Scherenschnitte bei Nacht - Band 2 - Stephen Red - E-Book

Scherenschnitte bei Nacht - Band 2 E-Book

Stephen Red

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Beschreibung

Stephen Red schafft mit diesem zweiten Band eine gelungene Fortsetzung seines Serien Debüts "Scherenschnitte bei Nacht". Wieder einmal setzt er ein Zeichen für den Horror und zeigt dem Leser, was in dem Genre Horror alles möglich ist. So nehmen die Geschichten von Buch zu Buch immer mehr an Intensität zu. Da Stephen Red ein großer Fan von Serien ist, hat er viel Spaß dabei, ebenfalls Serien zu erschaffen. Den Auftakt dazu gab die Serie "Scherenschnitte bei Nacht". Hier wird ein gutes Stück Horror in einer sehr lebendigen Art und Schreibweise präsentiert. So gelingt es dem Leser schnell, sich inmitten der Geschichte wiederzufinden und diese hautnah mitzuerleben. Was ist packender, als das Geschehen zu spüren?

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Stephen Red

Scherenschnitte bei Nacht - Band 2

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Nicks Mutprobe

Zu vermieten

The Cry

Vater und Sohn

Haus am Meer

Vorschau auf Band 3

Impressum neobooks

Kapitel 1

Die Horror Serie „Scherenschnitte bei Nacht“ präsentiert sich hier mit ihrem zweiten Band. Wieder ist es an der Zeit, dass der Horror seinen Weg findet. Stephen Red zeigt einmal mehr, dass er mit seiner unglaublichen Fantasie dem Leser immer neue Facetten dieses Genres näher bringen kann. Lest über die Abgründe menschlichen Denkens, genauso wie über die Ziele einzelner Objekte. So gibt es einen Bürokomplex, welcher seine ganz eigenen Ziele verfolgt. Einmal ist es ein Haus, ein anderes Mal, wohl eher eine Struktur der Macht, ein Abbild des Bösen. Bei einer weiteren Geschichte wird eiskalten Killern das Fürchten gelehrt. Oder lest nach, wie eine simple Mutprobe aus einem ganz normalen Tag, etwas Böses entstehen lässt. Diese und weitere Geschichten sind hier in diesem zweiten Band nachzulesen.

Stephen Red, geboren 1973, ist ein neuer Autor, der in den Genres Horror, Fantasy, Thriller sowie Mystery zuhause ist. Durch seine unbändige Fantasie wird er mit immer neuen Geschichten zeigen, was hier alles möglich ist. Seit langem schon verfasst er Kurzgeschichten und Romane, welche nun nach und nach veröffentlicht werden. Mit diesem zweiten Band seiner Horror Serie »Scherenschnitte bei Nacht« legt er ein weiteres Zeugnis ab, wie viel Fantasie für Horrorgeschichten in ihm steckt.

Nicks Mutprobe

Ein imposanter Adler war am Himmel zu sehen. Er blickte auf alles hernieder, was unter ihm lag. Auf der Suche nach Beute visierte er immer wieder die Oberfläche des Sees an. Aber nichts rührte sich. Das Wasser war spiegelglatt, nicht das geringste Kräuseln war zu sehen. Und dennoch, seine Beharrlichkeit wurde stets belohnt.

Estelle und Gitte lagen am Strand auf ihren Handtüchern. Sie genossen die Wärme der Sonne auf ihrer Haut. Beide Mädchen waren siebzehn Jahre alt. Sie lagen gerne hier, denn diese Stille war genau nach ihrem Geschmack. Der Potomack-See war ein Juwel in dieser malerischen Landschaft. Ringsum standen Bäume dicht an dicht. Nur in Richtung Norden bildete eine Steilküste die markante Seite des Sees. Von ihrem Liegeplatz aus lag etwas weiter hinten, vielleicht so 50 Meter entfernt, ein kleiner Steg, an dem ein Segelboot vertäut lag.

Dieser Steg wie auch das Boot samt Blockhaus gehörten Quist, einem hiesigen Einsiedler. Man erzählte sich, dass er vor ungefähr drei Jahren hierher übersiedelte. Zuvor lebte er in Vancouver und arbeitete dort als Kfz-Mechaniker. Er hatte eine Freundin und war glücklich. Naja, was man so sinngemäß als Glück bezeichnen wollte: Haus, Garten, Auto, Job, Freundin. Aber das war für ihn nicht der Sinn des Lebens. Er wollte raus, in die freie Wildbahn, wieder das Leben spüren. Seine Freundin teilte diese Meinung nicht und so trennten sich ihre Wege doch recht schnell wieder. Er verkaufte alles, woran er über die Zeit sein Herz gehängt hatte, und nahm das Geld mit, um sich neu zu erfinden. In Ontario sollte es sein. Mit dem Geld kaufte er sich ein schönes großes Grundstück am Rande des Potomack und genügend Holz für ein Blockhaus. Er informierte sich selbst, wie man ein solches Haus in Eigenregie baut, und begann einfach damit. Zu Anfang von den Einheimischen hier noch sehr belächelt, biss er sich durch und errichtete sein neues Zuhause. Doch, man kann schon sagen, dass er es ganz gut hinbekam. Vom alten Roody, einem Wildtierjäger, welcher immer wieder durch die Lande streifte, lernte er, wie man Tiere jagt, Fische fängt und Lebensmittel bevorratet. Außerdem wurde ihm gezeigt, wie viel Holz er für den Winter zurücklegen musste und wann er mit der Arbeit dafür beginnen sollte. Die ersten beiden Jahre waren noch glatte Katastrophen, aber mit diesem dritten Jahr begann er, es professionell aufzuziehen.

Die beiden Mädchen lagen auf seinem Grund und Boden. Das wussten sie, das wusste er. Aber keinen von ihnen störte es. Im Gegenteil, sie waren für ihn ein schöner Anblick, wie sie sich da so in ihren knappen Bikinis auf ihren Handtüchern räkelten. Vor allem Estelle hatte es ihm angetan. Sie war ein Traum von einer Frau: lange Beine, ein toller runder Po, ein flacher Bauch und eine gute Handvoll Brust. Dazu lange blonde Haare, die fast immer zum Zopf gebunden waren. Ihre Freundin Gitte hingegen hatte ebenfalls lange schlanke Beine, einen schönen Po, ein Sixpack von Bauch und kleine Brüste. Sie war durch und durch eine Sportlerin. Sicherlich für so manchen Jungen ein toller Anblick, aber nicht für ihn. Er liebte es natürlicher. Auch dass Gitte sich die Fingernägel lackierte und sich ihre feuerroten Haare kurz schnitt, passte ihm so gar nicht.

Das sagte er den beiden Mädchen natürlich nie, denn er wollte sie ja nicht verschrecken, sondern weiterhin heimlich beobachten. An so heißen Tagen, wie es heute einer war, lagen die beiden auch schon mal oben ohne. Gitte sagte zu Estelle: „Meinst du, er spannt noch lange da durch sein Astloch im Haus?“ Darauf entgegnete Estelle nur: „Lass ihn doch. Er ist halt einsam und wir sind ja nicht die hässlichsten Mädchen, oder?“ – „Nein, das sind wir weiß Gott nicht. Aber ich hätte doch schon lieber einen Mann in unserem Alter, der uns bespannt. Oder möchtest du dich von ihm berühren lassen?“ – „Nein!“ sagte Estelle energisch. „Spannen ist eins, begrapschen etwas gänzlich anderes.“

Genau in diesem Moment sahen sie auf der gegenüberliegenden Seite des Sees einen Jeep vorfahren. Ihm entstiegen Nick, Cody und Adam. Die Drei waren die Söhne vom Holzhändler der Gegend. Estelle stand schon lange auf Cody. Er war klug, hatte einen Körper wie ein junger Gott und wusste genau, wohin er wollte im Leben. Und genau daran arbeitete er tagtäglich. Er half seinem Vater, wo immer er konnte. Gitte hingegen stand total auf Adam. Er war der perfekte Gentleman: Hielt Frauen die Tür auf, schenkte ihnen Blumen, war romantisch bis ins Mark. Er war ebenfalls sehr intelligent und träumte davon, nach Vancouver auf die Universität zu gehen, um Schauspiel zu studieren. Nick hingegen war der Träumer von den Dreien. Er wusste noch gar nicht so recht, was er mal im Leben machen wollte. Zum Studieren fehlte ihm der Ehrgeiz und das Holzgeschäft seines Vaters reizte ihn auch nicht sonderlich. Am liebsten würde er Pilot werden und in die Air Force eintreten. Aber da war sein Vater strikt gegen. Und so blieb ihm nur das Herumgammeln. Er lebte von Tag zu Tag und schrieb ab und an eine Geschichte auf. Was mit kleinen Gedichten für den Freundeskreis anfing, entpuppte sich über die Jahre zur ernsthaften, wenn auch kleinen Schreiberei. So ergatterte er eines Tages einen Job bei der hiesigen Zeitung und war fortan als Reporter unterwegs. Für ihn war es ein gelebter Traum, für die anderen Söhne eher ein Herumtreiber-Dasein.

Die Drei legten ihre Handtücher nebeneinander und schielten über den See zu Gitte und Estelle. „Mensch, da sind ja unsere Mädels“, sagte Cody. Adam erwiderte nur knapp: „Deine und meine, ja!“ – „Tja, Nick, wird Zeit, dass du dir auch mal ein Mädchen angelst. Was meinst du, wäre das nicht Mal was für dich?“, fragte Cody. Doch Nick war mit seinen Gedanken schon wieder ganz woanders. Eigentlich war es den beiden Brüdern von ihm auch herzlich egal, woran er so dachte. Nick interessierte sich mehr für die Geschichten, die es über den See gab. Vor Jahren soll hier mal ein Junge ertrunken sein. Er wollte als Mutprobe über den See schwimmen. Auf halber Strecke jedoch drückte ihn irgendetwas unter Wasser. Urlauber, die am Rand des Sees standen, konnten deutlich sehen, wie ein kräftiger Arm den kleinen Jungen unter Wasser drückte. Daraufhin war der See ein paar Jahre für die Touristen gesperrt. Nach der Wiedereröffnung verschwand noch am selben Tag erneut ein Junge. Diesmal allerdings vom Rand des Sees. Berichten zufolge soll ein weiß gekleidetes Mädchen mit langen schwarzen Haaren und braunen Augen den Jungen in den See gezerrt haben. Sie hat ihn angeblich an den Haaren in die Tiefe gezogen. Die verzweifelten Rettungsversuche der Eltern brachten schließlich nichts.

Cody und Adam kannten diese alten Geschichten und taten sie immer als Ammenmärchen ab. „Wer hat schon Angst vor Wasser?“, fragte Adam das eine oder auch andere Mal und Cody tat so, als sei es ein Leichtes, einmal quer über den See zu schwimmen. Und so gab er damit an, dass er den See bezwingen würde, wann immer es von ihm gefordert würde. Heute sollte es so weit sein. Die ganze Clique war da. Wenn man nämlich weiter nach rechts herübersah, konnte man dort noch Tom, Pedro, Sanchez, Hector und Syria sehen. Alle feuerten Großmaul Cody an, sein Versprechen einzulösen. Dieser, selbstbewusst, wie er nun mal war, winkte gleich fleißig zu Estelle herüber. Die beiden waren schon länger ein Paar. Sie hatten sich gesucht und gefunden. Cody, der zukünftige Chef über die Holzwerke und Estelle, seine fleißige Sekretärin und vielleicht eines Tages sogar die Frau vom Chef. Estelle winkte prompt zurück, als sie die winkende Hand von Cody auf der anderen Seite des Sees erblickte. Die beiden Mädchen schauten sich verwundert an. Was mochte Cody da vorhaben? Keine von ihnen konnte sich auch nur annähernd vorstellen, um was es da drüben bei den Jungs eigentlich ging. So schauten sie einfach nur herüber und genossen die Show. Gitte sagte zu Estelle: „Vielleicht haben wir ja Glück und die Jungs machen Turmspringen von den Felsen herunter.“ – „Ja vielleicht“, entgegnete Estelle nur knapp. Der Gedanke war an sich gar nicht so abwegig, denn damit bewiesen sich die Jungs untereinander immer wieder, wer der Chef vom Rudel war. Dieser Posten war heiß begehrt, und so sprangen sie immer wieder mal von diesen Felsen. Jeder von ihnen hatte Talent dafür.

Cody war ein vorzüglicher Saltospringer, sein Bruder Adam hingegen sprang ins Wasser, ohne das es spritzte. Man könnte glauben, er schnitte die Oberfläche des Sees etwas auf und schlüpfe darunter. Tom hingegen war ein Rückwärtsspringer. Was viele schon entsetzt hatte, denn dabei bestand immer ein großes Risiko, das er sich den Kopf an den Felsen aufschlug. Pedro wiederum sprang mit einer Art Schraube im Salto. Er war ein echter Könner. Nur leider sprang er recht selten. Sanchez und Hector waren ebenfalls Brüder. Diese beiden sprangen immer gemeinsam und schlugen einen Einfachsalto. Immer die gleiche Figur, ohne Ausnahme. Syria, das einzige Mädchen der Clique, sprang einen eleganten Doppelsalto vom Felsen. Das war schon bemerkenswert anzuschauen. Die Jungs waren deswegen auch immer wieder von ihr begeistert und erachteten sie als festes Mitglied. Wer hier nicht aufgezählt war, war Nick. Der des Öfteren als Nichtsnutz betitelte Bruder von Cody und Adam traute sich nicht, von dieser Höhe in den See zu springen. Was allerdings eher ein Vorwand dafür war, dass er nicht in den See – vor allem nicht in diesen See – springen musste. Lieber ließ er sich von den anderen necken und verhöhnen, als dass er da nur einen Fuß in diese schwarze Brühe hineinsetzte. So richtig klar war der See nie gewesen. Daher wurde er über die Jahre auch bekannt als „der schwarze See“.

Andererseits fand Nick heraus, dass in dem See schon weit mehr als nur zwei Jungen ums Leben gekommen waren. Über eine Periode von mehreren Jahrzehnten belief sich die Zahl auf beachtliche 13. Diese Zahl allerdings durfte er als Reporter offiziell nirgends erwähnen und so blieb das dunkle Geheimnis des Sees in seinen Aufzeichnungen verborgen. Er war wohl der Einzige, der um das schreckliche Geheimnis wusste. Einzig der Einsiedler Quist könnte noch etwas wissen. Ihn bewunderte er, denn Quist wohnte in unmittelbarer Nähe zum See. Vielleicht war dieser Umstand auch der Grund, warum er eine Doppeltür in seinem Blockhaus hatte, sowie Gitter vor den Fenstern.

Heute war der Tag aller Tage. Die Einlösung der vor langer Zeit schon angepriesenen Wette stand kurz bevor. Cody hatte, je näher es an die Umsetzung seines Wettversprechens ging, immer mehr Bedenken, ob er es wirklich machen sollte. Andererseits würde er dann auf das Niveau von Nick sinken, was keine Option war in seinem Denken. Adam pflichtete ihm bei und sagte nur: „Du schaffst das schon. Wenn es einer schafft, dann du!“ Adam klopfte ihm auf die Schulter. "Aber zuvor machen wir unser legendäres Felsenspringen!“ – „Yeah“, entgegnete ihm Cody knapp. Jetzt kamen auch die anderen zu ihnen herüber. Wie üblich waren sie zu acht, wovon nur sieben sprangen. Nick setzte jedes Mal unter einem anderen Vorwand aus. Klappte bis heute auch gut, nur jetzt war Schluss damit. Denn er wollte auch endlich dazugehören, und das ging nur über einen Weg. Er musste mitspringen. So sagte er hörbar für alle anderen: „Ich springe heute mit.“ – „Hey, unsere Heulboje will ein Mann werden“, grölte Cody da gleich. Adam sagte ganz beiläufig zu ihm: „Du musst das nicht tun. Mir musst du nicht beweisen, dass du mein Bruder bist. Du warst und wirst es immer sein; ein Teil von mir.“ Mann, das ging Nick runter wie Öl. „Warum hatte er sowas früher nie zu mir gesagt“, dachte er sich. „Na, dann sind wir ja in Zukunft doch acht Mann“, warf Syria lauthals in die Runde und grinste darauf verschmitzt. „Wobei ich mehr Mann bin, als du es jemals sein wirst, aber das ist schon in Ordnung, denke ich, oder?“ Das war Nick egal. Er wollte einfach nur seinen Einstand in der Gruppe hinter sich bringen. Immerhin würde er so heute bei der Einlösung der Wette von Cody am Rand des Felsens verdientermaßen mitsitzen können und zusehen, ob er es schaffte. Davon ging er aber fest aus. Immerhin war Cody von allen mit Abstand der beste Schwimmer.

Auf der anderen Seite des Sees wurden die Mädchen euphorisch. „Jippie, es gibt wieder das Felsenspringen“, sagte Gitte. „Wie lange haben wir darauf schon gewartet? Viel zu lange denke ich, oder?“ entgegnete ihr Estelle. Sogar Quist kam aus seinem Blockhaus heraus und wollte sich das Treiben auf der anderen Seite nicht entgehen lassen. Immerhin sprangen die Jungs von einer ganz beachtlichen Höhe. Der hervorstehende Felsen, von dem sie sprangen, war mehr als fünfzehn Meter hoch. Das bedurfte schon einer beachtlichen Überwindung, da herabzuspringen. Er verneigte sich ehrerbietend vor den Jungs. Wusste er doch genau, wann man anderen die Show überließ, um sich selbst aus sicherer Entfernung ein Spektakel anzusehen. Quist fragte die Mädchen, ob sie nicht eine kühle Limonade haben wollten. Beiden sagten zu und so eilte er nach drinnen und füllte ihnen eine frische Orangenlimonade ab.

Mit drei Glasflaschen und ebenso vielen Strohhalmen kehrte er nach nur wenigen Minuten zurück. „Hab ich was verpasst? Oder sind noch alle da oben?“ fragte er die Mädchen. Estelle antwortete ihm lächelnd: „Nein, ist noch alles gut. Sie machen sich gerade warm, denke ich.“ Das Wasser im See war nicht dafür bekannt, dass es besonders angenehm war. Auch dies war ein Grund, warum immer wieder davor gewarnt wurde, im See zu schwimmen. Gerade herzschwache Menschen sollten ihn auf Grund dieser Tatsache meiden, da sonst schnell ein Herzinfarkt drohte.

Die Jungs waren so weit. Das Aufwärmen war abgeschlossen, ihre Hosen gerichtet und so standen sie nun alle nebeneinander und winkten den Dreien auf der anderen Seite des Sees zu. Dann riefen alle einmal ganz laut: „YEAH Bodys!“ Syria machte den Anfang. Dazu ging sie bis an die Spitze des Felsens und blickte in die Tiefe. Sie konzentrierte sich, schloss die Augen und sprang. Ein eleganter Doppelsalto war das Ergebnis, bevor sie in das kühle Nass des Sees eintauchte. „Juhhhuuu!“, brüllte sie heraus. „Das Wasser ist herrlich! Los, Jungs, kommt runter!“ Hector und Sanchez folgten ihr nach. Beide stellten sich nebeneinander auf den Felsen und sprangen ab. Diesmal, zur Verwunderung aller Anwesenden, sprangen beide einen doppelten Salto und das absolut glatt. Da gab es nichts dran auszusetzen. „Wuhhhuuu!“, jubelten auch sie, als sie ihre Köpfe wieder über die Wasseroberfläche streckten. Sie hatten ihr Pensum, was sie sich für heute vorgenommen hatten, erfüllt. „Irgendwie ist das Wasser komisch“, sagte Sanchez. „Es riecht regelrecht.“ – „Ja, du hast recht, Bruder“, antwortete ihm Hector. Syria bemerkte es auch. Schwarz war es ja schon immer, aber bisher doch immer geruchsneutral. Und nun stank es – wie der Tod. Die Drei wollten nur noch raus aus der Brühe und so schwammen sie zum Ufer. Es gab unweit des Sprungfelsens unterhalb desselben eine seichte Stelle, wo man wieder an Land krabbeln konnte. Sogleich schwammen sie dorthin. Irgendetwas war nicht wie sonst. Erst stieg Syria, dann kletterten auch Hector und Sanchez aus dem Wasser. Sie schleppten sich die unzähligen Stufen bis zur Felsenspitze empor. Oben angekommen schnappte sich jeder der Drei sein Handtuch und trocknete sich ab. Sie wollten das Wasser von ihren Körpern loswerden. Es war ein merkwürdiges Gefühl, das sie empfanden. Irgendwie war der See in ihre Körper eingedrungen – genauso fühlte es sich an. Jetzt, wo sie dort oben so standen und auf den See herniederblickten, ging es ihnen etwas besser. Waren sie doch in dem Bewusstsein, dass der See außerhalb ihrer Reichweite war. Sie hielten gebührenden Abstand zur Kante. „Sollten wir den anderen davon erzählen, von dem, was wir gefühlt haben da unten im See? Sollten wir ihnen sagen, dass der See nach Tod stinkt?“ sagte Syria zu Hector und Sanchez. Doch die beiden schüttelten vehement ihre Köpfe. „Nein, Syria, gleiches Recht für alle. Jeder muss seine Mutprobe für sich allein bestehen“, erklärte Hector. Einerseits konnte Syria gut nachvollziehen, wie Hector das meinte, andererseits, war ihr doch sehr mulmig zumute, mit dem Wissen, dass da im See vielleicht etwas nicht stimmte. Aber sie schwieg. Außerdem wollte sie mal hören, was der Nächste, der in den See sprang, zu erzählen hatte.