Schrei, wenn du leben willst! - Bettina Rodowski - E-Book

Schrei, wenn du leben willst! E-Book

Bettina Rodowski

0,0

Beschreibung

Milli ist ein kleines Mädchen, das in einer Sintifamilie aufwächst und bald feststellen muss, hier ist vieles anders ist als bei anderen Familien. Sie lernt schnell, wer das Sagen hat und wie sie sich verhalten muss, um sich und ihre Geschwister zu beschützen. Aber es geht nicht nur ihr so, denn selbst die Blutsverwandten müssen den vorgegebenen Regeln folgen und haben nicht die Möglichkeit, dem Psychoterror und den Gewaltattacken zu entkommen. Die Entscheidungen des Familienoberhaupts kommen einer richterlichen Entscheidung gleich und sind zu befolgen. Dadurch entsteht eine Mauer des Schweigens, aufgebaut über Generationen. Diese Mauer sorgt dafür, dass nichts nach außen dringt, denn es gilt, die Ehre und den Namen der Familie nicht zu beschmutzen. Dabei spielt es keine Rolle, um welche Art von Vergehen es sich handelt. Auch dann nicht, wenn die Mädchen und Frauen der eigenen Familie die Opfer sind. Das Erschütternde an diesem Roman ist die Tatsache, dass es sich um eine wahre Geschichte – eine Autobiografie – handelt. Denn Milli ist die Autorin selbst, die über ihre Kindheit, ihre Jugend und ihr junges Erwachsenenleben berichtet und darüber, wie sie versucht hat, diese Mauer des Schweigens zu durchbrechen, um endlich ihr ungewolltes Schicksal hinter sich lassen zu können. Ein Buch, das beim Lesen unter die Haut geht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 336

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bettina Rodowski

Schrei, wenn du leben willst!

Autobiographischer Roman

In Liebe und Erinnerung an meinen früh verstorbenen Onkel, Andreas. Er hoffte, mit seinem Tod die Mitwisser wach zu rütteln.

Danksagung

Meine tiefste Dankbarkeit gilt meinem Mann, Kay Rodowski. Er glaubte fest an mich, unterstütze mich in der gesamten Zeit und stand mir bei jeder Zeile dieses Buches zur Seite. Ohne ihn wäre es mir nicht gelungen, meine Geschichte öffentlich zu machen. Danke, mein Lieblingsmensch, dass es dich für mich gibt.

Meine kostbaren Freunde Rebecca Baumert und ihr Lebenspartner Niels Schlage, die mich liebevoll unterstützt, inspirierten und motivierten haben, nicht aufzugeben. Sie beide zeigten mir neue Sichtweisen auf die Menschen meiner Vergangenheit und lehrten mich, die Dinge aus der Vogelperspektive zu betrachten, um das Geschehene als Außenstehende besser zu Papier bringen zu können. Ich danke Euch beiden aus tiefstem Herzen. Danke, meine Gleichklangseelchen, dass ihr in mein Leben getreten seid.

Einen großen Dank an dieser Stelle auch an Mark Bold, selbst erfahrener Autor und Lektor beim Cartagena Verlag. Mit viel Mühe, Arbeit und einer Engelsgeduld half er mir nicht nur durch das gesamte Manuskript, er kümmerte sich zudem mit Herzblut um den Satz, das Cover und die vollständige Abwicklung bis zur Veröffentlichung. Danke Mark für deine offenen Ohren, deinen kritischen Blick und deine unermüdliche Ruhe, wenn ich dir in unseren Telefonaten ein Ohr abgekaut habe. Lieben Dank, dass auch du in mein Leben getreten bist.

Bettina Rodowski

Hinweis:

Da es sich um eine wahre Begebenheit handelt, wurden die Namen aus rechtlichen Gründen geändert.

Vorwort

Bevor ich dir meine Geschichte erzähle, musst du wissen, dass ich als deutsches Mädchen in eine Sintifamilie geboren wurde. Ich würde gern beim "Du" bleiben, weil es mir leichter fällt, Dir nahe zu legen, was ich erlebt habe, wie ich mich gefühlt habe, und wie ich heute damit umgehe. Damit bist Du, hoffe ich, einverstanden.

Vorab möchte ich Dir ein wenig Hintergrundwissen über die Sitten, Gebräuche, Sprache und Gesetze der Sinti vermitteln, damit Du später in der Geschichte nachvollziehen kannst, warum sich die Menschen um mich herum so verhalten haben und es auch heute noch tun.

Niemand kann sich aussuchen, in welche Familie er hineingeboren wird. Bevor ich geboren wurde, heiratete meine Oma deutscher Herkunft einen Sinto, meinen Opa Sagi. Meinen deutschen Großvater lernte ich nie kennen. Von meiner Verwandtschaft wusste ich nur, er hatte meine Oma wie Dreck behandelt und geschlagen.

Sowohl meine Oma wie auch mein Opa Sagi brachten in ihre Verbindung die Kinder aus ihren ersten Ehen mit. Als meine Oma sich auf diese Ehe einließ, tat sie das in dem Glauben, es würde ihr mit ihrem zweiten Mann besser ergehen. Was sie nicht wusste: bei den Sinti gibt es eigene Gesetze.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hatte jede Familie einen eigenen Rechtssprecher. Im Falle einer Nichteinigung galt sein Urteil, dem sich alle beugen mussten. So wurden beispielsweise Vergewaltiger oder Mörder aus dem Kreis der Familie verstoßen. Niemand durfte jemals wieder ein Wort mit dem Verstoßenen wechseln.

Innerhalb der Familien war es für Männer nicht üblich, der Ehefrau im Haushalt zu helfen. Frauen hatten sich um den Haushalt, die Kindererziehung und den Familienzusammen-halt zu kümmern. Zudem war es nicht erlaubt, dass Frauen Hosen trugen. Hosen zeigten zu viel von der Figur und den Rundungen des weiblichen Körpers.

Sinti stammen ursprünglich aus Indien. Die ersten Aufzeichnungen gibt es tatsächlich erst aus 600 n. Chr. Sie haben ihre eigene Kultur, ihre eigene Sprache und ihre eigenen Gebräuche. So gilt zum Beispiel Pferdefleisch ebenso als unrein wie der Beruf des Arztes oder der Krankenschwester. Über Romanes, wie die Sprache der Sinti genannt wird, gibt es keinerlei Aufzeichnungen, keine Lehrbücher oder Ähnliches. Die Sprache wird von Generation zu Generation weitergeben. So wachsen die Nachkommen zweisprachig auf. Es wird erwartet, dass sie ein klares und verständliches Deutsch sprechen, aber auch ihre Muttersprache beherrschen. Romanes wird nur innerhalb der Familie gesprochen. Heiraten Menschen einer anderen Kultur in diese Familien ein, wird diesen Romanes unter allen Umständen vorenthalten.

Sinti bringen ihren Kindern bei, die Landessprache nicht an Außenstehende weiterzugeben. Durch die vielen Jahre der Verfolgung und Ermordungen von Sinti und Roma gehörte es zu den fest verankerten Gebräuchen, in der Öffentlichkeit kein Romanes zu sprechen, denn es verriet ihre Herkunft. Wurden sie entdeckt, führte man sie sprichwörtlich zur Schlachtbank.

Unter dem Begriff Zigeuner, versteht man umgangs-sprachlich den ziehenden Gauner. Ein Umstand, der den Sinti nicht gerecht wird und als Schimpfwort gilt, genau wie Spagettifresser für Italiener oder Neger für Afrikaner.

Der Grund, warum Sinti über einen so langen Zeitraum umherzogen, lag darin, dass sie ein Land suchten, in dem es ihnen besser gehen würde als dort, wo sie herkamen. Auf ihrem Weg in Richtung Westeuropa machten sie in vielen Ländern und Städten halt. Doch egal wo sie campierten, es wurde ihnen untersagt, durch die Stadtmauern einzutreten. So mussten sie ihre Wagen und Zelte vor den Mauern platzieren und durften am gesellschaftlichen Leben nicht teilnehmen. Dies führte zur Armut dieser Völker. Sie galten als fahrende Händler, aber auch die Waren – Teppiche, Kessel oder andere Dinge – die sie fertigten, durften sie nicht anbieten. Viele waren auch Puppenspieler oder Artisten. Die damalige Gesellschaft prägte dieses Volk massiv. Um überhaupt überleben zu können, mussten sie oft stehlen. Sie wurden im Grunde zu etwas gemacht, was sie aus ihrer Kultur heraus nie gewesen sind – nämlich Zigeuner.

Nationalistisch verfolgt wurden Sinti bereits vor dem zweiten Weltkrieg. Ihre Sprache ist daher das stärkste Bindeglied zwischen den einzelnen Großfamilien. Nach dem Hitlerkrieg gab es nur noch wenige Alte, die die alten Gebräuche kannten und sie an ihre Nachkommen weitergeben konnten. Aus erlebter Angst der vergangenen Jahrhunderte hüten Sinti bis heute das Geheimnis ihrer Sprache. Nur wenige Begriffe, zum Beispiel: "Latscho diewes", was "Guten Tag" bedeutet oder "Babu", was für "Vater" steht, konnte über die Jahre übersetzt werden.

Sinti sind ein sehr gastfreundliches Volk. Trotz der schlimmen Erfahrungen durch Hetze, Verfolgung und Massenmord an ihrem Volk haben sie nie ihre Menschlichkeit verloren. Ist ein Sinto offen für eine Freund-schaft, dann hast Du einen Freund fürs Leben. Zudem geben sie, wenn sie geben, von ganzem Herzen – eine Ablehnung wird schnell als Beleidigung verstanden. Und obwohl sie zur damaligen Zeit selbst kaum genug zum Überleben hatten, gaben sie von diesem Bisschen auch an diejenigen ab, die nichts hatten.

Zum Schluss will ich Dich noch warnen. In diesem Buch ist nichts beschönigt. Ich beschreibe detailliert, was ich beobachtet und welche Erfahrungen ich gemacht habe, was ich viele Jahre über mich ergehen lassen musste, und das nur, weil niemand die Wahrheit sehen wollte. Aufgrund meiner damaligen Lebensumstände weiß ich, es erging nicht nur mir so. Auch "rein" geborene Frauen wurden mit sexuellen Übergriffen innerhalb ihrer Familien konfrontiert.

Meine Kindheit

Ohne Zuckerbrot mit Peitsche

Man sollte meinen, dass, nachdem sich Ricarda von Millis Vater Ranti zwangsläufig getrennt hatte, endlich Ruhe einkehren würde. Und obwohl es für Milli und ihre Geschwister besser war, dass sich ihre Stiefmutter Ricarda um sie kümmerte, wandte sie sich gleichzeitig von ihnen ab.

Mit traumatischen Erlebnissen geht jeder anders um. Ricarda hatte sich entschlossen, die vergangenen Jahre mit all ihren Geschehnissen allein zu verarbeiten. Vor allem Milli hätte psychologische Betreuung bitternötig gehabt, dennoch überließ ihre Stiefmutter sie sich selbst. In den 80er Jahren waren Besuche beim Psychologen nicht so weit verbreitet wie heutzutage. Es ist immer einfacher, die Dinge totzuschweigen, als sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Milli hatte keine Gelegenheit zu verarbeiten, was ihr die ganzen Jahre widerfahren war. Ricarda setzte alles daran, sie voll einzuspannen. So wurde Milli nachdem Auszug ihres Vaters aufgetragen, sich um den Haushalt zu kümmern. Während andere Kinder sich zum Spielen trafen, wischte sie den Küchenboden. Hausaufgaben konnte sie erst am Abend machen, weil sie nach der Schule ihre Schwester Senta einsammelte und auf dem Heimweg ihren Bruder Leif aus dem Kindergarten abholen musste. Ihre weiteren Aufgaben bestanden darin, das Essen vom Vortag aufzuwärmen, dafür zu sorgen, dass Leif später zu Oma kam, um am Nachmittag mit Senta in Ruhe Hausaufgaben machen zu können.

Hatte sie all diese Aufgaben erledigt, standen Abwaschen, Wäsche aufhängen, Einkaufen und weitere Arbeiten auf ihrem Zettel. Zum Kindsein war keine Zeit. Ricarda nutzte ihren Kneipenbetrieb, um sich rar zu machen. Millis Bedürfnisse als zehnjährige gingen dabei komplett unter. Um all dem zu entfliehen, startete Milli oft den Versuch, bei einer Freundin oder Ricardas Mutter übernachten zu dürfen. Das befürwortete ihre Stiefmutter nur selten.

Leif war noch zu klein, um das alles zu verstehen. Er war ein ausgeglichener kleiner Junge, der sich völlig normal entwickelte. Er lachte viel und war auch sonst ein bezaubernder Sonnenschein, dem man wegen nichts hätte böse sein können.

Senta hingegen wurde mit jedem Tag, an dem ihr Vater nicht anwesend war, schwieriger. Am schlimmsten war es dann, wenn sie von den Papawochenenden zurückkam. Es dauerte Tage, manchmal auch eine ganze Woche, bis sie sich einigermaßen gefangen hatte. Von der Babysitterin, Hille, ließ sich Senta gar nichts sagen. Und obwohl sie erst sechs Jahre alt war, wusste sie genau, was sie nicht wollte. Und das setzte sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, die man als Kind hat, durch. Sie beschimpfte Hille so lange, bis sie Ricarda aus der Kneipe holte und diese Senta ordentlich den Hintern versohlte. Dazu setzte sie nicht nur die flache Hand ein. Millis Stiefmutter neigte dazu, alle Gegenstände zu greifen, die ihrer Wut einen fetten Unterstrich gaben. Am häufigsten kam der Kochlöffel zum Einsatz. Und davon brachen einige in den kommenden Jahren durch. Sie prügelte sich manchmal so in Rage, dass sie vollkommen erschöpft war und selbst zu weinen begann. Denn im Grunde wusste sie tief im Inneren, dass die Prügel, der sie Senta unterzog, letztlich nur das Gegenteil bewirkten. Die Einsicht, dass sie oft überreagierte, stürzte Ricarda in eine Mitleidsphase, und sie hätte sich am liebsten sofort für ihr Handeln entschuldigt – und manchmal tat sie das auch einige Minuten später.

Sie liebte Leif und Senta, daran bestand nie ein Zweifel. Aber ihr eigener Schmerz, ihre Verzweiflung und nicht zu wissen, wie es weitergehen sollte, trieb sie immer wieder dazu, gewalttätig zu handeln. Das meiste bekam in den folgenden Jahren Senta ab.

Milli, als Älteste von den dreien, fing sich ebenfalls Ohrfeigen ein, und auch der Kochlöffel machte vor ihr nicht halt. Im Gegensatz zu Senta, die von den Prügeln inzwischen abgehärtet war, tobten in Milli heftige Stürme der Gefühle. Sie war einsam, hatte kaum Freunde und mit jedem neuen Tag, der anbrach, machte sich in ihr das ungute Gefühl breit, dass sie eine Art Neuzeit-Aschenputtel war. Genau das bewahrheitete sich schneller, als Milli lieb war.

Wie oft wünschte sich Milli eine einfache Umarmung. Einen kleinen Satz wie: "Milli, das hast du toll gemacht" oder "Vielen lieben Dank, dass du mich so unterstützt." Stattdessen rühmte sich Ricarda innerhalb der Familie mit Millis Fleiß und Gehorsam und ließ sich mit Komplimenten, wie gut sie Milli erzogen hätte, feiern. Am liebsten hätte sie losschreien wollen und jedem über den Mund fahren, der ihre Stiefmutter so in den Himmel lobte. Aber sie war gehorsam, und so schluckte sie die Wut herunter.

Ricarda hielt Milli so klein, dass diese ihr Selbstwert-gefühl vollkommen verlor, sich selbst nicht achtete und stets dafür sorgte, es allen anderen um sie herum recht zu machen. Irgendetwas in ihr sagte: "Du bist es nicht wert. Kümmere dich um die anderen, denen geht es schlechter als dir." Und genauso handelte Milli auch. Sie fühlte sich schuldig. Schuldig dafür, was ihr Vater Ricarda angetan hatte. Immer wieder beteuerte ihre Stiefmutter, dass sie Ranti immer noch liebe, aber sein Alkoholkonsum es nicht zulasse, dass sie jemals wieder ein Paar würden. Milli konnte die tiefe Traurigkeit, die ihre Stiefmutter im Unterton hatte, klar und deutlich hören.

Jeder aus der Familie musste seinen Senf dazu geben. Statt den eigenen Müll vor der Tür wegzukehren, war es doch leichter, sich um die Angelegenheiten anderer zu kümmern. So mussten sie sich nicht mit sich selbst und ihren eigenen Problemen auseinandersetzen. Milli hörte kaum noch hin, wenn die Erwachsenen mal wieder kluge Ratschläge für Ricarda hatten. Sie spitzte nur dann die Ohren, wenn es um das nächste Wochenende bei ihrem Vater ging. Oft packte sie heimlich ihre Tasche, zählte ihre Ersparnisse und versteckte alles im Kleiderschrank. Sie dachte oft daran abzuhauen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Milli sich mitten in der Nacht aus dem Haus geschlichen und erst in den frühen Morgenstunden zurückgekehrt wäre. Wie weit würde sie kommen, bis ihre Stiefmutter bemerkte, dass sie sich aus dem Staub gemacht hatte? Milli war inzwischen 12 Jahre alt und arbeitete mehr als die Erwachsenen. Sie trug zwei Wochenblätter unter der Woche aus sowie die Wochen-endausgabe an den Samstagen. Sie schmiss den Haushalt, kümmerte sich um ihre Geschwister, und wenn jemand aus der Familie noch eine Aufgabe hatte, wurde sie kurzerhand eingebunden. Erbsen pullen und Bohnen schnippeln bei Ricardas Eltern, Rasen mähen zu Hause oder bei der Verwandtschaft. Als wenn das alles nicht schon genug wäre, spannte ihre Stiefmutter sie auch noch regelmäßig ein, die Kegelbahn und den Partyraum an den Wochenenden zu reinigen, die zum Kneipenbetrieb dazugehörten. Zeit für Millis eigene Freizeit blieb wenig. Als Belohnung gab es mal hier und da ein Fünf-Mark-Stück. Lob gab es nie. Eine Umarmung? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Eher war damit zu rechnen, dass Ricarda vor Wut, weil die Kinderzimmer nicht aufgeräumt waren, ihre Klamotten aus dem Schrank riss und Milli alles fein säuberlich wieder zusammenlegen musste. Waren Ricarda die T-Shirts nicht ordentlich genug, riss sie erneut alles aus dem Schrank und Milli begann von vorn.

Es kam vor, dass ihre Stiefmutter ihr beim Wäscheaufhängen die Klammern aus der Hand riss und schrie: "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du die Socken so aufhängen sollst. Kannst du denn überhaupt nichts richtigmachen?" Selbst wenn Milli die feuchte Wäsche vorher gebügelt und erst dann aufgehängt hätte, wäre es für Ricarda nicht gut genug gewesen. Sie ließ ihre Gehässigkeit in vollen Zügen an Milli aus. Und das fast täglich. An manchen Tagen explodierte sie in einem Bruchteil von Sekunden so, dass sie auf Milli einschlug, während sie schrie und pöbelte. Vorzugsweise schlug sie auf den Kopf oder den Rücken. Aber möglichst immer so, dass es keine blauen Flecken gab, die unter der Kleidung zum Vorschein kamen. Und sie hatte den besten Lehrer – Ranti! Auch Millis Schwester Senta bekam ihr Fett fast täglich weg.

Senta entwickelte sich zu einer richtig guten Geschichtenerzählerin und log, dass sich die Balken bogen. Es war fragwürdig, ob sie jemandem, dem sie ein fröhliches "Guten Morgen" entgegenwarf, nicht eher die Pest an den Hals wünschte. Kaum ein Wort entsprach der Wahrheit. Sie war in manchen Situationen so einfallsreich, dass man im Nachhinein schmunzeln musste. Dennoch fielen immer wieder alle auf ihre blühende Fantasie herein. Allein dafür schlug Ricarda sie windelweich. Senta hatte sich über die vergangenen Monate ein so dickes Fell angeeignet, dass sie ihre Mutter manchmal aufforderte, sie zu verhauen. "Hol doch den Kochlöffel", sagte sie. "Das kannst du doch am besten, immer gleich zuhauen, wenn du überfordert bist!" Diese Worte gab sie mit so einem scharfen Ton an Ricarda, dass diese entweder tief verletzt zusammensackte und weinte oder Senta so sehr verdrosch, dass der hölzerne Kochlöffel auf ihrem Hintern zerbrach. Nach dem dritten kaufte ihre Stiefmutter nur noch welche aus Plastik.

Senta war acht Jahre, als eine Situation vollkommen aus dem Ruder geriet. Hille, das Kindermädchen, hatte absichtlich Butter auf Sentas Käsetoast geschmiert, obwohl sie ganz genau wusste, Senta hasste den Geschmack von Butter und Margarine. Die beiden stritten, weil Senta sich weigerte, den Käsetoast aufzuessen. Sie schrie: "Friss dein Scheißbrot doch selber!" Sie griff nach der Käsescheibe und warf sie dem Kindermädchen an den Kopf. Wutentbrannt rannte Hille nach nebenan in die Kneipe. Mit Ricarda im Schlepptau war sie einige Minuten später zurück. Natürlich hatte Hille nicht erzählt, dass sie Senta heimlich Butter auf ihr Toast gestrichen hatte. Eine Kleinigkeit, die sie am Rande vergessen hatte zu erwähnen. Ricarda griff wortlos über den Küchentisch, zerrte Senta von der Bank und prügelte unerbittlich auf sie ein. Ihre Stiefmutter kam nicht mal auf den Gedanken nachzufragen, warum Senta wieder aus-gerastet war. Senta weinte und schrie: "Ich hasse Hille, weil sie dir immer nur die halbe Wahrheit erzählt!"

"Geh jetzt sofort ins Bad und wasch dich. Du gehst heute ohne Fernsehen ins Bett!", brüllte Ricarda zurück und mit diesen Worten verließ sie das Haus wieder.

Hille huschte ein wohliges Lächeln über die Lippen. Vermutlich hätte sie Senta selbst gern verhauen und ihre Unzufriedenheit an ihr ausgelassen.

Als das Kindermädchen Leif vor den Fernseher gesetzt und die Küche aufgeräumt hatte, ging sie ins Bad. Sie wollte sehen, ob Senta fertig war. Doch plötzlich kreischte sie hysterisch, Senta wolle sich umbringen und hätte sich Ohrentropfen in die Nase geträufelt.

'Als wenn man daran sterben würde', dachte Milli bei sich, hatte allerdings keinen Zweifel daran, dass ihre Schwester genau das vorhatte. Weil sie in ihrem Alter noch nicht wusste, dass diese falsche Medikation nicht zum Tod führte, bekam sie trotzdem Angst. Was sollte sie nur ohne Senta machen? Obwohl sie oft stritten, liebte Milli ihre kleine Schwester abgöttisch.

Noch in ihren panischen Gedanken versunken flog die Haustür auf. Ihre Stiefmutter hastete an ihr vorbei direkt ins Badezimmer. In ihrer Jeanstasche hatte sie einen Holz-kochlöffel aus der Kneipe stecken. Sie riss die Badtür auf, packte Senta und schüttelte sie. "Bist du total verrückt geworden?", schrie sie. "Willst du dich umbringen?" Noch in diesem Atemzug hievte sie Senta über ihren Schenkel und klatschte den Kochlöffel so lange auf ihren nackten Hintern, bis sich vier Striemen durch die Wucht der Schläge auf der Haut abzeichneten. Senta weinte so heftig, dass sie kaum noch Luft bekam. Milli wäre gern dazwischen gegangen, aber die Angst vor dem, was ihr selbst blühen könnte, überwältigte sie.

Eine weitere Situation drohte unkontrollierbar zu werden. Senta besuchte an einem Nachmittag ihre Großeltern, die nur einige Häuser weiter in derselben Straße wohnten. Auch ihre Tante Britt und Ricarda waren an diesem Nachmittag zum Kaffee dort. Senta erzählte ihrer Oma die schrägsten Fantasiegeschichten und fummelte in den Schränken herum, als Britt unerwartet ausflippte. Sie war gerade aus dem oberen Stockwerk zurück in die Küche gekommen und beschuldigte Senta, ihre Armbanduhr gestohlen zu haben. Senta bestritt den Vorwurf. Da sie aber so gut wie nie die Wahrheit sagte, glaubte ihr niemand. Britt fing an zu heulen. Schluchzend wies sie Senta daraufhin, dass es sich um ein Erbstück handele und sie die Uhr zurückhaben möchte. "Ich habe deine blöde Uhr nicht!", brüllte Senta aus Leibeskräften. "Vielleicht hast du sie selbst verlegt." Nach ewigem Hin und Her mischte sich Ricarda ein, die Millis kleine Schwester genau im Visier hatte. "Du lügst", bezichtigte sie Senta. "Fahr nach Hause! Du hast Stubenarrest. Ich komme sofort nach."

Senta wusste genau, was ihr blühte. Sie schwang sich auf ihr Rad und fuhr so schnell sie konnte nach Hause. Sie hoffte, vor Ricarda einzutreffen, damit sie sich in ihrem Zimmer einschließen konnte. Als sie die Auffahrt zu ihrem Haus in der Surhalf hochfuhr, feuerte sie ihr Fahrrad in die Ecke und schrie: "Milli, schnell, mach die Tür auf, Mutti will mich schon wieder verdreschen!"

Milli war gerade mit dem Wischen fertig und Senta schlitterte über den Boden im Flur zur Treppe. "Was hast du gemacht?", fragte Milli hastig, denn ihre Stiefmutter kam auch schon wie ein Berserker die Auffahrt raufgeschossen und sprang aus dem Auto. Aufgeregt, halb lachend, halb weinend, erwiderte Senta, "Britt behauptet, ich hätte ihre Armbanduhr gestohlen." Senta machte wirklich sehr viel Unsinn und das Lügen war ihr oft aus dem Ruder gelaufen, aber stehlen? Niemals! Was sollte sie auch mit dieser blöden Uhr?

Senta hatte die Treppe erreicht, kam aber nur bis zur vierten Stufe. Ricarda packte sie und riss sie runter. Sie brüllte so laut, dass man kein Wort verstehen konnte und schlug Senta immer wieder mit den Fäusten auf den Rücken oder mit der flachen Hand auf den Kopf. Milli griff nach ihrem Arm und rief: "Jetzt beruhig dich wieder, du schlägst sie noch tot!"

Weinend sackte ihre Stiefmutter zu Boden. " Was soll ich nur mit ihr machen? Jetzt beklaut sie auch noch die Leute", murmelte sie schniefend. Senta lag immer noch in Embryonalstellung auf dem Boden, aus Angst Ricarda könnte einen zweiten Anfall kriegen, als plötzlich die Haustür aufsprang. Britt stand in der Tür. "Ich habe die Uhr gefunden, sie war oben bei uns im Bad", sagte sie leise.

Ihre Stiefmutter bekam einen puderroten Kopf. Ihre Gesichtshaut spannte so sehr, dass Milli dachte, ihr Kopf würde jeden Moment platzen. Sie sprang auf, drehte sich zu Britt und faltete sie nach Strich und Faden zusammen. Was sie sich eigentlich einbildete, ihre Tochter des Diebstahls zu bezichtigen. Ob sie nicht vorher hätte gründlicher nachsehen können, wo ihre Scheißarmbanduhr ist. Sie schüttelte den Kopf und schickte die beiden Mädchen auf ihre Zimmer.

Solche Vorfälle gehörten zum typische Alltagswahnsinn in ihrer Familie.

Millis Versuch, die Bombe platzen zulassen

Der letzte Schultag vor den Winterferien war nicht sonder-lich spannend. Jeder erhielt eine Liste der Sachen, die für diverse Fächer anzuschaffen waren und die neuen Stundenpläne. Nicht zu vergessen, die Halbjahreszeugnisse wurden ausgehändigt.

Milli wusste, dass sie nicht besonders viel für die Schule getan hatte, aber mit solchen Noten hatte sie nicht gerechnet. Im Feld für Bemerkungen hatte der Direktor eingetragen, Milli mache in ihrem Umgangston zwischen Lehrern und Schülern keinen Unterschied. Außerdem schrieb er, da sie Klassensprecherin sei, solle sie allen mit gutem Beispiel vorangehen. 'Na toll', dachte Milli, 'der Applaus ist sicher.' Nur würde es keinen Beifall klatschen, sondern Ohrfeigen.

Sie versuchte Zeit zu schinden und ging mit einigen Klassenkameraden auf der Bahnstrecke von Boostedt nach Großenaspe zu Fuß. Mit dem Bus wäre sie eine halbe Stunde früher zu Hause gewesen. Aber immerhin – eine halbe Stunde länger, bis ihr die Mappe um die Ohren flog. Ihre Stiefmutter liebte Anlässe aus der Schule. So konnte sie der Unzufriedenheit über sich, ihrem Umfeld und über Milli ordentlich Luft machen. Doch diesmal erwartete Milli etwas ganz anderes. Sie trat durch die Haustür in den Flur und konnte Ricarda in der Küche stehen sehen. Sie wusch das Geschirr ab. "Schön, dass du da bist", trällerte sie. "Hilf mir doch bitte, dann kann ich dein Zeugnis gleich unterschreiben." Was Milli nicht wusste, ihr Cousin hatte seiner Mutter bereits vom Eintrag in ihrem Zeugnis berichtet und seine Mutter hatte sofort zum Hörer gegriffen, um Ricarda die gute Nachricht zu überbringen. Alle nannten sie große Ricarda, weil sie den gleichen Vornamen wie ihre Stiefmutter trug. Sie war die größte Petze, die man sich vorstellen konnte. Sie mischte sich überall ein, gab ihr Halbwissen weiter und verursachte mit ihrem Verhalten ständig Streitereien unter den Verwandten.

Milli schluckte. Während sie abtrocknete wurde ihr Kopf glühend rot und feine Schweißtropfen sammelten sich auf ihrer Haut. "Wo ist denn dein Zeugnis?", fragte ihre Stiefmutter, als sie bereits im Flur vor dem Schulranzen stand. Milli hätte sich am liebsten übergeben. Sie trottete in den Flur, zog das Zeugnis aus der Tasche und reichte es Ricarda. Sie hielt ihren Kopf gesenkt und ihre Hände in Alarmbereitschaft, um sich vor Schlägen schützen zu können. Aber nichts passierte. Dann hörte sie ihre Stief-mutter lächelnd sagen: "Ihr fahrt dieses Wochenende zu eurem Vater, endlich mal Zeit für mich. Dieses Mal kann dein Vater sich mit dir und deinem Zeugnis befassen!" Der Unterton ihrer Stimme verriet, ihr war offensichtlich klar, was Milli erwartete.

Milli wurde schlecht. Die feinen Haare auf ihrer Haut stellten sich auf. "Ich werde nicht dorthin fahren. Dann geh ich lieber zu Oma, wenn du unbedingt deine Ruhe haben willst." Sie hob den Kopf, um Ricardas Reaktion abzuwarten.

Die grinste immer noch. "Du wirst fahren, ob es dir nun passt oder nicht!"

"Ich bin zwölf! Ich darf selbst entscheiden, ob ich zu meinem Vater will oder nicht", schrie sie und ballte ihre Fäuste. Doch ihre Stiefmutter verzog keine Miene und ignorierte Millis Aussage.

Freitag Punkt 17:00 Uhr schellte die Klingel. Milli war auf ihrem Zimmer und machte gerade Hausaufgaben, als sie die Stimme von Ranti hörte. Schlagartig verkrampfte sich ihr Magen. 'So ein Mist, dass hatte ich ganz vergessen', dachte sie und zuckte zusammen, als Ricarda sie nach unten zitierte. Auf dem Flur kamen ihr Senta und Leif, die gerade zur Treppe stürmten, mit gepackten Taschen entgegen. Milli ließ sich Zeit und trottete hinterher. Unten angekommen stieß sie hervor: "Ich sagte doch, dass ich nicht mitfahre. Wir schreiben Montag einen Test und ich muss lernen."

Ihre Stiefmutter sah sie scharf an und ihre Gesichtszüge wirkten, als hätte sie Milli am liebsten geschüttelt. "Pack deine Sachen! Zügig jetzt!"

Ranti schien etwas neben der Spur. Er sah sie ungläubig an, als wüsste er nicht, warum sie sich weigerte, mit ihm zu fahren. Er war ausnahmsweise nüchtern. Eine Auflage des Jugendamtes. Ansonsten durfte er die drei nicht mitnehmen. Das hielt nur bis zur Ankunft bei ihren Großeltern. Sein erster Gang führte ihn stets in Richtung Keller, wo die Bierkisten gestapelt an der Wand standen.

Bei ihren Großeltern fand der typische Trubel statt. Oma stand in der Küche und bereitete das Abendessen vor. Opa Sagi saß wie üblich auf seinen Chefplatz am oberen Ende des Tisches. Sein Hund Waldi kläffte, was das Zeug hielt, denn er konnte niemanden leiden außer Opa. Im Hintergrund lief der Fernseher.

Oma leckte sich die Lippen nass, um jedem einen Kuss auf die Wange zu verpassen. Ihr Speichel roch immer nach Zigaretten und Kaffee. Einfach ekelig!

Ihr Großvater lächelte, drückte alle der Reihe nach fest an sich und sagte: "Schön, dass ihr da seid."

Milli wusste, wenn ihre Großeltern freitags zu Hause waren, fuhren sie an diesen Wochenenden nicht auf den Campingplatz. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Opa Sagi sah sich ihr Zeugnis an und schmunzelte. "Du scheinst dich in einer Findungsphase zu befinden." Er stand auf, ging an das Sideboard, öffnete die Tür und zog einen 20-Mark-Schein heraus. Er hielt ihn Milli hin. "Nächstes Jahr wird es besser", sagte er lächelnd.

Es war Zeit fürs Bett und Ranti brachte die beiden Kleinen nach oben in sein Schlafzimmer. Milli saß bei ihrem Opa auf dem Sofa und schaute mit ihm Nachrichten. Sie unterhielten sich dabei über Belangloses, und kurze Zeit später schnarchte er auch schon.

"Kannst auch gleich ins Bett gehen", erklang die Stimme ihres Vaters. Milli wurde heiß und kalt. Die Muskulatur um ihre Wirbelsäule zog sich zusammen und sie hatte das Gefühl, jeden Moment zu ersticken. "Sag gute Nacht und geh deine Zähne putzen", schob er hinterher.

Sie legte sich zu den anderen beiden und hörte, wie Ranti die Treppe hochging. Die Tür öffnete sich einen kleinen Spalt. "Schlaft gut, ich komme später nach", flüsterte er und ging zurück nach unten.

Nach einigen Minuten ploppte der Deckel einer Bierflasche auf. Leise ertönte Musik aus seinem Wohnzimmer, und er begann seine Selbstgespräche, die er mit Menschen führte, die nicht anwesend waren. Das tat er immer, wenn er trank.

Milli hatte sich hinter Senta nach außen gelegt und schlief. Plötzlich spürte sie an ihrem Rücken Wärme und nahm den Geruch von Bier, Zigaretten und billigem Parfum wahr. Ranti hatte seine Hand unter Millis Shirt geschoben und knetete fest ihre Brustwarzen. Sie spürte seinen steifen Penis zwischen ihren Pobacken. Er machte wirklich vor nichts halt. Nicht einmal dann, wenn seine Eltern ein Stockwerk tiefer schliefen. Seine Hand wanderte über ihren Bauch in ihren Slip. Er massierte ihre Klitoris und rieb seinen Penis an ihrem Po. Milli konnte kaum atmen, und die Abneigung dem Monster gegenüber staute sich immer mehr auf und machte sie wütend. Er zog ihr die Hose hinten runter und drückte mit einer Hand seinen erigierten Penis zwischen ihre Schenkel.Sein Becken bewegte sich vor und zurück, und Milli spürte beim Vorstoßen sein Glied zwischen ihren Scharmlippen. "Papa, lass das, ich möchte das nicht!", flüsterte sie leise.

"Deine Muschi ist schon feucht. Es tut nicht weh, wenn ich ihn reinstecke", gab er leise zurück. "Sei lieb und sag Papi, dass er seinen harten Schwanz in deine Muschi stecken soll!", hauchte er mit schwerem Atem.

Milli spürte wieder dieses komische Gefühl, was sie schon damals im elterlichen Bett hatte, als draußen ein Unwetter tobte, und sie sich aus Angst vor dem Gewitter zu ihrer Stiefmutter ins Bett geschlichen hatte. Sie erinnerte sich, wie sehr ihr die Scheide noch tagelang wehtat und die Unterbauchschmerzen unerträglich waren.

Ranti schob seinen Finger tief zwischen ihre Schamlippen. Mit der Fingerspitze ertastete er Millis Loch, und mit einer schaufelartigen Bewegung verteilte er die feuchte Nässe zwischen ihren Lippen. Seine Stöße wurden schneller, seine Hoden klatschten an ihren Po und Milli spürte, wie sein Penis dem Ziel näherkam. Nur noch ein Stück, dann würde er in sie reingleiten.

Ihr Herz raste. Panik stieg in ihr hoch. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie plötzlich auf. "Ich muss zur Toilette", sagte sie lautstark mit der Hoffnung, ihre Großeltern würden sie hören. Er versuchte, sie am Arm zurück auf die Matratze zu ziehen. "Ich muss wirklich mal", wimmerte sie. Mit halb runtergelassener Nachthose stand sie im Bett und versuchte, sich in der pechschwarzen Dunkelheit zu orientieren.

Doch plötzlich packte er sie an den Oberschenkeln. "Lass Papi dich vorher schmecken und von deinem süßen Saft kosten, bevor du gleich alles abwischst." Kaum hatte er seinen Satz beendet, schob er seine Zunge zwischen ihre Lippen und leckte über ihre ganze Scheide. Er versuchte immer wieder, seine Zungenspitze in ihr Loch zu pressen, aber die Schlafanzughose gab nicht nach, so dass er ihre Schenkel nicht weiter auseinanderdrücken konnte.

Sie drückte mit beiden Händen seinen Kopf weg. "Ich muss pipi", sagte sie mit gedrückter Stimme, doch er packte noch fester zu, griff mit der einen Hand um sie und schob seinen Daumen in sie hinein. Mit seinem Zeigefinger spielte er an ihrem Poloch und leckte immer schneller. Milli unternahm einen erneuten Versuch, seinen Kopf wegzudrücken und diesmal ließ er von ihr ab.

Sie sprang vom Bett, stolperte im Dunkeln in Richtung der Tür und öffnete sie. Der Flur wurde etwas vom Straßenlicht erhellt, und mit großen Schritten steuerte sie auf die Treppe zu, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sie lief die Treppe herunter in das zweite Obergeschoss, wo ihre Großeltern schliefen, huschte dort rasch ins Bad und machte das Licht an. Erst als sie fertig war, bemerkte sie, dass sie vergessen hatte, das Licht im Flur einzuschalten. Jetzt schien es dort stockduster, denn ihre Augen hatten sich an die Helligkeit im Bad gewöhnt. Ob er hinter der Tür auf sie wartete, um sie wieder nach oben zu schleifen? Milli hatte keine Ahnung, wie spät es war. Es war draußen so dunkel, dass es sicher noch Stunden dauerte, bis die Sonne aufging. Und sie war so müde. Aber in der Badewanne wollte sie auf keinen Fall schlafen. Sie drückte nicht die Klospülung, aus Angst, ihr könnten Geräusche entgehen. Es war so still. Sie schlich auf Zehenspitzen zur Tür und versuchte zu erkennen, ob sie seine Silhouette sehen konnte. Ihr Herz raste. Nichts. Der Flur war leer. Sie schaltete das Licht im Bad nicht aus. Schnellen Schrittes bewegte sie sich auf das Schlafzimmer ihrer Großeltern zu. Dort angelangt konnte sie die Hand vor Augen nicht sehen, weil die Außenjalousien geschlossen waren. Langsam tastete sie sich zur Bettseite ihre Oma vor und stieß sich dabei den kleinen Zeh. Sie kniff vor Schmerzen die Augen zusammen und biss sich so sehr auf die Lippen, dass diese fast zu bluten begannen. Der kleine Zeh pochte, während sie weiterhumpelte. Ihre Oma lag weit in der Mitte, sodass Milli rasch unter ihre Decke schlüpfen konnte.

Lange lag sie wach und rührte sich nicht. Sie wollte niemanden wecken, um Fragen zu beantworten, auf die sie keine Antworten hatte. Milli starrte in die Dunkelheit und fragte sich: 'Was habe ich an mir, dass mein Vater mich immer und immer wieder anfassen muss? Was geht ihm durch den Kopf? Wieso behandelt er mich anders als die anderen beiden?' Aber egal, welche Frage sie sich stellte, sie fand keine logische Antwort. Sie wusste nur eins ganz genau: es durfte nicht sein!

Als Milli erwachte, war das Bett ihrer Großeltern leer. Es war schon spät am Morgen, denn sie hörte Waldi im Garten bellen. Das bedeutete, dass Opa Sagi mit ihm schon spazieren war und alle gefrühstückt hatten. Sie ging ins Bad, wusch sich und putzte die Zähne, bevor sie nach unten ging. "Na du Langschläfer", warf Oma ihr lächelnd entgegen. "Guten Morgen Milli, dein Frühstück steht noch auf dem Tisch, ich wollte gerade abräumen." Sie schaute ins Esszimmer, aber niemand war da. Durch das riesige Fenster, das zum Garten gerichtet war, sah sie ihre Geschwister Ball spielen. Ihr Opa, Ranti, Rolf und Allegra tranken auf der Terrasse Kaffee und unterhielten sich. Milli nahm sich ein Brötchen, beschmierte es mit Nuss-Nugat-Creme und ging zu ihrer Oma in die Küche. "Willst du nicht nach draußen zu den anderen gehen?", fragte Oma. "Wieso bist du letzte Nacht zu uns ins Bett gekommen?", erkundigte sie sich, ohne Milli dabei anzusehen.

Milli blieb fast der Bissen im Hals stecken, den sie in diesem Moment runterschlucken wollte. Sie sammelte ihre Gedanken und versuchte ihrer Stimme keinen Unterton zu verleihen. "Es war kein Platz, alle haben sich so breit gemacht", gab sie emotionslos zurück. Als sie das sagte, beobachtete sie ihre Oma genau. Ein Schauer huschte Milli über die Haut und auf den Armen stellten sich ihre feinen Härchen aufrecht. Tränen rannen ihrer Oma über die Wangen. "Weinst du, Oma?" Milli war besorgt. Hatte sie etwas Falsches gesagt oder getan?

"Schon gut. Ich habe nur was ins Auge bekommen." Sie standen nah beieinander und Milli streichelte ihr den Rücken.

"Omi, mach dir keine Sorgen. Ich halte das aus. Aber er soll Senta in Ruhe lassen! Sie macht zu Hause schon genug durch." Sie klang wie eine weise alte Frau, die ihr Leben gelebt hatte und aus Erfahrung sprach.

"Du bist ein gutes Kind, Milli. Ich liebe dich sehr und bewundere deine Stärke." Sie küsste Milli auf die Stirn und löste sich aus ihrer Umarmung, um aus dem Esszimmer die Zigaretten zu holen.

In der Zwischenzeit entsorgte Milli den Rest des Brötchens im Müll. Ihr Großvater hasste es, wenn man nicht aufaß, was man sich fertiggemacht hatte. Deswegen wühlte sie mit einer Hand Kaffeefiltertüten und die Kartoffelschalen vom Vortag zur Seite, legte das Brötchen hinein und schob alles wieder zurück. Während sie das tat begriff sie; ihre Oma wusste über alles Bescheid.

"Du kannst auch heute Nacht bei uns schlafen. Zu viert ist es in dem kleinen Bett zu eng", schluchzte Oma, als sie zurück in die Küche trat. "Sag Opa nichts davon. Du weißt, wie er sich immer aufregt"

Milli nickte, denn sie wusste genau, was ihre Oma damit gemeint hatte. Dann ging sie mit der heißen Tasse Pfefferminztee auf die Terrasse. Sie fühlte sich nach dem Gespräch mit ihrer Oma aufgewühlt. Ihre Gedanken blitzten so schnell in ihrem Kopf auf, sie konnte ihnen kaum folgen. Oma brauchte sie, weil auch sie niemanden hatte, dem sie sich hätte anvertrauen können. Hatte sie auch von anderen Vorfällen gewusst? Was war in dieser Familie nur falsch gelaufen? Hätte sie ihrer Oma sagen sollen, wie an Weihnachten 1980 alles angefangen hatte? Als sie noch in der Surhalf in Großenaspe zu Hause gewesen war. Sie hasste ihren Vater. Sie umfasste mit beiden Händen den warmen Becher. Opa Sagi saß mit dem Rücken zu ihr. Den Becher presste sie an ihre Brust und holte tief Luft. Er musste erfahren, was unter seinem Dach vor sich ging. Er sollte ihr zuhören. Würde er ihr zuhören? Würde er sie anbrüllen wie die anderen? Ihr über den Mund fahren, niemand in seiner Familie tue einem anderen so etwas an. "Opa, ich muss dir was sagen!", platzte es aus ihr heraus. Schlagartig drehten sich alle zu ihr um. Eben noch lächelnd verzogen sich die Gesichtszüge ihres Vaters. Wieder dieser biestig böse Blick. Seine Augen durchdrangen sie. Ihre Muskulatur verkrampfte und der Bauch tat auf einmal weh, so als hätte ihr jemand mit der Faust in den Magen geschlagen. Sein Blick verharrte auf ihrem, und sie konnte nicht wegsehen.

"Guten Morgen, mein Mädchen", sagte ihr Großvater. "Ich habe dich beim Frühstück vermisst." Dabei schenkte er ihr ein Lächeln. Seine braunen, fast schwarzen Augen blickten sanft. "Komm mein Mädchen, setz dich auf Opas Schoß." Er streckte die Hand nach ihr aus. Seine warme Stimme beruhigte sie und sie nahm auf seinem Schoß Platz. "Was wolltest du mir erzählen?" Er strich über ihren Rücken.

Als Milli sich etwas aufrichtete und dabei tief einatmete, spürte sie die musternden Augen ihres Vaters. Er hatte sie nicht, wie man es hätte erwarten können, voller Scham von ihr abgewandt. Sie erstarrte und aus einem Reflex heraus zog sie ihren Kopf ruckartig zurück, als würde sie vor einer Ohrfeige ausweichen. Dann sah sie zu Rolf. Auch er hatte sie fest im Blick. Seine Augen waren ebenso boshaft wie die von Ranti. Sie erschrak innerlich. Rolf wusste es also auch! Milli hatte gelernt, ihre Gegenüber genau zu studieren. Sie achtete auf deren Körpersprache und auf die Augen, die oft mehr sagten als tausend Worte. Sie sah die Lippen, die schmal wurden, wenn sie logen oder eine Situation sichtlich unangenehm war. Der Unterton in ihren Stimmen, die ihr verrieten, ob das, was gesagt wurde, auch das war, was sie wirklich dachten. "Ich hatte einen schrecklichen Traum", antwortete sie schnell.

"Wovon handelte dein Traum?", fragte Opa.

Ihre Fantasie war bei Weitem nicht so ausgeprägt wie bei Senta, aber irgendwie musste sie aus dieser Nummer rauskommen, ohne dass gleich die Welt unterging, wenn sie ihm berichtete, was sie eigentlich wollte. "Monster", sagte sie. "Überall, wo ich hingegangen bin, waren Monster, und eins war hässlicher als das andere." Dabei sah sie Ranti und Rolf scharf an. "Sie waren Menschen und konnten sich verwandeln", warf sie zusätzlich ein, um ihren Hass in den Augen, die jetzt nur noch schmale Schlitze waren, zu unterstreichen. 'Wenn ich erwachsen bin und meine eigene Wohnung habe, mache ich Euch fertig! Dass schwöre ich, so wahr ich hier sitze! Dann halten mich eure bösen Blicke oder die erhobenen Stimmen nicht mehr auf! Ihr werdet Euch dafür verantworten. Dafür sorge ich!', dachte sie. Und am liebsten hätte sie diesen Gedanken laut ausgesprochen. Sie war zwölf Jahre alt. Bis sie ausziehen könnte, würde noch viel Zeit ins Land ziehen. Aber sie würde die Chance bekommen, ihren Vater zur Strecke zu bringen. Früher oder später.

Ein Tapetenwechsel ohne Vorwarnung

Nach ihrem dreizehnten Geburtstag veränderte sich eine Menge. Ricarda sprach davon, den Kneipenbetrieb abzugeben und sich eine Arbeit zu suchen, die mit weniger Stress verbunden wäre. Auch das Kindermädchen wurde ausgetauscht. Milli kannte Maria von der Schule, die dort in die Oberstufe ging. Aber wegen des großen Altersunterschieds hatten die zwei keine Berührungspunkte. Maria war sehr nett und ganz anders als Hille. Sie behandelte nicht nur alle drei gleich, sie war auch so etwas wie ein Ruhepol. Mit ihrer Ankunft stellte Millis Stiefmutter die Prügelattacken ein und auch sonst hatte sie sich irgendwie verändert. Sie scherzte und lachte viel. Sie schien ausgeglichener als in den vergangenen drei Jahren und wirkte rundum zufrieden. Aber die Zeit, seitdem Ranti ausgezogen war, hatten Senta und Milli so sehr geprägt, dass sie dem Frieden nicht trauten. Die Mädchen beobachteten ihre Mutter genau und studierten deren Körperhaltung und Mimik. Täglich stand sie mit einem Lächeln auf und warf ihnen einen Guten-Morgen-Gruß zu. Und das als chronischer Morgenmuffel.

Obwohl Milli keine Lust auf den Unterricht hatte, fühlte sie sich in ihrer Schule trotzdem wohl. Die ersten Praktika standen an, und sie hatte nur einen Wunsch: sie wollte auf einem Pferdegestüt eine Ausbildung zur Bereiterin machen. Ungewöhnlich, aber ihre Stiefmutter stimmte ihrem Vorhaben zu.

Die Sommerferien standen unmittelbar vor der Tür, und an Ricardas Verhalten hatte sich nichts verändert. Ihre Überfreude machte Milli an manchen Tagen Angst. Sie fragte sich: "Wo hast du meine Stiefmutter gelassen? Was ist passiert? Hat sie im Lotto gewonnen?" Milli grübelte oft und sollte bald die Antwort erhalten, denn Ricarda teilte endlich die Neuigkeiten mit, wegen derer sie so aus dem Häuschen war.

"Ich muss euch etwas erzählen", platzte es beim Mittagessen aus ihr raus. "Wir verbringen dieses Wochenende in Bimöhlen auf einem landwirtschaftlichen Staatsgut." Ihr Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. "Ich möchte, dass ihr Volmer kennenlernt. Er ist mein neuer Partner, und ich möchte mit euch in den Sommerferien zu ihm ziehen. Seit geraumer Zeit bin ich bei ihm als Reinigungskraft angestellt und wir haben uns ineinander verliebt."