Schokolade ist, wenn Braunbären schwitzen - Johannes Hayers - E-Book

Schokolade ist, wenn Braunbären schwitzen E-Book

Johannes Hayers

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Beschreibung

Die besten Erziehungstricks der Welt! Welche Eltern sind die trickreichsten (und verrücktesten) der Welt? Die deutschen? Die italienischen? Die australischen? Gut platziert bei dieser Eltern-WM ist sicher Linda aus Kanada, die ihrem süßigkeitsvernarrten Sohn erzählt, Schokolade würde aus Bärenschweiß hergestellt. Und auch der Spanier Emilio, der seiner fünfjährigen Tochter eintrichtert: "Wo wohnt der Wolf? In der Disco!", um sie frühzeitig vom Nachtleben fernzuhalten. Diese Eltern bieten vielleicht nicht immer die pädagogisch wertvollsten Erziehungstricks, aber auf jeden Fall sorgen sie für die weltweit beste Laune.

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Johannes Hayers • Sophia Gomez

Schokolade ist, wenn Braunbären schwitzen

Nicht ganz legale Erziehungstricks aus aller Welt

Über dieses Buch

Die besten Erziehungstricks der Welt! Welche Eltern sind die trickreichsten (und verrücktesten) der Welt? Die deutschen? Die italienischen? Die australischen? Gut platziert bei dieser Eltern-WM ist sicher Linda aus Kanada, die ihrem süßigkeitsvernarrten Sohn erzählt, Schokolade würde aus Bärenschweiß hergestellt. Und auch der Spanier Emilio, der seiner fünfjährigen Tochter eintrichtert: «Wo wohnt der Wolf? In der Disco!», um sie frühzeitig vom Nachtleben fernzuhalten. Diese Eltern bieten vielleicht nicht immer die pädagogisch besten Erziehungstricks, aber auf jeden Fall sorgen sie für die weltweit beste Laune.

Vita

Johannes Hayers schreibt für Bühne, Hörfunk und Fernsehen, hat vier Neffen, vier Nichten und lebt in Düsseldorf. Sein Buch «Schnall dich an, sonst stirbt ein Einhorn!», das er zusammen mit Felix Achterwinter schrieb, wurde zum Bestseller.

 

Sophia Gomez arbeitet als Reisejournalistin für verschiedene internationale Zeitschriften und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Valencia.

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

welche Eltern sind die trickreichsten der Welt? Die deutschen? Die italienischen? Die australischen? Wie gut ist der Trick des spanischen Vaters? Wie gut der Trick der kanadischen Mutter? Wir haben für Sie überall auf der Welt die besten Erziehungstricks gesammelt. Und mit «die besten» sind nicht immer die pädagogisch wertvollsten gemeint. Es sind die ungewöhnlichen, teilweise unglaublichen, hinterhältigen, kreativen, originellen, unmoralischen, listigen, aber vor allem lustigen Tricks. In diesem Buch werden Vorurteile über andere Länder über den Haufen geworfen oder auch augenzwinkernd bestätigt, aber wie auch immer, eine international übereinstimmende Erkenntnis bleibt: Erziehung ist nirgendwo auf der Welt einfach. Und so schmelzen die pädagogischen Ländergrenzen wie Schweizer Käse unter der südamerikanischen Sonne. Egal woher Sie stammen, egal wo Sie leben, entscheiden Sie für sich selbst, wer am Ende des Buches die Weltmeisterschaft der Erziehungstricks gewonnen hat. Denken Sie dabei aber immer daran, dieses Buch ist kein seriöser Ratgeber, dieses Buch ist eine liebevolle Bitte: «Nehmen Sie Ihr Kind mal wieder auf den Arm!»

Wir wünschen Ihnen verboten viel Vergnügen bei den nicht ganz legalen Erziehungstricks aus aller Welt.

 

Johannes Hayers & Sophia Gomez

Total sozial

England

England ist das Land des guten Stils (wenn wir die Politik einmal außer Acht lassen). Und da gilt: Hochnäsig sein, ist okay, aber niemals würde die Queen statt ins seidige Taschentuch zu schnäuzen die laufende Nase hochziehen. Denn das wäre für die Königin der Benimmregeln ein klarer Fall von «cutting off your nose to spite your face» (was so viel heißt, wie sich ins eigene Fleisch schneiden). Und wir meinen mit Nase hochziehen natürlich nicht ein kleines, damenhaft verstecktes Schnuppern, sondern den groben Rotz hochzuprügeln, bis er energisch unter die Schädeldecke klopft. So wie Kinder das machen. Würde die Queen so etwas tun? Niemals. Und ihre geliebte Catherine? Die liebe «Kate»? (Von der anderen schweigen wir hier mal.) Gütiger Gott! Kate zieht die Nase hoch? Das wäre ein nationales Drama, eine Katastrophe, also ein schöner Tag für die Presse.

Nase hochziehen

Die Nase hochzuziehen, ziemt sich nicht. Nicht für die Königin, nicht für eine Prinzessin und nicht für ein Mädchen, das mal Prinzessin werden könnte.

«Violet, nimm ein Taschentuch!» Kaum gesprochen, hört Lydia von ihrer sechsjährigen Tochter ein lang gedehntes «Grnnnnchchchrrrrrr» und der Schnodder wird mal wieder so röhrend laut hochgezogen, als ob drei dicke alte Männer um die Wette schnarchen würden. Es ist erschreckend und verblüffend, wie kann ein so kleines süßes Mädchen solche Töne von sich geben? Durch Übung. «Weißt du, Violet, dieses Hochziehen machen eigentlich nur geizige Menschen», sagt Lydia.

«Warum, Mama?»

«Weil die alles für sich behalten wollen. Aber wer freigebig ist, wer loslassen kann, fährt besser im Leben.» Lydias Satz ist noch nicht beendet, da verlässt mit einem dröhnenden «GRNNNNCHCHCHRRR» der nächste Schnodderzug den Bahnhof Richtung Schädeldecke. «Violet, das ist schlecht für deine Gesundheit und schlecht für dein Benehmen, und es ist schlecht für …»

«GRNNNNCHCHCHRRRRRRRR!!!»

«VIOLET!»

«Ja, Mama?», fragt Violet sanft, als sei überhaupt nichts gewesen.

 

 

Der Trick: Haare

Von Lydia (39) für ihre Tochter Violet (6)

Als beide später in London shoppen gehen, denkt Lydia: Gesundheit? Benehmen? Das sind Begriffe, da läuft in der kindlichen Phantasie doch gar nichts ab, davon fühlen sich Kinder doch nicht angesprochen. Aber was soll ich nur sagen, das sie zur Einsicht bringt? Es müsste irgendetwas für Kinder Logisches sein, etwas, das gute Mütter sagen würden, nein besser, etwas, das gute Pädagogen sagen würden, etwas, das … und da sieht Lydia ein Mädchen um die zwanzig mit grünen Haaren, ein Mädchen, das entweder sehr modisch ist oder dessen Färbeversuch in die Hose gegangen ist (und von denen sieht man in einer Großstadt tatsächlich nicht eben wenige), und Lydia sagt spontan: «Guck mal da, Violet! Das Mädchen mit den grünen Haaren, sieht das nicht komisch aus?»

«Ja, sieht richtig komisch aus, Mama, wieso sind die Haare grün?»

«Na, weil das Mädchen immer ihren Rotz hochzieht.»

«Waaas?»

«Ja, der Rotz ist doch grün und er zieht sich hoch bis in die Haare. Also in ein paar Monaten siehst du auch so aus.»

«Nein!»

«Doch!»

Und gerade, als Violet wieder den Einsatz für den Alte-Männer-Schnarch-Chor gibt, sagt sie: «GRNNN … Mama, hast du mal ein Taschentuch?»

Schottland

Ein Schotte geht mit seiner Frau an einem Hähnchenstand vorbei. «Hmm, das duftet aber lecker!», sagt die Frau. Daraufhin der Mann: «Ja, wenn du magst, können wir auf dem Rückweg noch einmal daran vorbeigehen!» Es gibt sie immer noch, die Schottenwitze. Dabei sind Schotten gar nicht richtig geizig. Wir alle kennen doch den Satz: «Schotten sind Schwaben, die wegen Verschwendungssucht auswandern mussten.» Schotten sind nur da geizig, wo es sinnvoll ist, und da verschwenderisch, wo es ums Wesentliche geht. Ein gutes Beispiel ist der Schottenrock. Da erkennt jeder sofort: Der schottische Mann geizt nicht mit Charme und Sexappeal. Nennen wir es bei den Schotten also nicht Geiz, sondern eine angemessene Verknappungskultur. Der Welt würde in Zeiten um sich greifender Verschwendungssucht etwas mehr schottisches Lebensgefühl guttun.

Die lange Liste

Ellie ist mit einer in alle Lebensbereiche ausufernden Verknappungskultur noch nicht vertraut. Sie schreibt, mit Hilfe ihres Vaters Jack, denn sie ist erst fünf, einen Wunschzettel für Weihnachten. Eine langen Wunschzettel, einen sehr langen Wunschzettel. «Diese Ausdauer kenne ich von ihr sonst gar nicht», sagt Papa Jack. Aber er gönnt seiner Tochter nicht nur Geschenke, sondern sogar eine Zukunft. Damit sie die hat, muss sie seiner Meinung nach auf ein paar Geschenke verzichten. Weil, wie jeder weiß, bei der Produktion von Sachen, selbst wenn sie von Herzen geschenkt werden, CO2 entsteht. Zu viel davon gefährdet Ellies Zukunft. Nur, wie bringt man diese logische Kette jetzt einer Fünfjährigen bei? «Weißt du, was das Pariser Klimaabkommen ist, Ellie?», fragt Jack und merkt in derselben Sekunde, dass das pädagogisch wohl nicht der geschickteste Weg ist. Er kommt aber noch auf einen Erklärungsversuch, der ihm absolut kindgerecht erscheint.

 

Der Trick: Bad News

Von Jack (34) für seine Tochter Ellie (5)

Jack liest Zeitung, während Ellie Müsli in sich hineinschaufelt. Jacks Kopf senkt sich tiefer und tiefer in die Zeitung, so als könne er das, was er da liest, überhaupt nicht glauben: «Oh! Oha! Oha-oha!»

«Was ist, Papa?»

«Gibt’s das? Der Weihnachtsmann hat seinen Schlitten verkleinert.»

«Hä? Wieso hat er das denn gemacht?»

«Er sagt», und hier tut Jack so, als lese er aus der Zeitung vor: «Für einen großen Schlitten brauche ich zu viele Rentiere, die den ziehen. Ich möchte nur noch die Hälfte an Rentieren haben.»

«Warum?», fragt Ellie, so neugierig geworden, dass sie sogar ihr Müsli vergisst.

«Weil, oha-oha, das ist interessant: Rentiere verursachen durch Pupsen …» Sein Vortrag wird durch Ellies Kichern unterbrochen. «Doch, Ellie, das ist so. Das viele Pupsen von großen Tieren wie Rentieren und Rindern ist schlecht fürs Klima, also die Luft. Vor allem von Rentieren …», und jetzt deutet Jack zur Unterstützung seiner Geschichte mit dem Zeigefinger in die Luft: «Weil die ja da oben fliegen. Und das ist wie mit den Flugzeugen. Alles, was da oben verpestet wird, ist noch schlimmer für die Luft als das hier unten.»

«Und was macht der Weihnachtsmann jetzt?»

«Tja, Ellie, wenn der Schlitten vom Weihnachtsmann nur noch halb so groß ist, weil er nur noch halb so viele Rentiere hat, kann er auch nur noch halb so viele Geschenke verteilen. Das heißt, wir müssen deine Liste leider um die Hälfte kürzen.»

Ellie denkt kurz nach, da platzt es aus ihr heraus: «Und wenn du nicht mehr pupst, Papa, würde das helfen?»

«Äh, nein, Ellie, auch wenn es dir so vorkommt, das reicht leider nicht aus. Außerdem kann ich ja nicht fliegen. Aber danke für deinen gut gemeinten Vorschlag.»

 

Und so streichen Ellie und Jack gemeinsam die Hälfte der Geschenke wieder von der Liste. Und ja, wir wissen, liebe Leser, was Sie jetzt denken: «Welches Fest feiert ein Schotte mit zwei Kerzen vorm Spiegel? Richtig: Den vierten Advent.»

Spanien

Der väterliche Beschützerinstinkt für die eigenen Töchter ist wahrscheinlich überall auf der Welt ähnlich stark. Er ist aber in seiner Art und Weise kulturell unterschiedlich ausgeprägt. Schaut ein zukünftiger Schwiegersohn in Skandinavien zur Tür herein, blickt er in dieses Gesicht:

Schaut ein zukünftiger Schwiegersohn in Spanien zur Tür herein, blickt er in dieses Gesicht:

Es ist das Gesicht eines spanischen Jagdgewehrs. Ja, so ist das, im Süden Europas trifft man halt auf Väter eines anderen Kalibers (Kaliber 7,62 x 51 mm, um genau zu sein).

Vorsicht, Schwiegersöhne

Gut, es mag sein, dass Emilio diesem Klischee südländischer Väter nicht zur Gänze entspricht. Aber auch ihn beschäftigt die Frage: Wie schütze ich meine kleine süße Tochter vor den übelsten, diebischsten, hundsgemeinsten, dreckigsten Saukerlen dieser Welt? Kurz: Vor den Söhnen anderer Väter. Wie behütet ein Vater wie Emilio eine Tochter, die schon bald, also mit 25, ihr sicheres Elternhaus verlassen wird? Das heißt in nicht einmal zwanzig Jahren! Also väterlich gefühlt: übermorgen! Ja, richtig gerechnet, Emilios Tochter Marina ist fünf Jahre alt. Das heißt, es wird für ihn wirklich allerhöchste Zeit, sie auf das Leben mit diesen «lauernden Bestien» (Zitat: «bestias al acecho») vorzubereiten.

 

Der Trick: Der mit dem Wolf droht

Von Emilio (33) für seine Tochter Marina (5)

Jedes Mal, wenn Emilio und Marina abends um elf (23 Uhr, oder wie der Spanier sagt: Zeit zum Abendessen) an der Discothek im Ort vorbeigehen und die laute Musik zu ihnen herüberschallt, deutet Emilio auf die Discothek und fragt Marina immer das Gleiche:

«¿Dónde vive el lobo?»

(«Wo wohnt der Wolf?»)

Und Marina antwortet wie aus der Pistole bzw. aus dem Jagdgewehr geschossen:

«En la discoteca!»

(«In der Disco!»)

«Una vez más, Marina: ¿Dónde vive el lobo?»

(«Noch einmal, Marina: Wo wohnt der Wolf?»)

«En la discoteca, papá! EN LA DISCOTECA!»

(«In der Disco, Papa. IN DER DISCO!»)

«¡Bravo, Marina, muy bien!»

(«Bravo, Marina, sehr gut!»)

 

Erst dann kann Emilio mit hoffnungsfroher Miene weitergehen, denn erst dann zerrt der Anblick der jungen Männer, die sich unter der Leuchtreklame der «Discoteca» tummeln, nicht mehr ganz so stark an seinen väterlichen Nerven. Nur so kann er in dem Wissen zu Bett gehen, wieder einen soliden Grundstein für die Mauer gelegt zu haben, die später seine Tochter vor allzu forschen Anwärtern schützen soll. Aber liegt der väterliche Beschützerinstinkt hier auch pädagogisch instinktiv richtig? Werden sich Marinas Freundinnen in einigen Jahren vor dem Discobesuch fragen: «Habe ich auch alles? Meinen Lippenstift? Meinen Mascara?…», und Marina ergänzt: «Mein Jagdgewehr?»

 

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Denn ganz so glatt, wie es uns Emilio beim ersten Mal erzählte, lief es mit seiner wissbegierigen kleinen Tochter dann doch nicht:

«Wo wohnt der Wolf?»

«In der Disco!»

«Bravo, Marina, sehr gut!»

«Aber wieso wohnt der Wolf nicht im Wald, Papa?»

«Tja, also …»

«Weil, Papa, du hast gesagt, die Wohnungen hier in der Stadt sind sehr teuer.»

«Das stimmt … aber …»

«Ist der Wolf sehr schlau, Papa?»

«Also der ist schon gerissen, nur …»

«Schlauer als du, Papa?»

«Als ich?»

«Ja, wenn der mehr verdient als du?»

«Na ja, also so würde ich das nicht sagen, der …»

«Der Wolf ist aber sehr beliebt.»

«Wieso?»

«Na, weil er so viel Besuch bekommt.»

«Ja, aber was sind das für Leute, Marina, also eigentlich ist der Wolf …»

«Der Wolf ist böse, Papa.»

«Ja! Jetzt hast du es! Genau das ist er!»

«Weil er die Musik so laut macht, da können kleine Kinder nicht schlafen.»

«Ja, sicher deswegen und weil …»

«Ich gehe da sowieso nie hin, Papa.»

«Oh, sehr gut, Marina! Das finde ich jetzt wirklich sehr, sehr gut!»

«Mir gefällt seine Musik nicht.»

«Bitte? Äh … ach so … – jaja, und deinen guten Musikgeschmack, Marina, den hast du von mir!»

 

«Manchmal», meint Emilio später zu uns, «bedeutet Erziehung einfach nur, gut zuzuhören und meine guten Gene im Nachwuchs wirken zu lassen.»

Luxemburg

Das «Großherzogtum Luxemburg», wie sich der Zwergstaat ganz ohne Zwinkersmiley großspurig nennt, hat eine einzige Großstadt über hunderttausend Einwohner. Der Rest der Bevölkerung lebt in mittelgroßen Städten oder Kleinstädten, dort, wo man sich kennt und immer wieder über den Weg läuft. Sicher, für Erwachsene scheint eine Kleinstadt einem echten Metropolenshoppingerlebnis im Weg zu stehen. Kinder aber sind genügsamer, jedenfalls was die Exklusivität der angebotenen Produkte angeht. Sie möchten das, was alle haben, aber davon reichlich.

Hab ich noch nicht

Gabriel möchte alle Actionfiguren der Transformers. Erspäht er im Laden eine Figur, die er noch nicht hat, ist er nicht mehr vom Betteln abzubringen: «Mama, bitte, bitte, ich muss den haben, den hab ich noch nicht, Mamaaa!» Gabriels Mutter Claire hat immer wieder versucht, ihren Sohn davon abzuhalten, aber sie meint: «Gabriel ist so zielstrebig und dickköpfig. Und er ist ganz schön selbstbewusst. Er hat sogar mal auf die Frage: ‹Was willst du mal werden?› geantwortet: ‹Wieso? Ich bin doch der Gabriel›.» Da würden wir wirklich zu gern sehen, wenn demnächst in einem offiziellen Formular sein Beruf steht: «Gabriel.»

Das heißt, dieser selbstbewusste und starrköpfige junge Mann kann im Laden stundenlang vor einem Karton mit Transformers stehen bleiben, ohne sich in seiner Haltung auch nur irgendwie zu transformieren. Und was macht Claire? Versucht sie es mit einem Trick? Ja, aber mit einem schlechten Gewissen.

 

 

Der Trick: War das nicht …?

Von Claire (34) für ihren Sohn Gabriel (7)

«War das nicht Onkel Charly?», ruft Claire laut und stupst ihren Sohn an, der vor dem Regal quengelt. Gabriel dreht sich um: «Welcher Onkel Charly?» – «Na, der Onkel Charly von Dingensdabumens. Doch, das war der, los, komm, hinterher, den muss ich unbedingt sprechen.» Und los geht’s. Am langen Arm zieht sie Gabriel vom Regal weg und hinter Charly her, der die Rolltreppe nach unten nimmt. «Mama, welcher Charly?» – «Ach, der Charly, der Onkel Charly eben, komm jetzt, sonst holen wir ihn nicht ein! Da läuft er!» Ja, da läuft der Charly, hinaus aus dem Kaufhaus mit Claire und Gabriel auf den Fersen. «Charlyyy!», ruft Gabriel laut. Der Mann dreht sich um, Claire schaut verdutzt: «Äh, oh, ’tschuldigung, ich hab mich vertan.» – «War das nicht Onkel Charly?», fragt Gabriel. «Nein, war er nicht. Er sah aber von hinten haargenauso aus. So, jetzt müssen wir nach Hause.»

 

«Wir haben heute beinah Onkel Charly gesehen», berichtet Gabriel abends seinem Vater.

«Welchen Onkel Charly? Du hast gar keinen Onkel Charly.»

«Doch, sicher, hat er», wirft Claire ein, «du weißt doch … äh … der Dingens, äh … kann ich dich mal sprechen?» Jetzt kommt alles ans Tageslicht. Nein, einen Onkel Charly gibt es nicht, und auch eine Tante Gilda gibt es nicht und einen Professor Reuter ebenfalls nicht. Trotzdem sind sie alle die imaginären Helden von Mama Claire, Helden, die ihr immer, wenn sie mit ihrem quengelnden Sohn vor einem Regal steht, aus der Patsche helfen, damit sie das Kaufhaus auf dem schnellsten Weg verlassen kann. Und was sagt der Ehemann dazu? Er grinst diebisch und meint dann laut: «Ach den meinst du! Ja, klar. Oh, warte, vielleicht können wir Onkel Charly ja mal zum Essen einladen. Na?»

«Ja, dann lern ich ihn auch mal kennen, Mama!», ruft Gabriel begeistert.

«Äh … tja, äh, gute Idee», stottert Claire, «aber wie ich gehört habe, geht er morgen auf eine große, große, große Weltreise.»

Georgien

Georgien ist für seine mehrstimmigen Gesänge weltberühmt. Wer? Was ist berühmt? Wo? Nie gehört. Richtig, weltberühmt, aber nur in Georgien. Dabei hat es die georgische Musik sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe gebracht, ist aber trotzdem kaum bekannt. Als Elena aus Georgien Anfang des neuen Jahrtausends nach Deutschland reiste, fragte sie in der Musikabteilung eines großen Kaufhauses nach georgischen Gesängen. Daraufhin schaute sie der Angestellte irritiert an, um sie dann kichernd zu belehren: «Hihi, nein, nei-hen, junge Frau, Sie meinen gregorianische Gesänge!»

«Nein, georgische Gesänge. Ich weiß doch, wo ich herkomme.» Aber der Verkäufer blieb stur: «Sie müssen sich da irren. Das, was Sie suchen, heißt definitiv: gregorianische Gesänge. Das sind Kirchenchöre. Kir-chen-chö-re. Kennen Sie Kirche?»

«Ja, kenne ich. Aber gregorianische Kirchengesänge sind monophon, georgische Gesänge sind polyphon», sagte Elena in einem Ton, der vielleicht etwas zu spitz war, woraufhin der Verkäufer beleidigt sagte: «Ich habe jetzt Pause.» Und ging. Nichts gegen gregorianische Gesänge, natürlich nicht. Aber wie man hier sieht, ist es schon seltsam, wie sich manches ausbreitet und berühmt wird, während anderes kaum beachtet wird. Und das ist nicht nur beim Gesang so.

Er hat einen im Cola

Zum Beispiel ist es jedem Weltreisenden schon aufgefallen: Egal wohin man geht, Cola ist schon da. Sauberes Trinkwasser Fehlanzeige, aber eine Dose Cola bekommt man auch im letzten Kaff des Kaukasus. Cola ist überall ständig präsent und sponsert sogar, das entlockt nur noch Ernährungswissenschaftlern ein leichtes Kopfschütteln, große Sportevents. Wie soll also ein 14-jähriger Junge darauf kommen, dass Cola nicht gesund sein soll? Weil seine Mutter es ihm sagt? Haha, der war gut. Vierzehn Jahre universal omnipräsente Indoktrination auf allen Kanälen, wo dir die größten Stars mit den tollsten Leben sagen, wie geil das Zeug ist und auf der anderen Seite … Mutti, die dir georgischen Tee anbietet. Mutti hat nicht so ein prunkvolles Promileben. Mehr so mittel. Das heißt, für Sohn Marte existiert eigentlich überhaupt kein anderes Getränk, nicht mal im Kreuzworträtsel.

Und was ist die Schlussfolgerung? Wenn Mutti sagt, dass ihr Tee besser sei als die Cola, hat der Tee bei dieser Wahl ungefähr so gute Chancen wie eine Wellblechhütte in Burkina Faso gegenüber einer Hollywoodvilla mit Pool und Tennisplatz. Die Sache sieht jedoch anders aus, wenn der Sohn Freunde hat, die schon über leichten Bartwuchs verfügen, während seine eigenen Wangen leider noch der Zartheit eines Kinderpopos entsprechen.

 

Der Trick: Der Trick hat so einen Bart

Von Elena (35) für ihren Sohn Marte (14)

Elena kauft Tee manchmal im Supermarkt ein, meistens aber auf dem lokalen Markt. Anders als im Supermarkt wird der Tee dort von Hand in kleine Papierbeutel abgefüllt und auf die Beutel dann Geschmacksrichtung und Grammzahl geschrieben. Dabei kann Tee natürlich noch viel mehr als nur schmecken, was ihr die lustige alte Marktfrau immer wieder gern erläutert: «Wenn du einen Liebsten suchst, findest du ihn mit diesem Tee. Er ist gut für die Augen. Wenn du einen Liebsten gefunden hast, dann gib ihm diesen Tee, dann hört er auf dich. Der Tee ist auch gut für die Ohren.»

«Dann brauche ich unbedingt einen großen Beutel», sagt Elena. «Nicht für meinen Liebsten, sondern für meinen Sohn, der hört nämlich überhaupt nicht auf mich. Er trinkt lieber Cola als Tee.» Bei dem Wort Cola verzieht die Marktfrau ihr Gesicht: «Euii, nicht gut, gar nicht gut, euii.» Elena kommt eine Idee: «Moment, ich hab’s! Könnten Sie auf den Beutel schreiben: Gut für Augen, Ohren, Haut und Bartwuchs?» Die Marktfrau lacht: «Ohhh, jaaa, ich verstehe. Der kleine Mann will ein großer Mann sein. Du bist schlau, jaja, das kommt vom Teetrinken. Eine sehr gute Idee.»

 

Eine Idee, die funktioniert. Marte haut sich jeden Tag mindestens zwei Tassen rein und rennt zum Spiegel. Sprießt schon was? Kämpft sich dort nicht gerade ein kleines Härchen hinaus in die Welt, um endlich die stolze innere Männlichkeit für alle anschaulich zu machen? Ob Marte mittlerweile einen Vollbart hat, konnten wir nicht mehr herausfinden. Aber wenn der Bart bei unserem Tee-nager Marte kommt, lebt er auf jeden Fall länger und kann im Alter stolz einen georgischen Gesang über den wunderbaren georgischen Tee anstimmen.

Litauen

Es heißt: Leben wie Gott in Frankreich. Wir wissen also, wo Gott sein Domizil aufgeschlagen hat. Aber wo wohnt der Teufel? Der Teufel wohnt in Litauen. Dort haben sie ihm in der Stadt Kaunas sogar ein ganzes Teufelmuseum eingerichtet. Aber Moment, das stimmt nicht. Es geht in Kaunas nicht um den mitteleuropäischen Teufel, also die Personifizierung des Bösen. Es geht um viele Arten von Teufeln, die in der litauischen Mythologie eher eine Art Schelme oder trickreiche Typen sind. Sie stiften zwar Unruhe, wollen aber eigentlich nur das Gute. Nur der Weg zum Guten ist meist nicht regelkonform und … da fällt uns auf … diese Teufel sind ja genauso wie unsere Eltern hier. Auch die haben unmoralische Tricks auf Lager und haben eigentlich nur Gutes im Sinn. Teufel noch mal! Ein Museum für Eltern mit nicht ganz legalen Erziehungstricks. Und das in Litauen. Also, nichts wie hin!

Der Teufel unterm Bett

Wer weiß, dass Eltern in Litauen ihre Kinder überallhin mitnehmen, den wundert es auch nicht, wenn er einen Fünfjährigen im Teufelmuseum antrifft. Woanders hätten in so einem Fall die Eltern von Torben-Sedrick schon Anzeige wegen vorsätzlicher Teufeltraumatisierung gestellt. Vielleicht, wir sagen es nur ungern, haben die Eltern von Torben-Sedrick dieses Mal nicht ganz unrecht. Wie? Was? Wirklich? Na ja, der fünfjährige Darius kommt aus dem Teufelmuseum und will am Abend einfach nicht einschlafen. «Da ist ein Teufel unter meinem Bett, Papa.»

«Ach was, schlaf jetzt, Junge», bügelt Papa Algis die Bedenken seines Sohnes leichtfertig ab.

Darius legt sich ins Bett, kann aber nicht einschlafen und kommt wieder ins Wohnzimmer.

«Papa, doch, der ist immer noch da.»

«Dann sag ihm, der soll gehen», meint Algis und setzt in gespieltem Schimpfen nach: «Was wohnt der hier ohne Miete zu zahlen, der Sausack!»

«Ich weiß nicht, Papa. Sag ihm das doch mal.»

«Okay, ich komme gleich.»

 

Der Trick: Teuflischer Eintritt

Von Algis (32) für seinen Sohn Darius (5)

Algis kommt in Darius’ Zimmer, guckt unters Bett und erschrickt. «Tatsächlich, da liegt er rum, der Teufel.»

«Siehst du ihn?», fragt Darius aufgeregt.

«Ja, klar. Aber das ist nur ein kleiner, frecher, so einer wie im Museum.»

«Ja, genau so einer ist das, Papa.»

Algis winkt Darius hinaus. «Geh du und halte die Wohnungstür auf. Ich jage ihn von hinten.» Darius hält die Wohnungstür sperrangelweit auf, während Algis im Zimmer fluchend und schimpfend um sich schlägt: «Jetzt aber raus, du verdammter Hund, du! Hopp! Ab geht’s, raus hier! Huiiiii!» Darius guckt gespannt, als Algis ruft: «Da isser, da! Da huscht er durch! Schnell, mach die Tür zu!» Sofort knallt Darius die Wohnungstür zu: «Geschafft, Papa. Das hätten wir. Aber woher wissen wir, dass er nicht wiederkommt?»

«Das wissen wir», meint Algis, «weil Teufel geizig sind. Die Teufel im Museum müssen so wie wir Besucher nur zwei oder drei Euro Eintritt zahlen. Mehr würde ein Teufel niemals zahlen. Niemals! Und wir verlangen mehr. So einfach ist das.»

«Aber woher wissen die Teufel, dass wir Eintritt verlangen?»

«Wir machen ein Schild an die Tür.»

Zur Freude von Darius und den Nachbarn hängt jetzt ein kleines Schild an der Wohnungstür, an dem man zum einen sieht, dass Darius mit dem Eintrittspreis auf Nummer sicher gehen wollte und zum anderen, dass er trotzdem gegenüber Teufeln sozial eingestellt ist.

Portugal