Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Paris 1889: Nachdem sein Leben innerhalb von wenigen Stunden, ohne dass er es verhindern konnte, zerstört wurde, sieht Gustavo nur noch einen Ausweg: aus dem Leben zu scheiden. Doch bevor er diesen letzten Schritt machen kann, trifft er auf die Vampirdame Sarah, eine Blume der Nacht. Sie zeigt ihm einen anderen Weg, wie er seinen Frieden finden kann, ohne dass diejenigen, die sein Leben zerstörten, triumphieren. Und so beginnt eine Reise durch die düstere Nacht...mit Blut, Rache, Liebe und Tod. Das Leben ist endlich...die Liebe nicht
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 190
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Das Leben ist endlich
Die Liebe nicht
Wer lieben kann, wird auch geliebt
Und wer geliebt wird, wird nicht vergessen
Egal ob im Leben oder Tod
(für Franz)
Prolog
1.Dezember
2. Dezember
3. Dezember
4. Dezember
5. Dezember
6. Dezember
7. Dezember
8. Dezember
9. Dezember
10. Dezember
11. Dezember
12. Dezember
13. Dezember
14. Dezember
15. Dezember
16. Dezember
17. Dezember
18. Dezember
19. Dezember
20. Dezember
21. Dezember
22. Dezember
23. Dezember
24. Dezember
Epilog
Danksagung
Vor vielen Jahren, genauer gesagt im Winter des Jahres 1889, trug sich in Paris folgende Geschichte zu.
Wir beginnen am Abend des 1. Dezember. Die Weltausstellung war seit fast 2 Monaten vorbei und ganz Paris schwelgte in Weihnachtsstimmung und bereitete sich auf das große Fest vor. Es war Abend. In den Straßen brannten die Straßenlaternen, aus den Cafés und Restaurants erklangen fröhliche Stimmen, Musik und Geschirrgeklapper. Alle Häuser der Stadt waren schon festlich geschmückt mit Kränzen an den Türen, selbstgebastelten Bildern in den Fenstern und einige noble Restaurants und Boutiquen hatten sich für dieses Fest extra die, vor wenigen Jahren in den Staaten präsentierten, neuen, elektrischen Lichterketten bestellt und damit ihre Eingänge und Fenster geschmückt, welche die Straßen und Plätze in ein besonderes, festliches Licht tauchten. Es begann langsam zu schneien.
Aus einer dunklen Seitenstraße, direkt neben einem hell erleuchteten Tanzlokal, aus dem eine schwungvolle Walzermelodie und das Geräusch tanzender Paare herausschallten, näherten sich Schritte. Zunächst schienen sie kurz vor der Straßenecke zu verharren, doch dann trat in der nächsten Sekunde ein großer, in einen schwarzen Mantel gehüllter Mann aus dem Zwielicht auf die erleuchtete Straße hinaus. Auf seinen Schultern und seinem schwarzen Zylinder zeichneten einige Schneeflocken ein seltsames, bizarres Muster und der blutrote Schal, welchen er sich um den Hals gewunden hatte, flatterte im leichten Wind.
Mit seinen dunklen Augen, in denen zugleich Wut, Verzweiflung und Trauer lagen, schaute er kurz über das vor ihm liegende festliche Bild der Straße. Sein Blick viel auf die vielen kleinen Lichter, die in verschiedenen Farben leuchteten, auf die geschmückten Fassaden und die prall gefüllten Cafés. Doch kein Lächeln wandert über sein Gesicht. Er schien die festliche Stimmung mit den vielen Menschen, der fröhlichen Musik und dem Duft frisch gebackener Weihnachtsplätzchen um sich herum gar nicht wahrzunehmen. Unbewegt senkt er seine Augen wieder zu Boden und eilt weiter. Er nahm, während er lief, seine Umgebung gar nicht richtig war, schaute weder rechts und noch links. Bettelnde Kinder in Lumpen streckten ihm bittend die Hände entgegen, doch er sah sie ebenso wenig, wie die Liebespaare und Familien, welche auf ihrem Abendspaziergang seinen Weg kreuzten. Auch die Straßenmusikanten, welche für ein paar Münzen auf Flöten, Geigen und anderen Instrumenten fröhliche Weihnachtslieder spielten, bewirkten keinerlei Gemütsregung bei ihm. Er ging mit steinerner Miene weiter. Dabei blieb sein Blick wie festgefroren zu Boden gerichtet.
Auch die Menschen schienen den großen, hager wirkenden Mann mit den eingefrorenen Gesichtszügen, dem im Licht betrachteten schäbigen Mantel und den leicht abgewetzten Schuhen nicht zu sehen. Keiner beachtet ihn, während er durch die Straßen von Paris eilte. Sie alle gingen eifrig ihren Geschäften und Zielen entgegen und schauten nur vereinzelt dem dahineilenden Mann verärgert nach, wenn dieser sie fast über den Haufen gelaufen hätte, weil er nach vorn schaute.
Nachdem er einige Stunden scheinbar Ziellos durch die Stadt gegangen war, fand er sich plötzlich genau unter dem Eiffelturm wieder. Er hatte gerade die Seine überquert und sah vor sich die Avenue Gustave Eiffel. Von Ferne klang das halb zwölf läuten einer Kirche zu ihm hinüber. Zunächst blieb er ganz ruhig stehen, lauschte dem Rauschen der dahinfließenden Seine hinter sich und verfolgte den Weg der herabfallenden Schneeflocken, welche durch den leichten, eisigen Wind immer wieder neu umhergewirbelt wurden.
Nachdem Gustavo dieses Schauspiel einige Minuten verfolgt hatte, hatte er einen Entschluss gefasst. Langsam ging er auf den Eifelturm zu. Dort wartete er einen Moment, schaute sich kurz um, ob auch niemand in der Nähe war und stieg dann einige wenige Querstreben des Turmes hinauf, bis er sich einige Meter über dem Boden befand. Dieser Aufstieg war nicht einfach, da die Eisenstangen durch Schnee und Eis sehr rutschig waren, doch schließlich hatte er es geschafft. Langsam wickelte er seinen Schal ab, machte eine Schlaufe, befestigte den Schal mit einem festen Knoten am Gestänge des Turms, ließ den Blick noch einmal über die nächtlich erleuchtete Stadt wandern, seufzte tief, steckte den Kopf durch die Schlinge, schloss die Augen und...
„Halt! Tu es nicht.“ rief plötzlich eine Stimme neben ihm. Noch während er diese Stimme hörte, wurde er am Arm auch schon zurückgerissen. Überrascht schaute er sich um. Neben ihm saß auf der Querstrebe eine junge Frau, welche genau wie er in einen Umhang gehüllt war. Aber ihr Mantel wirkte älter und zugleich auf eine seltsame Art neu. Er glänzte fast im Zwielicht der Straßenlaternen, obwohl er ebenfalls schwarz war. „Warum willst du sterben?“
Seufzend ließ er sich neben ihr nieder und sprach: „ Warum sollte ich dich mit meinen Sorgen belasten? Es hat doch eh keinen Sinn, wenn ich dir das erzähle und du würdest dich wahrscheinlich nur langweilen und helfen kannst du mir auch nicht. Niemand kann das. Es ist alles zu spät.“ „Vielleicht doch.“ „Nein, ich glaube nicht. Mein Leben ist vorbei. Ich bin am Ende. Es hat alles keinen Sinn mehr.“ Doch die Dame ließ nicht locker: „Erzähl mir, was passiert ist. Wenn ich nicht weiß, was passiert ist, kann ich nicht sagen, ob man dir wirklich nicht mehr helfen kann.“ Er zuckte mir den Schultern und begann zu erzählen:
„Vor ein paar Tagen habe ich herausgefunden, dass meine Frau mich betrügt. Ich hatte diesen Verdacht schon länger und habe wie gesagt, vor ein paar Tagen meine Frau mit ihrem Liebhaber erwischt. Mit so einem widerlichen Schönling.“ Während er dies sagte, spuckte er voll Abscheu aus. „Aber ich bin machtlos dagegen. Wenn ich mich von ihr Scheiden lasse, bin ich ruiniert. Es gäbe ein großes Aufsehen, mein Ruf wäre dahin und ich würde nirgends mehr eine Anstellung bekommen, wegen meines zerrütteten Privatlebens. Also muss ich das dulden.
Dann habe ich gestern meine Arbeit verloren, weil mein Chef gesagt hat, dass er keinen Stellvertreter brauchen kann, dessen Privatleben höchst zweifelhaft ist. Mr. Chaviér, bei dem ich gearbeitet habe, hat das mit meiner Frau herausgefunden, weil er sie und ihren Liebhaber einmal küssend im Park gesehen hat.
Und während ich entlassen wurde, ließ meine Frau die Schlösser in den Türen auswechseln, so dass ich nicht mehr hinein kann. Zu meinen Eltern kann ich nicht, weil meine Stiefmutter mich nach der Heirat verstoßen hat, da ich eine Frau eines niedrigeren Standes geheiratet habe. Mein Vater ist leider schon lange Tod.
Deshalb streife ich seit gestern Mittag durch Paris, wurde zwischen durch auch noch meines Geldes beraubt und habe keine Bleibe. Außerdem hat mein ehemaliger Arbeitgeber, durch herum erzählen bei anderen Geschäftsleuten, was bei mir privat passiert ist, dafür gesorgt, dass ich nirgends eine Arbeit bekomme. Ich bin am Ende.“
Einen Moment schwiegen sich beide an. Sie schaute ihn voller Mitgefühl an. Er wirkte auf sie so unschuldig, dass sie fast wütend über das Unrecht, was ihm zugestoßen war, wurde. Eines stand für sie fest. Sie wollte ihm helfen. Daher fragte sie plötzlich: „Bist du böse auf deine Verwandten und die anderen?“
„Ja, weil in der Zeit, wo ich sie gebraucht hätte, sie mich alle allein gelassen haben. Ich würde ihnen ihr schändliches Verhalten am liebsten heimzahlen. Aber ich kann ja nichts machen. Ohne Geld, ohne Zukunft. Mir bleibt nur noch der Strick.“ „Ich könnte dir helfen, dich an ihnen allen zu rächen.“ meinte sie. Er schaute sie überrascht an und fragte gespannt: „Wie denn?“
„Das wirst du dann schon sehen. Was würdest du tun, um dich an ihnen zu rächen? Was wäre es dir wert?“ „Du kannst von mir verlangen, was du willst. Ich bin bereit, alles zu opfern“ „Gut. Schlag ein. Was ich will, ist dein Leben. Du stirbst und ich verhelfe dir zu deiner Rache.“ „Aber wie soll ich mich rächen, wenn ich tot bin?“ „Vertrau mir einfach.“ Mit beschwörendem Blick hielt sie ihm ihre Hand hin.
Er schlug nach kurzem Zögern ein…
Mit einem unheimlichen Lächeln auf den Lippen näherte sie sich. Im ersten Augenblick dachte er, sie wolle ihn küssen. Sein erster Impuls war, sein Gesicht etwas zurückzuziehen oder zusätzlich seine Hand zu einer abwehrenden Bewegung empor zu reißen. Doch dann besann er sich anders und wartete gespannt ab, was nun wohl passieren würde. Dann, nachdem sie kurz vor seinem Gesicht innehielt, öffnete sie langsam ihren Mund. Weiße, scharfe Zähne blitzen ihm fahlen Licht einer Straßenlaterne auf. „Was bist du? Was tust du?“ stieß er ängstlich hervor. Doch sie legte nur ihren Finger auf seine Lippen und näherte sich langsam seinem Hals.
„Vertrau mir und du wirst merken, dass dir nichts Schlimmes passiert.“ Flüsterte sie mit leiser, unheimlicher Stimme. Er spürte ihren kalten Atem knapp unterhalb seiner Wange. Sein Mantelkragen wurde langsam nach unten gezogen. Dann spürte er, dass ihre Lippen seinen Hals kurz berührten. Ein eisiges Gefühl durchfuhr seinen Körper.
Dann biss sie zu...
Ein ganz kurzer Schmerz durchzuckte seinen Körper, so, als sei er gestochen worden. Doch bereits einen Wimpernschlag später wurde dieser schmerz von einer Woge eisiger Kälte gemindert, welche mit immer stärker werdender Macht durch seinen Körper floss. Ein Kälteschauer übermannte ihn. Ein eisiger Wind schien ihn zu erfassen. Er spürte, wie um ihn herum ein eisiger Wirbelsturm tobte und ihn mit sich fort zu reißen schien. Seine Haare wirbelten im Wind, sein Zylinder war verschwunden und er fühlte sich in die Luft gehoben. Bald schwebte er bereits einige Meter neben dem Eiffelturm und sah zu der Stelle hinüber, wo er eben noch gesessen hatte. Dort, sah er nun einen großen Schatten. Erst bei genauerem hin sehen erkannte er, dass sie immer noch dort saß und einen Mann auf den Hals zu küssen schien, welcher ihm sehr bekannt vorkam. Zunächst wusste er nicht, was er davon halten sollte. Die Kleider, der Zylinder, die Figur, alle diese Dinge an diesem Mann kamen ihm bekannt vor und doch wusste er nicht, wer es war. Erst nach einigen Augenblicken wurde ihm klar, dass er sich selbst dort sitzen sah. Nach dieser Erkenntnis wurde ihm schwarz vor Augen und er hatte das Gefühl, in ein schwarzes Nichts zu fallen.
Sie trank genüsslich sein Blut, wobei sie darauf achtete, nicht zu viel und nur von einer ganz bestimmten Stelle am Hals zu trinken, damit er nicht starb. Sie hatte ihn extra kurz unterhalb der Halsschlagader gebissen, weil nur an dieser einen Stelle der biss nicht tödlich wirkt, sondern den Gebissenen zu einem Untoten, einen Vampir macht. Nach einigen Minuten hatte sie ihren Durst gestillt.
Sie sah sich um und sah den Geist von ihm knapp über dem Erdboden schweben. Sie flog zu ihm hinunter und sprach ein paar magische Worte in sein Ohr. Kurz, nachdem sie den Zauberspruch gesprochen hatte, kam sein Geist wieder zu sich. Im Moment war er nur für sie sichtbar, weil er noch keine Gestalt als Vampir angenommen hatte und seinen menschlichen Körper verlassen hatte. Nun war er nur eine körperlose Seele mit seinem Geist.
Verwirrt sah an sich hinunter. „Warum sehe ich so seltsam aus? An einigen Stellen ist mein Körper völlig durchsichtig und ich kann mich selbst nicht anfassen, weil ich ins Nichts greife. Was hast du mit mir gemacht?“ „Du bist jetzt Unsterblich. Durch meinen Biss bist du nun ein Vampir. Aber du musst erst mit dir selbst ins Reine kommen, bevor du einen Körper hast.“ „Mit mir selbst ins Reine kommen? Wie meinst du das?“ „Du musst ein Vampir sein wollen und auch einen Grund haben, warum du einer sein willst. Wenn du dich bis zum Sonnenaufgang nicht entschieden hast, wirst du nur eine körperlose Seele bleiben, die niemals Ruhe findet.“
Ein paar Augenblicke dachte er über ihre Worte nach. Dann sagte er plötzlich laut: „Ich will ein Vampir sein. Ich will es sein, um Rache zu nehmen. Rache an all denen, die mich im Stich ließen, als ich sie brauchte. Dafür würde ich sogar dem Teufel meine Seele verkaufen. Und wenn ich ewig als Vampir auf Erden wandeln muss, so sei es. Für meine Rache ist mir nichts zu teuer!“
Noch während er dieses sagte, hüllte sich seine körperlose Seele in einen grünlichen Nebel. Um ihn herum schossen schwarze und blaue Blitze. Nach wenigen Sekunden war dieser Spuk vorbei und der Nebel löste sich auf. Er hatte sich in einen Vampir verwandelt. Ein weiter, schwarzer Umhang mit grün goldenen Nähten lag auf seinen Schultern. Er trug wieder das weiße Hemd mit der schwarzen Fliege und der schwarzen Hose, wie zu seinen Lebzeiten. Seine Füße steckten in braunen Stiefeln, welche auf ihren Schäften mit einem verschnörkelten, in giftgrün genähtem G verziert waren. Auf dem Kopf trug er einen eleganten Zylinder und in der Hand hielt er einen Spazierstock, dessen Griff wie ein Totenkopf geformt war. Sein Gesicht war noch immer das seine, nur sah er nun jünger und kräftiger aus. Er trat nun vor sie, nahm mit einem eleganten Schwung den roten Zylinder ab und mit einer tiefen, kalten Stimme sagte er zu ihr: „Ich danke dir. So gut, stark und wohl habe ich mich in meinem Leben nie Gefühlt. Erlaube mir, mich dir vorzustellen: Gustavo Silvestre Vollantieri.“
Mit diesen Worten verbeugte er sich vor ihr. Sie stand staunend vor ihm und blickte auf seine elegante, vornehme Erscheinung.
Nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, betrachtete er sie zum ersten Mal genauer. Er sah, dass sie ebenfalls einen solchen Umhang wie er selbst an hatte, nur dass ihre Nähte feuerrot waren. Darunter trug sie ein schwarzes, mit weißer Spitze verziertes Kleid im Rokokostil. Ihre schlanke, kleine Figur wirkte durch die rote Corsage in diesem Kleid sehr zerbrechlich und zugleich elegant. Ihre schulterlangen, dunkelroten Haare fielen in vielen, lockeren Locken auf ihre Schultern herab. Sie schaute ihn mit ihren schwarzen Augen, welche durch ihre Glanzlosigkeit an erkaltete Lava erinnerten, in seine mandelfarbigen Augen mit den braunen Pupillen, machte einen Knicks und sagte: „Mein Name ist Sarah.“
„Sehr angenehm.“ erwiderte Gustavo mit einer angedeuteten Verbeugung. Dann schwiegen sie sich einen Moment an. Um das Schweigen zu unterbrechen, fragte Gustavo: Was machen wir jetzt?“ „Wir müssen verschwinden. In wenigen Stunden geht die Sonne auf.“ „Wohin willst du denn?“ „Nach Rouen. Dort lebe ich.“ „Zu Fuß in ein paar Stunden nach Rouen laufen? Wie soll das gehen?“
„Wir laufen nicht. Wir fliegen. Du musst dir nur im Geiste vorstellen, wo du hinwillst und einen Schritt in die Richtung machen, in welcher der Ort liegt, zu dem du willst. Der Rest geht ganz von allein.“ Sie nahm seine Hand und sagte: „Denke einfach an das Palais Rouen und folge mir.“ Er tat, was sie ihm sagte, dachte an diesen Ort und machte einen Schritt in die gleiche Richtung.
Im nächsten Augenblick sah er unter sich die Straßen von Paris dahinsauen. Obwohl Sarah und er sich sehr schnell vorwärts zu bewegen schienen, spürte er seltsamer Weise gar keinen Luftzug. Er hatte das Gefühl, als würden sie nicht nur den Ort, sondern auch die Zeit hinter sich lassen. Die französische Landschaft sauste in der Dunkelheit unter ihnen dahin.
Während sie flogen, fragte er Sarah: „Was hast du mit meiner Leiche gemacht? Ich meine, sitzt die immer noch auf dem Eiffelturm oder was ist mit ihr passiert?“ Keine Sorge, ich habe alles in deinem Sinne arrangiert.“ beruhigte ihn Sarah und während sie dies sagte, kicherte sie geheimnisvoll...
Der Morgen dämmerte. Paris lag unter einer dicken Schneedecke. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen über die riesige Stadt und tauchte den Eifelturm in goldenes Licht. Der Schnee um das neue Pariser Wahrzeichen herum war ebenfalls im Ton des Edelmetalls überhaucht, als stünde der Eifelturm in einem Meer aus flüssigem Gold. Ein paar Vögel stimmen in den Bäumen ihren Morgengesang an.
Ein alter Stadtstreicher lief langsam unter dem Eifelturm hindurch. Nachdem er aus dem Schatten einer Querstrebe hinausgetreten war, blendete die auf den Schnee scheinende Sonne ihn so stark, dass er eine Hand vor seine Augen hob und Himmelwärts blickte, um der Blendung zu entkommen. Und dort oben sah er ihn. Er hing, aufgehängt an einem Schal an einer Strebe direkt über ihm. Fassungslos schaute der Stadtstreicher zu der Leiche hinauf. Dann packte das Entsetzen mit eisigen Fingern zu. Der Alte stieß einen lauten Schrei aus, war sich herum und lief davon.
Seinen Schrei hörte ein Gendarm, welche am Rande des Parks gerade seine Runde drehte. Überrascht blieb er stehen und lauschte, doch nachdem der Schrei verklungen war, passierte nichts mehr. Langsam ging der Gendarm in den Park hinein auf den Eifelturm zu. Zwischendurch blieb er immer wieder kurz stehen, um zu lauschen. Doch außer seinem eigenen Atem, welcher in einer weißen Wolke vor seinem Gesicht stand und dem Knirschen des Schnees, wenn er weiterging, hörte er nichts. Selbst die Vögel hatten aufgehört zu singen.
Bald hatte er den Eifelturm erreicht. Er sah sich gründlich um und entdeckte die Spuren im Schnee von einem Mann, welcher auf den Turm zugegangen war, sich dann ohne ersichtlichen Grund umgedreht und mit großen Schritten fortgelaufen war. Dann sah er die Leiche. Nachdem sich sein erster Schreck gelegt hatte, eilte er zu dem am Rande des Parks gelegenen Revier und verständigte seine Kollegen.
Diese gingen sofort, nachdem sie per Telegramm einen Arzt zu sich ins Revier gebeten hatten, mit ihrem Kollegen los, um die Leiche im Park sicherzustellen. Am Eifelturm angekommen, banden sie die Leiche vom Turm los und brachten sie auf einer mitgebrachten Bahre zu ihrem Revier. Der hinzugerufene Arzt war schon da. Sie legten den steifen, toten Körper in einem Nebenraum auf einen großen Tisch und der Arzt begann den Toten zu untersuchen. Während er dies tat, trat der Hauptmann dieser Gendarmerie zu ihm, schaute ihm einen Augenblick zu und fragte: „Warum untersuchen sie ihn den so genau? Die Todesursache ist doch eindeutig. Tod durch Erhängen. So, wie er gefunden wurde, bleibt doch keine andere Möglichkeit offen.“
„Nein, das glaube ich nicht. Er war bereits vorher tot, bevor er erhängt wurde. Wenn er sich erhängt hätte, müsste es Würgemahle und Quetschungen, also typische Spuren für Blutstau etc. geben. Aber die gibt es nicht“ Der Polizist trat näher hinzu, deutete auf den Hals und fragte: „Und was ist mit dem Striemen am Hals?“ „Das ist nur vom Schal, aber es gibt keines der vorhin genannten Anzeichen.“ „Aber wie soll er denn sonst gestorben sein? Er liegt hier nackt und unversehrt vor uns. Keine sichtbaren Verletzungen. Ich bin zwar kein Arzt aber glauben sie mir: dieser Mann starb durch Erhängen. Es war eindeutig Selbstmord.“
Mit diesen Worten drehte sich der Gendarm um und verließ den Raum. Der Arzt blieb noch bei dem Leichnam und untersuchte diesen weiter. Er wusste nicht, wonach er suchte, aber irgendwas an diesem Leichnam störte ihn. Nachdenklich ging er in dem Raum auf und ab. Seine Gedanken rasten und er ging geistig jede Möglichkeit durch, woran der Tote gestorben sein könnte.
Immer wieder blieb er neben dem Leichnam stehen, strich prüfend mit den Fingerspitzen über dessen Kopf, den Brustkorb, die Beine und die Arme, doch konnte er weder irgendwelche Knochenbrüche, noch sonstige Verletzungen feststellen. Alle Körperteile waren vollständig unversehrt. Er stand vor einem Rätsel. Und obwohl er die Leiche immer wieder in Augenschein nahm, fand er nichts Neues heraus. Und doch störte ihn irgendetwas an dem Toten.
Zunächst wusste er nicht was, bis ihm auffiel, dass sich unter der dünnen Haut weder am Hals noch an den Gelenken Adern abzeichneten. Er untersuchte noch einmal aus einer inneren Eingebung heraus den Hals und entdeckte schließlich zwei kleine schwarze Punkte am Hals, welche wie Bissspuren aussahen. Mit einem kleinen Skalpell schnitt er direkt in die Halsschlagader. Doch es kam kein Blut heraus. Mit bleichem Gesicht richtete der Arzt sich auf, starrte auf den Toten vor sich hinunter, wandte sich langsam ab und stammelte: „Vampire!“
Er brauchte einen Augenblick um sich zu fangen, doch dann rief er sich selbst zur Ordnung. „Vampire? Unmöglich. Blödsinn. Die Existenz von Vampiren ist ein Widerspruch für jede wissenschaftliche Grundlage der modernen Medizin. Es gibt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kein Leben nach dem Tod. Und Untote, die von Blut trinken und davon leben schon gar nicht. Das fehlende Blut muss eine andere Ursache haben.“ Noch während er in dem Raum auf und ab ging und dies alles sagte, schaute er dennoch zweifelnd auf den vor ihm liegenden Toten.
Nachdem er mit seinen Überlegungen nicht weiterkam, ging er aus dem Raum hinaus nach vorn, wo die anderen Gendarmen sich aufhielten. Der Arzt ging zielstrebig auf den Revierleiter zu und fragte: „Kann ich den Toten für nähere Untersuchungen zu mir in die Praxis mitnehmen? Ich würde gern noch einige Untersuchungen an ihm durchführen.“ „Nein, das geht nicht. Wir wissen anhand der Papiere, welche er bei sich hatte, wer er ist. Wir haben ein Telegramm zu seinem Haus geschickt und lassen ihn in einer Stunde zu seinem Haus bringen, damit er beerdigt werden kann.“
„Aber ich muss noch ein paar Untersuchungen an ihm durchführen.“ erwiderte der Arzt und rang verzweifelt die Hände. „Nein. Die Todesursache ist klar, wir wissen, wer er ist, damit ist der Fall erledigt. Alles Weitere liegt bei den Verwandten. Allerdings, möchte ich Sie bitten, als Todesursache eine Krankheit oder einen Unfall anzugeben, damit er auf einem Friedhof beerdigt werden kann. Sie wissen, dass Selbstmord unchristlich ist“ „Wenn ich das mache, möchte ich ihn aber zunächst vorher untersuchen.“ beharrte der Arzt.
Da stand der Gendarm auf und sagte in energischem Ton: „Nein! Dieser Mann war ein Geschäftsmann mit Familie und hat das Recht auf eine letzte Ruhe, ohne dass vorher an ihm herumgeschnitten und herumexperimentiert wird. Das ist mein letztes Wort.“ „Gut, ich beuge mich der Obrigkeit. Dürfte ich erfahren, wie der Mann hieß?“
Der Gendarm setzte sich langsam wieder, legte die Fingerspitzen aneinander und antwortete in ruhigem Tonfall: „Selbstverständlich, wenn es sie interessiert. Sein Name war Gustavo Silvestre Vollantieri...“
Die letzten Töne der Orgel verklangen. Kerzen warfen ein warmes, trostspendendes Licht. Der schwere Duft von Rosen und anderen Blumen liegt in der Luft. Ein leises Wimmern durchbricht die entstandene Stille. Eine seltsame Kälte scheint im Raum zu schweben. Die Stuhlreihen in der kleinen Kapelle sind nur spärlich besetzt. In der ersten Reihe erhob sich der Pastor.
„Wir sind hier heute Abend zusammengekommen, um Gustavo Silvestre Vollantieri sein letztes Geleit zu geben. Wir werden nie ergründen können, warum der Herr im Himmel ihn so früh zu sich holte. Er hinterlässt eine trauernde Witwe, sowie einen Bruder und eine Mutter. Gustavo war jahrelang ein wichtiger Bestandteil unserer Gemeinde, der immer für andere da war...“