitäten wie Finger und Zehen die künstliche Wärme am schnellsten abgaben. Ein Vampir, der noch nicht gejagt hatte, war von seinem Erscheinungsbild her um diese frühe Abendstunde wie eine Zielscheibe. Herz und Brust waren am wärmsten und leuchteten am stärksten und am hellsten, dann ging dieses Weiß in wabernden Kreisen in rote, dann in orangefarbene, dann in rosafarbene Kreise über, bis zu den Händen und Füßen, die kaum noch zu erkennen waren und die mit der Umgebung verschmolzen.

Ein Vampir, der bereits Beute gemacht hatte, erschiene in gleichmäßigem Rot, im Gegensatz zu einem Menschen, der abwechselnd eine weiße, eine rote und an bestimmten Punkten eine tiefrote Farbe aufweisen würde. Der Wärmezustand eines Menschen änderte sich fortwährend, durch Bewegung, durch Anstrengung, Krankheit oder Erregung, und es dauerte eine bestimmte Zeit, bis der menschliche Körper diese Veränderungen wieder ausglich. Jedenfalls konnten nach ein- oder zweihundert Jahren Übung diejenigen mit den besten Augen und mit den größten Fähigkeiten ganz leicht den Unterschied zwischen einem wärmedurchströmten Vampir und einem Sterblichen erkennen. Es konnte aber auch ein Schattenwandler sein, der jede Körpertemperatur simulieren konnte, oder ein Dämon. Dämonen waren bekannt dafür, dass ihre Körpertemperatur um mehrere Grad unter der von fast allen aufrecht gehenden Arten auf der Erde lag. Und genau das war der Fall bei dem Körper, der nicht weit von ihm entfernt in der Dunkelheit stand.

Schattenwandler lebten nur deswegen in der Dunkelheit, um sich vor bestimmten schädlichen Auswirkungen der Sonne zu schützen. Von diesen beiden Arten waren die Dämonen diejenigen, bei denen es am wenigsten wahrscheinlich war, dass sie dem Vampirprinzen schaden oder ihn in Gefahr bringen wollten. Dämonen waren geradezu berüchtigt für ihre hohen moralischen Ansprüche, und sie waren eigenbrötlerisch, wachten, ganz auf sich selbst konzentriert, über ihren Besitz und wagten sich nicht besonders gern hinaus, um woanders für Ärger zu sorgen.

Normalerweise.

In jüngster Zeit hatte es Ärger gegeben, der alles Mögliche bedeuten konnte.

Natürlich konnte es auch ein Schattenwandler sein. Diese kleinen Schwindler waren Meister der Tarnung und glichen Chamäleons. Und sie waren schreckliche Plagegeister, dachte Damien spöttisch. Bei ihnen gab es keine richtige Hierarchie, sie zogen in Clans und in religiösen Gruppen umher und stifteten oft allerhand Unheil und machten eine Menge Ärger. Sie waren wie ungebärdige Kinder, die andere Schattenwandler quälten, die in Streit gerieten, mit Sterblichen Schabernack trieben, als wären es Spielzeuge oder Puppen.

Damien verstand zwar schon, worin der Reiz lag. Er selbst hatte mit Menschen und mit anderen Wesen in seiner Jugend oft genug Schabernack getrieben.

Nun ja, vielleicht wuchs die Jugend einfach zu frei auf.

Ehrlich gesagt, war er noch immer schnell dazu in der Lage, mit den Eigenschaften der verschiedenen Arten zu spielen, wenn er dazu in Stimmung war, und er lachte in sich hinein. Gideon, ein alter Freund unter den Dämonen, hatte ihm einmal vorgeworfen, er sei ein kosmischer Wichtigtuer. So weit war das gar nicht entfernt von der Wahrheit.

Bevor Damien es sich gönnte, zu glauben, dass dieser Dämon ein Freund war, musste er den Spieß umdrehen und seine Jagdbeute überraschen. Wenn er noch länger seine Zeit zwischen den Büschen vergeudete, würde das Wesen, das auf seinen Spuren wandelte, mitbekommen, dass er seinen Verfolger bemerkt hatte.

Ganz unvermittelt löste sich ein Schatten aus der Umgebung und kam genau auf ihn zu.

Ganz direkt.

Das zeugte entweder von unglaublicher Dummheit oder von absoluter Furchtlosigkeit. Als er wieder auf die normale Sehfähigkeit umschaltete und die Züge der sich nähernden Gestalt ausmachen konnte, erkannte er, dass die zweite Möglichkeit zutraf.

„Noah“, sagte er, trat selbst aus der Dunkelheit und ging dem Dämonenkönig entgegen.

Noah lächelte verhalten und schüttelte Damiens rasch ausgestreckte Hand kräftig. Dann bauten die beiden Monarchen sich voreinander auf und maßen einander mit geübtem Blick.

„Was führt dich in meine Jagdgründe, so fern von daheim?“, fragte Damien, um gleich auf den Punkt zu kommen. Noahs Besitztümer in England waren weit weg von Kalifornien, das Damien als sein Territorium beanspruchte. Das sprach nicht dafür, dass der König nur zufällig vorbeischaute, denn Dämonen waren in den Vereinigten Staaten nicht sehr oft zu finden. Sie waren trotzdem keine Feinde, was man daran erkennen konnte, dass Damien sofort seine Frage stellte und nicht erst, nachdem er versucht hatte, ihn zu töten.

Vampire waren ebenfalls sehr darauf bedacht, ihr Territorium zu schützen.

„Betrachte es als geschäftliche Angelegenheit“, erwiderte Noah freundlich. „Entschuldige, dass ich zur Essenszeit hier eindringe.“

Damien wischte die Sache mit einer Bewegung seiner langfingrigen Hand beiseite, und der große Rubin am Mittelfinger seiner rechten Hand blitzte den Dämonenkönig an.

„Ich habe noch keine Beute geschlagen. Es macht nichts.“

„Ich hatte mich vergewissert“, erwiderte Noah.

Der Dämonenkönig war ein Feuerdämon. Jeder Dämon hatte eine gewisse Macht und eine Verbindung zu einem der vier Elemente. Feuer war natürlich das flüchtigste und eindrucksvollste. Deshalb konnte Noah Energiefelder wahrnehmen, und da er bereits über sechshundert Jahre lebte, wusste er aus Erfahrung, ob Damien sich bereits ein Ziel für die Abendspeisung ausgesucht hatte.

Noah hatte seinen Thron auf ähnliche Weise erlangt wie Damien, nur dass er wegen seiner unbestrittenen Führungsstärke gewählt worden war. Der frühere Dämonenkönig musste erst sterben, bevor dies geschehen konnte. Und es musste ein natürlicher Tod sein, weil es unter Dämonen absolut verpönt war, gegeneinander zu kämpfen oder einander gar zu töten – obwohl dadurch, dass sie im Grunde unsterblich waren, keine Todesart als natürlich angesehen werden konnte.

Meistens handelte es sich um irgendeine Form von Mord. In einer solchen Kultur war es unwahrscheinlich, dass ein Dämon, der gerade seinen Vorgänger ermordet hatte, zum König ernannt wurde. Dämonen nahmen die Ermordung ihrer Monarchen sehr übel.

Noah konnte auch nicht abgesetzt werden. Obwohl der Große Rat ihn gewählt hatte, konnte dieser seine Meinung nicht mehr ändern. Sein Tod wäre der einzige Weg, um ihn durch einen Nachfolger zu ersetzen. In weniger zivilisierten Zeiten hatte das dem Amt des Dämonenkönigs eine interessante Note verliehen. Vor allem, wenn der Große Rat zu dem Schluss kam, dass er einen Fehler gemacht hatte, und versuchte, den regierenden Monarchen zu ermorden.

Andererseits würden Schattenwandler nie ganz zivilisiert sein. Davon war Damien zutiefst überzeugt.

„Worum geht es denn?“, fragte Damien und forderte den König mit seiner beringten Hand auf, sich neben ihn zu stellen. Sie befanden sich in einer hübschen Siedlung in der Gegend von San José; die an perfekt gepflegten Rasenflächen und an sauberen Gehsteigen gelegenen Häuserreihen zu beiden Seiten lagen still und dunkel da.

„Die Bibliothek.“

Wieder kam er direkt auf den Punkt. Das mochte Damien an den Dämonen. Sie spielten keine Spielchen, außer es diente einem bestimmten Zweck.

„Ja. Die Bibliothek. Ich habe es nicht vergessen“, sagte der Prinz. „Was möchtest du gern?“

„Offen gesagt, Gelehrte aus eurem Volk. Wir haben nicht vor, die Geheimnisse der verborgenen Schattenwandlerbibliothek für uns zu behalten. Es ist eine universale Sammlung zahlreicher Geschichten. Wir haben den Ort nicht wieder betreten, seit wir ihn in den Höhlen des Lykanthropenterritoriums entdeckt haben. Auch niemand von Sienas Leuten war dort“, sagte Noah und lächelte ein wenig, als er den Namen der Lykanthropenkönigin erwähnte, die vor Kurzem den Oberbefehlshaber seiner Streitkräfte geheiratet hatte. Elijah, der Captain der Dämonenkrieger, wurde von seinem Herrscher hoch geschätzt.

„Wir … das heißt, Siena und ich, sind zu dem Schluss gekommen, dass es nur fair wäre, euch zu beteiligen, wenn wir unsere Gelehrten hinschicken, um Nachforschungen über die Bedeutung dieses Orts anzustellen. Da keiner von uns diesen Ort je gesehen hat und er sich offensichtlich aus den Sprachen aller Schattenwandler zusammensetzt, sollten auch alle Schattenwandler dabei sein. Gleichberechtigt.“

„Das ist wirklich fair von dir. Aber ich muss dir wohl nicht sagen, dass meine Leute nicht gerade Gelehrtentypen sind. Außerhalb unseres politischen Apparats und meines ziemlich kleinen Hofstaats sind wir ein Volk aus lauter Stämmen. Wir leben in kleinen, unabhängigen Gruppen, kümmern uns hauptsächlich um den Lebensunterhalt, gehen Menschenjägern aus dem Weg und“, Damien lächelte Noah schamlos an, „sind aus auf sinnliche Genüsse. Wenn wir das nicht finden, interessiert es uns nicht.“

Noah musste lachen. Das traf im Grunde auf jede Art Schattenwandler zu, die es gab. Der Dämonenkönig wusste trotzdem, dass die Vampire der Inbegriff dieses Typs waren. Ein gelangweilter Vampir war etwas Beängstigendes. Ein Vampir sorgte für ziemliche Unruhe, wenn er keine Zerstreuung und keine Unterhaltung hatte. Doch Damien hatte seine eigene Art, damit umzugehen. In seinem Alter entglitten ihm die Dinge nicht mehr so leicht, wie das früher manchmal der Fall gewesen war.

Das konnte natürlich etwas damit zu tun haben, dass Damien reifer geworden war und seine Leute nicht mehr in Auseinandersetzungen verwickelte.

„Wenn ich jemanden zu dir schicke, der interessiert ist“, sagte Damien langsam, „dann hat er zweifellos ganz persönliche Motive. Vielleicht möchte jemand durch einen Einblick in diese seltsame Bibliothek seine Macht erweitern. Ein Vampir genießt nichts so sehr, wie Macht zu bekommen. Wenn ich jemanden schicke, der nicht interessiert ist, dann wird der Ort zu einem Vampirtreffpunkt und verliert seinen Reiz. Sie wären dir nur im Weg. Nein, es ist besser, wenn du uns auf dem Laufenden hältst. Die Gelehrten der Dämonen und Lykanthropen sind am besten geeignet für eine solche Aufgabe.“

„Ich hatte mir schon gedacht, dass du das sagen würdest, aber ich wollte trotzdem fragen. Ich bin überrascht, dass du selbst nicht interessiert bist.“

„Ganz im Gegenteil“, widersprach Damien. „Ich brenne vor Neugier. Eine gemeinsame Bibliothek mit Büchern in Sprachen so vieler Schattenwandlergruppen ist eine faszinierende Vorstellung. Am spannendsten finde ich die Frage, wie wir es so lange gemeinsam in einem Raum aushalten und uns einen solchen Ort ausdenken und ihn dann auch noch mit all dem füllen konnten, was wir bei der ersten Besichtigung vorgefunden haben. Das ist ein Hinweis auf ungewöhnliche Ereignisse, die so weit zurückliegen müssen, dass selbst wir, die wir schon so lange leben, uns nicht mehr daran erinnern. Es legt den Gedanken nahe, dass wir Schattenwandler vielleicht mehr gemeinsame Wurzeln haben, als wir gedacht hätten. Es gibt uns auch die Möglichkeit, einigen von diesen elitären Puristen, die es in jeder unserer Gattungen zu geben scheint, eins auszuwischen. Das bedeutet Ärger.“

„Und ich weiß, wie sehr du Ärger liebst“, bemerkte Noah sarkastisch.

„Ich gebe es zu“, lachte Damien. „Ich bin sicher, ich werde deine Mitarbeiter hin und wieder herumschnüffeln sehen. Ansonsten werde ich Horatio sagen, er soll an den Treffen teilnehmen. Er wird mir Bericht erstatten.“

„Horatio?“ Noah musste lachen. „Ein ungewöhnlicher Gelehrter. Diplomaten geben keine guten Wissenschaftler ab. Manchmal sind Geschichte und Fakten zu nüchtern für sie. Und zu parteiisch. Sie lassen die Dinge lieber im Vagen. Für Horatio wäre das Propaganda.“

„Trotzdem ist er eine wichtige Verbindung zu deinem Hof. Das erleichtert die Sache. Und dann ist da noch Kelsey. Sie genießt derzeit das Leben an Sienas Hof. Mit diesen beiden, und wenn ich gelegentlich auftauche …“

„Einverstanden“, stimmte Noah zu. „Aber sag mir Bescheid, falls du deine Meinung ändern solltest.“

„Wohl kaum.“

„Ich nehme es zur Kenntnis“, sagte Noah. Sie blieben stehen und schüttelten sich erneut die Hand. „Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, Damien. Ich hoffe, du kommst zur Eröffnung.“

„Wann kommt deine Schwester nieder?“

„In ein oder zwei Monaten. Normalerweise dauert die Schwangerschaft einer Dämonin dreizehn Monate, doch Gideon hat das Gefühl, dass sein Sohn es gar nicht mehr erwarten kann. Das und Magdelegnas Wunsch, die Schwangerschaft endlich hinter sich zu bringen, wird mich bestimmt bald zum Onkel machen.“

„Richte ihr meine besten Wünsche aus! Ich freue mich auf Horatios Nachricht über die Geburt.“

Noah nickte ihm zu, trat zurück und wurde binnen eines Lidschlags zu einer wabernden Rauchsäule mit den Umrissen des großen, breitschultrigen Mannes, bevor diese Sekunden später zum Himmel aufstieg und in der Dunkelheit verschwand.

Damien folgte dem Entschwinden des Dämonenkönigs für einen Moment mit seinen übrigen Sinnen, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder darauf richtete, sich sein Abendessen zu beschaffen.

Syreena schlug mit einem lauten Stöhnen auf, und der Aufprall ihres Körpers und die entweichende Atemluft wirbelten eine Staubwolke auf, die mit dem nächsten Atemzug sofort in ihre Lungen geriet. Sie hustete, spuckte Blut und stützte sich dann auf ihre Hände, um die Person anzuschauen, die sie geschlagen hatte.

Eigentlich musste sie Personen sagen.

Es waren Die Drei.

Und sie hatte sie mächtig geärgert.

„Steh auf, Kind!“, befahl ihr die Gestalt in der Mitte.

Sie tat es, indem sie ihre schlanken Beine unter den Körper zog, um vom schmutzigen Fußboden aufzuspringen, und warf ihr Haar zurück, ein Gewirr aus Metallgrau und Hellbraun, bevor es auf jeder Seite in einer Farbe herabfiel. Auf der einen Seite war das Haar glatt, auf der anderen Seite sah es aus wie ein federartiges Tuch. Syreenas Augen blitzten vor Zorn. Von den Augen war ebenfalls eines grau und eines braun, und sie lagen verwirrenderweise genau umgekehrt zur Haarfarbe. Dieser Harlekineffekt war immer ein wenig unheimlich, doch wenn sie wütend war, besaß er etwas geradezu Verstörendes.

„Ich bin kein Kind mehr“, fauchte sie, um der Angst Herr zu werden, welche Die Drei ihr von klein auf eingeflößt hatten. „Ich werde mich für das, was ich getan habe, niemals entschuldigen, selbst wenn ihr mich zu Brei schlagt. Also solltet ihr euch vielleicht damit abfinden.“

„Deine Aufmüpfigkeit ist unerträglich, Syreena. So bist du nicht erzogen worden.“

„Ich weiß, wie ich erzogen worden bin“, fauchte sie, spuckte aus und wischte sich mit der Hand über den Mund. „Ich bin dem Orden The Pride nicht mehr verpflichtet, Silas, schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr. Wie du dich vielleicht erinnern kannst, ihr habt mich ausgemustert und mich hinausgeworfen und an den Hof der Lykanthropen geschickt, damit ich meiner Schwester diene.“

„Du bist nicht ausgemustert worden, Syreena. Du bist neu zugeteilt worden. Die Mönche von The Pride unterhalten immer und überall in der Welt zweiseitige Beziehungen. Warum sollte es bei dir nur das eine oder das andere sein. Du bist eine Klosterfrau, und du bist die Beraterin der Königin.“

„Und ich bin eine Prinzessin“, erinnerte sie Die Drei. „Ein Mitglied der königlichen Familie. Obwohl sich meine Schwester eurer Weisheit und euren Anweisungen beugt, herrscht sie über euch genauso wie über jedes andere Mitglied des Lykanthropenvolks. Über diese Macht verfüge ich nun ebenfalls. Du hast mir gesagt, dass es an der Zeit ist, meinen Königsmantel anzulegen, und nun willst du mich dafür bestrafen!“

„Wir bestrafen dich“, erwiderte die linke Gestalt scharf, „weil du einen deiner Brüder grundlos angegriffen hast.“

„Dieser aufgeblasene Dummkopf hat das Überleben meiner Schwester infrage gestellt. Sie ist von der Sonne so übel vergiftet worden und hat nach Luft gerungen, als würde sie jeden Augenblick ersticken, und er beschimpft sie, macht ihre Friedensbemühungen schlecht, für die sie bereit war, ihr Leben zu opfern! Ich würde es wieder tun, wenn irgendjemand …“

„Niemand legt Hand an ein Mitglied von The Pride!“, blaffte Silas, und in seiner äußerlichen Ruhe zeigten sich zum ersten Mal Anzeichen von Ärger, seit der Streit begonnen hatte.

„Oh, du meinst, so wie du nicht Hand an mich gelegt hast?“, gab sie zurück. „Tu, was ich sage, und nicht, was ich tue? Das hat vielleicht funktioniert, als ich noch ein Kind war, aber jetzt bin ich erwachsen. Eine gut ausgebildete Erwachsene – ich danke dir, dein Training war gut für mich. Ich warne dich, Silas, wenn du noch einmal die Hand gegen mich erhebst, dann wirst du erleben, was ich all die Jahre während meines Unterrichts unter Kontrolle gehalten habe, so wie Konini und Hendor es erlebt haben, als sie meine Familie so respektlos verunglimpft haben. Diesmal wirst du mich nicht daran hindern. Nie wieder! Die Zeiten sind vorbei.“

Das war keine leere Drohung der Prinzessin. Silas war sich wohl bewusst, wozu sie imstande war, doch gleichzeitig hatte er keine Ahnung, wozu sie wirklich fähig war. Niemand außer Syreena selbst wusste das, unabhängig davon, dass sie das letzte Jahrhundert unter der Vormundschaft der besten Köpfe von The Pride gestanden hatte.

Syreena wich in ihrer Art von den gewöhnlichen Lykanthropen ab. Das Heilmittel gegen eine Kinderkrankheit hatte sie schrecklich entstellt. Sobald sie in die Pubertät gekommen war, hatte sie sich in eine Lykanthropin verwandelt, die ihresgleichen suchte.

Jeder Lykanthrop konnte drei Erscheinungsformen annehmen. Die menschliche, die desjenigen Tiers, das er im Blut hatte, und eine menschenähnliche Verbindung aus diesen beiden, genannt Werform.

Syreena hatte zwei weitere Erscheinungsformen dazubekommen, eine Abspaltung, die die eigentliche Form und die Werform eines zusätzlichen Tiers angenommen hatte.

Das räumte ihr eine Sonderstellung ein. Niemand wusste wirklich, wo die Grenzen ihrer Fähigkeiten waren. Niemand außer ihr selbst. Und auch wenn es die anderen neugierig machte, ja sogar reizte, wagte es doch keiner, sie an ihre Grenzen zu bringen.

Daher überraschte es Syreena nicht, dass Die Drei einlenkten, obwohl sie die gefürchtetsten und mächtigsten Mönche von The Pride waren. Dies geschah, indem sich Silas unter missbilligendem Schweigen auf dem Absatz umdrehte und, die beiden anderen im Schlepptau, den Bußraum verließ.

Syreena stieß frustriert die Luft aus. Sie galt nicht als aufbrausend, was aber nicht bedeutete, dass sie es nicht sein konnte. Tatsächlich hatte sie ein temperamentvolles Gemüt. Nur durch ihren Unterricht und durch Meditation war es ihr gelungen, der berüchtigten kriegerischen Neigung der Königsfamilie Einhalt zu gebieten. Der Gerechtigkeit halber muss gesagt werden, dass es ihrer Schwester ebenfalls gelungen war. Siena war sogar als Friedenswächterin bekannt. Verständlicherweise gab es zwischen Sienas Politik und ihrer Persönlichkeit einen Unterschied. Das zeigte sich daran, dass sie einen geborenen Krieger zum Mann genommen hatte.

Syreena blieb im Verlies des Schlosses und ging auf und ab, um etwas von ihren aufgestauten Gefühlen abzubauen. Dieser Versuch, ihr Zügel anzulegen, war im Grunde nicht ganz unerwartet gekommen. Nachdem sie die beiden Mönche, die sich ihren und den Wünschen ihrer Schwester widersetzt hatten, beinahe erdrosselt hätte, hatte sie damit rechnen müssen. Jeder, der ein Mitglied von The Pride bedrohte, auch Siena selbst, wurde dafür bestraft.

Das hieß nicht, dass Siena diese Strafe akzeptieren oder zulassen musste. Natürlich hätte sie nicht zugelassen, dass Silas sie schlug, falls er so verrückt gewesen wäre, es zu versuchen. Doch Syreena war für ihn nur so lange die jüngere Prinzessin und Thronerbin, bis Siena das erste Kind gebar. Und obwohl sie deswegen Gift und Galle spuckte, brachten sie ihr nicht dieselbe Anerkennung oder Wertschätzung entgegen.

Es schien sie nicht einmal zu interessieren, dass Syreena selbst eines Tages eine von Den Dreien werden konnte.

Und obwohl sie es sich nie anmerken ließ, setzte ihr das ziemlich zu.

Sie murmelte einen Fluch und warf ihr Haar seitlich über den Kopf, sodass nur noch die braune Seite zu sehen war. Sie zuckte kurz mit dem Kopf und mit dem Körper, und in Sekundenbruchteilen verwandelten sich die Haare in Federn, ihre Kleider fielen zu Boden, und ein Wanderfalke kam daraus hervorgeflogen.

Syreena flog durch die verriegelten Kerkerverliese, bis sie auf Höhe des Erdgeschosses war. Dann schwebte sie rasch durch eine Öffnung und hatte ihr Gefängnis innerhalb von Minuten verlassen.

Siena wandte den Kopf, als das Geräusch schlagender Flügel an ihr Ohr drang. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie der vertraute Falke in das Zimmer hereinschoss, das sie zum Beten nutzte, und sich augenblicklich verwandelte, sodass die Prinzessin auf Füßen statt auf Klauen landete. Die Königin der Lykanthropen erhob sich aus ihrer knienden Haltung und strich sich das dünne Kleid zurecht.

Syreena stand in ihrer menschlichen Gestalt nackt vor ihr und betrachtete ihre Schwester, deren lange goldene Locken die Konturen ihres üppigen Körpers besser versteckten als der Fetzen Stoff, den sie als Kleid trug. Nacktheit bedeutete ihnen und auch den anderen aus ihrer Gattung nichts. Ein Lykanthrop konnte in eng anliegender Kleidung seine Gestalt nicht wandeln, also trugen sie wenig oder gar nichts. Was sie trugen, konnte entweder direkt vor oder während der Verwandlung abgelegt werden.

„Wie ist es gelaufen?“

Syreena hatte Siena nicht erzählt, dass The Pride sie zu sich gerufen hatten, doch es überraschte sie nicht, dass ihre Schwester es herausgefunden hatte. Immerhin war sie die Königin.

„Sagen wir mal, ich werde nicht so bald zum Tee eingeladen“, antwortete Syreena schlagfertig und schenkte Siena ein kleines Lächeln.

Die beiden Schwestern hätten unterschiedlicher nicht sein können, zumindest was ihre äußere Erscheinung betraf. Während Siena groß und üppig gebaut war wie eine Amazone, war Syreena klein und gertenschlank. Während Siena goldenes Haar und eine goldene Haut hatte und von verführerischer Schönheit war, sah Syreena mit ihrem zweifarbigen Haar und den entgegengesetzten Augenfarben eher aus wie eine gescheckte Katze. Siena lebte inmitten der ganzen Hofintrigen, und es stand ihr frei, sich mit anderen Schattenwandlerarten zu paaren. Syreena war ganz abgeschieden im Kloster aufgewachsen, nachdem man erkannt hatte, wie anders sie war.

Nicht, dass sie gemieden oder ausgestoßen worden wäre. Eher im Gegenteil. Sie wurde überbehütet. Lykanthropen liebten besondere Mutationen, vor allem so mächtige, wie sie es war. Sie war nicht nur wegen des Trainings und der Erziehung zu The Pride geschickt worden, sondern auch, damit sie vor denjenigen geschützt war, die sie dazu benutzen würden, ihre Macht zu vergrößern. Genauer gesagt, um sich des Throns zu bemächtigen, auf dem ihr Vater bis vor fünfzehn Jahren gesessen und den Siena nach dessen Tod bestiegen hatte. Noch am selben Tag hatte Siena verlangt, dass Syreena zurückgeholt wurde, und sie so aus ihrem behüteten Leben gerissen, damit sie ihren Platz als Thronerbin einnahm und ihr erlerntes Wissen als Diplomatin und als Sienas Beraterin einbrachte.

Sie waren sich vollkommen fremd gewesen, als die Prinzessin nach Hause gekommen war, auch wenn sie während der ganzen Jahre, die sie getrennt gewesen waren, in ständigem Briefwechsels gestanden hatten. Obwohl sich Syreena am Anfang wie eine Außenseiterin gefühlt hatte, schien Siena nur einen mentalen Schalter umzulegen und wurde sogleich zu einer liebenden und zugewandten älteren Schwester.

Es war Syreena leichtgefallen, sie zu lieben, und das verwirrte sie noch immer. Obwohl die Mönche für sie gesorgt hatten, waren sie nicht gerade für ihre überbordenden Gefühlsäußerungen bekannt. Sie hatte nicht gewusst, dass sie wirklich lieben konnte, bis Siena sie so schnell ins Herz geschlossen hatte.

„Ich hoffe, sie sind nicht allzu grob mit dir umgesprungen“, sagte Siena besorgt und ging in die Hocke, um den Weihrauch zu löschen, den sie für das Gebet entzündet hatte.

„Wenn du meine geplatzte Lippe meinst, dann sei unbesorgt.“ Syreena berührte die geschwollene Stelle und zuckte nüchtern mit den Schultern. „Es ist ein bisschen empfindlich, wenn starker Wind oder Thermik herrscht, aber ansonsten tut es nicht weh.“

„Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass jemand dich schlägt“, antwortete Siena und kam näher, um den ansonsten unversehrten Körper ihrer Schwester kurz zu betrachten. „Du verdienst den gleichen Respekt, den sie mir erweisen.“

„Ich habe sie daran erinnert.“ Syreena kicherte, und ihre Harlekinaugen blitzten schelmisch. „Wenn Die Drei Shorts unter ihren Kleidern getragen haben, dann kannst du davon ausgehen, dass sie im Moment in einer ganz schön heiklen Lage sind.“

Bei der Bemerkung lachte Siena laut auf. Syreena war eine so brave Schülerin und voller Ehrerbietung gegenüber ihren Lehrern und den Lektionen, die sie im Kloster gelernt hatte, dass dies eine seltene Respektlosigkeit war.

„Also, dann wage ich es ja kaum, dich um einen Gefallen zu bitten.“

Es war nicht Sienas Art, um den heißen Brei herumzureden, und Syreena verengte ihre verschiedenfarbigen Augen. „Mach schon!“, sagte sie.

„Ich möchte, dass du dich den Gelehrten anschließt, die in die Bibliothek gehen. Die meisten sind natürlich Mönche von The Pride. Aber da du sowohl im Kloster bist als auch am Hof, bist du am besten geeignet, die Kluft zwischen den verschiedenen Interessen zu überbrücken. Du respektierst die Forschung und die religiösen Traditionen, die The Pride so gefallen, und du wirst das mit meinen Interessen in Einklang bringen, die dir, wie ich weiß, am Herzen liegen.“

„Nichts leichter als das“, sagte Syreena trocken und rollte dramatisch die Augen.

„Ich fürchte, leicht ist gar nichts, was auch nur im Entferntesten mit der Bibliothek der Schattenwandler zu tun hat“, bemerkte die Königin mit gerunzelter Stirn. „Es gibt da noch einen Grund, warum ich dich schicke.“

„Ich nehme an, der hat damit zu tun, dass ich dazu in der Lage bin, einen Kampf zu gewinnen“, sagte Syreena.

„Jeder Mönch von The Pride kann kämpfen, wie ich weiß, obwohl sie das nur tun, um sich zu schützen und um ihre Interessen zu verteidigen. Es geht mir nicht darum, sie zu beschützen; das könnt ihr alle selbst. Ich berücksichtige auch die Tatsache, dass du persönlich viel eher Pazifistin bist als Kriegerin. So viel habe ich in den letzten fünfzehn Jahren über dich gelernt. Abgesehen natürlich von dem Zwischenfall meinetwegen, der unlängst passiert ist.“

„Natürlich“, stimmte Syreena zu und lächelte ihre Schwester boshaft an.

„Trotzdem muss ich berücksichtigen, dass wir gezwungen waren, ein Lager von Geisterbeschwörern, Jägern und abtrünnigen Dämonen zu zerstören, das etwas über dreißig Meter von der Höhle entfernt war, in der sich die Bibliothek befindet. Hinzu kommt noch, dass sich die Bibliothek auf unserem Territorium befindet und wir weitere Schattenwandler zu diesem Forschungsprojekt hinzuziehen werden. Ich brauche jemanden, der zumindest einen gewissen Einfluss auf andere Schattenwandler hat, der sich um ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden kümmert. Ich kann keine Soldaten dorthin schicken. Nicht, wenn es sich um Dämonen handelt. Der Frieden zwischen Dämonen und Lykanthropen ist noch viel zu jung nach so vielen Jahrhunderten, in denen wir im Krieg lagen, und wir Schattenwandler haben normalerweise ein Elefantengedächtnis. Selbst wenn es sich bei den Dämonen um Gelehrte handelt, ist die Gefahr zu groß, dass wieder ein Krieg ausbricht.

Es gibt also keine Möglichkeit, in Erfahrung zu bringen, welche Informationen in der Bibliothek aufbewahrt werden. Es könnten Dinge zum Vorschein kommen, die einen Gelehrtenstreit auslösen, der tödlich enden könnte. Es gibt zu viele Unbekannte und unberechenbare Faktoren. Du bist die Einzige, von der ich weiß, dass sie die Kraft hat und natürlich die Furchtlosigkeit, die es braucht, um allen Seiten die Stirn zu bieten. Du hast keine Angst vor The Pride, was dich einzigartig macht. Ich gebe es zu, auch wenn ich diesen Mut nicht uneingeschränkt gutheißen kann. Du bist nicht eingenommen gegen die Dämonen, und du bist dir meines Wunsches, den Frieden zu bewahren, voll und ganz bewusst. Du hast meine politischen Bestrebungen stets mitgetragen. Und du hast keine Angst vor den Dämonen.“

„Was ich sagen will“, fuhr sie nach einer Atempause fort, „ist, dass du nach mir am besten geeignet bist dafür. Ich vertraue dir, und ich brauche dich dort.“

„Ich verstehe“, sagte Syreena lächelnd. „Ich bin Prinzessin an diesem Hof, aber ich bin die Königin zwischen allen Stühlen.“

„Das klingt so, als wäre deine Fähigkeit, dich um eine komplizierte Situation zu kümmern, eine schlechte Sache“, erwiderte Siena und trat näher und musterte Syreenas Miene nachdenklich. „Ich finde, das ist sehr wertvoll.“

„Ja, ich weiß“, stimmte Syreena leise zu.

Was Siena nicht erkannte, war, dass dies für alle zutraf. Alle fanden das sehr wertvoll an Syreena, und alle beneideten sie um diese zwei Seiten in ihrem Wesen. Das Problem war, das in Einklang zu bringen. Nicht mit Siena, weil Siena sich um sie kümmern und sie auch dann noch achten würde, wenn sie zwanzig Köpfe und Persönlichkeiten hätte. Denn niemand, auch die Königin nicht, betrachtete Syreena als Einzelwesen. Sie genossen die eine oder die andere Seite an ihr, aber nie beide zusammen.

Der Hof ergötzte sich an ihrer geheimnisvollen Art. The Pride nutzte die Tatsache aus, dass der Orden ihre unnachahmlichen Talente gemeinsam mit ihr entdeckt hatte. Die Mönche wollten sie zu Unterwürfigkeit erziehen; die Öffentlichkeit wollte sie verheiratet und mit Nachwuchs sehen.

Sogar Siena sah sich gezwungen, sie in eine Schublade zu stecken. Nur dass die Schublade größer war als die meisten anderen und dass sie auch für Unvorhergesehenes Platz hatte. Syreena wurde von allen im Lykanthropenvolk bewundert, so wie ein gefangenes Wildpferd von Menschen bewundert wurde. Intelligent, ja. Sogar ein wenig gefährlich. Ein Wesen voller Kraft und Schönheit, das zugeritten und wegen seines Stammbaums und seiner Überlegenheit gezüchtet wurde. Das pflichtschuldig den Interessen der anderen diente und das niemals die Gelegenheit bekam, seinen eigenen Weg zu gehen.

Sofern sie überhaupt einen eigenen Weg hatte.

Und Syreena wusste tatsächlich nicht, wo ihr Weg hinführen sollte. Sie wusste nicht, ob sie ein einziges Wesen war oder ob sie nur aus zwei Hälften bestand.

„Syreena?“

„Hmm?“ Sie blickte auf und merkte, dass sie so in Gedanken versunken gewesen war, dass sie ihrer Schwester nicht mehr zugehört hatte.

„Tut mir leid, was hast du gesagt?“

„Ich habe gefragt, ob etwas dir Sorgen macht“, sagte Siena. Sie hatte das Stirnrunzeln und die Verwirrung in den harlekinartigen Zügen ihrer Schwester bemerkt.

„Nichts Außergewöhnliches“, wehrte diese ab, und es war, als würde sie mit dem Zurückwerfen ihres Haars ihre Gedanken verscheuchen wollen.

Doch Siena ließ sich nicht täuschen. Lykanthropenhaar war ein lebendiger Körperteil, der durchblutet war und beweglich und von Nervensträngen durchzogen. Syreenas Kopfbewegung entsprach dem Aneinanderreiben der Hände, wenn man die Kälte vertreiben wollte.

„Dann erzähl mir das Gewöhnliche“, forderte Siena sie sanft auf, fasste sie am Arm und führte sie weiter in das Höhlenschloss hinein.

„Ich habe mich nur gefragt, ob ich der Aufgabe gewachsen bin, die du mir übertragen willst“, log Syreena. „Du schickst mich sehenden Auges in möglicherweise unruhiges Fahrwasser. Ich bin es eher gewöhnt, solche Konfliktsituationen zu vermeiden. Und ich bin besser dazu geeignet, dir Ratschläge zu geben, damit du selbst oder andere den Konflikt austragen.“ Siena lachte, während Syreena unsicher grinste. „Vielleicht tut es mir ja gut“, sagte Syreena ein wenig fröhlicher. „Es dämpft vielleicht meine Bereitschaft, andere den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen.“

„So spricht ein wahrer Philosoph, stets hungrig nach neuen Erkenntnissen.“ Siena schwieg einen Moment, während sie zu Syreenas Gemächern abbogen. „Bist du glücklich, Schwesterherz?“

Syreena blieb stehen und sah die Königin überrascht an. „Natürlich bin ich das. Zweifelst du daran, dass ich mich am Hof eingewöhnt habe?“

„Nein. Es hat eine Weile gedauert, aber du bist dem Hofleben und der Verantwortung ziemlich gut gewachsen. Aber das habe ich nicht gefragt. Ich will wissen, ob du glücklich bist … du. Tief drinnen.“

Syreena lächelte Siena an, hakte sich unter und zog sie weiter.

„Ich bin nicht so glücklich wie du“, spottete sie. „Ich habe keinen gut aussehenden Ehemann, der mich jede Nacht beglückt und auch am Morgen, wie man mir erzählt hat.“

Siena warf den Kopf zurück und lachte vergnügt, auch wenn sie leicht errötete.

„Verdammt, manchmal hasse ich es, Königin zu sein! Ich kann nicht mal zur Toilette gehen, ohne dass jemand es zur Kenntnis nimmt.“ Verlegen zupfte sie an ihren goldenen Locken. „Ich glaube, meine Dienstboten berechnen schon meinen Zyklus in Erwartung eines Erben.“

„Sollte ich das auch tun?“, fragte Syreena schelmisch.

„Nein“ kicherte Siena. „Also bitte. Ich halte mich von Elijah fern, wenn die fruchtbaren Tage kommen. Ein paar Jahre auf jeden Fall.“

„Ha! Das will ich sehen. Elijah scheint mir nicht einer zu sein, der zwei Wochen lang auf eine schwer erkämpfte Trophäe verzichten würde, auch wenn es nur zweimal im Jahr ist. Und du hast als Ehefrau noch nie eine fruchtbare Phase durchlebt. Es ist ja schon schwer genug, sich vom anderen Geschlecht fernzuhalten, wenn man keinen Partner hat. Aber ich habe gehört, mit einem soll es fast unerträglich sein.“

„Und trotzdem bin ich entschlossen, es durchzuhalten. Elijah und ich müssen uns erst aneinander gewöhnen, bevor wir Kinder in die Schlacht schicken.“

„Wie sehr meine Frau es doch liebt, alles als Krieg zu betrachten.“

Siena und Syreena blieben unvermittelt stehen, als ihnen die spöttische Bemerkung mit einer plötzlichen Brise entgegentönte. Mit einem Lidschlag verwandelte sich der Dämonenkrieger von Wind in Fleisch und Blut und stand mit der Selbstsicherheit eines übermütigen, kraftvollen Wesens vor ihnen. Er war ein Riese von einem Mann, genauso blond wie Syreenas Schwester und muskelbepackt wie ein geborener Krieger. Er trug verwaschene Jeans und ein langärmeliges Seidenhemd in dunklem Türkis. Seine leuchtend grünen Augen glitten frech und voller Bewunderung über die Rundungen seiner Frau.

Syreena war diejenige, die nackt dastand, doch sie bemerkte, dass für Elijah ihre Schwester die Einzige war, die unbekleidet vor ihm stand.

„Hallo“, grüßte er Siena sanft, und sein weicher Tonfall nahm zehn Pfund Panzerung von seiner eindrucksvollen Gestalt.

Siena erwiderte den Gruß wortlos. Sie ließ ihre Schwester los und sank bereitwillig in Elijahs offene Arme. Er zog die Königin an sich, und sie sah jetzt viel kleiner und zerbrechlicher aus. Es war ein beeindruckendes Bild. Es war zwar kaum zu glauben nach dem, was sie von den beiden wusste, doch sie gingen ganz friedlich miteinander um.

Das bedeutete, dass sie schnell einen gemeinsamen Rhythmus gefunden hatten, sodass sie ihre Energien miteinander verschmelzen konnten. Ein machtvolles, flüchtiges Ineinanderfließen und potenziell gefährlich, doch ein Zusammenspiel der Bewegungen an sich. Sie waren der Ausdruck schlechthin für das, was die Dämonen Prägung nannten und was Menschen als Seelenverwandte bezeichneten. Ein perfektes Paar. Ein Zusammentreffen von Lebenskräften, welche die Grenzen des Körpers überschritten.

Syreena konnte nicht umhin, sie zu beneiden. Sie freute sich für sie, aber sie war auch eifersüchtig, sie konnte nichts dagegen tun. Siena hatte nie den Hang gehabt, sich zähmen zu lassen. Das Gegenteil war der Fall. Bis zum Tag der Hochzeit hatte sie geschworen, dass sie nie heiraten würde, sie hatte sich geweigert, ihre Gefühle zu zeigen und den Thron dem Einfluss eines Mannes zu überlassen. Syreena wusste, dass dieses Verhalten daher kam, weil sie von einem irrationalen und blutrünstigen Krieger wie ihrem Vater aufgezogen worden war. Die Königin hatte nicht die Fehler ihrer Mutter wiederholen wollen, indem sie eine Ehe einging.

Hingegen hatte Syreena in ihren Briefen an die Schwester immer ihren Wunsch nach einem behaglichen Zuhause, nach einem liebenden Ehemann und nach Kindern geäußert. Mitgliedern des Königshauses der Lykanthropen war nur ein Ehepartner erlaubt; für sie kam nur dieses eine Wesen infrage, das irgendwo da draußen in der Welt für sie bestimmt war. Sobald sie sich einmal entschieden hatten, war das so viel wie ein lebenslanges Ehegelöbnis. Es galt als einzigartiger Bund, der für alle Zeit geschlossen wurde.

Und Syreena sehnte sich von ganzem Herzen danach.

„Nun, auch wenn ihr zwei eine telepathische Verbindung habt, bin ich sicher, dass ihr nach Elijahs Aufenthalt an Noahs Hof in den letzten zwei Tagen etwas nachzuholen habt. Also lasse ich euch allein.“

Syreena zog sich eilig zurück, dankbar, dass sie ganz in der Nähe ihrer Gemächer waren. Sie verschwand darin, bevor einer der beiden protestieren konnte.

„Verdammt“, murmelte Siena.

„Was ist?“, fragte Elijah, nahm ihr Gesicht in seine Hände und bog ihren Kopf zurück, damit er ihr in die Augen schauen und ihre Gedanken lesen konnte.

„Ach, nichts“ versicherte sie ihm. „Ich habe nur eben festgestellt, dass sie mir eine Frage nicht beantwortet hat. Aber das wird sie schon noch … später.“

Elijah grinste breit, als er sich ausmalte, was sie in der Zwischenzeit tun könnten.

„Jemand hat mich vermisst“, scherzte er.

„Jemand hat mich vermisst“, erwiderte sie, während seine Hände besitzergreifend über ihren Rücken glitten und sie noch näher an sein Herz zogen.

2

Damien kam nach der Jagd nach Hause, glitt über die Mauer des Grundstücks und landete auf dem Balkon im dritten Stock. Der Balkon führte zu einer hell erleuchteten Bibliothek, und er ging hinein, neugierig zu sehen, wer ihn in der Zeit unterboten hatte, die er gebraucht hatte, um zu jagen und um in das Anwesen nach Santa Barbara zurückzukehren.