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Jane Tomsen

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Beschreibung

Bourguet, das friedliche Dorf im Departement Gers, das Charlotte als ihre Wahlheimat auserkoren hat, gönnt unserer Hobbydetektivin keine Verschnaufpause. Kaum ist etwas Gras über die Sache gewachsen, seit sie Jeannes Mörder zur Strecke gebracht hat, wird Charlotte bereits mit dem nächsten Geheimnis konfrontiert. Dabei befindet sie sich gerade mitten in den Weihnachtsvorbereitungen. Und dieses Mal hat sie es nicht nur mit einer Leiche zu tun, sondern gleich mit zwei! Unterstützt von ihrer Tochter Lou, die plötzlich bei ihr auftaucht und ihr Studium abbrechen will, begibt sich unsere außergewöhnliche Ermittlerin auf die Spur des Mörders. Zwischen Glühwein und Weihnachtsgebäck gefährdet sie dabei nicht nur die Machtbalance in der Unterwelt, sondern auch ihr eigenes seelisches Gleichgewicht. Natürlich darf auch ihre neckische Katze Filou bei diesem neuen Abenteuer nicht fehlen.

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Präsentation

Bourguet, das friedliche Dorf im Departement Gers, das Charlottezu ihrem Domizil als ihre Wahlheimat auserkoren hat, gönnt unserer Hobbydetektivin keine Verschnaufpause. Kaum ist etwas Gras über die Sache gewachsen, sind einige Wochen vergangen, seit sie Jeannes Mörder zur Strecke gebracht hat, wird Charlotte bereits mit dem nächsten Geheimnis konfrontiert. Dabei befindet sie sich gerade mitten in den Weihnachtsvorbereitungen. Und dieses Mal hat sie es nicht nur mit einer Leiche zu tun, sondern gleich mit zwei!

Unterstützt von ihrer Tochter Lou, die plötzlich bei ihr auftaucht und ihr Studium abbrechen will, begibt sich unsere außergewöhnliche Ermittlerin auf die Spur des Mörders. Zwischen Glühwein und Weihnachtsgebäck gefährdet sie dabei nicht nur die Machtbalance in der Unterwelt, sondern auch ihr eigenes seelisches Gleichgewicht. Natürlich darf auch ihre neckische Katze Filou bei diesem neuen Abenteuer nicht fehlen.

 

 

Jane Tomsen ist das Pseudonym eines deutsch-französischen schriftstellerischen Trios. Die französische Autorin Sylvie Kaufhold, die deutsche Übersetzerin Julia Wetter und die deutsche Lektorin Constanze Stratz sind in Freiburg im Breisgau zu Hause. Wie ihre Hauptfigur Charlotte sind die drei Schreibfreundinnen und Weinliebhaberinnen in ihren besten Jahren.

Jane Tomsen

Schöne Bescherung!

Ermittlungen in der Gascogne #2

aus dem Französischen von Julia Wetter

Les Éditions du 38 verlag

1 - Lou

„Vier Semester Jurastudium, ohne Examen, einen Monat lang einen Theaterworkshop besucht …“

Ich trommle mit den Fingern auf den Rand meines Laptops. Meine Tochter, an diesem frühen Nachmittag noch im Schlafanzug, sitzt mit angezogenen Beinen auf dem Sofa beziehungsweise, die Knie unter dem Kinn. Sie spielt mit Filou, meiner Katze, während sie mir nur mit einem Ohr zuhört.

„Lou, ich versuche dir zu helfen, mach’ dich jetzt mal dran.“

Sie hebt kaum merklich die Nase und zuckt mit den Schultern.

„Mama, lass’ es einfach sein, du deprimierst mich.“

Ich rege mich auf.

„Streng’ dich an! Du wirst nicht das ganze Jahr über auf meinen Sofakissen herumgammeln.“

„Ich habe meinen Job bei Lucien gerade zu Ende gebracht!“, widerspricht sie, während sie sich aufrichtet wie die Prinzessin auf der Erbse. „Das ist nicht meine Schuld, wenn es im Winter nichts zu ernten gibt.“

Wie bitte? Mir bleibt die Spucke weg ob dieser Unverfrorenheit. Es ist Dezember, die Kürbisernte ist seit mehr als einem Monat beendet. Cocos Freund hat Wort gehalten und meiner Tochter einen ersten Job hier im Gers angeboten. Und Lou hat sich nicht vor der Arbeit gedrückt. Jeden Morgen stand sie tapfer auf, hat meinen Vorrat an Heftpflastern geplündert und meine Tube Schmerzsalbe geleert. Lou lief zur Höchstform auf. Aber seit sie ihre Tage damit verbringt, bis in die Puppen zu schlafen und nahtlos zur Siesta überzugehen, ist sie wie ein kleines Murmeltier, das sich im Winter zurückzieht. Und abends kann sie natürlich nicht einschlafen. Sie widmet die Abende und die Nächte dem Schmökern auf dem Bett oder dem Sofa, falls sie nicht gerade wie eine Katze auf leisen Pfoten zum Kühlschrank tigert. Unnötig zu erwähnen, dass Filou ganz und gar glücklich ist, weil sie plötzlich zu allen Stunden nachts gefüttert wird. Einen kurzen Augenblick ziehe ich in Erwägung meine Tochter postwendend zu ihrem Vater zurückzuschicken. Das Einzige, was mich davon abhält, ist die Tatsache, dass die Ablenkungen in Paris tausendfach zahlreicher sind. Hier zumindest, sobald ihr Büchervorrat verschlungen und das Guthaben für E-Books aufgebraucht ist, wird sie eines Tages wieder arbeiten, um sich nicht zu langweilen. Es sei denn, die endlosen Diskussionen in den sozialen Netzwerken mit ihren Freunden in Paris reichen ihr zu ihrem Glück. Heutzutage ist es egal, wo man ist. Man hat das Gefühl nichts zu verpassen, wenn man Tag und Nacht online ist. Welch ein Elend …

In der Erwartung, eine angemessene Lösung zu finden, betrachte ich sie mit großen Augen und die Königin von Saba wird wieder ein kleines Mädchen, auf frischer Tat ertappt.

„Ich weiß nicht, ich habe noch nie einen Lebenslauf geschrieben“, stammelt sie. „Ich habe Abitur.“

„Alle deine Freunde haben Abitur.“

„Ich war Babysitterin.“

Ich betrachte meine Tochter und traue meinen Ohren nicht. Es ist Zeit, sie auf den Boden der Tatsachen zu bringen.

„Ein einziges Mal warst du Babysitterin – für unsere alte Nachbarin, und man kann nicht sagen, dass sie dich ein zweites Mal gefragt hätte.“

„Ich kann nichts dafür, dass ihre Blagen kleine Monster sind.“

Ich erinnere mich an zwei heulende Schreckgespenster im Treppenhaus unseres Hauses. Zwei Blondschöpfe mit Engelsgesichtern und teuflischem Wesen. Auf eine Art kann ich Lou sogar verstehen.

Von einer plötzlichen Inspiration geleitet erhebt sie sich – sie erhebt sich! Filou purzelt jäh vom Sofa, nicht ohne ihren Unmut kundzutun, indem sie in Richtung des undankbaren Menschen faucht, der in der Küche verschwindet. Bitter enttäuscht von der Oberflächlichkeit ihrer Spielkameradin verlässt die Katze das Wohnzimmer in Richtung obere Etage. Die Spinnen sollten sich besser in Sicherheit bringen.

Zwei Sekunden später breitet die Erstgeborene den Lokalteilteil der Dépêche du Midi mit den Kleinanzeigen vor meiner Nase aus.

„Vergiss meine Vita“, erklärt sie, während sie in die Küche zurückkehrt. „Es gibt nichts hineinzuschreiben. Ich war niemals Klassensprecherin, ich mache keinen Hochleistungssport, ich spiele kein Instrument; es sei denn, mein Schrammeln auf der Gitarre ist eine würdige Information für einen Lebenslauf. Ich war niemals Mitglied in einem bestimmten Club, habe an keinem Wettbewerb für Spitzenleistungen teilgenommen. Ihr habt uns nie gezwungen, in den Ferien zu arbeiten: kein Job als Bedienung, keine Arbeit als Verkäuferin, keine einzige Beschäftigung als Betreuer einer Ferienfreizeit … nichts, nada, niente, Luft, Leere.“

Sie hat recht. Es war mein Fehler. Ist es nicht immer der Fehler der Eltern? Ganz besonders der Fehler der Mutter … Ich hätte ihr den Geldhahn zudrehen und sie zum Schuften in den Sommerferien zwingen sollen, anstatt sie ans Meer mitzunehmen. Wie ihre ganze Generation ist sie Opfer einer wohlmeinenden Erziehung. Gerade letzte Woche habe ich einen Artikel über das Thema gelesen.

„Aber wie willst du dich um eine Stelle ohne Lebenslauf bewerben?“, werfe ich ihr über den Gang hinweg an den Kopf.

Sie kommt zurück, reicht mir eine dampfende Tasse Kaffee, während sie eine für sich in der Hand behält, als Zeichen des Friedens und des guten Willens.

„Ich habe nicht gesagt, dass man keinen braucht. Meiner Meinung nach sollten wir besser von den bestehenden Stellenangeboten ausgehen und sehen, ob man für mich einen maßgeschneiderten Lebenslauf erfinden kann. Kreativ wie du bist, kannst du das sicher für mich arrangieren, nicht wahr?“

Sie schmiegt sich zärtlich an mich. Ihre Komplimente lassen mich kalt. Fast. Ich versuche das zufriedene Prickeln zu ignorieren, das mich durchströmt, sie so nah bei mir zu spüren. Ihre langen braunen Haare duften nach Apfel, dem Geruch ihres Haarshampoos, als sie klein war. Sie mag einundzwanzig Jahre alt sein, aber sie ist immer noch mein Baby.

„Betrug und Urkundenfälschung, was macht das zusammen …?“

„Oh, das passt schon“, brummt sie vor sich hin, ohne mich ausreden zu lassen. „Man muss mir keine Doktorarbeit in Biochemie andichten, nur kleinere Arbeiten. Und außerdem sind wir hier auf dem Land. Niemand kann überprüfen, was ich in Paris gemacht habe oder nicht.“

Wir überfliegen die Anzeigen und schlürfen unseren Kaffee. Lou verzieht das Gesicht, als sie bemerkt, dass die meisten Angebote Putzstellen sind. Das entspricht nicht ganz ihrer Vorstellung eines netten Nebenjobs.

„Ich könnte Kellnerin werden“, schlägt sie vor, „sieh’ mal!“

Wieder motiviert legt sie den Finger auf eine kleine Anzeige des Canard Gourmand in Montréal-du-Gers. Ich lese: „Typische Küche des Gers. Interesse an lokalen Produkten und Erfahrung in der Gastronomie erforderlich.“

Ich seufze.

„Tut mir leid, mein Liebes, aber das passt nicht zu dir. Was deine mangelnde Erfahrung angeht, können wir schummeln und dir eine Vergangenheit als Kellnerin in einem Pariser Café andichten; aber das Canard Gourmand ist nicht gerade ein veganes Etablissement oder eine Salatbar. Glaubst du, du kannst dich mit Confit de canard und Foie gras anfreunden?“

Sie verzieht das Gesicht. Quinoa ist eher ihr Horizont. Wir suchen weiter.

„Pizzabote – du könntest mir dein E-Bike leihen.“

„Keine Frage, du lieferst Pizza den Winter über auf kleinen, verschneiten Straßen aus …“

Sie kichert. Die Dezembersonne bescheint die Weinberge und das Außenthermometer zeigt angenehme 15 Grad. Es bleibt dabei, dass die Straßen der Gascogne nicht für Fahrräder gemacht sind. Sie verlaufen zumeist schmal und kurvig, nicht die Spur von einem Radweg. Trotz ihres spöttischen Kicherns ist sie gerührt von meinen gluckenhaften Sorgen und gibt mir einen schmatzenden Kuss auf die Wange, bevor sie sich wieder in die Anzeigen vertieft.

„Und das hier?“, ruft sie triumphierend.

„Ah, das könnte klappen!“

Entzückt betrachten wir die Annonce von Paradis Gersois, einer Immobilienagentur in Montréal-du-Gers, die vom wachsenden Interesse an alten Gemäuern auf dem Land durch sich verbreitendes Homeoffice profitiert.

„Sie verlangen keine besonderen Qualifikationen, außer Fremdsprachen.“

„Du sprichst drei Sprachen fließend!“

Ich atme tief ein. Sie hat Kompetenzen und ich bin ein wenig daran schuld. Sie ist zweisprachig aufgewachsen, Französisch-Deutsch, ihr perfektes Englisch und Chinesisch als dritte Fremdsprache werden ihr den Weg ebnen.

„Es gibt nicht wenige Briten, Deutsche und Holländer, die hier kaufen, oder?“

„Seit dem Ukrainekonflikt sind die Russen sicher nicht mehr willkommen und durch den Brexit sind es weniger Engländer, aber es gibt genug andere Ausländer.“

„Dennoch, Brexit hin oder her – es waren Engländer, die die Bude deiner Giftmischerin gekauft haben“, korrigiert mich Lou.

Sie hat recht. Das Haus von Jeanne und David wurde sehr schnell an eine wahnsinnig elegante Engländerin verkauft, die dort mit ihren drei Neffen eingezogen ist.

„Das ist nicht meine Giftmischerin!“, beschwere ich mich.

„Ja, letztendlich die Giftmischerin des ganzen Dorfes. Was für eine Geschichte, trotz allem. Wenn ich daran denke, wie du das Rätsel gelöst hast, während die Gendarmerie im Nebel gestochert hat, einfach verrückt. Kaum hast du der Hauptstadt den Rücken gekehrt, spielst du Agatha Raisin in der Provinz.

Ich fühle mich eher an Miss Marple erinnert, aber das scheint eine Generationenfrage zu sein. Ich mäßige jedoch den Enthusiasmus meiner Ältesten.

„Ja, aber Agatha reiht einen Toten an den anderen. Ich hoffe sehr, dass Jeannes Leiche meine erste und letzte war in meiner Karriere als Ermittlerin.“

Lou zuckt mit den Schultern.

„Kein Risiko in diesem gottverlassenen Kaff.“

Ein wenig kränkt mich ihre Bemerkung. Bourguet ist vielleicht ein gottverlassenes Kaff, aber es ist momentan mein gottverdammtes Zuhause und ich fühle mich im Namen aller Bewohner beleidigt. Flugs hole ich sie auf den Boden der Tatsachen zurück: ihre Arbeitssuche.

„Du hast ein wenig Recht studiert, vier Semester. Das ist vorteilhaft im Immobiliengewerbe.“

„Ich hatte nie Vorlesungen in Grundstücksrecht“, erinnert mich Lou.

„Das müssen sie nicht erfahren. Du machst eine Pause, um herauszufinden, wo deine Interessen liegen. Du würdest gerne erste Erfahrungen im Bereich Immobilienrecht sammeln. Du bist flexibel, du bist …“

„Das ist prima“, unterbricht sie mich lachend. „Ist echt nicht notwendig, dass du mir das vorsagst, Mama, sprechen kann ich.“

 

 

2 - Body Positivity

„Bis heute Abend!“

Ich habe kaum Zeit, eine Antwort zu murmeln, als bereits die Türe hinter Lou ins Schloss fällt und Filou verdutzt im Flur zurückbleibt. Unsere Erwerbstätige hat weder Zeit für eine letzte Zärtlichkeit noch für einen Abschiedskuss.

Ich lehne mich aus dem offenen Küchenfenster und sehe, wie sie sich auf unser neues E-Bike schwingt. Das erste dieser Art war nicht mehr zu retten, nachdem es bei einer Begegnung mit dem Traktor von Lucien in seine Einzelteile zerfallen war. Ich sage „unser“, könnte aber auch gleich „ihr“ Fahrrad sagen. Ich muss erwähnen, dass Lou als waschechte Pariserin nie einen Sinn darin gesehen hat, ihren Führerschein zu machen. Sie ist also ganz glücklich, wenn sie in die Pedale tritt. Seit ihrer Anstellung als Assistentin bei Paradis Gersois nimmt sie das Rad in Beschlag und hat es Vif argent – lebendiges Silber – getauft, wegen seines verchromten Lenkers, der ein bisschen altmodisch ist. Vintage, wie sie die Kreuzung von Hollandrad meiner Großmutter und hochmodernem Motor nennt. Dank dieses unglaublichen Gefährts, das sie nie vergisst, abends an die Steckdose zu hängen, und des freundlichen Wetters, das ich dem milden Klima des Südens und nicht dem voranschreitenden Klimawandel zuschreibe, wird sie fast pünktlich in ihre zweite Woche in der Immobilienagentur starten. Diese besitzt die Güte, nicht vor zehn Uhr morgens ihre Pforten zu öffnen. Zu meiner großen Genugtuung setzt sie einen Helm auf ihr langes braunes Haar. Ich bestehe darauf! Mein Unfall hat mich anspruchsvoller als zuvor werden lassen, was Sicherheitsvorkehrungen angeht.

Filou krallt sich an meine rosafarbene Schlafanzughose und klettert auf das Fenstersims, gerade rechtzeitig, um Lou am Ende der Straße entschwinden zu sehen. Die Katze miaut missbilligend und stupst meinen Arm mit ihrem kleinen schwarzen Kopf an. In Abwesenheit ihres Lieblingsmenschen gibt sie sich mit mir zufrieden. Komm’ streichle mich. Ich sollte gekränkt sein, dass sie nur mit mir schmusen will, wenn Lou nicht zur Verfügung steht. Aber nein, ich schmelze dahin, zufrieden, die Brosamen ihrer Zuneigung aufzusammeln. Ich streichle sie mit einer Hand und halte in der anderen meine Tasse Kaffee, die langsam abkühlt. Wir bleiben zuhause, während die Erstgeborene auf der Landstraße in die Pedale tritt. Auch wenn sie sich ihrer Aussage nach hauptsächlich um die Kaffeemaschine und den Kopierer kümmert und gleichzeitig gegen die Papierverschwendung wettert, scheint sie ihr neues Leben zu genießen – zu meiner großen Erleichterung!

Wenn sie am späten Nachmittag nach Hause kommt, ist Party angesagt. Filou zeigt ihr voller Stolz die Beute des Tages, während ich mich an ihren Erzählungen und Anekdoten erfreue. Sie machen meinen Alltag unterhaltsamer, lassen einen frischen Wind in mein oft in mich gekehrtes, der geistigen Arbeit gewidmetes Wesen. Insbesondere ihr Chef, der etwas zu sehr parfümierte Ambroise Delarue, Inhaber des Paradis Gersois, animiert zu Gesprächen beim gemeinsamen Abendessen, auf das ich mich täglich freue. Weit weg vom hektischen Treiben unseres Pariser Lebens haben wir jetzt Zeit, uns gemeinsam an den Tisch zu setzen und zu reden, bevor wir den Abend im Wohnzimmer ausklingen lassen. Jede zwar in ihre Lektüre versunken, aber doch gemeinsam, schenken wir nur Filous Kunststückchen und dem Knistern des Kaminfeuers Beachtung. Ich genieße jede Minute dieser wiedererlangten Zweisamkeit mit meiner Tochter.

Wenn man dem Bild, das sie von ihm zeichnet, glauben schenken kann, ist Ambroise in den Dreißigern und trägt ausschließlich tadellose dreiteilige Anzüge wie in der Serie Peaky Blinders. So gekleidet wirkt er wie eine Romanfigur aus vergangener Zeit.

„Er hat ständig ein freundliches Lächeln auf den Lippen, zeigt dabei aber auch seine Zähne“, erklärt sie, nachdem er sie eingestellt hat. „Er ist von Ehrgeiz zerfressen, würde Papa sagen.“

Ich lausche interessiert ihrem Bericht, sodass ich den Bezug zu Romain überhöre. Mein Ex-Mann liebt es, Kollegen zu kritisieren, die in seinen Augen zu ambitioniert sind. Ich aber hoffe, Ambroise  eines Tages leibhaftig zu begegnen. Es scheint, als ob er davon träumt, in der Gascogne ein Immobilienimperium aufzubauen. Dennoch ist er trotz seines Machthungers in Bezug auf die Erstgeborene charmant und hat sie noch am Tag ihres Vorstellungsgesprächs eingestellt. Zu charmant? Ein kurzer Schauer durchfährt mich bei dem Gedanken daran, wie er meine Kleine zwischen Kopierer und Kaffeemaschine zwingt … Aber ich beruhige mich rasch wieder. Lou ist kein naives Kind und sicherlich nicht der Typ Frau, der sich vom Chef becircen lässt. Ich habe eine Feministin großgezogen, die in der Lage wäre, jedem ungehobelten Kerl eine heftige Ohrfeige zu geben, falls er sich ungebührlich näherte. Aber lassen wir ihm den Vertrauensvorschuss eines Thommy Shelby vom Lande. Letztendlich ist er vielleicht  nur ein smarter Typ und scheint mit Lous Sprachkenntnissen sehr zufrieden zu sein, denn der Großteil der potentiellen Kundschaft seiner Agentur sind Ausländer.

Ich hoffe inständig, dass es so weitergeht. Vielleicht ist meine Tochter einfach nicht fürs Studium gemacht, und auch wenn ich insgeheim davon träume, sie nächsten September wieder im Hörsaal sitzen zu sehen, werde ich ihr die Entscheidung nicht abnehmen. Es ist ihr Leben und nicht meines, auch wenn ich das gelegentlich vergesse. Während ich über meine Zerrissenheit als Übermutter nachdenke, die entschlossen ist, sich zu bessern, beiße ich in eine große Scheibe Brot mit Armagnac-Pflaumenmarmelade. Ganz ohne Angst! Ich lasse mir meine Frühstücksfreuden nicht von der Erinnerung an ein bisschen Zyanid verderben, zumal Judith höchstselbst letzten Sommer diese kleine Köstlichkeit in ihrer Küche hergestellt hat. Und wo wir gerade dabei sind: Ich habe heute Morgen noch ein kleines Treffen mit meiner Freundin und Nachbarin und es wird höchste Zeit, dass ich mich anziehe.

 

Nach dem Frühstück mache ich mich daran, in meinem Schrank etwas Passendes zu finden. Die aussortierten Sachen liegen hinter mir auf dem Boden. In Unterwäsche und Strümpfen verfluche ich alle meine Hosen, die unter dem Einfluss eines grausamen Zaubers, den ich weigere, näher auszuführen, zu eng geworden sind. Am Ende entscheide ich mich für ein schwarzes Latzkleid, das den doppelten Vorteil hat, dass es mich atmen lässt und meine überflüssigen Pfunde verbirgt, die ich nicht länger ignorieren kann. Verdrossen stoße ich einen langen Seufzer aus, als ich mich in dem vergoldeten Spiegel betrachte, den ich beim Stöbern auf einem Flohmarkt in Eauze fand. In letzter Zeit genügt es, wenn ich einen Kuchen nur anschaue – prompt findet er sich auf meinen Hüften wieder. Nun, seien wir ehrlich, in den meisten Fällen bleibt es nicht beim Anschauen. Ist es meine Schuld, dass ich den guten Dingen des Lebens zugeneigt bin? Ich lebe hier im Land der Kochkunst und des Weins. Es wäre eine Schande, dies nicht zu ehren. Ach, mein deutscher Körper ist für diese Diät nicht geschaffen! Ich bin ein Opfer der Umstände. Während ich vor dem Spiegel lamentiere, beobachtet mich Filou, ihr kleines Köpfchen zur Seite geneigt. Sie lugt aus dem Kleiderberg hervor, der sie fast begräbt. Mit fünf Monaten und 2,5 Kilo Körpergewicht ist mein kleines Kätzchen noch nicht ganz der Kindheit entwachsen, nähert sich jedoch ihrer Erwachsenenstatur. Immer in Bewegung, ist sie mit ihrem seidigen Fell und ihrem zarten und geschmeidigen Körperbau meilenweit von meinen Gewichtsproblemen entfernt. Plötzlich muss sie niesen und ich könnte schwören, sie macht sich über mich lustig. Angestrengt ziehe ich ebenso eitel wie aussichtslos meinen Bauch ein und höre auf der Stelle Lous Stimme in meinem Kopf. Sie erzählt mir die schöne Mär von Body Positivity:

Mama, hör’ auf, dich zu beklagen! Du bist sehr hübsch, es ist die Gesellschaft, die deine Komplexe verursacht. Du liebst gutes Essen? Dann iss und akzeptiere deine Pfunde. Dein Körper erzählt eine Geschichte, die Geschichte deines Lebens, deines Geschmacks, deines Stils. Sei stolz auf jedes Gramm!

Ich seufze noch mehr. Es ist ein schönes Märchen und eine gute Entschuldigung, meine Schlemmerei zu rechtfertigen und jede sportliche Betätigung zu meiden. Und natürlich eine Lebenseinstellung, die man sich, wenn man jung und schlank wie meine Tochter ist, auf die Fahnen schreiben kann und nicht in meinem Alter, mit schlechtem Gewissen, Schwimmring und Winkearmen.

Ein zweites Niesen von Filou bringt mich zurück in die Realität. Ihre kleinen Augen mit dem durchdringenden Blick sagen etwas ganz Anderes. Es scheint, als ob sie mir unbarmherzig einen Spiegel vorhalten will:

Wir sind uns einig, es sieht unmöglich aus. Aber es spielt keine Rolle. Der Star hier bin ich: die Katze! Um es gleich vorwegzunehmen, unsere Besucher haben nur Augen für mich. Niemand kümmert es, ob du hübsch bist, oder nicht. Du hast keinen Ehemann mehr und Piotr wolltest du auch nicht. Also hör’ auf, dich selbst zu bemitleiden. Mach’ eine Diät oder freunde dich mit dem Gedanken an, dass deine Kleider wie Kartoffelsäcke aussehen. Punkt. Aus.

Ich gebe zu, das habe ich mir ausgedacht. Filou ist vielleicht nicht so grausam wie die Worte, die ihr meine Vorstellungskraft verleihen. Obwohl, wenn sie sprechen könnte, wäre es das, was sie mir sagen würde, denke ich. Es gibt tatsächlich niemanden außer mir, der sich wirklich um mein Aussehen Gedanken macht. Romain hat mir die Scheidungsunterlagen zur Unterschrift zugeschickt und zieht ein gemeinsames Weihnachtsfest nicht einmal in Betracht. Was Piotr betrifft, habe ich ihn seit unserem letzten missglückten Treffen in meinem Garten nicht mehr gesehen. Ich denke nicht, dass er immer noch hofft, von mir zu hören und bezweifle, dass er sich darüber freuen würde. Kurz gesagt, meine Herzensangelegenheiten liegen auf Eis, und das ist gut so. Filou hat recht, meine Speckröllchen interessieren niemanden. Zeit, sich zusammenzureißen. Ich werfe meine Strümpfe auf den Stapel mit den Hosen auf dem Schlafzimmerfußboden und hole eine Strumpfhose aus der obersten Schublade der Kommode. Ich entscheide mich für das Kleid und Body Positivity. Ich beschließe, jede Diät oder sportliche Betätigung auf Januar zu verschieben. Während der Weihnachtszeit werde ich mich nicht zurückhalten!

3 - Plätzchen

„Und ihr feiert das jeden Sonntag?“

Judith reicht mir den Zimt und ich gebe eine gute Prise davon auf meinen Mürbeteig. Unser süßes, buntes Gebäck erfüllt die Küche meiner Nachbarin mitWohlgeruch. Die Metallkisten und Einmachgläser füllen sich langsam mit Keksen, die nach Lebkuchenaroma, Vanille, Kokosnuss, Mandeln, Zitrusfrüchten und vielem mehr duften. Ich freue mich, dass sie angeboten hat, mir zu helfen, zumal sie eine viel bessere Bäckerin ist als ich. Zudem kann ich momentan nicht wirklich auf Coco zählen. Meine beste Freundin ist immer mit Lucien beschäftigt, wenn ich versuche sie zu erreichen. Natürlich bin ich froh, sie glücklich zu wissen, aber ich bin auch ein wenig enttäuscht, dass sie sich so mit Leib und Seele dieser neuen Geschichte widmet, zum Nachteil unserer Freundschaft. Aber gut, Lou ist wieder in mein Leben getreten, und Judith ist sehr flexibel unter der Woche, da ihr Mathieu nur am Wochenende nach Hause kommt. Und letztere ist begeistert, mir zur Hand zu gehen und gleichzeitig meine Rezepte für Plätzchen zu notieren, das in Frankreich unbekannte Weihnachtsgebäck, um das die Deutschen einen wahren Kult betreiben. Ein wenig Mehl bestäubt ihre Nasenspitze und lässt sie hinreißender denn je aussehen.

„Es ist nicht wirklich ein Fest, aber wir zünden an jedem der vier Adventssonntage eine neue Kerze an. Und der vierte ist am nächsten Sonntag, den 18. Dezember. Daher meine Idee, eine kleine Feier zu veranstalten für alle Menschen, die mich hier in Bourguet so freundlich aufgenommen haben.“

„Das ist eine schöne Tradition. Ich mag den Weihnachtsmarkt in Eauze, aber er dauert nur einen Tag.“

Ich zucke mit den Schultern. Seit einigen Jahren gibt es überall in Frankreich Weihnachtsmärkte, aber als gute Deutsche, die aus dem Schwarzwald stammt, kann ich sie wirklich nicht mit denen aus meiner Heimat oder dem benachbarten Elsass vergleichen, die echte Tradition haben.

„Das mit den Kerzen kam Anfang des 19. Jahrhunderts auf, glaube ich. Es war ein Pfarrer, der den ersten Adventskranz erfand. Er leitete ein Waisenhaus und hatte nicht viele Mittel, um die Kinder zu beschäftigen. So kam er auf die Idee, vier große weiße Kerzen für die Sonntage auf ein großes Wagenrad zu stellen und kleine rote für die anderen Tage. Und jeden Tag zündete er eine neue Kerze an. So konnten die Kinder sehen, wie viele Tage sie noch bis Weihnachten ausharren mussten.“

„War das in deiner Region?“

„Nein, ich glaube, das Waisenhaus war in Hamburg. Aber dann wurde sie wie alle Ideen, die funktionieren, von den Kirchen aufgegriffen und in ganz Deutschland verbreitet.“

Judith rümpft ihre gepuderte Nase. Sie ist immer wieder erstaunt über meinen unmissverständlichen Antiklerikalismus, fast irritiert sogar, als bemächtigte ich mich als Deutsche eines französischen Monopols: des militanten Atheismus. Sie selbst ist nicht gläubig, aber wie die meisten Leute ist sie der Meinung, Weihnachten ist eine Ausnahme, die es zu feiern gilt.

„Jedenfalls war es eine tolle Idee“, schwärmt sie, „Genau wie deine Adventskalender. Die Kinder lieben sie. Sie stehen täglich auf, ohne zu murren, um die Säckchen zu öffnen. Glaube mir, es ist wie ein Wunder!“

Ich überlege kurz. Heute ist Montag, der 12. Dezember.

„Haben sie die Löwenfamilie gefunden?“

„Ja! Ihr Tiergehege wächst von Tag zu Tag.“

 

Statt Süßigkeiten habe ich Spielzeugtiere in jedes kleine Täschchen gepackt. Ein bisschen wie die Arche Noah. Und offensichtlich habe ich ins Schwarze getroffen. Es ist entschieden einfacher, kleine Kinder glücklich zu machen als junge Erwachsene. Dieser Gedanke lässt mich traurig seufzen. Junior hat mich wissen lassen, dass er Weihnachten nicht kommt. Für Zusteller und Fahrradkuriere ist Hochsaison, und er will mit diesem Job sein Bankkonto auffüllen. Jetzt, wo Covid so gut wie hinter uns liegt, spart er für eine Fahrradtour durch Europa. Aber, er hat es versprochen, er wird seine Reise in Bourguet starten, nächsten Sommer.

Judith ist damit beschäftigt, ein dampfendes Backblech Vanillekipferl aus dem Backofen zu holen und bemerkt mein kleines Tief nicht. Ich lenke mich ab und esse geschwind einen Stern mit Zitronenglasur, dem ein Zacken fehlt. Nicht perfekt genug für meine Gäste, aber gerade richtig, um mich aufzuheitern und meinen Gaumen zu erfreuen. Eine gute Dosis Zucker in meinen Arterien, das hat immer eine beruhigende Wirkung auf mich!

Während sie die Halbmonde mit Puderzucker bestreut, wechselt Judith das Thema. Sie hat meine Tochter schnell ins Herz geschlossen und macht sich Gedanken über ihre neue Beschäftigung.

„Dann erzähl‘ mal, wie es Lou mit Ambroise Delarue geht? Hast Du immer noch den Eindruck, dass er ein bisschen zu sehr an ihr klebt?“

„Nein, nein, da war ich wohl ein bisschen zu vorschnell mit meinem Urteil. Lou macht den Eindruck, als würde es ihr dort gefallen. Diese Woche muss sie ihn zu seinen Besichtigungsterminen begleiten und fungiert als Übersetzerin.“

„Ü … ber … setz … erin?“, stottert Judith und hüpft hin und her.

Die Naschkatze hat sich die Zunge verbrannt, weil sie einen noch zu heißen Keks probiert hat. Ich reiche ihr ein Glas Wasser, das sie trinkt, während ich erkläre:

„Ja, ihre Kunden sind oft Ausländer, und Ambroise scheint nicht besonders begabt, was Fremdsprachen angeht. Während Lou mehrere beherrscht. Deutsch natürlich, aber auch Englisch und Chinesisch.“

„Chinesisch! Ich hoffe, es lassen sich nicht allzu viele pensionierte Kommunisten bei uns in der Gegend nieder. Ich habe gehört, dass reiche Asiaten französische Denkmäler Stein für Stein abbauen, um sie bei sich eins zu eins wieder aufzubauen!“

Ich bin mir nicht sicher, ob diese Geschichte stimmt, in welcher Ecke Frankreichs auch immer man Schlösser abbauen kann und ob es sich überhaupt um Asiaten handelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass reiche Chinesen sich auf alte Bauernhäuser in der Gascogne stürzen.

„Ich glaube, unter den Käufern sind vor allem Holländer. Aber du kannst sie am Sonntag fragen, ob sie Bekanntschaft mit asiatischen Milliardären gemacht hat.“

„Apropos Sonntag, hast du viele Leute eingeladen?“

„Wer will, kommt. Wir machen das im Garten, mit Glühwein für alle und Decken für die Kälteempfindlichen.“

„Ich kümmere mich um den Früchtepunsch für die Kinder. Aber halte ein paar Gläschen Glühwein für mich vor. Mit den Gewürzen, die du mir gezeigt hast, wird er bestimmt köstlich! Und du solltest besser groß planen, die Lescaret-Schwestern sind standfeste Trinkerinnen.“

„Ich hoffe, die Engländer kommen, damit wir endlich Bekanntschaft machen können. Sie leben sehr zurückgezogen seit ihrer Ankunft.“

„Ich habe Grace einmal auf dem Markt getroffen. Sie ist höflich, aber distanziert, sehr britisch, ein wenig Downton Abbey, wenn du weißt, was ich meine. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob sie und ihre Neffen deiner Einladung folgen werden.“

„Ich bin ihr auch einmal begegnet. Sehr chic, aber wie du sagst, distanziert, so etwa in der Art ‚Ich gebe mich nicht mit dem Pöbel ab’. Ich mache mir keine Illusionen, wir werden sehen. Ich lade ein und die Leute kommen oder nicht, das ist ihre Entscheidung. Darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Hauptsache, du bist dabei und Coco auch. Ah, und Lou hat ihren neuen Chef eingeladen. Vielleicht erleben wir den Dandy mal persönlich?“

Judith lacht und wird dann plötzlich wieder ernst.

„Hast du Piotr auch eingeladen?“

„Du kannst dir wahrscheinlich denken, dass ich lange gezögert habe, aber schlussendlich habe ich eine Einladung für die ganze Familie ausgesprochen. Ich denke, Filip wird kommen, wenn er in Montréal ist. Aber was Piotr angeht, weiß ich es nicht.“

Wir lassen es auf uns zukommen und bis dahin … nimm das!“

Entschlossen, mich zum Lachen zu bringen, wirft sie etwas Puderzucker in meine Richtung und trifft meine Schürze. Gespielt wütend, aber in Wahrheit amüsiert hole ich zum Gegenschlag aus mit einer Handvoll Mehl. Der Kampf kann beginnen!

Bald legen wir unsere Waffen nieder. Mit gebleichtem Haar und einem vergnügten Lachen auf den Lippen plumpsen wir auf Judiths Sofa. Zeit für eine Pause und einen Tee für die Kriegerinnen der Plätzchenschlacht.

 

 

4 - Ängste

Schluss, Ende! Erleichtert klappe ich meinen Laptop zu. Ich bin nicht unglücklich, die Korrektur dieses Thrillers abgeschlossen zu haben. Ich hatte genug von der Serie abscheulicher Morde, begangen von einem grässlichen Psychopathen. Ich bin überzeugt davon, dass der Autor zu viele düstere Serien schaut! Auf jeden Fall besitzt er unbestreitbar das Talent, seine Leser in Unbehagen zu versetzen. Ich frage mich manchmal, ob solche Autoren nicht selbst eine Persönlichkeitsstörung haben und den Akt des Tötens im echten Leben durch das Schreiben darüber ersetzen, um ihre verdrehten Fantasien auszuleben. Kurz gesagt, über Geschmack lässt sich streiten, aber ohne zartbesaitet zu sein – ich bin einfach kein Fan blutrünstiger und düsterer Schauergeschichten. Ich werde den Verlag bitten, mir ein paar heiterere Stories zu schicken, die mich nachts schlafen lassen.

Desinteressiert an meinen literarischen Ängsten schläft Filou friedlich auf meinem Schreibtisch. Beim Anblick des kleinen Körpers, der sich im Rhythmus der Atemzüge hebt und senkt, überwältigt mich eine plötzliche Welle der Zärtlichkeit. Ich nehme sie in die Arme, um sie zu streicheln. Grimmig darüber, von ihrer Herrin geweckt und als Therapiekatze missbraucht zu werden, flieht sie in die obere Etage, nicht ohne ihren Unmut kundzutun. Mademoiselle liebt Streicheleinheiten und fordert sie regelmäßig ein, aber nur dann, wenn es ihr genehm ist. Der Mensch hat da rein gar nichts zu bestimmen. Normalerweise respektiere ich ihren Rhythmus, aber jetzt brauche ich es wirklich, das kleine Fellknäuel an mich zu drücken.

Draußen ist es Nacht. Pechschwarze Nacht. Natürlich verschwindet die Sonne im Dezember bereits am späten Nachmittag im Westen, aber ich merke jetzt erst, wie spät es ist.

---ENDE DER LESEPROBE---