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23 Kurzgedichte von berühmten Zen-Poeten, interpretiert in Worten, Zeichnungen und Noten für Chor. Die Kompositionen, prämiert vom Deutschen Musikrat, eignen sich besonders für kleine Laiengruppen. Die Texte und die Vertonungen können eine spontane Hilfe sein bei seelischen, materiellen oder sozialen Problemen.
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Seitenzahl: 37
Einleitung
Alter Teich: Bewegung und Stille
Weidenbaum: Kreativität
Blumenmädchen: Moral, Vertrauen, Liebe
Die Grauen Berge: Das Dunkle sein lassen, ohne Erklärung
Schmetterling und Tempelglocke: Individuum und Tradition
Herbststurm: Kraft und Loslassen
Feldgrille: Im Moment sein ist Ewigkeit
Sommernacht: Verliebt, alles geschieht wie von selbst
Glühwürmchen: Allein in der Natur
Blume und Schwert: Gegensätze akzeptieren
Milchstraße im Reisfeld: All(es) im Auge
Melonen: Das Totenopfer
Schneeflocke: Wunder des Lebens
Sperlinge: Mitfühlen und mitspielen
Fischer: Achtung Satori!
Spinnenweben: Ausweglos
Vollmond: Ein Duft von Licht
Windhauch: Tanz der Rosen und der Menschen
Ich lausche: Und verschwinde im Winde
Felsenweg: Langsam geht die Sonne auf
Im Sommer: Durch einen Fluss waten
Erwache doch: Träumender Schmetterling
Epilog: Sitting Silently. Grass wächst von selbst
Anhang: Adressen, Bücher, CDs, Webseiten.
Haikus habe ich zuerst als junger Student entdeckt, in Manfred Hausmanns Büchlein „Liebe, Tod und Vollmondnächte“. Ich war verliebt in eine Japanerin, die in Hamburg Viola da Gamba studierte. Für sie komponierte ich ein kleines Solostück für Gambe, inspiriert von einem Haiku.
Als ich Jahre später einen Laienchor gründete, fiel mir das Buch wieder in die Hände. Und mir fiel auf: Diese Kurzgedichte lassen sich wunderbar in einem kleinen Sketch umsetzen – auch mit ungeübten Sängern und Sängerinnen.
Alter stiller Teich (ruhige, gleichmäßige Töne und/oder Bewegungen) –
Fröschlein springt hinein (schnelle Töne, lustige Bewegung) –
Platsch! (spricht/klingt für sich selbst. Also einfach „Platsch!“)
In unserem improvisierenden Laienchor wurde das zu unserem Lieblingshaiku. Die Komposition lässt sich auch mit einem unvorbereiteten Publikum in wenigen Minuten so einstudieren, dass sich meist alle inspiriert fühlen. Harmonie (in den d-Mollakkorden), Komik (der Lauf, meist von den Männern gesungen) und dann das gemeinsame „Platsch!“ – jeder singt, ruft, kichert auf seine Weise, „lautmalerisch!“
Alter stiller Teich
Fröschlein springt hinein
Platsch!
Dieses Haiku stammt von Matsuo Basho (1644-1694). Basho hat Hunderte solcher Kurzgedichte verfasst. Das (oder der) Haiku kommt aus Japan und gilt mit seinen 17 Moren (Lauteinheiten) als das kürzeste Gedicht. In deutscher Sprache wird es meist in drei Zeilen mit 5-7-5 Silben wiedergegeben. Zur Zeit des Jugendstils begannen auch deutsche Dichter mit dieser Form zu experimentierten, Rilke, Hofmannsthal, George. Heute gibt es etliche Internetforen und Arbeitskreise, in denen neue Haikus entstehen. In einigen werden die Ergebnisse sogar ins Japanische übersetzt und in Japan offiziell bewertet.
Ein Haiku skizziert einen flüchtigen Moment, einen Eindruck aus der Natur, mal humorvoll, mal mit spiritueller Tiefe oder beides zugleich. Sind diese Gedichte so verfasst, dass sie in sich vollkommen sind? Dass also Bearbeitungen, Bilder, Erklärungen überflüssig sind? Nein. Das sehe ich nicht so. Haikus verschaffen Aha-Erlebnisse. Sie regen an. Sie beflügeln. Sie inspirieren – mich zumindest zu musikalischen und zeichnerischen Ideen.
Im Jahre 1997 gewann ich den zweiten Preis (der erste wurde nicht vergeben) im Kompositionswettbewerb des Deutschen Musikrats, und zwar in der Kategorie Gleichstimmiger Jugend-Chor. Daraufhin wurden meine „Sieben Haikus“ beim Chorwettbewerb 1998 in Regensburg vom Clara Schumann-Chor Berlin uraufgeführt, vom BR aufgezeichnet und in einer CD-Box veröffentlicht. Eine Videofassung habe ich auf youtube veröffentlicht.
Im vorliegenden Buch bilden sie die erste „Siebener-Gruppe“. Viele der hier vorgestellten Haiku-Kompositionen sind noch nicht gesungen worden. Ich möchte dazu anregen, sie im eigenen Chor, in der a cappella-Gruppe, in der Schule einzubringen. Es gibt viele leichte Stücke und ein paar schwerere.
Oft führen die Gedichte in eine meditative Haltung. Wer sie liest, nimmt sich selbst, seine Sorgen und Wünsche nicht mehr so wichtig. Stattdessen blüht die Schönheit der Natur auf, das einfache Eingebundensein in das Ganze, das Mysterium des Seins. Als Magister der Philosophie hat es mich gereizt, in diesem Sinne etwas Interpretierendes dazu zu schreiben: Was kann mir dieses Haiku ganz praktisch für ein erfüllendes Leben geben?
Haikus haben ein unerschöpfliches Potential. Sie können eine spontane Hilfe sein bei seelischen, materiellen, sozialen Problemen. Etwa indem sie ein Verstehen, ein Aha auslösen. Gerade bei einem Zenmeister wie Basho ist Überraschung angesagt. Ein Bild, dann ein ganz anderes, der Verstand ist kurz überfordert, eine tiefere Verstehensebene dringt durch, und „Platsch!“ – das „Klatschen der einen Hand“ – wie es in einem Zen-Koan heißt.
Sind die Haiku gedacht als praktische Lebensratgeber? Nein. Aber sie sind zweifellos dazu geeignet.
Ein Blitz flammt durch die Nacht
Da, der Fischer
Gerade schwingt er sein Netz!
Was sagt mir das?