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Ein turbulenter Roman über die Frage, was glücklich macht: „Schluss mit lustig“ von Bestsellerautorin Gabriella Engelmann als eBook bei dotbooks. Kuschelweiche Mädchenträume? Die sind eindeutig nichts für July: Sie ist Pessimistin aus Leidenschaft und immer auf das Schlimmste gefasst. Bis zu dem Tag, als sie einen Schlag auf den Kopf bekommt. Auf einmal hat July allerbeste Laune. Sieht die Dinge positiv. Freut sich des Lebens und ist sicher, dass die große Liebe näher ist, als sie für möglich gehalten hätte. Alles könnte so schön sein … wenn Julys neuer Optimismus sie nicht von einer Katastrophe in die nächste stolpern lassen würde. Sie braucht ganz dringend ihren alten Pessimismus zurück! Oder? Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Schluss mit lustig“ von Bestsellerautorin Gabriella Engelmann. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 272
Über dieses Buch:
Kuschelweiche Mädchenträume? Die sind eindeutig nichts für July: Sie ist Pessimistin aus Leidenschaft und immer auf das Schlimmste gefasst. Bis zu dem Tag, als sie einen Schlag auf den Kopf bekommt. Auf einmal hat July allerbeste Laune. Sieht die Dinge positiv. Freut sich des Lebens und ist sicher, dass die große Liebe näher ist, als sie für möglich gehalten hätte. Alles könnte so schön sein … wenn Julys neuer Optimismus sie nicht von einer Katastrophe in die nächste stolpern lassen würde. Sie braucht ganz dringend ihren alten Pessimismus zurück! Oder?
»Ist das Glas halb leer oder halb voll? Was steht mir besser: rosa Brille oder Leidensmiene? Gabriella Engelmann spielt mit der Frage, welche Lebenseinstellung glücklich macht. Saukomisch und nachdenklich zugleich.« Steffi von Wolff
Über die Autorin:
Gabriella Engelmann, geboren 1966 in München, lebt in Hamburg. Sie arbeitete als Buchhändlerin, Lektorin und Verlagsleiterin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen, Kinder- und Jugendbüchern zu widmen begann.
Bei dotbooks veröffentlichte Gabriella Engelmanns bereits die Romane Nur Liebe ist schöner und Kuss au chocolat sowie die Novellen Eine Liebe für die Ewigkeit, Verträumt, verpeilt und voll verliebt und demnächst Dafür ist man nie zu alt. Weitere eBooks sind in Vorbereitung.
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Neuausgabe November 2015
Copyright © der Originalausgabe 2011 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von shutterstock/S_L
E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH
ISBN 978-3-95824-335-4
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Gabriella Engelmann
Schluss mit lustig
Roman
dotbooks.
Für meine Liebsten: Steffi und Schnitzel-Peer
Mit dem Optimismus ist das so eine Sache: Er ist einfach nichts für Pessimisten. Und genau deshalb würde ich momentan am liebsten meine beste Freundin Mona ermorden. Denn die hört heute mal wieder gnadenlosen Mist im Radio:
Always look on the bright side of life.
Always look on the light side of life.
»Mona, kannst du das bitte abstellen? Diese Denk-positiv-Kacke turnt echt ab!«, kreische ich und biege Richtung Badezimmer.
If life seems jolly rotten.
There's something you've forgotten.
And that's to laugh and smile and dance and sing.
Doch der Song der Komiker von Monty Python bleibt nicht das einzige Ärgernis an diesem Samstagvormittag: Meine dunklen Locken sehen aus, als ob jemand aus Wollresten ein Käppi stricken wollte, und ein Pickel wohnt auf meiner Nase und scheint sich dort ziemlich wohlzufühlen.
Schön geht irgendwie anders!
Und die größte Katastrophe: Wir haben kein Nutella mehr.
Genervt starre ich erst auf mein Frühstücksbrettchen mit den Totenkopfmotiven, dann auf die Papierserviette mit den pinkfarbenen Herzchen und schließlich in das Gesicht meiner Freundin. Die blättert summend in einem Reiseprospekt, vor sich ein Brettchen mit Marienkäfern. Tja, so ist Mona: ein Knallbonbon an Frohsinn und guter Laune. Ein blonder Rauscheengel mit pickelfreiem Teint, einer zierlichen Stupsnase und den schönsten blauen Augen, die die Menschheit je gesehen hat. Ich liebe sie, ehrlich, aber manchmal macht sie mich einfach nur aggressiv.
»Sag mal, July, was hältst du davon ... « (By the way: Ich höre auf den außergewöhnlichen Namen July-Sadie. Und falls sich jetzt jemand fragt, warum, wende er sich bitte vertrauensvoll an meine Mutter.) »... spontan mit mir auf die Kanaren zu fliegen?«, fragt Mona, die Augen erwartungsvoll aufgerissen. Ja, sie kann sich über alles freuen. Besonders über schöne Aussichten: »Da sind jetzt dreißig Grad, wir können den ganzen Tag am Strand liegen, surfen, wandern und abends tanzen gehen. Und wenn wir zurückkommen, ist das Wetter in Hamburg bestimmt auch super ... «
Hmmmm.
Kanarische Inseln.
Ich weiß ja nicht ... Auf Fuerteventura möchte ich nicht tot überm Zaun hängen, auf Lanzarote gibt es nichts als rote Erde und einen Haufen Kamele, auf Gomera feucht-glitschigen Regenwald und auf La Palma ... andererseits: Ich möchte nirgendwo tot überm Zaun hängen!
»Kommt nicht in Frage«, sage ich deswegen entschieden. »Zu gefährlich!«
»Zu gefährlich?« Mona runzelt die Stirn.
»Aber klar. Hast du denn nicht Der Schwarm gelesen? Auf La Palma besteht akute Gefahr eines ausbrechenden Vulkans. Und wenn das passiert, regnet es nicht nur haufenweise Asche, sondern es entsteht auch noch ein Tsunami, der eine hundertzwanzig Meter hohe Welle vor sich hertreibt. Die kann sogar New York vernichten. Einfach so!«
»Äh«, macht Mona, was mich zufriedenstellt. Bevor sie mir weiter irgendwelche vollkommen absurden Ideen auf die Nase binden kann, schnappe ich mir die Mopo, das Drecksblatt, das meine Freundin trotz meines Protests immer wieder hier einschleppt. Mal sehen, mit welcher Horror-Schlagzeile sie heute ihren Lesern den Tag vermiesen wollen.
»Wie hoch schätzt du die Wahrscheinlichkeit ein, dass so etwas genau dann passiert, wenn wir beide dort sind?«, fragt Mona provokativ.
Doch mit dieser Masche kriegt sie mich nicht – das Spielchen kenne ich schon. Ich hasse es, wenn meine Umgebung die Ziegelstein-Theorie bemüht, um mich davon zu überzeugen, dass ein real existierendes Risiko nur ein Hirngespinst ist. Die soeben zitierte Theorie besagt, dass das Leben insgesamt eine gefährliche Angelegenheit ist und dass man – wenn man ein Rendezvous mit dem Tod hat – auch jederzeit von einem herabfallenden Ziegelstein erschlagen werden kann.
»Die Wahrscheinlichkeit liegt doch sicher bei 0,0000001 Prozent«, kartet Mona nach.
Ich kann aber auch hartnäckig sein: »Das haben sie vom großen Tsunami und dem Attentat auf das World Trade Center auch gesagt«, kontere ich grummelig und entschuldige mich innerlich bei den Opfern. Nicht dass mich irgendwann ein ähnliches Schicksal ereilt, nur weil ich sie für statistische Zwecke benutzt habe.
»Wetten, wir beide liegen gerade gemütlich auf der Luftmatratze, lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen, und schon geht's los. Du weißt doch: Das Grauen schlägt immer dann zu, wenn man es am allerwenigsten erwartet. Da könnte ich dir ungefähr fünfzigtausend Beispiele ...«
»Schon gut, schon gut, ich gebe auf !«, unterbricht Mona mich und schenkt uns beiden Tee ein. Dabei schüttelt sie den Kopf, wie immer nach meinen Ausführungen.
»Flieg doch mit Richy, wenn du unbedingt wegwillst«, schlage ich vor, Konstruktivität heuchelnd. In Wahrheit will ich nur in Ruhe den Artikel lesen, den die Mopo als Aufmacher hat:
FLASCHEN-MANN HAT WIEDER ZUGESCHLAGEN
Besagter Typ macht seit Wochen die Gegend um die Uni unsicher und brät wehrlosen Fußgängern vom Fahrrad aus eins mit der Flasche über. Von Motiv und Täter bislang keine Spur. Ein Armutszeugnis für die Hamburger Polizei, wenn man mich fragt. Die könnten doch mal ein paar Beamte für diesen Typen abstellen, aber nein, sie halten sich natürlich lieber damit auf, die Einhaltung des Standortschutzgesetzes auf St. Pauli zu überwachen oder gemütlich Kaffee zu trinken. Beamte eben. Falls ich vergessen haben sollte, es zu erwähnen: Mona und ich wohnen seit einem halben Jahr als WG in einer abgerockten, aber ultragemütlichen Altbauwohnung mitten auf dem Kiez. In der Talstraße 17, um genau zu sein.
Vom Balkon unseres Drei-Zimmer-Palastes sieht man Gay-Kinos, einen Sex-Shop und eine Bar. Die meisten Nutten kennen wir mit Namen, und wir wissen auch, ob's ein guter oder schlechter Tag für sie war – was die Einnahmen betrifft, selbstverständlich. Wir sind mit Mohammed, dem Besitzer des Kiosks um die Ecke, per Du und kennen jedes seiner neun Kinder. Ich finde es schöner, in dieser eigenen Welt zu wohnen als in einem versnobten Stadtteil. Wenn ich nur an Pöseldorf oder Harvestehude denke, kommt mir schon die Galle hoch.
Doch zurück zu Monas Urlaubsplänen: »Ich will aber mit dir fliegen!« Hui, jetzt hat sie wieder ihre besondere Stimme.
Ich beginne tatsächlich zu schwanken. Eigentlich ist die Idee, mal ein oder zwei Wochen zu verreisen, gar nicht so schlecht. Aber (ja, ich liebe das Wort »aber«) da gibt es, abgesehen vom Reiseziel natürlich, ein weiteres Problem: »Ich würde ja grundsätzlich gern mit dir fahren, aber im Gegensatz zu dir muss ich ein bisschen mehr für meine Kohle arbeiten.«
Das ist jetzt zwar gemein von mir, weil Mona ja nichts dafür kann, dass sie von ihren Eltern finanziert wird, solange sie auf einen Studienplatz wartet. Trotzdem muss man die Dinge auch mal beim Namen nennen!
»Aber du verdienst bei BrillantArt doch ganz gut ... «, wendet Mona ein, womit sie theoretisch ja recht hat.
Praktisch gibt es da allerdings ein klitzekleines Problem: »Momentan sieht es leider so aus, als würden die von einem Münchner Verlag geschluckt werden, und was das bedeutet, kannst du dir ja wohl denken ... « So – jetzt ist es raus.
Ich habe meine Sorge, die mich seit Wochen umtreibt, endlich laut ausgesprochen.
»Mehr Verantwortung, mehr Spaß, mehr Geld?!«, antwortet Mona, anstatt mich zu bedauern, und wieder einmal frage ich mich, wo bei ihr die Grenze zwischen Naivität und Optimismus verläuft. Dann sagt sie auch noch: »Ist doch total toll!«
Fehlt nur noch, dass sie vor Freude in die Hände klatscht.
»Ich würde es eher so ausdrücken: Umstrukturierungen, Kündigungen, Konsolidierung. Und als Erstes trifft es natürlich freie Autoren wie mich!« Ich bemühe mich, meine Stimme wie die einer knallharten Geschäftsfrau klingen zu lassen, damit Mona kapiert, dass die Sache ernst ist.
»Aber wie kommst du denn auf so einen Unsinn?«, fragt sie und schnappt nach Luft. Momentan sieht sie aus wie ein Karpfen auf Landgang. »Du redest dir doch nur wieder mal alles grundlos schlecht.«
»Wenn man die Andeutungen von Emilia ernst nehmen darf, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Magazin in eine Glamour- und People-Gazette umgemodelt wird. Da fackeln die Münchner nicht lange. Brillante Kultur ist passé, es lebe der schöne Schein!«, erkläre ich zynisch.
Emilia, die Prophetin meiner beruflichen Apokalypse, ist übrigens die Assistentin des Verlagsleiters Markus Quante und sollte es eigentlich wissen.
Schließlich geht sie regelmäßig mit ihm ins Bett.
»Ach Quatsch«, protestiert Mona und legt den Prospekt beiseite. Wurde aber auch Zeit, schließlich brauche ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
Doch Mona denkt gar nicht daran, mit mir gemeinsam Wunden zu lecken, sondern schnappt sich stattdessen die neue Life-Style, auch so ein Teufelszeug. Ich liebe meine Freundin. Aber mit ihrem fatalen Hang zu Frauenmagazinen, Daily Soaps und Casting-Shows macht sie es mir manchmal wirklich schwer. Ich wage gar nicht, daran zu denken, dass jemand mit ihren Interessen später Grundschullehrerin werden möchte. Was will sie ihren Schülern denn beibringen? Wie man sich bei der Show von Victoria's Secret als Model so bewegt, dass man nicht auf den Hintern fällt?
»Mehr als ach Quatsch hast du dazu nicht zu sagen?«
Immerhin werde ich bald zu den Ärmsten der Armen gehören, und Mona steht als Hauptmieterin im Mietvertrag – alleine kann sie sich unsere Wohnung gar nicht leisten. Aber darüber denkt sie natürlich nicht nach. Lieber wird die Gala zum hundertsten Mal durchgeblättert.
»Ehrlich gesagt nein«, sagt Mona und hat immer noch gute Laune. »Ich hab so was mittlerweile schon tausendmal gehört. Aber statt der erwarteten grauenhaften Katastrophe ist dann meistens etwas ganz Tolles passiert. Und so wird es auch diesmal sein. Wieso machst du dir eigentlich immer Sorgen über ungelegte Eier? Lass doch die Dinge einfach mal auf dich zukommen.«
Ich fasse es nicht! Mona nennt meine Existenzkrise ungelegte Eier?
»Du kannst dir doch immer noch Gedanken darüber machen, wenn es so weit ist, oder nicht?« Jetzt redet Mona mit mir wie eine Krankenschwester mit einem besonders schwierigen Patienten und legt auch noch ihre Hand auf meinen Arm.
Ich schüttele sie ab und stehe auf. »Dann ist es aber zu spät! Ich will vorbereitet sein, wenn Quante mir das Messer in den Rücken stößt.«
Mona grinst. »Wie theatralisch du immer bist!«
Wenn sie so weitermacht, passiert was ganz, ganz Schlimmes.
»Tu mir einen Gefallen und grins nicht so, Mona. Der Unterschied zu euch Frohnaturen ist, dass Leute wie wir damit umgehen können, wenn etwas Unerwartetes passiert. Wir tapern nicht mit der Think-Pink-Brille durch die Gegend und wundern uns fürchterlich, wenn uns die böse, böse Wirklichkeit brutal einholt! Wir rechnen mit allem und wissen, was zu tun ist, wenn uns eine Katastrophe ereilt!« Nun schreie ich fast, Mona grinst immer noch. Blöde Kuh!
»Du und deine melodramatischen Anfälle«, kichert sie. »Heb dir die lieber für dein Blog auf, anstatt dich in etwas hineinzusteigern, das vermutlich nie eintreten wird. Du bist eine Pessimistin, wie sie im Buche steht! So was hab ich echt noch nicht erlebt.«
»Ich bin keine Pessimistin, sondern Realistin, das ist ein ziemlich großer Unterschied!«, protestiere ich wütend.
Wir führen diese unsinnige Diskussion zum Thema innere Haltung leider häufiger. Irgendwie ist Mona fest davon überzeugt, dass ich eine echte Schwarzmalerin bin, die sich selbst im Weg steht und damit die sogenannte selffulfilling prophecy regelrecht heraufbeschwört. Als hätte ich einen Pakt mit dem Teufel, Werwölfen und Vampiren zusammen.
Ich kann ihre Befürchtungen nicht teilen. Ich würde mich eher als kritisch, vorsichtig und damit insgesamt äußerst klug bezeichnen. Und sollte ich wirklich eine Pessimistin sein, dann bin ich jedenfalls eine glückliche. So.
Denn als Optimist hat man keine Ahnung von den freudigen Überraschungen, die das Leben bereithält.
Warum kapiert meine liebe Freundin das eigentlich nicht? Will sie mich nicht verstehen? Irgendwann wird es böse mit ihr enden, sehr böse. Dann wird sie aufwachen und sagen: »Du hattest ja so recht, July, wie konnte ich nur so dumm sein?«
Aber anstatt das gleich zuzugeben, kommt nur: »Sei mir nicht böse, July, aber ich gehe jetzt lieber einkaufen. Hast du Lust, mitzukommen?«
Ich schüttle den Kopf, denn ich habe keinen Spaß daran, mein Geld für Mode und Wohnschnickschnack zu verballern. Mona hingegen LEBT für Handtaschen, weshalb wir in absehbarer Zeit bestimmt umziehen müssen. Ich kaufe lediglich schwarze Rollkragenpullis – die mir in Journalistenkreisen den Spitznamen Schwarze Feder eingetragen haben. Zu Recht, wie ich finde. Schwarze Feder klingt doch gut – unnahbar. Hart. Realistisch. (Ja, es klingt auch ein bisschen nach dem Häuptlingsnamen eines Indianerstamms, aber nur entfernt.)
»Soll ich dir was mitbringen?«, fragt Mona, während sie türkisfarbene Flip-Flops anzieht, die neben meinen schwarzen Stiefeln so grell leuchten, dass man Augenschmerzen bekommt.
»Nutella«, antworte ich spontan. »Übrigens: Ist es für die Schuhe heute nicht ein bisschen zu kühl? Du wirst dich hundertpro erkälten!«
Mona lacht. »Danke, Unke!« Sie schmatzt mir einen dicken Kuss auf die Wange. »Ist doch nur das kurze Stück. Aber lieb, dass du dich immer so rührend um mich sorgst. Wenn ich dich nicht hätte, würde ich manchmal sogar ganz ohne Schuhe aus dem Haus gehen.«
Ja, ohne Schuhe vielleicht – aber niemals ohne HANDTASCHE!
»Und wenn es nachher regnet?«
»Dann surfe ich eben auf den Pfützen, macht bestimmt Spaß. Außerdem wird es nicht regnen!«
»Die Wettervorhersage hat aber ... «
Weiter komme ich nicht, denn hinter Mona fällt die Tür ins Schloss, und ich bleibe allein mit meinen Gedanken.
Und weil ich gerade nichts anderes zu tun habe, schnappe ich mir die Life-Style, überfliege das Inhaltsverzeichnis und schüttle resigniert den Kopf. So einen Mist braucht doch kein Mensch. Wen interessiert es, ob Heidi Klum die tausendste Prada-Tasche gekauft hat? Wen bringt es weiter, wenn er weiß, dass Jennifer Aniston morgens um vier aufsteht und drei Stunden Sport macht, bevor sie zum Dreh fährt? Und dann natürlich das übliche Blabla: Ich sehe noch so gut aus, weil ich gute Gene habe, viel schlafe und ganz viel Wasser trinke (Hannelore Elsner).
Schließlich entdecke ich einen Psychotest, der mich darüber aufklären will, ob ich in die Kategorie »Pessimist oder Optimist« gehöre. Zehn Minuten später ist es amtlich: Ich bin Pessimistin. Ich habe nahezu sämtliche Fragen mit ja beantwortet. Fragen wie:
Sagen Sie häufig »Ich habe es geahnt«, wenn etwas Schlimmes passiert?
Denken Sie häufig »Das ist zu schön, um wahr zu sein«?
Empfinden Sie Ihre Umwelt zuweilen als erschreckend naiv?
Ist das Glas für Sie eher halb leer anstatt halb voll?
Um die Ursache für meine Negativität herauszubekommen, brauche ich keinen Psychologen. Hier spielt meine frühkindliche Prägung eine zentrale Rolle. Und alles begann mit meiner Geburt.
»Hey, ich bin zuerst dran!«, hätte ich damals mit Sicherheit protestiert, wenn ich schon hätte sprechen können.
Doch ich musste vor fast neunzehn Jahren hilflos mit ansehen, wie meine Zwillingsschwester vor mir das Licht der Welt erblickte und – zack – in den weichen Armen meiner Mutter lag, obwohl ich eindeutig näher am Geburtskanal gewesen war.
Ich folgte zwar in kurzem Abstand, aber dieser winzige Moment genügte offenbar, um enorme Weichen für mein späteres Leben zu stellen.
Natürlich will ich die Wirkung von Sternzeichen jetzt nicht überbewerten, aber man kann mit Fug und Recht sagen, dass ich es der Laune einer Ärztin zu verdanken habe, dass ich im Tierkreiszeichen des Skorpions geboren bin und Amelie in dem der Waage.
Skorpione – das muss man wissen – sind nicht nur für ihre Umwelt schwer zu ertragen, sondern leider auch für sich selbst. Im Gegensatz zur ausgeglichenen Waage.
Abgesehen von der Bürde dieses Tierkreiszeichens ist es auch kein besonders schönes Gefühl zu glauben, dass womöglich alles anders gekommen wäre, wenn nicht Doktor Carla Liebmilch sich beim Kaiserschnitt anders entschieden und mich vor Amelie ans Tageslicht befördert hätte.
»Bin wieder da!«, flötet Mona mit noch besserer Laune als vorher und stellt ihre Einkäufe auf den Küchentisch. »Draußen scheint übrigens immer noch die Sonne, und es ist richtig warm! Hast du Lust, heute Abend in die Strandperle zu gehen?« Die Strandperle ist eine kleine Kneipe an der Elbe, wo man mit kaltem Bier oder Cola und Fischbrötchen im Sand sitzen und den vorbeifahrenden Containerschiffen zuschauen kann.
Ich nuschle ein undifferenziertes »Weißichjetztauchnich« und starre auf den Psychotest, während Mona trällernd ihre Einkäufe auspackt. Ausnahmsweise war sie wohl im Supermarkt statt in Boutiquen.
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