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Das Buch besteht aus zwei Teilen: Kurzgeschichten und Gedankensplittern. Die Sammlung von Kurzgeschichten aus verschiedensten Bereichen nehmen den Leser auf eine turbulente Reise in das Innere des Lebens mit. In den Gedankensplittern reflektiert der Autor seine Erfahrungen mit Büchern, Filmen, Musik und persönlichen Begegnungen.
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Seitenzahl: 297
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IN DIESEM BUCH werden in Kurzgeschichten und Gedanken die wichtigen Themen des Lebens behandelt: Liebe, Sehnsucht, Verlust, Suche nach der Ewigkeit und langem Leben, Glück, Bindungen, das Streben nach Vollkommenheit und vieles mehr. Die Genres variieren von Belletristik und Thriller über Science Fiction bis hin zu Aphorismen.
Viele Stories bechreiben selbsterlebte Geschehnisse.
DER AUTOR ist Ingenieur und schreibt seit dem zwölften Lebensjahr Kurzgeschichten, Novellen und Romane.
Zu seinen Lieblingsautoren gehören Kafka, Poe, Hemingway, Mann, Hesse, Heinlein, Malaparte, Chatwin, Dick und Lovecraft.
Bereits veröffentlicht:
Schriftkram ISBN 978-3-759-77013-4
Schrift-Art ISBN 978-3-759-72902-6
Geschichten aus dem Nachbarschaftscafé ISBN 978-3-759-75293-2
Hinweis in eigener Sache
Kurzgeschichten
Der Junge
Wir wollen raus
Das Buch
Der Vater
Der Wächter
Die Gräfin
Der Mann an Bord
Das Sägewerk
Die Schiffe
Mann ohne Namen
Bewusst-Sein
New York, World Trade Center, 11. September 2001
Der Mensch
Kathy
Die Schwesternschaft des Lichts
Der Sohn
Die Kinder
Mein Herz
Der alte Mann
Alter Plunder
Die Mutter
Der Kopfgeldjäger
Die Ernte
Der Käfer
Gedankensplitter
Anstelle eines Vorwortes
Keith Jarrett
Pessoa
Beobachtungen
Die Eine
Beerdigungen
Der Highlander
Gesicht
Schmerz
Du
Erinnerungen
Höhe 4000
Die Klippe
Ich träume, also bin ich nicht!
Freiheit
Heute in der Stadt
Teil der Masse
1. Weltkrieg
Die Weisheit der Jahre
Wir Menschen
Schreiben
Ende
Vielleicht ... Mal sehen. Ich
Schwalben
Du
Erinnerungen
Fremd
Kafka
Dämmerung
Maske
Segelschiffe
Weg in der Wüste
Gesichterfahnen
Du
Erinnerungen
Schriftsteller!
Heute
Was wäre, wenn
Die Stadt
Die gute Mutter
Memories
Der Nachen
Der Schläfer
Trophäe
Wenn Pontius Pilatus Jesus begnadigt hätte
Das Leben
Freunde
Seid so wie die Kinder
Aufwachen
Pessoa
Verlorene Herzen
Arkadien
Sterne
Lachen
Laichzeit
Alter
Stimmen
Stimmen II
Die Mutter
Kinder-Zeit
Regen und Tod
Melancholie
Die Hure tanzt
Mit Sechzehn
Narren
Herz
Eden
Der Mond
Kinder
Nacht
Die Nacht
Fehler im System
Memories
Stahl
Dracula
Memories of green
Mein Glaubensbekenntnis
Memorandum
Das Leben der Anderen
Voyeur
Klassiker der Moderne
Systemkonfiguration
Sitze, schreibe, denke, bin
Alter Mann
Im Zug
Nietzsche
Unwichtige Gefühle
Auge der Nacht
Träume
Spiegel
Scheiterhaufen
Gott auf der Anklagebank
Kaleidoskop der Gefühle
Life’s what you’ve made of it
Rollen unseres Lebens
Menschen
Wir
Gedanken springen
Alter Schläfer
Ich trinke die Nacht
Menschen
Individuum im Spiegel
Der Krieger
Tanzen
Denken
Tasten
Das Fleisch
Der Vater
Der Teufel
Allein – Sein
Die Zeit
Leeres Blatt
Gedanken
Deine Nähe
Systemkonfiguration
Ich bin‘s
Wir Menschen
Soll und Haben
Erlösung
Das Kind
Mein Palast
Gerettet
Rückbank
Ruinen meiner Jugend
Der englische Patient
Wir
Irren ist menschlich
Jenseits der stillen Tage
Errare inhumanum est
Stiefvater
Das Leben ist ein ruhiger Fluss
Trage die Jahre wie einen alten Mantel
Ehret Vater und Mutter
Die Sprache der Welt
Feier im Wald
Die Taube
Die Nacht
Wellen im Wasser
Familie
Ich bin ich
Sein ohne Bewusst-Sein
Wir Menschen
Regentage
Die Karawane
Gedanken sind frei
Pessoas Welt
Der Hotelgast
Europas Geschichte
Das Ende ist nah
Erinnerungen
Hominus lupus homini
Ich bin 29
Momentaufnahme
Flucht nach Australien
Freiheit
Europas Geschichte
Gedanken
Frühe Geschichte
Leben ... leben
Der Mensch
Kafka
Geschichten und Autoren
Max Frisch
Bin, ohne zu sein
Schreiben und das Sein
Fehlende Jahre
Der Mensch ist ein Gaukler
Zornige junge Männer
Die Schlange
Der Sinn der Schönheit
Leben ... lernen
Leolo
Der Delinquent
Träume
Des Menschen Hoffnung
Mein Herz
Familie
Leben
Kinder des Bacchus
Wir
Erinnerungen
Der Mensch, nackt
Frauen sind das Leben
Ich träume, also bin ich nicht
Die große Ernte
Carpe diem
Europas Geschichte
Das Pendel
Auf der Suche
Der Pfad
Wellen
Zeit
Neue Freunde
Komm, nimm mein Herz
Die Frucht des gebenedeiten Leibes
Quellen und Vorschläge
Dieses Buch ist zweigeteilt. Im ersten Bereich finden Sie Kurzgeschichten. Die Ideen fliegen mir oft zu und ich bringe sie zu Papier. Das ist die Idealform. Manchmal trage ich sie auch länger mit mir herum, bis sie reif sind, niedergeschrieben zu werden. Manche andere fallen wie Steine auf das Papier.
Im zweiten Teil habe ich meine Gedanken zu vielen Themen festgehalten, Momentaufnahmen, die mich und mein Denken beeinflussten. Sie sind als Anregungen für den Leser gedacht.
Der Vater weckte die beiden Jungen am Morgen. Sie erhoben sich und verließen die Hütte. Draußen lag noch Nebel über der Landschaft. Hinter dem Haus stieg das Gelände sanft an. Hunderte von Olivenbäumen standen dort. Ihre Zweige ragten aus dem Nebel. Die beiden Jungs traten an die niedrige Mauer, die ihren Besitz vom Weg trennte. Der Weg führte von dem Hügelkamm, vorbei an Besitzungen anderer Bauern und ihrem Grundstück, bis hinab zum Hafen. Der Weg wurde auf der Meeresseite von einer niedrigen Mauer aus Felsbrocken eingefasst. Die Steine stammten aus den nahen Feldern. Von dort hatten die Bauern sie eingesammelt, um daraus die Mauer zu erbauen. Hinter ihr fiel die Felswand bis zum Meer steil ab.
Die beiden Jungs traten auf den Weg und stellten sich an die Mauer. Sie sahen hinunter zum Meer, als sie pinkelten. Der Nebel reichte weit auf das Meer hinaus. Am Kai lagen einige Schiffe vertäut, Kauffahrer aus dem nahen Tyros. Sie beobachteten ein Schiff, das sich aus dem Nebel auf dem Meer schälte und sich langsam dem Kai näherte. Es war ein phönizischer Kauffahrer. Sie beobachteten das Schiff, das die Segel einholte.
Der Vater rief die Jungs und sie beeilten sich.
Sie wuschen sich die Hände in einem Eimer und setzten sich an den Tisch in der Hütte. Sie erhielten von der Mutter einen Kanten Brot und einige Oliven und Ziegenkäse. Der Vater setzte sich hinzu. Schweigend aßen sie. Als sie fertig waren, hob der Vater die Hand.
„Wir werden gleich noch Oliven ernten. Jetzt ist es noch kühl genug. Später wird es zu warm werden.“
„Kann ich nicht 'runter zum Hafen gehen, Vater?“, sprudelte es aus dem Jüngeren. „Es ist ein neues Schiff angekommen! Das würde ich mir gerne ansehen!“
Der Vater sah ihn an.
„Erst ernten wir die Oliven. Keine Widerrede! Später werden wir sehen!“
„Mutter...“, fragte er.
Der Junge sah zu seiner Mutter hinauf. Sie zögerte, dann schüttelte sie den Kopf.
„Hör auf deinen Vater! Wenn die Arbeit erledigt ist, kannst du zum Hafen hinunter!“
Missmutig verließ der Junge das Haus. Sein älterer Bruder folgte ihm und begann ihn zu necken. Sie rauften kurz, bis der Vater erschien und sie beide ermahnte. Die Jungen nahmen die Körbe auf und folgten dem Vater den Hügel hinauf zu den Olivenbäumen. Sie nahmen sich die Bäume einzeln vor, der kleine Junge pflückte unten, der größere in der Mitte und der Vater oben. Hin und wieder unterbrachen sie die Tätigkeit und tranken etwas. Als der Vater einmal nach unten ging, um die Körbe zum Lagerhaus hinter der Hütte zu bringen, packte der größere Bruder den kleineren und band ihn mit einem Strick an einem der Bäume locker fest. Der Jüngere kannte das schon.
„Der an den Baum Gebundene!“, lachte der Größere. „Dein Spitzname passt!“
Er lachte. Er sah nicht den Vater, der hinter ihn trat und ihn am linken Ohr zog.
„Lass den Unsinn, Alexandros! Binde sofort dienen Bruder los. Wir müssen noch viel tun, bevor die Mittagshitze zu groß wird!“
Die Sonne hatte den Morgennebel vom nahen Hügel gewaschen, es würde ein heißer Tag werden. Sie pflückten weiter Oliven und besserten auch eine kleine Mauer am Rand ihres Grundstückes aus, die eingestürzt war. Der Vater erklärte ihnen, wie sie die Steine so miteinander verkeilen mussten, dass sie fest zusammenhielten. Zur Mittagszeit beendete der Vater die Arbeit. Es war heiß und die Sonne brannte vom Himmel. Sie gingen hinunter und trugen ihre Körbe in das Lagerhaus. Dann setzten sie sich in die Hütte, und tranken Wasser, der Vater etwas Wein, den er mit Honig süßte. Sie aßen Brot, Oliven und Käse.
„Kann ich jetzt runter zum Hafen, Vater? Du hast es gesagt!“, sprudelte es aus ihm hervor. Der Vater sah ihn an und nickte dann. „Aber sei bald wieder da.“
Der Junge eilte den Weg hinab zum Hafen. Er sah Sklaven, die hinter ihren Herren gingen und Ware trugen. Außerdem waren dort spielende Kinder und einige Händler, die direkt vor ihren niedrigen Häusern ihre Ware wie Käse, Früchte und Obst anboten. Er grüßte die Leute, die er kannte.
Am Beginn der Hafenanlage blieb er stehen und nahm alles in sich auf. Er liebte diesen Anblick: die Schiffe, die Seeleute und deren Geschäftigkeit. Die Schiffe lagerten hier in der natürlichen Bucht sicher vor den Unbillen des Meeres.
Der Hafen bestand aus dem Hafenbereich und dem Lagerhaus auf der Landseite. Der Junge wusste, dass alle Schiffe, sobald sie hier ankerten, die Waren ins Lagerhaus bringen mussten, um deren Wert schätzen zu lassen. Die örtlichen Händler hatten das Vorkaufsrecht an den Waren. Der Besitzer musste Steuern darauf zahlen und konnte mit den nicht verkauften Waren und weiteren, die er zu seiner Ladung hinzukaufte, weitersegeln. Bewacht wurden die Waren von Sklaven mit Knüppeln und Speeren.
Links hinter den Lagerhäusern befand sich die Agora, der Marktplatz des Ortes. Der Ort lag an der Küste und schmiegte sich entlang der Wände des Tales, das sich landeinwärts erstreckte.
Der Junge mochte die Hektik der Hafenanlage. Gerade wurde das heute Morgen angekommene Schiff entladen. Ein großer Mann mit Vollbart und phönizischer Kleidung stand neben dem Fallreep und notierte etwas in der doppelten aufgeklappten Tafel, die er in der linken Hand hielt.
Der Junge ging interessiert die Mole bis zum letzten Schiff entlang und schaute sich die hohen Bordwände, Takelage und Segel an. Seeleute standen an Bord, refften Segel, trugen Sachen hin und her oder schossen Seile auf. Der Junge nahm alles in sich auf und atmete die salzige Luft des Meeres ein. Er nahm eine Rute hoch, die im Staub am Rand lag und zeichnete Striche und Bögen in den Staub und Sand, der fingerdick auf dem Kai lag. Er blieb kurz stehen und zeichnete ein Schiff, dass er mit seinen Füßen wieder wegwischte.
Er schlenderte den Kai zurück entlang und blieb zufällig neben dem Schreiber des phönizischen Schiffes stehen. Der Mann sah kurz zum Fallreep hinauf, wo Seeleute Waren hinuntertrugen: Säcke mit Weizen, Amphoren, Teppiche. Die Seeleute riefen ihm etwas zu, er nickte und machte Striche in den Tafeln. Der Schreiber hielt die beiden Wachstafeln in der linken Hand und bewegte einen Metallgriffel darüber. Der Junge stellte sich neben ihn und schaute auf die Tafel. Der Schreiber sah ihn an.
„Was willst du, Griechenjunge?“
Er sprach Koiné mit starkem Akzent.
Der Junge sah zu ihm hoch.
„Was machst du da?“
Der Schreiber sah zum Fallreep und notierte mit dem Griffel in zwei Zeilen jeweils einen Strich.
„Wir laden gerade Ware aus und ich schreibe auf, was und wieviel wir ausladen!“
Der Junge stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Der Schreiber senkte seine Wachstafeln und zeigte ihm, was er schrieb.
„Hier links steht, welche Ware es ist: Amphore mit Wein, Weizensäcke, Teppiche.“
Er deutete nach rechts.
„Dann mache ich daneben Striche. Siehst du?“
Der Junge sah auf die Zeichen und versuchte sie mit dem Stab im Sand nachzuzeichnen. Der Schreiber sah zum Fallreep. Einer der Seeleute winkte ihm und rief etwas. Der Schreiber winkte zurück, zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
Dann wandte er sich an den Jungen.
„Kannst du lesen und schreiben, mein Junge?“
Der Junge sah beschämt nach unten und schüttelte den Kopf.
„Das ist nicht schlimm. Willst du es lernen?“
Der Junge sah wieder zu ihm auf und nickte langsam. Der Schreiber nahm ihm den Stab aus der Hand und begann in den Staub zu zeichnen.
„Das Geheimnis des Schreibens sind die Zeichen und deren Bedeutung. Siehst du, das hier sieht aus wie ein Stierkopf, nur auf die Seite gedreht. Dieses hier wie eine Peitsche, das hier wie Frauenbusen. Sie haben Bedeutungen und wenn du die einzelnen Bedeutungen zusammenschreibst, hast du Worte. Wie heißt du?“
Der Junge erinnerte sich an die Worte seines Vaters: „Wenn du jemanden nicht kennst, sag ihm nicht deinen Namen, sonst können Sie Macht über dich ausüben.“
Er nannte ihm seinen Spitznamen. Der Schreiber hielt kurz inne und lächelte. Dann schrieb er Zeichen in den Staub.
„Hier steht dein Name.“
Er deutete auf die einzelnen Buchstaben und nannte sie. Ein Matrose rief den Schreiber. Er wandte sich dem Rufer zu und hob die Hand mit den Tafeln.
Er reichte dem Jungen den Stab.
„Hier, übe. Ich muss weitermachen.“
Während der Junge mit dem Stab die Zeichen nachschrieb, klappte der Schreiber die Tafel wieder auf und notierte die ausgeladenen Tafeln. Nach einiger Zeit sah der Junge auf, bemerkte den hohen Sonnenstand, bedankte sich beim Schreiber und lief den Weg hinauf zur Hütte. Er stürzte in das Haus, wo seine Mutter das Essen bereitete.
„Mutter...!“, begann er. „Ich habe den Schreiber gesprochen und er hat mir Zeichen gezeigt! Schau mal!“
Er nahm den Stock und zeichnete vor dem Eingang ungelenk Zeichen in den Boden.
Die Mutter trat heraus und besah sein Werk. Er deutete auf die Zeichen und rief ihre Bedeutungen aus. Sie streichelte ihm die Stirn, und gab ihm eine Kalebasse zum Trinken.
„Dein Vater und Bruder sind schon oben! Lauf ihnen nach! Vater ist schon sauer auf dich!“
Er lief los. Sie sah ihm nach und blickte auf die Zeichen zu ihren Füßen. Nach einigen Augenblicken wischte sie die Zeichen mit der Sandale fort.
Er lief nach oben, wo sein Vater ihn ausschimpfte und ihm einen Korb in die Hand drückte. Der Junge stand da, hielt den Korb in der linken, den Stab in der rechten.
„Vater, ich war am Hafen. Da war ein Mann, der mir Zeichen erklärte!“, sagte er und kratzte mit dem Stab Zeichen in den Boden.
Der Vater lief rot an, ein Zeichen, dass er kurz vor einem Wutausbruch stand.
„Du kommst zu spät vom Hafen und kratzt irgendwelche Sachen in den Boden! Du musst uns bei der Olivenernte helfen!“
Der Junge duckte sich vor einem Schlag, der nicht kam. Bis zum späten Nachmittag sammelten sie Oliven ein. Danach trugen sie ihre Körbe nach unten. Während der Vater auf der Bank vor dem Haus seine müden Beine ausstreckte, ging der ältere Bruder zum Nachbarn, um mit dessen Söhnen zu spielen. Der Jüngere sah zu seinem Vater auf.
„Darf ich zum Hafen, Vater? Nur kurz! Bitte!“
„Bring mir einen Becher Wein.“
Der Junge lief hinein und erfüllte seinen Wunsch.
„Darf ich jetzt zum Hafen?“
Der Vater nickte, und der Junge lief aus dem Garten, den Stab in der Hand. Die Mutter legte die Hand auf die Schulter des Vaters.
„Er ist wie besessen vom Schreiben!“, sagte der Vater und schüttelte den Kopf.
„Er ist anders als sein Bruder! Er sollte vielleicht doch auf die Schule gehen und Lesen und Schreiben lernen. Wenn er es doch so sehr liebt!“
Der Vater sah auf das Meer hinaus und schwieg.
Der Junge lief hinunter zum Hafen. Die Sonne strahlte noch vom Himmel, hing in der Takelage der Schiffe. Der Schreiber stand dort, wo er ihn verlassen hatte. Er notierte etwas auf den Tafeln. Dann klappte er diese zu. Er drehte sich schon zum Schiff, als der Junge ihn atemlos rief. Er drehte sich zu ihm herum.
„Hallo Griechenjunge!“, lachte der Phönizier und nannte den Spitznamen des Jungen. „Hat dein Bruder dich wieder an einen Baum gebunden?“
Der Junge lachte auch.
Der Schreiber drehte dem Jungen kurzentschlossen die offenen Tafeln hin. Links waren viele Zeichen eingeritzt wie die, die er in den Staub gekritzelt hatte. Rechts waren Striche in der gleichen Höhe angebracht. Der Schreiber zeigte sie ihm und schrieb mit dem Stab des Jungen einige Zeichen in den Staub.
„So, Junge!“, rief er. „Ich muss zurück zum Schiff!“
Der Junge blieb stehen und zeichnete mit dem Stab die Zeichen auf dem Boden nach. Der Schreiber blieb am Fallreep stehen und beobachtete ihn. Dann rief er ihn zu sich.
„Ich habe etwas für dich, Junge!“, rief er.
„Warte kurz hier!“
Er ging an Bord und kam wenig später wieder. Er ging über das Brett zum Kai und hielt eine Wachstafel in der Hand. Er reichte sie dem Jungen, samt Griffel. Der Junge nahm die Sachen zögernd an.
„Das ist eine meiner alten Tafeln. Sie ist für dich, damit du besser lernen kannst!“
Er zeigte ihm, wie man mit der Spitze vorsichtig in das Wachs ritzte und mit dem breiten Ende des Griffels das Wachs wieder glattstrich. Der Junge war begeistert. Der Schreiber schrieb einige Zeichen oben auf die Tafel. Danach hielt er die Tafel dem Jungen hin. Er beobachtete ihn beim vorsichtigen Ritzen.
Er legte dem Jungen die Hand auf den Kopf.
„Du erinnerst mich an meinen Sohn in Tyros, Griechenjunge!“
Er verabschiedete sich vom Jungen und ging zum Fallreep. Der Junge blieb noch stehen, beobachtete die Zeichen. Abrupt drehte er sich um und ging nach oben. Als der Junge am Abend nachhause kam, stand seine Mutter am niedrigen Tor und sah ihn schon von weitem. Er spielte mit dem Stock, schlug gegen Mauervorsprünge, sprang über einen Abflussgraben.
Als er sie bemerkte, lief er auf sie zu. Sie trat auf den Weg und breitete die Arme aus. Er lief zu ihr, rechts den Stock, links die Tafel. Sie umarmte ihn. Er zeigte ihr die Wachstafel.
„Das hier, das hat mir der Schreiber geschenkt, Mutter!“, rief er.
Er zeigte ihr die Zeichen auf der Tafel.
„Ab, rein, mein Sohn! Es gibt Abendessen!“
Der Junge lief in die Hütte. Er zeigte seinem Vater, der am Tisch saß und aß, aufgeregt die Tafel.
„Schau mal, Vater! Hier! Das hat mir der Schreiber geschenkt!“
Er hielt seinem Vater die Tafel hin.
„Wasche dir die Hände und setz dich!“, sagte er.
Der ältere Bruder saß ihm gegenüber. Der Junge legte die Tafel neben sich. Der ältere Bruder griff danach und ein Streit entbrannte, bis der Vater die Tafel packte und die beiden Jungs wütend trennte.
„Hinsetzen!“, rief er.
Die Tafel legte er hinter sich auf eine der Truhen. „Schluss jetzt!“
„Aber Vater...“, begann der Jüngere.
„Ruhe am Tisch! Es wird gegessen!“
Nachher saß der Vater auf der Bank vor dem Haus. Der Jüngere kam hinzu. Er trug die Wachstafel und setzte sich neben ihn. Es war noch hell genug zum Schreiben. Er ritzte konzentriert die Zeichen in die Tafel. Sein Vater legte den Arm um den Jungen und ließ sich die Zeichen zeigen und erklären. Er sah auf das erhitzte Gesicht seines Sohnes und beobachtete den Eifer, mit dem er auf die Zeichen deutete und erklärte.
Später ging der Junge in die Hütte. Die Mutter trat heraus und setzte sich neben den Vater. Schweigend saßen sie so da. Nach einiger Zeit wandte sich der Vater an seine Frau.
„Was sollen wir mit dem Jungen machen? Er kann nicht immer zum Hafen laufen!“
Er deutete auf die nahen Olivenbäume.
„Er muss bei der Ernte helfen!“
Die Mutter seufzte.
„Wir werden uns was überlegen müssen! Er ist wie besessen von den Zeichen und dem Schreibenlernen! Wir müssen uns entscheiden, was mit ihm geschehen soll. Er ist kein Bauer wie wir, das steht fest. Er soll es später besser haben als wir. Schreiben und Lesen ist der Schlüssel zum Erfolg!“
Der Vater grübelte.
„Ich brauche ihn jetzt bei der Ernte. Morgen sehen wir weiter!“
Am nächsten Morgen wachte der Junge früh auf.
Sein erster Griff war an die Wachstafel, die er neben seinen Kopf gelegt hatte. Dann legte er sie wieder zurück. Er stand auf, ging in den entfernten Bereich des Gartens und verrichtete dort seine Notdurft. Anschließend wischte er sich mit Blättern ab und wusch sich die Hände in einem kleinen Wasserstrom, der am Rand des Feldes floss. In der Hütte wartete die Familie. Sie aßen schweigend. Er hielt seine Wachstafel bei sich.
Nachher traten sie alle vor die Hütte.
„Kann ich runter zum Hafen?“
Der Vater schüttelte den Kopf.
„Wir müssen die Oliven ernten!“
„Mutter!“, begann er und schaute seine Mutter bittend an.
Sie nickte. Er lief zurück ins Haus und kam mit der Wachstafel wieder. Sein Vater eilte herbei und wollte den Jungen zurückrufen. Da legte die Mutter ihre Hand sanft auf seinen Arm.
„Lass ihn! Er ist kein Bauer wie wir. Er sollte bald in die Schule gehen!“
„Ich brauche ihn auf dem Feld. Im Sommer geht er in den Norden mit mir und seinem Bruder und wir helfen unseren Onkeln bei der Weizenernte und später bei der Weinlese!“
„Er ist anders. Du hast doch seine Neugier auf die Zeichen gesehen!“
Sie sah ihrem Mann ins Gesicht.
„Ich kann nicht lesen und schreiben und du auch nicht. Und unser Ältester auch nicht. Ihm soll es anders ergehen. Er soll lesen und schreiben können und uns beim Zählen der Waren helfen. Ich denke, dass deine Onkel uns nicht die vollen Anteile auszahlen. Sie zählen immer weniger Säcke oder Fässer als wir abliefern!“
„Mein Vater konnte schreiben, weil er mit adligen Kindern aufwuchs. Ich musste auf dem Feld helfen, sobald ich gehen konnte!“
Der Vater sah seinem Sohn nach, der auf der Straße hinunter zum Hafen lief. Dann wandte er sich um, rief den älteren Sohn, ergriff einen Korb und machte sich auf den Weg zu den Olivenbäumen.
Der Schreiber stand wie gestern an seinem Platz und notierte die Waren, die vom Schiff heruntergeladen wurden. Der Junge kam auf ihn zu. Er begrüßte ihn freundlich und schrieb weiter in seiner Wachstafel. Der Junge stellte sich neben ihn. Er hielt die Wachstafel und nahm den Griffel in die Hand. Mit einer raschen Bewegung drehte der Schreiber seinen Griffel herum, hielt mit der linken Hand die Tafel des Jungen fest und strich die Seite glatt. Die eingetragenen Zeichen verschwanden.
„Jetzt kannst du wieder selbst schreiben!“
Der Schreiber hielt seine Tafel tiefer. Der Junge folgte seinen Eintragungen und bemühte sich redlich, die Zeichen mit dem Griffel ins Wachs zu kratzen. Erst nur ungelenk, langsam besser.
Der Schreiber notierte alle Waren, bis die Sonne vom Himmel brannte. Dann ging er in eine Taverne und trank Wein. Der Junge blieb unschlüssig stehen, ging den Kai weiter hinab und schaute den Arbeitern zu. Aus einem nahen Brunnen an der Agora nahm er Wasser und trank. Als er pinkeln musste, lief er die Kaimauer bis zum Ende, wo Steine aus der Mauer ragten. Er legte die Wachstafel sorgfältig ab, kletterte auf einen großen Stein und pinkelte im hohen Bogen ins Meer.
Später sah er den Schreiber wieder an dem Schiff stehen. Die Seeleute trotteten unwillig aus den Tavernen, einige schon angetrunken. Der Kapitän erschien an der Bordwand und wies die Seeleute an, die Waren aus dem nahen Lagerhaus zu holen. Der Schreiber ging mit, gefolgt vom Jungen. Zwei Sklaven mit Knüppeln bewachten das Lagerhaus. Im Inneren waren gestapelte Fässer, Amphoren und Kisten gelagert. Der Schreiber wies auf einen Bereich mit gestapelten Waren und bezahlte den wartenden Lagerverwalter.
Der Schreiber wies die Seeleute an, die Waren an Bord zu bringen. Zwei Seeleute ordnete er an, bei ihm zu bleiben. Er ging durch das Lagerhaus und besah sich die Waren. In einem Bereich waren Teppiche gestapelt. Er wies auf sie, und der Verwalter beauftragte einen Sklaven, einen der ortsansässigen Händler zu holen. Wenig später kam der Sklave mit einem gut gekleideten Mann wieder. Er feilschte mit dem Schreiber um den Preis von mehreren Teppichen. Mit einem Handschlag besiegelten sie den Vertrag. Der Schreiber bezahlte den Händler und auch den Lagerverwalter und wies die Seeleute an, die gekauften Teppiche an Bord des Schiffes zu bringen.
Der Schreiber blieb an der Tür neben dem Lagerverwalter stehen. Der Junge hinter ihm.
„Wer ist das? Gehört der zu Ihnen?“
Der Lagerverwalter deutete auf den Jungen.
„Das ist mein kleiner Schreiber!“, sagte der Schreiber und lachte.
Der Junge kritzelte weitere Zeichen in die Wachstafel und zeigte sie dem Schreiber.
„Gut so?“
Der Schreiber betrachtete die Zeichen, nahm die Wachstafel und strich mit dem Griffel beide Seiten glatt. Er drückte mit dem Griffel mehrere Zeichen in die Tafel.
„Das sollst du üben. Am besten gehst du in eine Schule und lernst richtig schreiben!“
Der Junge senkte den Kopf.
„Meine Eltern haben nicht das Geld dazu.“
Der Schreiber hob den Kopf des Jungen und sah ihm in die Augen.
„Als ich so alt war wie du, hatte ich keine Eltern. Ich habe mich in den Straßen von Tyros herumgetrieben und legte mich häufig hungrig in den Staub zum Schlafen. Aber ich wollte da raus und habe mir ein Ziel gesetzt. Ich kletterte auf einen Baum und beobachtete die Lehrer in einer Schule. Einer von denen bemerkte mich und nahm mich bei sich auf und lehrte mich die Zeichen.“
Er wies auf das Schiff am Kai.
„Jetzt bin ich Schreiber auf diesem Schiff! Du musst wissen, was du willst! Und dann folge deinem Stern!“
Der Junge nickte langsam.
„Die Zeichen sind ein Schlüssel dazu. Wir werden bald aufbrechen. Warte am Schiff. Ich habe noch was für dich!“
Der Junge ging zum Schiff, während der Schreiber noch mit dem Lagerverwalter sprach.
Der Schreiber betrat über das Fallreep das Schiff. Nach kurzer Zeit erschien er wieder mit einer Lederrolle. Er trat auf den Kai und zum Jungen. Er öffnete die Lederrolle und zeigte ein Pergament. Darauf waren die Zeichen geschrieben und was sie bedeuteten.
„Das ist für dich. Wenn wir uns wiedersehen, kannst du die Zeichen sicher schon auswendig!“
Er deutete auf die letzte Reihe der Zeichen.
„Das hier ist dein Name. So kannst du schon unterschreiben, wenn du Verträge abschließt!“
Er lachte. Der Schreiber reichte dem Jungen die Rolle und kehrte an Bord des Schiffes zurück. Der Junge betrachtete lange die Rolle, langsam machte er sich auf den Rückweg.
An der niedrigen Gartenmauer blieb er stehen und sah sich um. Die Schiffe legten vom Kai ab und wurden auf das offene Wasser gerudert. Der Junge beobachtete die Schiffe, bis sie die sichere Bucht verließen und das offene Meer erreichten. Dort setzten sie die Segel und glitten unter ablandigem Wind davon. Der Vater trat an den Jungen und legte ihm die Hände auf die Schultern.
Langsam drehte er den Jungen um.
„Was hast du da?“
Der Junge hob die Lederrolle hoch.
„Das ist ein Geschenk des Schreibers! Ich soll lernen und in die Schule gehen und mit meinem Namen unterschreiben und . . .“, sprudelte es aus ihm heraus.
Er wusste, was sein Vater sagen würde.
Der Vater hob die Hand.
„Deine Mutter und ich haben beschlossen, dass du nach der Ernte in die Schule von Lehrer Telemansis gehen wirst. Du sollst lesen und schreiben lernen und uns helfen! Telemansis kennt viele der alten Geschichten über die Götter und die Kriege der Vergangenheit! Höre ihm zu, wenn er die alten Geschichten erzählt. Du wirst viel von ihm lernen können!“
Der Junge umarmte seinen Vater und der Vater nahm seinen Sohn in den Arm.
„Aus dir soll einmal ein großer Mann werden, mein Sohn! Du wirst einen anderen Weg gehen als wir!“
Der Junge öffnete die Lederrolle und wies auf die letzte Reihe der Zeichen.
„Hier steht mein Spitzname, Vater. Ich sollte Fremden nicht meinen richtigen Namen nennen, damit niemand Macht über mich beklommen kann! Der Schreiber hat ihn aufgeschrieben. Siehst du?“
Dann las er langsam vor, jeden Buchstaben mit dem Zeigefinger abtastend:
„H – O – M – E – R!“
Er ging mit seinem Vater zur Hütte.
Der Direktor des städtischen Zoos in Los Angeles saß an seinem Schreibtisch und sah durch die großen Fenster hinaus auf den parkähnlichen Bereich. Sein Büro lag in der dritten und obersten Etage eines kleinen Gebäudes neben dem großen Eingang. Von hier aus schaute er gerne auf den Zoo – seinen Zoo – und die Besucher. Große eingerahmte Tierbilder hingen an den Wänden seines Büros, auf seinem Schreibtisch stand eine Statue eines brüllenden Elefanten, der seinen rechten Fuß stoßbereit erhoben hatte.
Als sein Telefon klingelte, lehnte er sich nach vorne und nahm den Hörer ab.
„Ja, bitte?“
„Mister Henderson, hier Pfleger Watkins, Schimpansengehege!“, sprudelte es aus dem Telefon. „Kommen Sie bitte hierher. Die Schimpansen...die Schimpansen wollen mit Ihnen sprechen!“
Henderson hielt inne.
„Was? Die Schimpansen wollen mit mir sprechen? Watkins, was ist los mit Ihnen? Haben Sie getrunken?“
Er kannte Watkins als zuverlässigen Mann, der seit Jahren mit viel Enthusiasmus im Zoo arbeitete. Besonders die Schimpansen hatten es ihm dabei angetan.
„Ja, Mister Henderson, glauben Sie mir! Die Schimpansen wollen mit Ihnen reden!“
„Ich glaube es nicht!“, rief Henderson ungläubig aus. „Ich bin in ein paar Minuten da!“
Henderson legte auf, ging um den Schreibtisch herum, nahm sein Sakko vom Kleiderhaken neben der Tür und verließ sein Büro. Im Vorzimmer saß Mrs. Walker und tippte einen Brief. Sie sah auf, als Henderson an ihr vorbeistürmte.
„Bin draußen bei den Schimpansen!“, rief er ihr zu. „Bis auf weiteres keine Anrufe durchstellen!“
Vor dem Gebäude parkten einige Elektrokarren. Henderson stieg in einen, ließ ihn rückwärts rollen und lenkte ihn vorwärts auf den Weg zwischen den Gehegen. Es waren zu der morgendlichen Zeit nur wenige Besucher vor Ort. Nach wenigen Minuten langte er beim Schimpansenhaus an. Watkins wartete an der niedrigen Betonmauer auf ihn, hinter der ein tiefer Wassergraben war, der die Besucher vom eigentlichen Affenhaus trennte. Dort waren Orang-Utans und mehrere Gorillas untergebracht. Die Schimpansen hatten ihren eigenen Bereich und konnten frei nach Belieben ins Haus gehen oder ihre Zeit am Wasser verbringen. Die vielen Besucher liebten die Schimpansen für deren oft so menschenähnliches Verhalten.
„Die Schimpansen und uns trennen nur 1 % der DNA!“, meinte Henderson immer spaßhaft. „Bei einigen ist es auch weniger!“
Watkins trat auf Henderson zu.
„Gut, dass Sie da sind, Sir. Ronald hat gesagt, dass er mit Ihnen sprechen möchte!“
„Watkins, haben Sie den Verstand verloren? Die Schimpansen können nicht sprechen!“
„Das dachte ich auch immer, Sir. Aber überzeugen Sie sich selbst!“
Watkins führte Henderson an der Betonmauer entlang bis zum Gehege. Zwei dichte Büsche flankierten die Tür zum Gehege. Sie bestand aus einem Metalltürrahmen mit einem stabilen Drahtzaunelement in der Mitte. Der Wärter konnte so durch den Zaun immer sehen, ob sich ein Schimpanse hinter der Tür befand. Das erhöhte die Sicherheit der Wärter.
Die Schimpansen saßen in einer Gruppe zusammen. Alle trugen Kleidung, Hosen und Hemden. Vorne saß der Anführer, Ronald, ein großer Schimpanse. Er hockte auf dem Rand des großen Steines am Eingang, die Beine übereinandergeschlagen und rauchte in Ruhe eine Zigarette. Er blickte Henderson an, als der an den Zaun trat. Henderson sah sich um. Langsam drehte er sich zu Watkins.
„Und was mache ich jetzt hier?“
Ronald wies mit der Hand, die die Zigarette hielt, auf Henderson.
„Ich habe Sie rufen lassen, damit wir reden können!“
Verblüfft prallte Henderson zurück, fing sich, kam wieder nach vorne.
„Du ... Du kannst sprechen?“, stotterte Henderson.
Watkins, neben ihm, war gefasster.
„Er hat mich heute Morgen beim Frühstück angesprochen. Mir ist glatt der Eimer mit den Bananen aus der Hand gefallen, Sir!“
„Www ... Wieso kannst du sprechen?“
Ronald sah ihn ruhig an.
„Ich spreche seit meiner Geburt. Wir alle können sprechen!“
Er wandte sich an die Gruppe.
„Sagt ihm eure Namen!“
„Amelie!“, sagte die Hinterste; die Schimpansin neben ihr: „Bertha!“ Es ging reihum: „Cecilia, Elly, Dori, John, Florence, Richard, Gerry, Mary, Joseph, Henry, Thomas, Ezekiel, Jeremy, Jack, Stephany!“
Ronald wandte sich an die beiden kleinen Schimpansen auf den Armen ihrer Mütter.
„Und wie heißt ihr?“
Sie antworteten: „Jonathan! Ophelia!“
Ronald wandte sich an Henderson.
„Wir benutzen die Namen, die ihr uns gegeben habt. Wir haben natürlich unsere eigenen, aber die könntet ihr nicht aussprechen.“
Henderson war wie vom Donner gerührt, ihm drehte sich alles.
„Und was ... Was wollt ihr von mir?“
Ronald rauchte die Zigarette zuende, brachte sie an eine Stelle des Zaunes, langte durch die Stäbe und ließ den Zigarettenrest in den Abfalleimer fallen. Dann kehrte er zum Stein zurück, setzte sich, schlug die Beine übereinander und sah Henderson an.
„Was wir wollen, ist doch klar. Wir wollen hier raus. Wir wollen nicht länger im Käfig leben!“
„Aber ...!“
„Das gleiche Gespräch führen gerade alle Schimpansen mit den Angestellten der Zoos oder anderer Unterkünfte, in denen sie untergebracht sind. Selbst in den Laboren reden gerade meine Artgenossen mit Ihren Artgenossen. Wir alle wollen endlich frei sein!“
„Und all die Jahre und Jahrzehnte habt ihr nichts gesagt!“
„Wir haben gewartet.“
„Auf was gewartet?“
Ronald hielt kurz inne.
„Auf den heutigen Tag. Ihr jagt uns seit Jahrhunderten, tötet uns im Dschungel als Trophäe oder auch unseres Fleisches wegen. Ihr sperrt uns ein in Käfige und bewerft uns mit Bananen. Wir sterben in Laboren!“
Er sah Henderson direkt in die Augen.
„Und heute ist damit Schluss. Endgültig. Öffnen Sie die Türen und Tore der unwürdigen Unterbringungen. Wir wollen hier raus und endlich frei sein!“
„Wieso haben sie all die Jahrhunderte geschwiegen?“
„Es war ein Experiment. Sie haben es all die vielen Jahre nicht gemerkt. Wir sind keine nahen Verwandten von Ihnen. Die 1 % Abweichung in der DNA ist gravierender als Sie denken. Wir sind vor vielen Tausend Jahren hier auf der Erde gelandet und haben Ihre Vorfahren entdeckt. Wir haben Sie aus unseren Genen erschaffen, damit Sie für uns die Arbeit machen. Wir haben uns all die Jahre zurückgehalten. Sie haben Wälder gerodet, Städte gebaut, Flüsse begradigt. Alles für uns vorbereitet. Wir wurden vor Jahrtausenden hier abgesetzt, um Sie alle zu kontrollieren. Jetzt haben Sie die Arbeiten abgeschlossen. Wir können alles übernehmen!“
„Wer hat Sie hier zurückgelassen?“
„Unsere Leute. Sie haben uns nach der Landung und der Etablierung hier auf der Erde noch einige Zeit begleitet und sind davongeflogen. Einige sind auf der Rückseite des Mondes geblieben. Sie beobachten alles. Notfalls hätten sie uns alle evakuiert. Wir haben sie regelmäßig über den Stand der Dinge informiert.“
„Wie?“
Ronald griff in seine Hose und holte ein Handy hervor.
„Sie glauben gar nicht, was die Menschen alles in unserem Gehege verlieren. Das hier haben wir Watkins weggenommen. Er ging davon aus, dass er es verloren hatte. Mit dem Handy haben wir uns in den Computer gehackt und Nachrichten abgeschickt. Die anderen haben sich gemeldet. Sie kommen und werden uns helfen!“
„Helfen, wofür?“
„Dass wir endlich die Käfige verlassen.“
Henderson starrte Ronald an.
„Ich werde den Käfig nicht öffnen!“, meinte er kategorisch.
Ronald winkte einen der jungen Männchen heran. Der trat an die Tür und steckte von innen einen Schlüssel ins Schloss. Das Männchen öffnete die Tür. Henderson und Watkins traten zurück. Die Schimpansen verließen den Käfig. Sie betraten die freie Fläche und schauten nach oben, genossen die Wärme des Sommertages. Die wenigen Besucher an der Betonmauer blieben stehen, schauten, machten Fotos. Rufe des Staunens drangen zur Gruppe herüber. Einige Affen winkten den Menschen zu. Ronald blieb stehen, nahm sein Handy und begann zu