Scheherazade -  - E-Book

Scheherazade E-Book

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Beschreibung

Die Zeitschrift bringt von verschiedenen Beiträgern Erzählungen und Gedichte. Satirische Episoden sind nicht ausgeschlossen ebenso wie ein gegen Verdummung gerichtetes aufklärerisches Moment.

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Inhalt

Vorwort

Doña Anna (Rüdiger Schneider)

Rock n‘ Roll, Honey (Stefan Koppermann)

Begleitbrief eines Tagebuchs (Rüdiger Schneider)

Filterblase (Stefan Koppermann)

Ruth (Stefan Koppermann)

Sirenen (Stefan Koppermann)

Krücke (Stefan Koppermann)

Aus den Ruinen (Stefan Koppermann)

Kornblumenblau (Stefan Koppermann)

Mazedonische Mädchentraube (Stefan Koppermann)

Meisterfeier 01 (Stefan Koppermann)

Über die Jahre (Stefan Koppermann)

Spielart (Stefan Koppermann)

Straßenfeger (Stefan Koppermann)

Game Over 03 (Stefan Koppermann)

Orinoko (Stefan Koppermann)

Scheherazade (Rüdiger Schneider)

La Boheme – Eine Bilderreise (Stefan Koppermann)

Grün (Kathi Limburger)

Klimaexperiment (Rüdiger Schneider)

O Mito do Boto (Übersetzung von Flavia Costa)

‚Wildes Utopia – Sehnsucht nach der verlorenen Unschuld‘ (Flavia Costa)

Am Rio Guaíba (Rüdiger Schneider)

Numerische Manipulation (Hubertus Disselhoff)

Der digitale Wahn (im Gespräch mit dem Philosophen Arnold Waidhammer)

Der Schäferhannes (Rüdiger Schneider)

Fernsehen – ohne Worte (Rüdiger Schneider)

Literaturtipps

Vorwort

Viel Lob gab es, aber auch etwas Kritik, als nach langer Pause die ‚Scheherazade‘ mit der Nummer 43 erschien. Die Kritik kam von der Kathi Limburger aus Koblenz.

„‘Grün und dumm‘! Wie kann man so einen Literaturtipp geben?“

Kathi ist in der Partei der Grünen.

„Zugegeben“, sage ich, „der Titel ist etwas reißerisch, aber der Inhalt hoch wissenschaftlich. Die Geschichte mit dem Kohlendioxid ist nämlich nichts Anderes als eine völlig unbewiesene Hypothese, mit der ihr die ganze Welt veralbert. Kohlendioxid ist kein Treibhausgas. Lies es nach!“

„So ein Buch pack ich nicht an. Und noch etwas“, sagt sie. „In der Zeitschrift entdecke ich auch sexistische Tendenzen. Beim Pianospiel übers Pimpern reden! Wie kann man nur!“

„Na und!? Ohne Vater und Mutter wärst du gar nicht auf der Welt. Warum soll man bei Klaviermusik nicht darüber reden dürfen?“

„So, so! Und warum versteckt ihr die kleine Geschichte ‚O mito do boto‘ im Spanischen?“

„Das ist kein Spanisch. Portugiesisch. Die Übersetzung holen wir in der nächsten Ausgabe nach. Aber schön, dass du dir gewisse Gedanken darüber gemacht hast.“

„Jetzt noch eins: Würdet ihr, was die Grünen betrifft, auch Gegenstimmen dulden?“ fragt sie. „Ich habe da ein kleines Gedicht.“

„Na klar! Schick es zu! Wir haben keine Zensur.“

So kommt es also, dass Kathi Limburgers Gedicht hier aufgenommen ist.

Beiträge sind willkommen. Egal, ob ihr grün oder rot oder schwarz oder einfach nur blau seid. Egal, ob ihr gegen Coronamaßnahmen protestiert oder die Maske sogar beim Telefonieren tragt. Ein Text à la Charles Bukowski ist uns genauso lieb wie der Beitrag einer frommen Nonne. Nur her damit!

Rüdiger Schneider, Bad Breisig, im Oktober 2021

Doña Anna

Eigentlich hieß sie Anna Margareta Klein. Aber da sie im Kontor unserer Firma verantwortlich war für die spanische Korrespondenz und große schwarze Augen hatte wie eine Spanierin, nannten wir sie nur noch Doña Anna.

Mit diesen merkwürdigen Augen hatte sie uns in der Gewalt und beherrschte uns, als verstünde sie sich auf die Kunst der schwarzen Magie. Gebannt saßen wir über unseren Abrechnungen, wenn Doña Anna vorüberschritt, erhobenen Hauptes, einen wichtigen Brief in der Hand und uns ansah, dass wir verwirrt die Köpfe senkten.

Verhext hatte sie besonders unseren Prokuristen. In ihm, dem hässlichsten Mann des Kontors, den wir zum Spott nur Giovanni nannten, fand sie ein wehrloses Opfer. Sah sie ihn an mit ihren schwarzen Augen, so wurde Giovanni abwechselnd bleich und rot, bekam das Zittern, und nicht selten geschah es, dass er aufsprang und irgendwohin davonlief. Dieses Spiel trieb Doña Anna mit sichtlicher Genugtuung Tag für Tag, genoss ihre Macht, und es schien nur noch eine Frage der Zeit, wann sie den Giovanni endgültig entnervt und zerrüttet hätte.

Doch es kam anders. Vom einen auf den anderen Tag veränderte Giovanni sein Verhalten, würdigte Doña Anna keines Blickes mehr und saß stattdessen verbissen mit zusammengekniffenen Augen an seinem Pult und studierte in jeder freien Minute Schachbücher. Dazu spielte er auf einem kleinen Brett einzelne Partien nach. Doña Anna schien für ihn überhaupt nicht mehr zu existieren. Er spielte nur noch Schach, wochen-, ja monatelang. Da mich dieses königliche Spiel ebenfalls reizte und ich unbedingt den Grund für sein merkwürdiges Verhalten erfahren wollte, fand ich mich eines Abends bei Giovanni zum Schachspiel ein.

Giovanni spielte brillant. Ich hatte keine Chance, verlor jede Partie. Schließlich hob ich resignierend die Schultern und sagte:

„Wozu eine Frau einen Mann bringen kann! Da kannten Sie kaum die Spielregeln, und nun spielen Sie wie ein Gott.“

Diese Bemerkung war Absicht, Berechnung, ein gezielter Schuss.

Giovanni sah mich an, kniff, merkwürdig lauernd, als habe ich sein tiefstes Geheimnis erraten, die Augen zusammen. „Wie kommen Sie darauf?“ fragte er.

„Ein offenes Geheimnis“, antwortete ich. „Jeder im Kontor weiß, dass Sie Doña Anna verehren.“

Giovanni wurde noch bleicher als sonst.

„Sie hat es erzählt?“

„Nein, hat sie nicht“, antwortete ich. „Sie hat nichts erzählt, aber wir haben ja gesehen, welche Wirkung Doña Anna auf Sie hatte.“

Giovanni lachte plötzlich. „Warum nicht? Ich kann es Ihnen verraten. Es ist vorbei. Ehe Sie abgrundtiefe Geheimnisse vermuten und diese Sphinx Ihnen ebenfalls den Kopf verdreht, kläre ich Sie lieber auf. Kommen Sie, nehmen Sie noch einen Cognac. Es hört sich dann besser zu. Auch wird Ihr Rippenfell davon geschmeidig.

Sie kennen ja das Restaurant des Spaniers unserem Kontor gegenüber. Sie wissen auch, dass Doña Anna jeden Nachmittag gegen Fünf, wenn sie ihre Korrespondenz erledigt hatte, dorthin ging. Sie löffelte bei dem Spanier immer Tintenfischsuppe. Sie war verrückt danach. Eine kauzige Leidenschaft, wohl eine Erinnerung an Spanien. Die Leidenschaft galt in der Tat nur der Suppe. Der Spanier ist glücklich verheiratet.

Eines Tages, es war später als 17 Uhr geworden, hatte Doña Anna noch Korrespondenzen zu erledigen. Auch ich saß dieses Mal länger als sonst im Kontor. Kurz vor 18 Uhr erhob sie sich, sah mich alleine am Pult sitzen, kam auf mich zu, sah aus dem Fenster zu dem Spanier hinüber und seufzte tief auf.

‚Haben Sie nicht Lust mitzukommen?‘ fragte sie mich. ‚Tintenfischsuppe, ein Glas Wein?‘

Ich wurde blass, bekam das Zittern.

‚Kommen Sie!‘ sagte sie. ‚Kommen Sie doch mit! Oder wollen Sie hier sitzen bleiben?‘

‚Nein!‘ antwortete ich. ‚Ich komme mit.‘

Wir gingen zu dem Spanier, saßen uns an einem kleinen Tisch gegenüber. Sie bestellte Tintenfischsuppe, zwei Portionen. Mit Andacht löffelten wir, saßen uns gegenüber und sahen uns manchmal an. Das ganze Restaurant war in ein rotes, weiches Licht getaucht. Da kam es über mich. Ich war wie verzaubert. Ich sah Doña Anna an und sagte: